Sozialpolitische Uebersicht.— Ueber die Harburger Unruhen liegt jetzt ein offi-zieller Polizeibericht des Harburger Polizeidirektors Schorchtvor, der beweist, daß alle liberalen Blätter, die von den„ver-einigten Sozialdemokraten und Welsen" geschrieben, in-fam gelogen haben. Der Bericht lautet:„Nachdem am 17. d. Mts., Abends gegen 9 Uhr, die Stichwahl hier beendet, begab sich eine große und erregte Menschen-menge zunächst vor das Stadthaus, hier trotz der polizeilichenAbmahnungen ein Fenster einwerfend, und dann vor die Expe-dition des„Courier an der Uuterelbe", das sog. Hannovera-»erlied und das Lied„Freiheit die ich meine" singend,und Lebehochs auf den Prinzen Ernst August und denGrafen Grote ausbringend. Bon hier verfügte sich die stetiganwachsende Menge vor das Haus des Redakteurs der„Har-burger Anzeigen und Nachrichten" und begann unter ähnlichenKundgebungen mit Steinen die Fenster des Hauses zu bewerfen.Die— elf— Polizei- Ex-cutivbeamten, welche vergeblich dieMenge aufgefordert, sich zu zerstreuen, wurden verhöhnt, geworfenund angegriffen.— Das inzwischen auf Requisition erschieneneDetachement Soldaten— ein Sergeant und zehn Mann—Postirte sich mit der Polizeimannschaft in der Nähe des Stadt-Hauses. Auch hier wurde mit Steinen auf Militär und Polizei-beamte geworfen. Als nun inmittelst die aus meine Ordre alar-mirte Feuerwehr' schon vor und bei der Sammlung thätlich an-gegriffen, auf dem Platze erschien, wurde, nachdem die ausmehreren Tausenden bestehende tumultuirende Menge vielfacherfolglos zum Verlassen des Platzes aufgefordert und der Ver-such fehlgeschlagen, die Masse mittelst des Strahls einer Feuer-Spritze zu vertreiben, die Räumung des Platzes durch gleichzei-tiges Vorgehen der Feuerwehr, des Militärs und der durch einenGensdarmen verstärkten Polizeimannschaft versucht. Dieser Ver-such würde voraussichtlich ohne Blutvergießen gelungen sein,wenn nicht Militär und Feuerwehr aus einer von dem Platzabzweigenden Straße, bis wohin sie vorgerückt, durch Werfenmit Mauersteinen, von denen große Haufen dort lagen, ange-griffen worden wäre. In Folge dieses Angriffs hat das Militär aufCommando des Sergeanten von der Feuerwaffe Gebrauch ge-macht. Es gelang jetzt bald den vereinten Anstrengungen, denPlatz zu säubern und den Versuch zu neuen Ansammlungen inden benachbarten Straßen zu ersticken. Bald nach Mitternachtwar die Ruhe völlig hergestellt.— Zwei Personen sind erschossen,einer ist durch einen Steinwurf getödtet; etwa dreißig, großen-theils leichtere Verwundungen, darunter die einer Anzahl Feuer-wehrmänner, sind vorgekommen."Weder die Welsen, noch die Sozialdemokraten werden ge-nannt, doch deuten die angeführten Lieder und Hochs, die ge-sungen und ausgebracht sein sollen, lediglich auf die Welsen unddie Liberalen(„Freiheit, die ich meine") hin. Von der Ar-beitermarseillaise, die in den ersten Berichten der liberalen Zei-lungen eine große Rolle spielte, ist in dem Polizeibericht mitkeinem Worte die Rede.Die Harburger Angelegenheit soll lbald nach dem Zusam-mentritt deS Reichstages zum Gegenstand einer Interpellationgemacht werden.— Wieder eine vernünftige Stimme aus conserva-liven Lager. Die conservative„Norddeutsche Reichspost" be-hauptet, daß wir mitten in der Revolution leben, in einergeheimen Revolution, die weit gefährlicher sei, als der Ein-tagskampf auf den Barrikaden, und fährt dann fort:„Ist nicht der 51ampf in Permanenz erklärt, kämpfen nichtBürger eines und desselben Landes den Kampf auf Leben undTod mit einander? Ist nicht der Kampf ums Dasein der heftigsteKrieg, der geführt werden kann? Der Hauptrevolutionär istdas Großkapital; dasselbe kämpft gegen Alles, was außerihm steht, einen Vernichtungskampf. Die Landwirthschaftjedoch ist schutzlos der Ausbeutung preisgegeben. Das Kapitalkämpft gegen sie mit Differentialtarifen, Wucher