verschiedenen Verbote und Confiscationen festgestellt. Ueber dieBeschwerdeinstanz, rcsp. über die endgiltige Entscheidungs-instanz erhob sich ein gewaltiger Streit. Der Jurist Lasterwollte eine richterliche Instanz, der Jurist Gneist wollte denReichskanzler als endgiltige Entscheidung. Die Verhandlungen,welche hierüber in der Commisfion am 21. d. M. geführtwurden, hat man am 23. fortgesetzt. Zur Zeit, wo wir diesesschreiben(Dienstag, 24. Sept.), liegen über die letzte Eommisfions-fitzung noch keine Berichte vor.Obwohl Herr Lasker nur scheinbare Verbesserungsvorschlägemacht, obwohl die Nationalliberalen besser noch wie die gelehrig-sten Pudel über den vorgehaltenen bismarckischen Stock springen,scheint ihr Herr und Meister dennoch mit ihren Kunststückennicht zufrieden zu sein. Die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung",das Organ des Kanzlers, bringt nämlich an hervorragenderStelle eine die nationalliberale Presse„völlig überraschende"Erklärung, die ihr von competenter Seite zugegangen zu seinscheint.„Der bisherige Verlauf der Commissionsverhand-lungen hat nicht den Erwartungen entsprochen, welchedie Generaldiskussion im Plenum und die Commissionswahlenhervorrufen mußten. Es schien, als ob die nationalliberaleFraktion in ihrer Mehrheit gewillt sei, die Reichsregierung auf-richtig in der Bekämpfung des sozialdemokratischen Unwesens zuunterstützen und angesichts der vorliegenden ernsten verantwort-lichen Aufgabe die Geltendmachung doktrinärer Weisheit mög-lichst zu beschränken. An die Thatsache, daß von den National-liberalen Niemand Namens der Fraktion gesprochen, daß nament-lich Lasker sich vorsichtig zurückgehalten, knüpfte man auf con-servativer Seite die Hoffnung, es werde sich die Fraktion vonder Führung emanzipiren, durch welche die guten Beziehungenzur Regierung seit Langem gefährdet erscheinen. Die Hoff-nung scheint nicht in Erfüllung gehen zu sollen. DieHaltung, welche Lasker eingenommen, beweist, daß er sich nachwie vor als den eigentlichen Führer der Partei betrachtet, unddie Unterstützung, welche seine Anträge bei den übrigen national-liberalen Commissionsmitgliedern finden, läßt nicht erkennen, daßdie Anschauungsweise Lasker's eine unberechtigte sei. Wir könnenunter diesen Umständen den weiteren Verhandlungen nichtohne Besorgnisse entgegensehen. Schon jetzt sind einigeBeschlüsse gefaßt, welche die verbündeten Regierungenvoraussichtlich als unannehmbar bezeichnen werden.Das Zustandekommen des Gesetzes erscheint gefährdet, zum Min-dekten erschwert, falls nicht im Fortgang der Verhandlungen,namentlich bei der dritten Lesung, diejenigen Mitglieder dieOberhand gewinnen, welche eine Verständigung mit der Regierungauf Grundlage des praktischen Bedürfnisses wirklich erstreben.Sollte eine solche Verständigung in Folge der Eommisfions-beschlüsie auch im Plenum nicht gelingen, sollte deshalb dieNation zum zweiten Male im Laufe eines halbenJahres an die Wahlurne gerufen werden, so würde siesich für die Aufregungen eines abermaligen Wahlkamfes in ersterLinie bei Herrn Lasker zu bedecken haben."Diese Drohung wird ihre Wirkung bei den„über den Stockspringenden" Nationalliberalen nicht verfehlen; sie werden nun-mehr„schön thun",„bauchrutschen", überhaupt Alles, was vonihnen verlangt werden wird.