Corresponoenze«» Jheho«, 29. August. Das hiesige Kreisgericht verurtheilte in der gestrigen Sitzung einen Landmann aus Breitenberg wegen Majestälsbet-idigung zu einem Jahr Gefängniß. Der Wer- urtheilte, Bater von acht Kindern und ein ruhiger, doch geistig etwas beschränkter Mann, soll sich der Schwere seines Vergeh ns nicht bewußt gewesen sein, als er die mkriminirte Aeußerung gethan hat, was auch daraus hervorgeht, daß er dem Denun- cianten, einem Arbeiter, welcher ihm brieflich für sein Still- schweigen vier Thaler abforderte, wie wir hören, das G�ld ab- schlug. Der Erpresiungsversuch des Denuncianten wird wahr- scheinlich nicht unbestraft bleiben. Aresta«, 31. August. Am heutigen Tage begaben sich einige Genossen in aller Frühe zu Lassalle's Grab, legten auf das­selbe einen Lorbeerkranz mit entsprechender Inschrift und gingen dann still ihrer Wege. Es wurde diesmal von einer öffentlichen Feier des Tages Abstand genommen. Als haarsträubende Neuigkeit kann ich Ihnen melden, daß Genosse Keller von der österreichischen Regierung an die diesseitige ausgeliefert worden, und zwar nach einem Vertrage, welchen die deutschen Bundes- regierungen im Jahre 18S4 über die Auslieferung politischer Verbrecher unter sich abgeschlossen. Da nun ein Deutscher Bund zu eristiren aufgehört und Oesterreich speciell aus Deutschland herausgedrängt, so sollte man glauben, daß auch die Verträge ihre Giltigkeit verloren; indeß scheint man einem Sozialisten gegenüber sich über Schonung und Gerechtigkeit keine Skrupel zu machen. Keller wurde unter militärischer Eskorte von Wien , wo er einige Wochen in Untersuchungshaft gesessen, über die Grenze gebracht und der preußischen Polizei übergeben, dann hierher gebracht, wo er schwer krank angekommen. Ob der Arme die Freiheit noch einmal wiedersehen wird, ist schr fraglich. Wie in Berlin so auch hier in Breslau rücken nicht alle Truppen zum Manöver aus, sondern bleiben einige Bataillone hier, um die bösen Sozialdemokraten im Zaume zu halten, denn wie das böse Gewissen unserer Bourgeo sie eingeflüstert, wollen die Rothen in kurzer Zeit die Commune proklamiren. Kamburg, 30. August. Ter hiesige Gastwirth M. H. Tempel war in Aurrch wegen Majestätsbelerdigung angeklagt worden. Ueber den Prozeß berichtet die fortschrittlicheReform":Dem p. Tempel wurde zur Last gelegt, daß er im Dezember vorigen JahreS, während er seinem Bruder, dem Kaufmann Tempel im Bunde, einen Besuch abgestattet, daselbst in einer Wirthschaft sich höchst unehrerbietiger und beleidigender Aeußerungen über den Kaiser bedient habe. Tempel war, seiner Aussage nach, von dieser Anklage auf das Höchste überrascht, zumal er sich im Winter vorigen Jahres gar nicht im Bunde befunden habe. Dagegen sei er im August des verwichenen Jahres dort gewesen, woraus ersichtlich, daß die Anklage auf schwankenden Füßen stehe. Er selbst wisse von den ihm zur Last gelegten Aeußerungen gar Nichts, müsse diese also schon, wenn er sich überhaupt ihrer schuldig gemacht, im Zustande der Trunkenheit, der Unzurechnungs- fähigkeit gethan haben. Am letzten Mittwoch kam nun die An- gelegenheit in Aurich zur gerichtlichen Verhandlung. Tempel, Welcher persönlich erschien-n war, vertheidigte sich in der an- gegebenen Weise; die vorgeladenen Zeugen, die Landwirlhe Junker und Grünefeld von Bunderhee, gaben an, sie könnten sich zwar auf den Zeitpunkt des fraglichen Vorfalles nicht besinnen, wüßten also