ec., und esfindet sich Niemand, der diesem Einhalt thut. Der Schwerpunktunseres wirthschaftlichen Lebens liegt im platten Lande, die Ver-Iretcr des Kapitals haben ihn in die großen Städte zu verlegenverstanden. Das ist auch eine Revolution, wenn man so dennaturgemäßen Standpunkt verrückt. Mit Begriffsverwirrungfängt eine jede derartige Krankheit der Gesellschaft an und gipfeltbann in völliger Umwälzung".Armer Bamberger! Du glaubtest deine Revolutionsstiefelnbei Kirchheim-Bolanden verloren zu haben und nun kommt einnaseweises conservatives Blatt und macht auch dich, als einen Ver-nun folgendes Plakat des dortigen nationalliberalen Wahl-comitss zugeschickt:Zur Wahl!Es wird in der Stadt das Gerücht verbretiet, der HerrGeh. Regierungsrath Professor Rculeaux habe seine Candi-datur zurückgezogen. Dies beruht auf �einem vollständigenZcrthum und kann dessen Verbreitung nur als ein Wahl-manöver betrachtet werden. Wir bitten unsere Gesinnungs-genossen, sich nicht beirren zu lassen und derartigen Versucheng-genüber um so fester zusammenzustehen und um so zahl-reicher zu wählen. Wir werden in der Sache noch weitereAufklärungen geben und hoffen sogar, dem Ursprünge des Ge-rüchtes auf die Spur zu kommen. Ein soeben eingegangenerBrief des Professors Reuleaux bestätigt seine frühere Mandat-annähme und sein früher kundgegebenes Programm. Der-selbe wird im morgenden„Anzeiger" abgedruckt werden. Prof.Reuleaux stellt darin in Ausficht, daß er sich zum 15. Sep-tember v. hier im Wahlkreise nachträglich den Wählern vor-stellen werde.Es ist dringend wünschenswerth, daß die Urheber jenes Te-legramms. das seine Wirkung zu Gunsten der Candidatur desGrafen Wilhelm Bismarck kaum verfehlt haben wird, nicht un-entdeckt bleiben."Dieses Wahlmanöver scheint auch gewirkt zu haben. Wil-Helm v. Bismarck erhielt bei der Wahl, die am 28. August statt-fand, 6600, der liberale Professor Reuleaux 5500, der clericaleSchilling 2100 und unser Genosse Bock qeqen 100 Stim-inen. Also zur Stichwahl hat es Graf Bismarck mit Gottesund des Herrn Lucius Hülfe doch gebracht.Ueber die Reaktion in Deutschlandfällt Friedrich Hecker, der von seiner Bismarckschwärmereivollständig kurirt scheint, in der zu St. Louis erscheinenden„Westlichen Post" folgendes Urtheil:„Es giebt seit dem Untergang des weströmischen und desbyzaniinischen Kaiserreichs kein Land, in welchem die Majestäts-und Beamten-Beleidigungsprozesse so floriren, als in Deutsch-land.Daß sogar Private, daß Bürger in freiwilligster Servilitättreter des Großkapitals, noch immer zu einem Hauptrevolutionär,zu einem Revolutionär, der jetzt mit den gefüllten Nickelsäckendie Flucht nicht ergreift und auch nicht ergreifen kann. Der„Norddeutschen Reichspost" aber wollen wir bemerken, daß derSchwerpunkt auf dem platten Lande zugleich der Schwerpunktder Großgrundbesitzinteressen ist. Großkapital und Großgrundbesitz aber beuten das Volk gemeinsam aus und treiben dadurchzur Revolution. Kleist-Retzow und Bamberger Arm in Arm—und der„Bettelsack an der Stange" winkt in der Ferne. NetteZustände, nette Ausfichten!— Jntelligenzstaatliches. Das„WestpreußischeVolks-blatt" theilt, wie wir der„Berliner Volkszeitung" entnehmen,aus Grodziczno„einen der schreiendsten Beiträge zu unserentraurigen Schulverhältnissen" mit. Das Schulhaus da-selbst ist mit Stroh gedeckt und ziemlich baufällig; das Schul-zimmer nimmt die Hälfte davon ein und ist ziemlich genau25 Fuß lang, 15 Fuß breit und?