solchen Auffassung fern gehalten und werde es hoffentlich auchin Zukunft thun."--Die„Pall Mall Gazette", eine conservative englischeZeitung, unterzieht, gleich allen anderen englischen Blättern, denEntwurf einer unbedingt verdammenden Kritik..Sollte die Vorlage," so sagt sie,.zum Gesetze erhobenwerden, so müßte sie das politische Leben Deutschlandsschwer schädigen: Statt den Sozialisten ein Ende zu bereiten,wird das Gesetz deren Begeisterung heben, sie über ihrenEinfluß aufklären und selbstverständlich ihre Ueberzeugungbestärken, daß die bestehende gesellschaftliche Ordnungeine wesentlich ungerechte ist. Die Liberalen werden kaumminder unter dem Gesetze leiden, als die Sozialisten. Die Harm-losesten liberalen Grundsätze werden als die Aussaat künftigenUnheils betrachtet werden und die deutsche Polizei wird ihreMachtbefugnisse in bekannter Weise zur Geltung bringen—Dank der Unterstützung der nationalliberalen Partei, welche sichzu diesem Entschlüsse entschieden, um eine rein eingebildeteGefahr abzuwenden. Denn es liegt auf der Hand, daß derFürst, selbst wenn er sich mit dem heiligen Stuhl verständigt,nicht auf die Unterstützung der Centrumspartei rechnen kann.Viel wahrscheinlicher ist, daß er den gegenwärtigen Stand derVerhandlungen verheimlicht, um die Nationalliberalen nach derbereits eingeschlagenen Richtung zu drängen. Haben sie sicherst soweit einschüchtern lassen, um das Gesetz anzu-nehmen, so hat die Regierung eine solch mächtigeWaffe gegen sie selbst in Händen, daß die Parteifrüher oder später willig jeden Preis für dessen Auf-Hebung entrichten wird. Die einziges??) höhere und männ-liche Politik ist die der Fortschrittler und würden die National-liberalen gut thun, sich derselben offen anzuschließen. Vielleichtwürde dies zu einer nochmaligen Auflösung des Reichstagesführen, allein die letzten Wahlen haben bewiesen, daß sie denAppell an die Nation nicht zu scheuen brauchen!"—In Bezug aus letzteren Punkt irrt sich das Londoner Blattgewaltig. Die letzte Wahl hat den Nationalliberalen 30 Sitzegekostet und sie als Partei zersprengt. Sie zählen jetzt imReichstag genau halb so viel Mitglieder wie 1874, und einebaldige Neuwahl würde die Vernichtung der Partei vollenden.Das wissen die Herren Nationalliberalen, und daraus erklärtstch ihre feige, unentschlossene Haltung. Freilich wären sie nichtso feig und unentschlossen, sie wären nie in diese kritische Lageg. kommen. Allein von Disteln kann man keine Trauben, vondem Gros der Nationalliberalen keine Mannhaftigkeit erwarten.(Fortsetzung folgt.)Aus Rußland.Odessa, Anfang August.Es wird Ihnen wohl bekannt sein, daß in Odessa EndeJuli(alten St.) ein politischer Prozeß stattgefunden hat. DerProzeß, ein weiteres Glied in der Kette der seit o Jahren Rußland in beständiger Aufregung haltenden Prozesse, ist wegenbewaffneten Widerstandes wider die Militärbehörde und aufHochverrath eingeleitet. Der Prozeß wurde vor dem Kriegs-gericht verhandelt, da zur Zeit des Vorfalls Odessa sich unBelagerungszustand befand. Der Inhalt des Prozesses ist kurzfolgender:Im Januar d. I. fand eine Haussuchung auf Denunziationhin statt in der Wohnung des Angeklagten Swititsch und derFrauen Witten und Merschanowa. Man fand dort eine Mengesozialistischer Schriften, Broschüren und Aufrufe, sowie eineDruckmaschine mit dem dazu gehörigen Material. Unter denAufrufen, die einen Protest gegen den abfcheulich-heuchlerischenKrieg enthielten, waren