— Nobiling und die„Germania". Unter dieser Ueber-schrift bringt die(katholische)„Germania" folgenden Bericht:„Da die gegen Nobiling eingeleitete Untersuchung wegen des ein-getretenen Todes des Attentäters beendigt ist und— so vielverlautet— wegen Mangel an bisher entdeckten Complicen auchfiegcn andere Personen sich nicht mehr in der Schwebe befindet,o scheint es uns nunmehr an der Zeit zu sein, die vor einigenMonaten von uns versprochenen Details über das Verhör,welches unser Chefredakteur in der gedachten Angelegenheit amAn Deutschland.Weh mir, daß ich dich fragen muß:Bist du das Volk der Hohenstaufen?Dein zweiter Kuß ein Judaskuß!Es schwelgt ein Theil im Ueberfluß,Der größre, ein Johannes Hnß,Besteigt des Elends Scheiterhaufen.Viel besser ist ein Räuber Moor,Stößt er das Weltall aus dem Gleise,Als Euer DünnbierseelenchorMit der Parole: Ein Schritt vor;Zwei Schritt zurück! Dabei verlorDer„Fortschritt" seine besten Kreise.Ihr Dichter insgesammt: o sprecht,Kennt ihr den Namen Ulrich Hutten,Den einst verdammte sein Geschlecht?Wie klingt sein Name heut so echt!Statt daß ihr Zukunftsrosen brecht,Pflückt ihr des Tages Hagebutten.O Deutschland, du mein Echternach/)Du Land der Gründer und der Streber,Du springst zum Ziele allgemach,Ich aber ruf: Erwach! erwach!Beim ersten Zuge biete Schach,Zerspreng' die übertünchten Gräber!Ein Roland trittst du in den Streit,Deß Losung: Sozialistenhetze,Und Ganelon ist auch nicht wert—Der Reichstag, zum Berrath bereit.„Je weniger Gerechtigkeit,"Schrieb Seume,„um so mehr Gesetze/| 5. Juli c. vor dem Untersuchungsrichter gehabt hatte, zu publi-ciren. Hier sind sie: Einige Zeit vor dem 2. Juni, dem Tagedes Attentats, war Hierselbst bei dem Hofgärtner Schmidt,Friedrichstraße Nr. 177, ein Blumenbouquet bestellt worden, undwurde dabei seitens des Auftraggebers eine Karte abgegeben, aufwelcher die nachstehenden Worte sich befanden: Dr. Nobiling,Mitarbeiter der„Germania". Dr. Majunke wurde deshalb am5. Juli vom Untersuchungsrichter befragt, ob in der That Dr.Nobiling ein Mitarbeiter der„Germania" gewesen sei. Dr. M.konnte sofort die bündige Erklärung abgeben, daß ein„Dr. No-biling" niemals ein Mitarbeiter des von ihm geleiteten Blattesgewesen sei. Dr. M., der einige Tage vor dem Termine einPortrait Nobiling's in dem bei Pustet in Regensburg erscheinen-den„Deutschen Hausschatz" gesehen hatte, erklärte ferner, er könnesich auch nicht erinnern, daß er jemals mit dem Attentäter ingesellschaftlichem Verkehre zusammengetroffen sei; ganz sichereAuskunft würde er aber hierüber geben können, wenn man ihndem Verbrecher in Person einmal gegenüberstellen würde. Letz-teres schien indeß der Untersuchungsrichter nicht für erforderlichzu halten; er legte dem Zeugen nur eine Photographie Nobi-ling's vor, von der er versicherte, daß sie naturgetreu sei. Dr.M. fand nun hier genau dasselbe Bild wieder, welches er schonim„Hausschatz" bemerkt hatte und erklärte jetzt mit aller Be-stimmtheit, daß er mit dem Verbrecher niemals ein Wort inseinem Leben gewechselt habe. Leider hatte der HofgärtnerSchmidt jene Visitenkarte nicht mehr aufbewahrt; er hatte siebereits vor dem 2. Juni mit anderen vernichtet und war nurdadurch, daß er gelegentlich des Attentates den Namen Nobi-ling's nennen hörte, an die Karte wieder erinnert worden. Die-selbe befindet