>/- Fuß hoch. Nach der For-derung von 6 Quadratfuß für je ein Kind und den entsprechen-den 11 Bänken zu 6 Sitzen ist darin für 66 Kinder Raum. Undzu dieser Schule gehörten bis Ostern d. I. 471 Kinder, dasheißt siebenmal mehr, als unter Beobachtung der einfachstensanitären Vorschriften in dem Raum untergebracht werden könn-ten! Es wird nun bereits für ein neues SchulhauS zusammen-gesteuert, doch übersteigen die geforderten Beiträge die Leistungs-fähigkeit des armen Volkes. So mußte z. B. als erste Rate einBesitzer von l'/s Hufen 40 Thlr. und ein Jnstmann 2 Thlr.22 Sgr. zahlen, und es folgen noch mehrere Raten. Beiläufigein schlagender Beweis dafür, daß die Schule nicht Gemeinde-angelcgenheit sein kann. Aber warum legt sich denn der Staatnicht ins Mittel? I: nun, der braucht, was er aufbringen kann,in erster Linie für die Soldaten, und es langt nicht einmal.Die Kasernen gehen in unserer Blut- und Eisenzeit natürlichden Schulen vor.— Ein Urtheil über Revolutionen. Ein bekannterdeutsch-conservativer Sozialpolitiker schreibt kürzlich vonParis aus in einem Privatbriefe folgendes:„Gegenwärtigstudire ich täglich in den Staatsarchiven und der National-bibliothek die Vorgeschichte der französischen Revolution von1789, die sehr lehrlich ist für die Entwicklung, welche sich unterunseren Augen vollzieht. Sie wissen, daß ich nie Revolutionmachen oder befördern helfen werde, aber ich will wenigstenserkennen und begreifen lernen, wie ungeschickt und schlechteine Regierung fem muß, wenn es ihr gelingt, das stets fried-fertige Volk auf die Barrikaden zu treiben--."— Wirbetonen nochmals, daß dieser Ausdruck von einem hochconser-vativen Manne herrührt.— Neumodische Ordnungs-Kanaille. Ueber die vonuns schon erwähnten Vorfälle in Schwerin, welche ein be-solideres Beispiel von Sittenverwilderuug sind, schreibt die„Frankfurter Zeitung":„Zum vierten Male sind dem Hofbau-rath Demmler, dem früheren sozialdemokratischen Reichstags-abgeordneten, die Fenster eingeworfen worden; in einem Zeitungs-inserate macht er dies bekannt und bittet, ihn endlich in Ruhezu lassen. Und das geschieht gegenüber einem Manne wieTemmler, der ein hervorragender Künstler, ein vollendeter Ehren-mann und dazu ein Greis ist! Trotz seiner abweichenden Ge-sinnung erhielten ihm die politischen Gegner, der Hof in Schwerinselbst die größte Achtung; unsere neumodische Ordnungs-Kanaille aber ehrt weder seine geistige Bedeutung, noch seineHerzensgute, noch sein hoh-s Alter. Es wäre an der Zeit, daßman ein Ausnahmegesetz gegen derlei Buben machte.welche doch noch eher zu fassen wären, als die sozialdemokratischsozialistisch- kommunistisch- untergrabenden Ideen."— So die„Frankfurter Zeitung".— Die liberalen Zeitungen verschweigenfast sämmtlich diese Früchte ihrer Erziehung.Di- freiconservative, wohlanständige„Post" meldet ohne einWort der Entrüstung die jammervolle That der Ordnungs-strolche und hebt ihre Nachricht mit folgenden bezeichnendenWorten an:„Wie man erwarten mußte, hat das Beglück-wünschungS-Telegramm des Hofbauraths Demmler Hierselbst zuder Wahl Fritzsche's in Berlin wieder Aufregung erzeugt undes sind Demmler abermals Fenster eingeworfen."—„Wie zuerwarten stand"! Ein herrliches E.ngeständniß. Natürlichstehen solche Rohheiten, Pöbeleien und„rettende Thaten"zu erwarten bei den Aufhetzereien, welche die conservativen undliberalen Hetzblätter gegen die Sozialdemokraten loslassen. Essich, wie vielfach berichtet wird, und noch häufiger als berichtetvorkommt, in elender Angeberei gefallen, das deutet auf eineGesunkenheit des Charakters, die ihres Gleichen nur in der vonTacitus, Suetonius u. A. so gründlich geschilderten Angebereiaufzuweisen hat.Es ist gewiß bei den jetzigen Zuständen in Deutschland amPlatze, jenes Gesetz wieder in Erinnerung zu bringen, welchesdie Kaiser Theodosius, Arcadius und Honorius vor 1400 Jahrenam 10. März erließen und das sich im Corpus juris, im Codexüber IX. t!t. 7 Lex 1 befindet.