solche, die zur Zeit der stattgehabtenHaussuchung in fast allen größeren Städten Südrußlands ver-breitet und an deren Wänden affischirt waren, mit der Forderungvon Reformen im Sinne der Freiheit und des Rechts. Außerden Schriften wurden auch Revolver und Dolche, die von denAngeklagten gewöhnlich getragen worden waren, vorgefunden.Dieses Mal aber sollte die Haussuchung nicht friedlich, wie ge-wöhnlich, ablaufen. Die Frechheit, mit welcher die nichtgelehrtenund gelehrten Gensdarmen(Staatsanwälte), diese„Ohren undAugen" des milden Czaren bei Haussuchungen verfahren, istwahrhaftig empörend. Kein Haus ist vor diesen Banditen sicher,sie dringen in ein jedes kaum verdächtige Haus meistens in späterNachtstunde, am frühen Morgen, selten am hellen Tag— dasist ihnen übrigens ganz egal, wenn nur das Ziel— abzufassenEtwas vom Grasen Wilhelm von Bismarck.Bei der am 28. August stattgehabten Nachwahl im WahlkreiseMühlhausen-Langensalza war bekanntlich der Sohn seines Vaterszum Candidaten aufgestellt worden. Ein freiconservativer Wahl-verein, an dessen Spitze Oberbürgermeister Dr. Engelhardt undStadtverordnetenvorsteher Werner in Mühlhausen stehen, hattenun einen lithographirten Wahlaufruf erlassen, welcher zur Wahldes Grafen Wilhelm von Bismarck ausforderte, und der die all-gemeinste Verwunderung erregt hat. Im Aufruf wird gesagt:„Wir haben sicheren Grund zu der Annahme, daß dieserjunge hochbegabte Mann die ihm durch solche Wahl eröff-nete politische Wirksamkeit ganz im Sinne unseres bisherigenReichstagsabgeordneten Minister Dr. Friedenthal ausüben werde.Schon ist in dem Kreise Weißensee für ihn eine größere Zahlvon Stimmen gewonnen. In der nächsten Zelt wird er selbststch seinen Wählern hier vorstellen. So hoffen wir denn zu-versichtlich, daß die große Mehrheit unserer Mitwähler ihm ihreStimme geben und damit sich ganz in Uebereinstimmung mitder bei den früheren Reichstagswahlen so wohl bewährten, treuzu Kaiser und Reich stehenden Gesinnung erhalten werde."Zu dieser Reklame schreibt man der„Magdeburger Zeitung"aus Mühlhausen:„Möglich, daß derselbe(nämlich Gras Wilhelm Bismarck)ein tüchtiger Mann nicht nur in seinem Fache werden, sondernauch dereinst das Zeug zu einem würdigen Vertreter eines deutsch-konservativen Wahlkreises haben wird. Bis jetzt aber bietet erhierfür keine Garantien. Äußer einigen Studentenaffairenund etlichen Ferienreisen in Begleitung seines Baters hat dieWelt nichts weiter von dem jungen Herrn erfahren, als daß erin den letzten Tagen glücklich sein Asfessorenexamen bestandenhat. Diese an sich ja ganz löbliche That wird doch am Endenicht genügen, ihn einer intelligenten Wählerschaft als Candi-daten zu empfehlen. Es ist eine etwas starke Zumuthung, welchejene angeblich fre'conservativen Herren einsichtigen und erwach-senen Wählern stellen,„dem Sohn des großen Vaters ihreStimmen zu geben, nicht um des Sohnes willen, sondern umden Vater zu ehren". Wir wollen auf die Perspektive, welcheder Aufruf selbst eröffnet, gar nicht eingehen, wir wollen dieVersicherung jener freiconservativen Herren, daß keine Reaktionerstrebt und die bürgerlichen Freiheiten der reichstreuen Bevöl-und abzufangen— erreicht wird. Das ist sozusagen der Grund-Pfeiler unseres Rechts, oder besser unserer Rechtslosigkeit, desRechts, in der späten Nachtstunde aus dem Bette herausgerissen,barsch verhört, frech durchsucht und gleich dahin abgeführt zuwerden, von woher man nur