nicht, ob es im August oder im Dezember sich ereignet habe, in der letzten Hälfte des vorigen Jahres aber sei es ge- Wesen. Mit Bestimmtheit erinnerten sie sich dagegen, die in Rede stehenden Aeußerungen von dem Angeklagten vernommen zu haben. Vom Gerichtshof wurde der Angeklagte des ihm zur Last gelegten Vergehens für schuldig befunden und zu einer Gefängnißstrafe von 1 Jahr und 6 Monat verurtheilt, zugleich die Verhaftung ausgesprochen und Tempel in Folge dessen sofort in's Gefängniß abgeführt. Bemerkenswerth ist an dieser Affaire vor Allem die Zeit, welcher die ihr zu Grunde liegende Thatsache angehört. Fast ein volles Jahr hat vergehen können, bevor irgend Jemand durch die d.m auf alle Fälle unglücklichen Manne zur Last gelegten Aeußerungen sich m fernemPatno- tismus" dermaßen verletzt fühlte, um gegen denselben eine Klage zu erheben. Erst nach dem zweiten Attentat auf den Kaiser, als das Denunziantenfieber zum Ausbruch gekommen, griff man auf jenen Vorfall zurück, um dasVaterland zu retten". Der unglückliche Mann aber wird auf anderthalb Jahre seiner Familie und seinem Geschäft entrissen, er hat anderthalb Jahre im Ge- fängniß zu verbringen und das um Aeußerungen willen, die ihm im Rausche entschlüpft waren und die er vielleicht schon am nächsten Morgen, nachdem der Schlaf ihn entnüchtcrt, gründlich vergessen hatte! Die Geschichte der Majestätsbeleidungsprozesse, Uhr verunglückte auf ZecheAlma" der hier wohnhafte Berg- mann Hermann Klose. Der Verunglückte war bei der Lebens- und Unfall-Versicherungs- GesellschaftPrometheus" in Berlin mit 1500 Mark versichert, welcher Betrag der Wittwe mit ihren Kindern gut zu Statten kommen wird." Kein Wort über den Schmerz der Wittwe, die den Gatten verloren hat! Was brauchen Arbeiterkinder einen Bater? Die Wittwe erhält 1500 Mark, damit ist Alles aufgewogen und in's Gleiche gebracht. Beklagenswerthes Unglück. Die liberalen Blätter schreiben aus Antonienhütte(Oberschlcsien) vom 28. August: Auf der hiesigen Graf Hugo Henckel v. Donnersmarck'schen Steinkohlengrube Gottessegen ereignete sich gestern ein beklagens- werthes Unglück durch Explosion zweier Dampfkessel, bei welchem neben mehreren schweren und l ichten Körperverletzungen drei Menschenleben, soweit bis jetzt ermittelt ist, zu beklagen sind. Das Unglück ist wahrscheinlich, wie die meisten Kessel- explofionen, dadurch herbeigeführt worden, daß der Kesselwärter das Wasser im Dampskesset zu sehr hat auskochen lassen, wobei sich der mehr und mehr wasserleere Kessel zu sehr erhitzte und alsdann dem so erhitzten Kessel rasch Wasser zuführte, wodurch sich Plötzlich eine so große Menge Dampf entwickelte, daß solchen das Sicherheitsventil abzuführen außer Stande war, und so die übergroße Dampsmenge die Zerreißung der Kessel herbeiführte." Der arme Kesselwärter! Sollte der Herr Fabrikinspektor der dortigen Gegend nicht auch die Pflicht haben, sein Augen- merk auf alte, abgenutzte Dampfkessel, welche die Fabrikanten ersparnißhalber nicht durch neue ersetzen wollen, zu richten? Vielleicht kämen dann nicht mehr so viele Kesselerplosionen durch dasVerschulden des Kesselwärters" vor. Schöne Aussichten. Man schreibt demFrankfurter Journal" aus Köln , 29. August:Die Hoffnung, Handel und Wandel würden in diesem Jahre einen Umschwung zum Besseren nehmen, realifirt sich leider nicht; die Jahresberichte der Han- delskammern sprechen sogar von Verschärfung der beklagens- werthen