„Wenn Jemand, jeder Bescheidenheit und Scham baar, sichherausnimmt, mit ruchloser muthwillig-frecher Schmähung unserePerson(Namen) anzugreifen und, wie ein von Trunkenheit Aufrührerischer, unsere Zeit(Regierung) schmäht— Den wollen wirnicht mit Strafen bewältigt wissen(poeuae uolurnus subjugari),noch soll er irgend etwas Hartes(durum) oder Strenges(asperum) erleiden, weil seine Handlungsweise, wenn sie ausLeichtfertigkeit entsprang, der Verachtung, wenn aus Sinn-loirgkeit, es am würdigsten ist, daß sie dem Mitleid verfällt,wenn sie aber als Injurie begangen wurde, nachzusehen ist."Diesem Bilde in diesem Gesetze halte min die heutigen deut-schen, insbesondere die Zustände in Preußen gegenüber.Der Schreiber dieser Zeilen hat die gesammte Reichsgesetz«gcbung nicht nur vor sich liegen, sondern eingehend studirt undmit anderen und früheren Gesetzen verglichen. So oft er einenBlick auf dieselben wirft, erinnert er sich der Antwort, die ihmein ehemaliger Staatsminister der Metternich'schen Zeit undTendenz gab:„Ob man es wohl regierungsseitig unternommenhaben würde, solche Strafgesetze den deutschen Ständckammernder einzelnen Staaten in jener Zeit vorzulegen und ob manauf Erfolg gerechnet haben würde?"Die Excellenz antwortete ohne Zögern:„Das hätten wirnicht gewagt."Man muß bedenken, daß der 65 sie oder 75ste Mann einöffentlicher Bediensteter ist, man muß die ganze Organisationder öffentlichen Gensdarmerie, Zollwächter u. dgl. inbegriffen,und der geheimen Polizei und Spionage, die für dieselbe paraten,budgetmäßigen, und die Mittel des Reptilienfonds hinzunehmend,überschauen, dann:1)„Das Strafgesetzbuch nnt seinen 370 Hauptparagraphenund zahlreicher Unterabtheilungen, fernerist nur sehr verwunderlich, daß solche Exzesse so selten vor-kommen!— Berichtigung. Nicht der Bundesrath, sondern derJustizausschuß des Bundesraths hatte beschlossen, daß in dersozialistenvorlage der Passus, welcher das confiscirte Vermögender Sozialdemokratie den Armenkassen zuwendet, gestrichen wer-den sollte. Der Bundesrath aber in seiner Plenarsitzung hatauf Antrag Preußens in diesem Punkte die ursprüngliche Vor-läge wieder hergestellt.— Gut unterrichtet! Durch die liberalen Blätter gehtfolgende Notiz:„In sozialdemokratischen Kreisen beschäftigt mansich sehr eifrig mit der Frage, wie man, falls das Sozialisten-gesetz angenommen wird, den bedrohlichen Verhältnissen begegnenund aus dem Schiffbruch noch möglichst viel retten könne. Daliegt denn nun, wie mitgetheilt wird, die Absicht vor, an dem-selben Tage, an welchem das erwähnte Gesetz in Kraft tritt,oder vielmehr an welchem es im Reichstage angenommen wird,ein Verbot der sozialdemokratischen Zeitungen nicht erst abzu-warten, sondern ihr Erscheinen freiwillig zu sistiren und ebensodie gesummten Bereine, Hilfskassen u. f. w. aufzulösen, damitfür die Verfolgungen und Confiskationen kein greifbares Objektübrig bleibe. Die Partei hält sich für hinreichend erstarkt, umdie Agitation heimlich von Haus zu Haus fortsetzen zu können,ohne dabei Handhaben für die Anwendung des Ausnahmegesetzeszu bieten. Da man jedoch auf die Dauer der Hilfe der Pressenicht gut entrathen kann, so beabsichtigt man, Parteiblätter imAuslande drucken zu lassen und gleich im vornherein Einrich-tungen zu treffen, welche die Verbreitung dieser Zeitungen trotzVerbot und trotz Entziehung des Postdebits ermöglichen sollen."— Wir freuen uns, daß die liberalen Blätter so sehr besorgtum uns sind, daß sie uns gute Rathschläge ertheilen.— Ausbreitung der Sozialdemokratie. Aus Hollandertönt in gegnerischen Blättern folgender Nothschrei:„DieSozialdemokratie hat auch in den Niederlanden festenFuß gefaßt; in demselben Augenblicke, wo in Deutsch-land der Kampf gegen dieselbe energisch beginnt, wagtin Rotterdam und anderen Städten die Sozialdemokratie kühnerals je das Haupt zu erheben. In der genannten Stadt bestehtseit längerer Zeit ein Allgemeiner Niederländischer Ar-beiterbund, der sich ausschließlich mit den materiellen undintellektuellen Interessen des Arbeiterstandes beschäftigte, sich inkeiner Weise