Physisch gebrochen zurückkommt;meistens kommt man gar nicht zurück, sogar die Leichen derpolitischen Jnhaftirten werden den Angehörigen verweigert. Unddas Älles im Namen der„heiligen Ordnung", auf welcher sichdie Wohlfahrt— bei Leibe nicht des russischen Volkes— derRomanows und des kleinen Häufleins aus deren nächsten Nähebegründet. Im Namen derselben Ordnung wird sogar die ab-geschaffte Prügelstrafe gegen politische Sträflinge erlaubt, wiees ganz Europa aus dem Vorfall mit Bogoljuboff erfahrenhatte. Diese Einrichtungen, so blöde und barbarisch sie auchsein mögen, würden die Form des Protestes, die wir in unseremFalle sehen, nicht herausgefordert haben, wenn nur die Hand-langer der russischen Regierung menschlicher verfahren Üättenund weniger von ihrem lakaienhaften Eifer beseelt wären. Durchdas blöde Verfahren der russischen Regierung, den in Europasogenannten Nihilismus durch gewaltsame Maßregeln, durchTödtung jedes freien Gedankens, jedes freien Wortes, durchHetzereien auf Alles, was nur einen Anstrich von Selbstständig-keit besitzt, hatte die Regierung in den letzten 5 Jahren solchegrausamen Sitten und Gebräuche unter den Staatsanwälten undGensdarmen auferzogen, die alles Denkbare übertreffen. Dashöhnende und idiotische Lachen über den Schrecken eines jungenMädchens, gewaltsames Eindringen in dessen Schlafzimmer,Verletzung ihres weiblichen Ehrgefühls, ja ihrer Ehre, undwas bei Haussuchungen gang und gebe ist, das junge Machenvon einem Gensdarmen im Beisein von vielen Männern amganzen Körper durchsuchen zu lassen, dem Mädchen ehrverletzendeÄnerbietunqen zu machen; das grobe Verletzen der Gefühlezwischen Mann und Weib, Bater und Sohn; durch Foltern Ge-ständnisse zu erzwingen, die man nachher fälscht, um sie besserausbeuten zu können, und endlich die schmutzigsten Verleum-düngen— und alle diese schönen Sachen beg-gnen dem gehetztenNihilismus! Wie schwer müssen auf der Seele eines jedenSozialisten und Freidenkenden, eines jeden Geächteten und Verfolgten diese persönlichen Beleidigungen und Verletzungen seinesNächsten lasten. Die politischen Prozesse der letzten Zeit, soheuchlerisch und komödienhaft sie auch seitens der Regierung geführt worden, haben doch dem russischen Volke gezeigt, was fürabscheuliche Sitten und Gebräuche in diesem Neste der czarischen.Ohren und Augen" herrschen. Diese Prozesse empörten dasPublikum: sie zeigten, daß Leute, die sogar nach russisch staats-anwaltlicher Ansicht unschuldig sind, jahrelang in Untersuchungshast in verpesteten Kerkern gehalten, um nachher mit ganz zer-rütteter Gesundheit befreit zu werden.Und was ist natürlicher, als daß Diejenigen, die diese los-gelassene Meute von czarischen Lakaien auf ihren Fersen habenund infolge dessen in einen solchen Zustand von Erregtheit ge-rathen, bei dem man ein unüberwindliches Gelüste fühlt, dieseScheusale, die mit Jedem das niederträchtigste Spiel treiben, zuvernichten, zu erdrücken. Es ist selbstverständlich, daß untersolchen Verhältnissen in den letzten 5 Jahren unter den russischenNihilisten soviel Haß gegen diese Wirthschaft sich ansammelnmußte, daß Thatsachen der Art, wie in dem letzten OoessaerProzesse vorkamen, unbedingt geschehen mußten. Sie werdensich immerfort wiederholen, diese Thatsachen, weil die russischeRegierung mit ihren blöd-dummen Hetzereien gegen jeden Funkenvon freien Gedanken, mit ihren unsäglichen Quälereien derSozialisten, die letzteren lu solch