Verhältnisse. In Westfalen scheint es schlimmer zu sein, wie am Rhein , denn während der öffentliche Anzeiger unseres Regierungsbezirks 18 Subhastationen in dieser Woche verzeichnet, bringt der für Arnsberg 38 noth oendige Verkäufe." welche nach dem Attentate Nobiling's wie Pilze emporschießen, ist hierm-t um einen drastischen Fall bereichert." -p- Aertin, 9. Aug. Seit langer Zeit versprach ich Ihnen einen Berliner Brief, doch theils sind Sie mit dem Stoffe wie immer im Voriprung. theils giebt es soviel mitzutheilen, daß ich ganze Ballen Papier verschreiben müßte, um nur einen Theil des Wissenswerthen in Ihre Hände gelangen zu lassen. Die Berliner Parteigenossen sind mit Recht stolz darauf, im 4. Wahlkreise gesiegt zu haben, und wenn nicht alle Anzeichen trügen, so werden wir die Scharte im 6. Wahlkreise bei der Annullirung der Klotz'schen Wahl sicher auswetzen denn, daß die Wahl des Herrn Klotz annullirt werden muß, erscheint allen Denen, die den Wahlprotest gelesen haben, zweifellos. Der Reichstag würde sich unsterblich blamiren, wenn er auf die mit Beweisen unterstützten Thatsachen nicht Herrn Klotz, wie s. Zt. unserem Hasenclever die Pforten desParadieses" verschlösse.*) Von den bei den Wahlen im 4. Wahlkreise vorgekommenen geheimen und offenen Beeinflussungen der Wähler kann sich nur der einen Begriff machen, der gegen 56 Uhr die Wahllokale durchzog. Doch wozu sich von Neuem über die Schamlosigkeit der demokratischen" Krebse ärgern. Wir siegten trotz alledem und damit basta. Daß es an einer Reihe ergötzlicher Scenen nicht fehlte, liegt auf der flachen Hand. Die jämmerliche Wahlzettelpocsie über- gehe ich, so etwas sollte jede Zeitung ohne Weiteres todtschweigen, damit der Esel, der seine Stimme, wie der Berliner sagt,ver- manscht", nicht noch das Vergnügen hat, seinen größtentheilS jämmerlichen Vers gedruckt zu seben. Dagegen spielte in einem Lokale der Marcusstraße eine der ergötzlichsten Scmen, die mir je vorgekommen. An den Wahltisch tritt ein kleiner, untersetzter Mann. Sie wohnen?" fragt der Wahlvorsteher. Eh, eh, eh!" ist die Antwort. Herr! wollen Sie mich zum Narren haben?" Eh, eh, eh!" antwortet der Gefragte. Da stürzt ein H-rr in's ZimmerVerzeihen Sie, Herr Vorsteher, der Mann ist taubstumm, heißt Bull und wohnt Marcusstraße da und da." Während nun der Wahlvorsteher sich auf die Liste beugt und die Hand von der Urne zieht, hat Herr Bull, den die Sache ungemein zu interessiren scheint, seinen Zettel höchsteigenhändig in die Urne gesteckt. Herr! wie können Sie sich unterstehen!" fährt der Wahl- Vorsteher auf, besinnt sich aber noch zur recht, daß der Taub- stumme ihn doch nicht verstehen kann. Der Beisitzer, der die Liste nach dem Namen durchsah, hat inzwischen gefunden, daß Herr Ball gar nicht in die Liste ein- getragen ist. Sehen Sie," sagt der Borsteher,nun ist Ihre Stimme ungültig," worauf der Angeredete wieder miteh, eh, eh" ant- wortet. Nun ist guter Rath theuer. Der Wahlvorsteher, einer von den anständigen Leuten seiner Partei, wendet sich fragend an den Vertrauensmann der Fort- jchrtttspartei und an meine Wenigkeit. Eine Stimme muß annullirt werden," sagt der Fortschrittler, und da der Mann sicher für Fritzsche gestimmt hat, so" Haben Sie das schriftlich," fällt ein Parteigenosse ein. Nun, meine Herren, so heilig sonst das Wahlgeheimniß ist, denke ich. wir machen in diesem Falle eine Ausnahme und fragen Herrn Bull