sich daher auch nicht bei den Untersuchungsakten.Ein Mißbrauch des Namens der„Germania" liegt also hier injedem Falle vor, da keiner der Redakteure derselben sich erinnert,daß ein Dr. Nobiling jemals mit ihnen in irgend welchen Be-ziehungen gestanden habe, und es fragt sich nur, zu welchemZweck dieser Mißbrauch getrieben worden sei, denn es läßt sichwohl annehmen, daß„Dr. Nobiling" noch mehrere derartigeKarten verbreitet hat, deren Empfänger nur wegenbefürchteter Prozeßweitläufigkeiten sich dem Gerichte zu nennenscheuten. Vielleicht bringt nachstehende weitere Thatsache einigesLicht in die dunkle Angelegenheit. Es ist notorisch, daß bei derFestnahme Nohiling's auf dessen Zimmer nur die„Germania"und zwar diese in zahlreichen wohlgeordneten Exemplaren vor-gefunden wurde. Als Dr. Majunke beim Verhör den Unter-suchungsrichter fragte, wie sich denn dieser Umstand erklären ließe,da ja nach Allem, was über Nobiling bekannt geworden, der-selbe viele Zeitungen gelesen habe und überdies ein Gegner dervon der„Germania" vertretenen Richtung gewesen sei, antwor-tete der Richter wörtlich:„Die anderen Zeitungen hatte er alleweggeschafft." Hiernach läßt sich also nicht leugnen, daß einwohlberechneter und— nach dem bei dem Hofgärtner hinter-lassenen corpus delicti zu schließen— langgehegter Plan demVerbrecher zu Grunde gelegen hat, ein Plan, der allerdings zu-gleich so dummdreist war, daß er von keiner hohen In-telligenz seines Urhebers Zeugniß ablegen kann. Esstimmt dies auch zu der Charakteristik, welche der Untersuchungs-richter Herrn Majunke über Nobiling bei dem mehrerwähntenTermine gab.„Das Bild", sagte der Untersuchungsrichter,„welches die Zeitungen über Nobiling ausmalen, ist ganz undgar unzutreffend; er ist nichts weniger als„intelligent",er ist noch dümmer als Hödel." Uebrigens bezeichnen ihnseine Verwandten als eineir höchst schüchternen Menschen, undauf welchen mühseligen Wegen er zu seinem Doktortitel gekom-men, ist ja auch allgemein bekannt. Sollte also der Attentäterin kein Complot verwickelt gewesen sein— es sprechen mehrereGründe dafür(??) und dagegen— so bleibt nur die Annahmeübrig, daß er, der Halbidiot und zugleich enragirte Waffen-freund, in einem dunklem Drange von GroßmannssuchtIL M.Herr Fritz Kalle als Humanitätsap ostel inder„Gartenlaube".(Schluß.)Sprechen wir nun von den„guten Beispielen", welche dieArbeitgeber ihren Arbeitern geben sollen. Ja ja, Herr Kalle,Ihre Collegen haben schon bisher schlagend bewiesen, daß siedas richtige Zeug haben,„mit gutem Beispiel voranzuleuchten"!Was zunächst die„Sittlichkeit" anbelangt— wo ereignen sichdenn die schreiendsten Unsittlichkeitsakte und die infamsten Ver-führungen? Gerade in den Fabrikdistrikten, in den Werkstättenund dem Wirkungsbereich ihrer Collegen, Herr Kalle, und so oftdirekt durch die Letzteren! Ist Ihnen das riesige Material ganz*") Bekannt durch seine Springprozessionen.unbekannt, was zu diesem Gebiete aus allen auch nur halbwegsselbstständigen Tagesblättern— von der Arbeiterpresse ganz ab-gesehen— geschöpft werden kann? Und zugestandenermaßen istdiese stets wachsende Unsittlichkeit— sofern �sie den anderen Theilanbelangt— größtentheils eine direkte Folge der traurigenökonomischen Lage, in welcher die Fabrikbevölkerung durch denvon Ihnen vertheidigten Kapitalismus