wilder Vertheidigungführen muß. Noch mehr, die russischen Zeitungen schweigenüber solche Vorgänge, und wenn sie schon etwas darüber schreiben,geschieht es nur, um die Sozialisten mit Koth zu bewerfen unddie Weisheit der Regierung zu vertheidigen.Der Odessaer Vorfall, wie oben schon bemerkt, ist nicht soglatt abgelaufen. Die 10 Gensdarmen, mit dem Staatsanwaltvoran, als sie in die Wohnung der oben angeführten Angeklagteneindringen wollten, wurden mit Revolverschüssen empfangen(inder Wohnung befanden sich noch, außer den Miethern, IwanKowalsky, Sohn eines Popen, und die Adeligen Witaschewskyund Klenoff). Die Gensdarmen mußten retiriren mit ihremOffizier, der stark verwundet wurde. Sogleich wurde Militärrequirirt, und nur der überlegenen Macht der Soldaten undGensdarmen gelang es, nach einem kurzen Kampfe sich derWohnung zu bemächtigen und die Delinquenten zu verhaften.Bon den Belagerten waren zwei, von den Belagerern, außer demOffizier, drei Soldaten verwundet. Dieser Vorfall bildete denkerung keine Schädigung erleiden werden, nicht näher beleuchten,obschon es zugegeben sein dürfte, daß Graf Wilhelm, wenn seinVater eine solche rückläufige Bewegung einleiten wollte, schwerlichder Mann dazu wäre, einem derartigen Beginnen Widerstand zuleisten. Aber zweifellos ist, daß es im eigenen Interesse desjungen Mannes, der vor einigen Wochen 26 Jahre alt geworden,liegt, nicht der so nothwendigen praktischen Ausbildung in seinemFache schon jetzt entrissen zu werden, welche er hoffentlich selbstnoch nicht für vollendet hält. An die liberalen Wähler trittaber, je klarer die Absicht der Gegner sich enthüllt, nicht mitwirklichen Verdiensten, sondern mit einem bloßen Namen in dieKampflinie einzurücken, desto gebieterischer die Pflicht, einig undrastlos die kurze Zeit zu nützen und für Prof. Reuleaux beiallen Freunden und Bekannten Stimmen zu werben."Ferner bringt die früher fo heiß bismarckische„Magdebur-gische Zeitung" aus Mühlhausen vom 26. April folgenden Ver-sammlungsbericht:„Nicht um seinetwillen, sondern um seinen Vater zu ehren,wollen die Eonservativen unseres Kreises nach eigener Aussag<>den Grafen Wilhelm Bismarck wählen. Es giebt allerdingsverschiedene Wege, den Fürsten Bismarck zu ehren. Man hatihm Monumente errichtet, seine charakteristischen Züge prangenneben denjenigen des Kaisers und des Kronprinzen auf zahl-reichen Kriegerdenkmälern, auf unzähligen Festen ist ein begei-stertes Hoch auf ihn ausgebracht, an vielen Orten ist ihm einEmpfang bereitet, wie sonst nur Königen. Welcher deutsche Pa-triot möchte dies nicht billigen,>vcr thut da nicht gerne nnt,ihn zu ehren und zu preisen! Aber fraglich bleibt, ob geradedie Wahlen dazu gemacht sind, ihn zu ehren. Wenn man aberdiese Gelegenheit dazu zu benutzen für recht hält, so fragt essich noch, was dem Fürsten Bismarck angenehmer sein muß, dieWahl eines Abgeordneten, der die Bismarck'schen Vorschläge aufGrund reicher Erfahrungen und Kenntnisse zu prüfen im Standeist und ihnen zustimmt, weil er sie als gute erkannt hat, oderdie Wahl eines Abgeordneten, welchem jenes Alles abgeht undwelcher die Bismarck'schen Pläne nur billigt, weil sie von Bis-marck sind. Aber lassen wir die von den Eonservativen für un-sere Nachwahl so geflissentlich herbeigezogene Person des Reichs-kanzlers außer Betracht; jedenfalls ist es für seinen Sohn, denCandidaten, keine glückliche Einführung, wenn seine begeistertstenAnhänger versichern, sie