direkt, wen er wählte," äußert der Wahlvorsteher. Also, Herr Bull, wen haben Sie gewählt? Ja so, der Mann versteht mich ja nicht, hm, hm; muß auf andere Weise gemacht werden." Er ergreift einen Bleistift und schreibt seine Frage auf einen Zettel. Der Taubstumme, dem die ganze Geschichte augenscheinlich das größte Vergnügen bereitet, liest den Zettel. Jetzt wird er Fritzsche hinschreiben," meint triumphirend mein fortschrittliches vi« ü vis. Abwarten und Thee trinken," replicire ich. Der Stumme hat inzwischen Papier genommen und schreibt mit fester Hand: Ich wählte den Stadtsyndicus Zelle. Neues Protestiren des Fortschrittlers, da der Mann dies aus Bosheit sage, um eine Zelle'jche Stimme ungültig zu machen. Da eilt athemlos der fortschrittlicheSchlepper", der den *) Wir glauben zwar nicht, daß der Protest eine Ungültigkeitserklä- rung zur Fol�e hat Klotz ist eben nicht Hascncleoer. Doch wird derselbe die Krebsritter vom Fortschritt so recht in ihrer traurigen Gestalt zeigen. Red. d. V. Nun, das schadet nichts! Das Denunzianten- Reich, pardon das deutsche Reich, steht ja groß und mächtig da, feiert St. Sedan und ist im Begriffe, mehr denn eine Million seiner Bürger für vogelfrei zu erklären. Ob das den Roth stand heben wird? Unterschlagungen, Kassendefekte und dergleichen sind jetzt an der Tagesordnung. An einem Tage entnimmt dieVosfische Zeitung" aus wenigen Blättern folgende Fälle: Posen, 29. August. Der Bankagent, Sladtrath H., Vorsteher der Reichsbank Nebenstelle zu Gnesen , hat sich heute Morgens, als unverhofft eine Kassenrevision vorgenommen werden sollte, durch Gift das Leben genommen. Es soll sich in der Kasse ein sehr bedeutendes Defizit, angeblich von 160.000 Mark, heraus- gestellt haben. Gnesen , 24. August. Der hiesige Kasernen- Inspektor Krug, der auch die Baukasse unter sich hatte, ist wegen eines Kassendefekts von 4000 Mark verhaftet worden. In st er- bürg, 24. August. Vor einigen Tagen hat der hiesige Kauf- mann und Agent B., früher Apothekenbesitzer unv Stellvertreter des Bürgermeisters, der bisher für recht wohlhabend galt, seine Zahlungen eingestellt. Vorgestern ist derselbe nun, wie man der Pr.-litt. Ztg." von hier schreibt, verhastet worden, weil sich in den von ihm verwalteten Kassen, u. A. auch der Viktoriastiftung, Defekte vorfinden sollen. Flensburg , 28- August. Der vor geraumer Zeit verschwundene Kaufmann I. I. Blechschmidt, welcher bekanntlich eine Wechselschuld von 400,000 Mark zurück- ließ, ist in Chicago in erbärmlichem Zustande gefaßt worden. Der hirsige Creditverein, welcher allein eine Forderung von 43,000 Mark hat, verzichtet bei der gänzlichen Aussichtslosigkeit, etwas zurückzuerhalten, auf dessen Rücktransport. Leipzig , 25. August. Major Fellmer und Prooiantamts-Assistent Gneuß vom 107. Regiment, beide vor einiger Zeit wegen Unterschla- gung verhaftet, wurden am vergangenen Dienstag vom Kriegs- gericht zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt. Harten- stein(Sachsen ), 22. August. Wegen Differenzen in den Büchern ist der Kassirer des hiesigen Spar- und Vorschußvereins, C. F. Förster, verhaftet worden. Taubstummen an die Urne brachte und während des Geschildertcir ein Stehseidel trank, in's Lokal. Gut, daß Sie kommen," sagt der Wahlvorsteher,Sie haben ja den Herrn hergebracht, ist es wahr, daß er für Zelle stimmte." Selbstverständlich." sagt der Schlepper mit Stolz und so voreilig, daß ihm keiner