jedoch in die Politik mischte. Der neugestiftete sozial-demokratische Verein gab sich zuerst Mühe, als ein Zweigvereindes Allgemeinen Arbeiterbundes anerkannt zu werden; da aberder letztere die Erörterung politischer Fragen von seinem Pro-gramm grundsätzlich ausgeschlossen haben wollte, so constituirtesich der sozialdemokratische Berein selbstständig, und es ist vor-auszusehen, daß beide Vereine sich bald feindlich gegenüberstehenwerden. Daß in nicht zu langer Zeit im Königreich der Nieder-lande keine Stadt mehr gefunden werden wird, in der die Sozial-demokratie nicht ihre Vertreter hat, darf als sicher angenommenwerden, wie auch, daß von Seiten der Regierung nichts geschehenwird, um die vielleicht jetzt noch ungefährliche Bewegung insolche Bahnen einzulenken, daß dem gemeingefährlichen Charakterderselben dadurch die Spitze abgebrochen würde."— Hm! Mitdem„Spitzeabbrechen" ist's ein eigen Ding. Es ist das leich-teste und das schwerste Ding von der Welt. Das schwerste,wenn die Regierung sich einbildet, sie könne willkürlich die Be-wegung lenken oder unterdrücken— das leichteste, wenn sie sogescheit ist, die Hände von der Arbeiterbewegung zu lassen und,statt sie hemmen zu wollen, ihr durch vernünftige Reformenförderlich zu fein.—„Die Todten soll man ehren." Selbst die Barbarenhandeln nach diesem Ausspruch.— Die Arbeiter Deutschlandswollten ihrem größten Todten, Ferdinand Lassalle, zu Ehrenam 31. August, an dem Todestage desselben, in zahlreichen OrtenTodesfeiern veranstalten. Dieselben sind aber fast überall vonder Polizei verboten worden.— In Nürnberg ist den Soldaten der Besuch von 49Wirthschaften verboten worden, wo Sozialdemokraten verkehrten.„Kommt der Berg nicht zu uns, so gehen wir zum Berge!"—In Königsberg bat man den Militärpersonen das Lesen undHalten der beiden Fortschrittsblätter, der„Hartnngschen" undder„Königsberger Allg. Zeitung" verboten. Bald wird's den2) Alle Gesetze, welche neben dem Strafgesetzbuche Straf-bestimmungen enthalten oder sich auf das Strafrecht beziehen.3) Das Militär- Strafgesetzbuch.4) Die Steuer- und Äbgabeu-Strafgesetze.5) Die Polizei- Strafgesetzbücher genau studiren und endlich6) Die Gesetze über die Presse.7) Ueber's Vereinsrecht.8) Uiber Versammlungen und Aufzüge, von den zahllosenanderen Verordnungen nicht zu reden, hinzunehmen.Von selbst muß man darauf kommen, sich dann die Fragezu stellen:Bedarf es neben dem colossalen Apparat noch weiterer—Gesetze zur Sicherung der Staatsmaschine?--Dieses ewige Geprahle von der heutigen„deutschen Freiheit"ist für den mit Gesetzen Vertrauten mehr als widerlich. Dasselbegeht aus und wird täglich und stets wiederholt: von der offi-ziellen Presse und vom Beamtenheer,--- und all demApparat steht eine hilflose Presse gegenüber.--Will man über gewisse Personen oder Vorgänge m Deutsch-land auch nur halbe Wahrheit erfahren, so muß man die Blätterfremder Nationen durchforschen, um doch etwas Sicheres zuerfahren.Man redet dem Volke und dieses zuletzt sich selbst ein: deralte Polizeistaat sei todt, während er in neuer Uniform, neuaufgelegt, mehr florirt als je und zwar mit seinem alten Motto:„Alles, was nicht speziell erlaubt ist, ist verboten."Kostbar aber ist es anzusehen, wie die Hauptgesetze und Maß-regeln von den verhaßten Franzosen oft wörtlich copirtsind; besonders die Pr.ß, Vereins-, Versammlungs- und Straf-gesetze Louis Napoleon's.So gleicht auch das jüngst un aufgelösten Reichstag verworfene Gesetz wie ein Zwilling dem BonapartistischenAusnahmegesetze, welches auf Orsim's Attentat folgte.--Es fehlt nun nur noch für die bevorstehenden Reichstagswahlendas System der„offiziellen Regierungscandidaten"(eavditalaresofficielles) und die Copie des Systems des Dezember- Manneswird vollständig.(Die Regierungscandidaturen sind inzwischenauch eingeführt worden. Red. d V.)