gehalten wird, und welchealso nicht schwindet, bevor der Kapitalismus fällt. Doch andiesen gegensettigen Zusammenhang zu denken, wollen wir Ihnen,Herr Kalle, gar nicht zumuthen— denn wir werden noch weiterunten sehen, wie wenig von Ihrem ökonomischen Wissen verlangtwerden kann! Jene Unsiltliu>keit geht aber zum Theil auch ausden speziellen Fabrikeinrichtungen hervor, wozu vor Allem dieschmachvolle, familienvergiftende Kinderarbeitjjehört, die Sie ja,Herr Kalle, in Ihrem von Humanität und Familienschwärmereistrotzenden Artikel mit keiner Silbe erwähnen!— Was fernerdie„Beispiele der Ehre und des Anstandes" betrifft— wissenSie denn nicht Herr Kalle, daß Ihre Collegen zum größtenTheil ihre Arbeiter bei jeder Gelegenheit— besonders währendder verflossenen Wahlen— durch die Hungerfolter zu zwingensuchten, ihre Ehre und Ueberzeugung zu verkaufen? Und sindnicht Sie es, Herr Kalle, der diese schandbare Seelenverkäufereiim ersten Theil seines Humanitätsartikels empfiehlt und dieselbe„einstweilen" eonsequent und allgemein durchgeführt haben möchte?Wie stimmen Ihre salbungsvollen und�moraltriefenden Humani-tätsphrasen mit dem, was Sie einige Spalten früher geschriebenhaben? Wie können sie so keck heucheln!— Schließlich ermahnenSie die Arbeitgeber, sie möchten nicht„den ihnen gewordenenReichthum zur Entfaltung eines Neid und niedrige Genußsuchterregenden Luxus mißbrauchen," sondern„vor Allem zu umfang-reicherer Unterstützung der weniger günstig Gestellten benutzen."Ja wohl: Diejenigen, welche mi: allen Mitteln den Enterbtenausgebeutet haben, um sich Reichthum zusammenzuraffen, dieeignen sich naturgemäß am Besten, ihren Reichthum hinterherfür diese Ausgebeuteten zu verwenden! Diese Naivität ist gott-voll! Uebrigens, Herr Kalle, Sie philanthropisches Bourgeois-gemüth, warum plaidiren Sie denn nicht dafür, daß der Arbeit-geber gleich von vornherein seine Arbeiter liebevoller bedenkt,in der Weise, daß dieselben nicht so ungünstig gestellt werden,daß sie eine Unterstützung bedürfen, statt daß er zuerst allesMögliche zu ihrer ungünstigen Stellung beiträgt, um dann, wennsie auf den Hund sind, ihnen Almosen zu spenden? Das wäredoch viel kürzer und praktischer! Warum machen Sie zuerstden Arbeiter zum Lazarus, um ihm dann die Brocken hinzuwerfen,die von Ihrem Tische abfallen? Doch halt! Man soll vomMenschen so lange als möglich das Beste denken. Nach demfolgenden Theile Ihres Artikels zu schließen, scheinen Sie zubefürchten, daß der Arbeiter, sich selbst überlassen, sich nicht aufdie„richtige Verwendung des Erworbenen" verstehen möchte,und wollen deshalb das vom Arbeiter erzeugte Eigenthum unterIhre väterlichen Fittige nehmen, damit derselbe nicht ausarte?Aber leider, leider, Herr Kalle, müssen wir Sie in dieser Hin-ficht daran erinnern, vor Ihrer eigenen Thüre zu kehren! Unsdünkt es nämlich, daß zur Vormundschaft über das Arbeiter-und halb unbewußter Nachahmungssucht auf das erste ver-eitelte Attentat ein zweites wirksameres folgen lassen wollte."Also eine neue Bestätigung der, für jeden Unparteiischen undDenkfähigen, längst erwiesenen Thatsache, daß Nobiling nicht imBesitz normaler Geistessähigkeiten sich befand, so wenig wie Leh-mann-Hödel. Gleich diesem war er Halbidiot. Nur mit demUnterschied, daß bei ihm die Erblichkeit klar nachgewiesen ist,was bei Lehmann-Hödel nicht der Fall, vermuthlich, weil dessenVater nicht bekannt. Beiläufig ist dieser Tage ein BruderNobiling's von dem Kreisgericht in Eisleben von der Anklageder Religionsverspottung freigesprochen. Die Religions-Verspottung sollte darin bestanden haben, daß Nobiling bei demBegräbniß eines Lieblings Hund es den Choral„Jesus meineZuverficht" von einer Mufikbande hatte spielen lassen.