seiner Parteifreunde einen Wink geben kann. Nun denn, so erkläre ich eine Zelle'sche Stimme für un- gültig," sagte der Wahlvorsteher,Sie sind doch damit einver- standen?" worauf ich zustimmend nicke und meinem fortschreiten- den Freunde eine meiner besten Salonverbeugungen mache. Doch genug für heute, ich bin unbemerkt in's Schwatzen hineingekommen, und sehe zu spät, daß ich anstatt für den poli- tischen Theil zu schreiben, Feuilletonarbeit geliefert habe. Nächstens Mehreres und Ernsteres. Bis dahin auf Wiedersehen. Konnewitz(b. Leipzig ), 3. September. Ein Akt größter Gememheit ereignete sich am Montag Abend bei dem in der Goldenen Krone" stattgefundenen Sedanfest- Cammers. Herr Dr. med. Sinnhold hielt eine Ansprache an die Festtheilnehmer und forderte am Schluß seiner Rede zu einem Hoch auf den deutschen Kaiser auf. Alle Anwesenden stimmten ein und er- hoben sich dabei von ihren Plätzen, nur an einem Tische geschah dies nicht, und zwar deshalb, weil die dort Sitzenden, in Unter- Haltung begriffen, die Aufforderung des Redners mißverstanden hatten, im Uebrigen aber das muß hier ausdrücklich bemerkt werden durchaus nicht als Reichsfeinge zu demonstriren beab- sichtigten, denn die Betreffenden schwenkten ihre Programms und brachten so gut wie alle Anderen das Hoch mit aus. Plötzlich ergreift ein tn der Festversammlung Anwesender Herr von Brause ein volles Bierglas, schüttet den Inhalt desselben dem neben ihm stehenden Oberlehrer Herrn Haferland auf die Kleidung und wirft es mit solcher Gewalt nach dem Tische der sitzen gebliebenen Herren, daß es dort aufschlägt, in Stücken zerspringt und zwei der dort Placirten an Kopf und Backen verletzt. Der Thäter, welcher sich hierauf sofort entfernte, wurde von einigen nacheilenden Herren festgenommen und an den Schutzmann abgeliefert, der ihn nach dem Gemeindebureau und von da wahrscheinlich damit demHerrn" nichts geschehen möge in seine Behausung eskortirt. Sämmtliche Anwesende sprachen ihre Entrüstung über diese Rohheit aus. So, meine Herren Reichstreuen, jetzt ein Wort an Sie: Die niederträchtig infame Hetzerei Ihrer Partei- und Wortführer, hauptsächlich aber Ihrer Preßorgane hat es bewerkstelligt, daß Sie in Ihren eigenen Kreisen bei nur dem leisesten Verdacht der Reichsfeind- lichkeit Ihres Lebens nicht mehr sicher sind, daß eine Rohheit und ein Haß gegen Andersdenkende platzgreift, der in solch viehischem Gebahren seinen Ausdruck findet. DasLeipziger Tageblatt " plaidirt häufig für die Prügelstrafe; es mag diese Notiz abdrucken und dem Publikum zugleich mittheilen, wo der Prügel am ehesten und am meisten Verwendung finden wird und muß.(Fackel.) IriedSerg, den 28. August. Im Interesse der Wahrheit bin ich genöthigt, den Sachoerhalt bezüglich der in letzter Nummer desVorwärts" besprochenen Messcraffaire hiermit wiederzugeben. Rödler, der übrigens meines Wissens nicht Sozialist, aber nach Aussage seines Meisters ein ganz braver Mensch ist, hatte an dem Sonntage der That des Guten ein wenig zu viel genossen und begab sich in ziemlich angeheiterten Zustande gegen 11 oder Vs 12 Uhr Nachts auf den Heimweg. Von verschiedenen Personen wurde ihm, wie man sagt, zugerufen:Er Jott", ein Ausruf, der hier zu Lande gebräuchlich ist bei allen Denen, welche einen Angetrunkenen zu foppen beabsichtigen. Rödler blieb die Antwort, und zwar eine sehr derbe, nicht schuldig, und war eben im Begriff die Hausthüre aufzuschließen, als ein benachbarter Metzgermeister auf ihn zu sprang und ihm einen Schlag versetzte, daß er, Rödler, zu Boden stürzte. Darauf überfiel ihn ein Steinhauergeselle mit dem Messer und versetzte ihm mehrere Stiche, einen in den Unterleib, einen in den Rücken und einen in den Schenkel. Dabei ist der Ruf erschallt:Dich Sozialdemokraten wollen wir vernichten!