wählen ihn nicht um seinetwillen. DieserGegenstand der Verhandlung vor dem Odessaer Kriegsgericht.')Ich will Sie mit den Details dieser langweiligen Comödien-Verhandlung verschonen. Nur eins über die Außenseite solcherVerhandlungen. Die Richter werden im Voraus schon bedeutet,wie und wen sie zu verurtheilen haben. Aus diesem Grundeist die Anklagerede immer flau und langweilig, und die desVertheidigers besteht in allgemeinen Redensarten, um Nachsicht,um Gnade u. s. w. Ich will Ihnen aber von dem im Äus-lande wie bei uns unbekannt gebliebenen Straßenkampf(dieDarstellungen unserer heimischen Presse über diesen Borfall sinddurchaus verlogen und unrichtig), der vor dem Gerichtssaal undin den umliegenden Straßen nach Verkündigung des Urtheilsstattgefunden hatte. Das Urtheil, welches nach mehr als sieben-stündiger Berathung(von 2 bis 9 Uhr Abends) der Behördeverkündet wurde, machte einen ungeheuren Eindruck auf die An-wesenden, und wie ein Lauffeuer verbreitete es sich in der dasGerichtsgebäude umstehenden Menge. Das Urtheil lautete, wieSie schon wissen: gegen Kowalewsky zum Tode durch Erschießen�),gegen Swititsch aus 8 I., Witaschewsky und Klanoff je 4 JahreBergarbeiten in Sibirien(Katorga). Die Frauen Achanaßjewaund Witten zur Verbannung nach Sibirien und Frau Merscha-nowa zu vierwöchentlichem Arrest.� Ich erlaube mir hier, die Worte eines Augenzeugen desStraßenkampfes anzuführen.„Die ganze Straße ringsum demGerichtsgebäude," erzählte mir mein Gewährsmann,„war mitKosaken besetzt, außer den im Gerichshofe sich befindenden 200Mann. Die angesammelte Volksmenge bestand aus mehrerenTausend Mann, die gegen Abend noch zunahm. Das Publikumbestand aus verschiedenen Elementen und Klassen, und die größereMehrheit bildeten die Neugierigen. Das Publikum wurde gegenAbend von den Kosaken umringt, die Lanze bereit haltend, alsob sie das Commando zum Angriff erwarteten. Mit einem Malerscholl ein schrecklicher Ruf:„Kowalsky ist zum Tode verurtheilt!"Der Ruf verbreitete sich im Nu, die versammelten Massen wurdenunruhig. Die Todesstrafe! die Todesstrafe! erscholl es von allenZeiten... Schluchzen... Verwünschungen... Mörder...miserable Henker... erfüllten die Luft... die Erregung derMenge stieg zum höchsten Grade... und da erscholl das Com-mando eines Offiziers:„Schlagt sie nieder mit demKolben!" Und eme gräßliche Scene folgte diesem Commando.Die Kosaken, die Pioniere der russisch civilisatorischen Missionin der Türkei, stürzten sich auf die unbewaffnete Menge undschlugen und rannten alles nieder.(Selbstverständlich schreibendie russischen Zeitungen, daß die Ruhe und Ordnung ohne einenSchuß Pulver hergestellt wurde.) Dann erst folgten aus derMenge vier Schüsse. Von einem längeren Widerstand warnatürlich keine Rede; die Menge wurde in allen Richtungen ver-sprengt und verfolgt, und die Straßen blieben in den Händender braven Soldaten. Nun ging erst die Hetze los durch alleStraßen, auf den Promenaden, alles Verdächtige wurde malträtirt,geknebelt und verhastet; Frauen an den Haaren herbeigeschleppt.Vom Kampfplatz trug man zwei Todte: einen Gymnasiasten derhöheren Klasse und einen Studenten; verwundet waren vierSoldaten und ein Offizier. Im Laufe der Nacht wurden vieleHanssuchungen und Verhaftungen vorgenommen, und bald werdenwir abermals von einem neuen Prozeß mit politischer Tendenzzu hören bekommen.Im Gerichtssaal spielte sich eine andere nicht minder traurigeScene ab. Eine