— Mansieht, die Verrücktheit ist in der Familie.— Vom kranken Mann. In Folge der„anfregendenDebatten" über das Sozialistengesetz ist unser Reichskanzler wie-der wie wir in der vorigen Nummer mittheilten, erkrankt. Esveranlaßt uns dies zum Abdruck des nachfolgenden Schreibens,das uns, noch ehe von dieser neuesten Erkrankung etwas bekanntwar, aus ärztlichen Kreisen zugegangen ist:Fürst Bismarck hat in seiner letzten Reichstagsrede er-klärt, er habe sich seine Krankheit ehrlich verdient. Niemand,auch der enragirteste Gegner des Reichskanzlers wird bestreitenkönnen oder wollen, daß derselbe seit 15 Jahren so übermäßigegeistige Aufregungen und Anstrengungen auszuhalten gehabthat, daß auch der kräftigste Körper dieselben nicht ohne voll-ständige Zerrüttung des Nervensystems ertragen konnte. FürstBismarck ist also schwer nervenkrank. Das erklärt mir voll-ständig die Zerfahrenheit seiner inneren Politik. Das erklärtsein sonst unbegreifliches Auftreten gegen seine langjährigenMitarbeiter und die eigenthümliche Art seines Urtheils über dieentlassenen Minister. Das erklärt den plötzlichen Gesinnungs-Wechsel über die Organisationen des Reiches. Das erklärt auchdie letzten heftigen Angriffe gegen Eugen Richter, denn schwernervenkranke Menschen gerathen immer sofort in Aufregung,wenn sie Jemand sehen, oder von Jemand erinnert werden,von dem sie sich die Wahnvorstellung gebildet haben, er sei ihrGegner oder Verfolger. Das erklärt auch die sonst unerklär-liche Gedächtnißschwäche, die Fürst Bismarck dadurch dokumen-tirte, daß er nichts von der Wahl Fritzsche's im 4. BerlinerWahlkreis wußte, von der doch die ganze Welt gesprochen undgeschrieben hat, und von der ihm direkte telegraphische Nach-richt zugegangen ist. Das erklärt auch die Wahnvorstellung, dieihn verleitete, den Kullmann dem Centrum, den Hödel undNobiling uns an die Rockschöße zu hängen und das erklärtauch jene von Bebel gebrandmartte offizielle Depesche, nachwelcher Nobiling gestanden haben sollte, er hege sozialdemokra-tische Sympathien! Ich bedauere lebhaft diese schwere Nervenkrank-heit des Reichskanzlers, unter der seine ganze Umgebung sicherlich zuleiden hat! Wäre der Herr nicht in so hoher Stellung, er wäregewiß schon von den Aerzten von jeder aufregenden Thätigkeitabgehatlen und nach einem gesunden Aufenthaltsort geschickt wor-den, wo er von der politischen Welt hermetisch abgeschlossen,unter sorgfältiger Aufsicht und Pflege sicherlich noch Heilungfinden könnte. Wenn das aber nicht bald geschieht, wird sichnach dem Urtheil jedes Sachverständigen der Zustand bald zueinem unheilbaren gestalten! Und es wäre doch wahrlich einfurchtbares Schicksal, wenn der Begründer des deutschen Reichesan langsamer Krankheit dahinsiechen müßte!