*) Der Meister Rödler's, unser Freund F., will mehrere Zeugen stellen die den Ruf gehört haben. Dies die wahrheitsgemäße Schilderung des traurigen Verfalls, soweit er mir zu Ohren kam. Die Unter- suchung, welche sofort nach Arretur des ThäterS eingeleitet wurde, wird daS Nähere ermitteln. Inzwischen ist Rödler wieder so weit hergestellt, daß er aus- gehen kann, der Steinhauer aber, wie ich erfahren, ist seiner Haft entlassen. Es ist nicht richtig zu sagen, daß die Liberalen hier ein Attentat verübt hätten, denn so viel ich weiß ist der Thäter ebensowenig ein Liberaler, wie Röder Sozialist ist. Damit soll aber durchaus nicht gesagt sein, daß die Hetzereien der Liberalen und Conservativen nicht ganz dazu angethan find derartige Attentate zu provoziren. Hat man doch in hiesigen Wirtschaften anständige Leute oft genug insultirt oder gar mit dem Rufe: N'aus mit dem Sozialist", aus dem Lokale geworfen; ja, eine Gesellschaft Burger und sonstige Individuen erließ im hiesigen Blättchen, genanntOberhessischer Anzeiger", eine Erklärung, daß sie mit den Verherrlichern der Pariser Mordbrenner der Commune, mit diesenPestbeulen", diesemAuswurfe der Gesell- schaft" nichts gemein haben wollen. Wenn Leute, wie ein Herr Peter Döll, Wagner, Engel, Schenk u. f. w. derartiges thun, so findet man dies am Ende natürlich, wie aber die Namen von einem Herrn Lehrer Meinel , von einem Kaufmann Hausstädt unter diese Erklärung kamen, das bleibt ein Räthsel oder zeigt doch, wie sonst durchaus gebildete und ordentliche Leute fanati- sirt werden können. Da ist es doch wahrhaftig uicht zu ver- wundern, wenn rohe, unverständige Menschen ein gutes Werk zu thun glauben, Einen dieser vermeindlichenAuswürfe" aus der Welt zu schaffen. So lange wir hier agitirt, hatten wir es auch mit Rohheiten der Gegner zu thun und nur der großen- ßigung der Sozialisten war es zu verdanken, daß nicht öfter blutige Raufereien entstanden. Die feinen Herren dieser Gesell- schaft hüten sich freilich, sich an solchen Scenen zu betheiligen, dafür aber thut der von dem Ordnungspöbel aufgehetzte Mob seine Schnldigkeit. Mit bestem Gruß- g. ßottbns. 17. August.(Glosse zum neuen Sozialistengesetz.) Nach Durchlesung der 24 Paragraphen des neuen Sozialisten- gesetzes frugen wir: Was ist der langen Rede kurzer Sinn? Wohin zielt man? Antwort: Man will den menschheitlichen Fortschritt ein Halt gebieten. Wie Stahl einst sagte: Die Wissenschaft muß umkehren, so sagt man jetzt: Die Menschheit - liche Entwicklung soll aufhören. Das sozialistische Ziel ist das der menschheitlichen Entwicklung, es heißt: Glück und Wohl aller Menschen auf Erden. Also Halt! Stillstand. Nicht Glück und Wohl aller Menschen, sondern nur einer besscrsituirten Mitzderheit! Bestialismus und Egoismus kor ever! Kein Humanismus und Sozialismus! Obgleich das ganze Leben ein fortwährendes Streben, Ver- ändern und Wechseln ist, so soll trotzdem der Stillstand ein- treten, es soll keine Geschichte mehr geben. Die folgenden drei *) Es wird also im großen Ganzen unser erster Bericht bestätigt. R. d. B.