der Angeklagten bekam bei Verlesung des Ur-theils einen Anfall von Hysterie. Aus dem Publikum, dasspärlich vertreten war und nur aus den höheren Klassen bestand,erschollen Rufe der Entrüstung... Schluchzen und hysterischesWeinen. Kurz und gut, der Vorsitzende konnte die Verlesungdes Urtheils nicht zu Ende bringen.Die Thatsachen sprechen für sich selbst: Das ist Rußlandbei sich zu Hause, im näxti�ö so zu sagend) So wird von demCzaren und seinen Helfershelfern das Land regiert und civilisirt.O heilige Knute!') Wie eS scheint ist die russische Regierung gesonnen, von nun analle politischen Prozesse vor das Kriegsgericht zu verweisen. So wenig-stens lautet ein neuer Ukas.Kowalewsky wurde den 3. August<al. St.), um 5 Uhr Morgens,unter Bedeckung von mehreren Hundert Soldaten Infanterie, 200 Kosaken, vielen Gensdarmen und Artillerie erschossen. Ein Geistlicher warnicht anwesend. Das Publikum erfuhr erst die Ermordung desjungen und energischen Mannes den andern Tag.») Und das ist der Verbündete und Freund des„Deutschen Reichs",welches sich jetzt aber eines solchen Freundes auch nicht mehr zu schäme«braucht. Die Redaktion des„Vorwärts".unglückliche Eindruck wurde nun in der gestern hier abge-haltcnen Wahlversammlung keineswegs verwischt. Die un-glückliche Art und Weise, in welcher der Borfitzende, Herr Stadt-rath Werner, den jungen Grafen vorführte, hatte eine dcprimi-rendc Wirkung und bewegte zum Mitleid; mit einem solchenVersuch der Schaustellung hätte Graf Wilhelm doch schon alsSohn seines Vaters verschont bleiben müssen. Leider war dieoratorische Leistung des 26 jährigen Candidaten auch nicht dazuangethan, das Mitleid in Begeisterung umzuwandeln. SeineRede zeichnete sich inhaltlich weder durch besondere Ordnung deSGedankenganges, noch durch Neuheit aus; formell ließ sie all.esMarkige, Zündende, wie man es von einem jungenRedner zu erwarten Pflegt, vermissen. Die Versamm-lung wäre sehr kläglich verlaufen ohne den Dr. Lucius aus Erfurt, d-r mitgekommen war, um den jungen Grafen unter seineschützenden Flügel zu nehmen. Zu welchem Zwecke übrigens derVorsitzende sich in ebenso fulminanten wie ungerechtfertigten An-griffen gegen das liberale Wahlcomitö und gegen den liberalenCandidaten, den hochverdienten Professor Reuleaux, gefiel, istuns nicht klar; es wird sich schon Gelegenheit finden, über die-selben mit ihm abzurechnen."Die„Berliner Volkszeitung" bringt folgende Notiz:„Nach Privatmittheilungen aus Mühlhausen war das Auf-treten des Grafen Wilhelm Bismarck ein recht trau-riges. Der junge Mann scheint es zu Stande zu bringen,daß der bisher für die Eonservativen sichere Wahlkreis denLiberalen zufällt."Welche Wahlmanöver aber für die Wahl des jungen Grafenin Scene gesetzt worden sind, davon unterrichtet uns wieder die„Magdeburgische Zeitung" noch vor der Wahl:„Im heutigen Morgenblatt bereits konnten wir berichten,daß die von einem Berliner Blatt gebrachte Nachricht von demRücktritt Reuleaux falsch sei. Jetzt schreibt die„Nat.-Ztg." vongestern Abend selbst: �*Wir haben gestern folgende aus Elsdorf, 25. August, 6 Uhr30 Minuten, Abends, datirte Depesche erhalten:„Habe zu-rückgezogen, Gründe brieflich. Reuleaux"; wir haben den In-halt dieser Depesche im Montags-Abendblatt mitgetheilt; ausdemselben Orte Elsdorf war uns am 24. August, Vormittags,folgende, mit„Reuleaux" unterzeichnete Depesche zugegangen:„Mühlhausen-Thüringen aufgestellt, bitte." Heute wird uns