— Das ungarisch-deutsche Blatt, der„PesterLloyd" bespricht das deutsche Sozialistengesetz und die Lage inDeutschland in einer für die deutsche Reichsregierung nicht ge-radezu schmeichelhaften Weise. Dann erwähnt das Blatt dieauch von uns mitgetheilte Unterredung Bismarck's mit demeigenthum und zur Belehrung über dessen„richtige Verwendungzum Wohlergehen der Arbeiter" Leute nicht besonders geeignetund berufen sind, die sich zu Diners zusammensetzen, an denendie Verschwendung förmlich kultivirt wird— wie Sie unterAnderm in einer Gesellschaft tafelten, wo allein 70 verschiedeneSorten Liqueure vertilgt wurden!(Siehe„Vorwärts" Nr. 94.)Das möchten wir auch„Entfaltung eines Neid und niedrigeGenußsucht erregenden Luxus" nennen!Von diesem Gesichtspunkte aus richten sich Ihre folgendenAusführungen von selbst. Dieselben enthalten eine ReiheMittelchen„zur Förderung des materiellen Wohles der Arbeiter",die aus den Geistesfabrikaten eines Max Hirsch, eines ViktorBöhmert, eines Gründers Quistorp u. A. kompilatorisch ge-sammelt find. Sie betreffen unter Anderm die seitens derArbeitgeber zu leitende Hebung der Hülfskassen für Kranke, fürArbeitslose— nämlich wenn sie nur in Folge der Geschäfts-krisis arbeitslos sind— und für Wittwen und Waisen. Wiegesagt, Herr Kalle, wenn Ihnen daS Elend des Arbeiters sonahe geht, warum kämpfen Sie nicht dagegen an,� daß diesesElend, zu Gunsten Ihres und Ihrer Collegen Geldsückels, zuerstauf alle Weise gefördert wird? Warum treten Sie mcht präser-vativ statt quacksalbernd gegenüber der Lage der Arbeiter auf?Aber Sie wollen eben einmal den Pelz waschen, ohne ihn naßzu machen, d. h. ohne Ihrer Rolle als Ausbeuter etwas zu ver-geben, und dies ist wohl auch der Sinn der in Ihrem Artikelöfters wiederkehrenden Redensart„Besserung nach Möglichkeit"!Gestehen Sie es nur offen ein!Ihre weiteren Borschlage an die Arbeitgeber beziehen sichauf Hebung der Konsumvereine und auf Aktiengesellschaften zurErrichtung von Arbeiterhäusern. Auf diese Weise, in Verbindungmit konsequenter Belebung des Sparkassenwesens*), denken Siees dahin zu bringen, daß die Arbeiter allmähliz„kleine Kapi-talisten" und damit zugleich endgültig Ihre„Bundesgenossen"werden. Lieber Herr Kalle, Sie sind von einer ParadiesischenUnschuld und scheinen nicht die geringste Ahnung davon zu haben,daß der Grundzug der ökonomischen Entwicklung der Gegenwartgerade darin besteht, daß das kleine Eigenthum vom großen ab-sorbirt wird, der Mittelstand daher schwindet, und alle Klein-bürger und„kleine Kapitalisten", als Opfer des Großkapitals,in die Klasse der Besitzlosen geschleudert werden. Einen Arbeiterzum„kleinen Kapitalisten" zu machen— vorausgesetzt, daß diesallgemein gelänge— und zu glauben, damit der Arbeiterfragedie Spitze abgebrochen zu haben, wäre also gerade so schlau,als wenn man Jemandem, der von einem Wagen herabgefallenist, dadurch wieder in die Höhe helfen wollte, daß man ihn aufdas rollende Wagenrad setzt, von wo er im nächsten Augenblickwieder in den Straßenkoth purzelt! Und ein solcher Ignorantuntersteht sich, den Arbeitern„wirthschaftliche Erkenntnisse" bei-bringen zu wollen! Damit fangen Sie zu allererst bei sich selbstan, Herr Kalle! �.Auch für humane Rücksichten betreffs Arbettszeit und Arbeits-*) In dieser Hinsicht, Herr Kalle, hätten Sie die Arbeitgeber auchgleich auffordern dürfen, einen ansehnlichen Fond anzulegen zur Schadlos-Haltung der Arbeiter im Falle des— Durchbrennens der Kassirer.