f Sozialpolitische Ueberficht. Am Montag fanden im deutschen Reichs- age einige gleickgültige Wahlprüfungen ihre Er- edigung. An die Knobloch'sche und Groote'sche Layl wagte sich der Reichstag nicht heran, da wm fürchtete, die Gemüthcr noch vor Berathung >es Sozialistengesetzes unnöthig zu erhitzen. Daß die genossenschaftlichen Kassen z lind die registrirten Gesellschaften auch t imter das Ausnahmegesetz gestellt werden sollen, müber ist der alte Herr Schulze aus Delitzsch mgemein unglücklich. Er will diesbezügliche An- �äge stellen, doch wollen die Regierungen nicht Khgeben, da sie, und zwar mit Recht, der Ansicht ld, daß die Sozialdemokraten sich auch mit ihren iftrebungen eventuell unter das Genossenschafts- -setz stellen werden. Diese Haltung der Re- ierungen entzückt uns; jemehr Existenzen in wirth- gastlicher Beziehung durch das Ausnahmegesetz >ernichtct werden, desto besser für die Sozial- Demokratie, desto eher kommt das deutsche Boll jur Vernunft und wird sich von solchen alten peulmeiern, wie Schulze einer ist, die durch ihr lozialistenfresserisches kindisches Benehmen das Au-.'- lahmegesetz mit hervorgerufen haben, abwenden. l�ur Abwehr. Unter vorstehender Ueber- chrift bringt derStaats-Socialist« gegen den >uch von uns erwähnten, d,e Staatssocialisten mgreifenden offiziösen Waschzettel folgende Er- läruna: Eine dem offiziösen Preßbureau entstammende md'von einer Anzahl Zeitungen kolportirte Notiz autet: In der letzten Zeit hat die Haltung des Staats-Socialisten" besonders gegenüber dem Socialistengesetz Aufmerksamkeit erregt. Es ist in dieser Beziehung beachtenswerth, daß in dem Blatte, welches bereits mehrfache Wan- delungen durchgemacht hat, neuerdings vor- nehmlich dieselbe Koterie von Socialpolitikern Boden gewonnen, welche früher in derEisen- bahuzeitung" und derReichsglocke" das Wort geführt hat!" Nun fährt derStaats- Socialist" fort:Von den Berliner konservativen" Blättern bringen die Kreuzzeitung " und derReichsbote" diese Notiz ohne Bemerkung, dieDeutsche Landes-Zeitung" dagegen bemerkt dazu: Wir glauben auch lesen zu können, haben aber jene Spur nicht wahrgenommen; dagegen scheinen uns gewisse Regierungskreise ganz be- deutlich an der dem Wohle des Staates grade nicht sonderlich fördersamen Schwäche zu leiden, daß sie selbst eine von befreundeter Seite aus- gehende sachliche Opposition als eine persönliche betrachten. Dies meinen wir, obschon wir dem Staats-Socialisten" völlig fern stehen, sagen zu müssen, bevor noch das Socialistengesetz in Kraft tritt." Unsererseits könnten wir uns eigentlich darauf beschränken, dem offiziösen Prehburcau mit einem Worte des Herrn Reichskanzlers zu antworten, welches derselbe gelegentlich der Socialisten-Debatte im Reichstage gesprochen:Ich könnte ein viel üblerer Mensch sein als ich bin und doch sachlich Recht haben," doch halten wir es um der Sache willen für zweckmäßiger, jene offiziöse Notiz auch noch ausdrücklich als eine tendenziöse hoffentlich ihres Zweckes verfehlendeSchnurre" zu bezeichnen. Allerdings laffen wir uns nicht dafür bezahlen, Alles, was aus den offtzlellen Bureaux hervorgeht, wundervoll zu finden und Ermessen festzustellen, auch wenn eine eigentliche pekuniäre Einbuße nicht vorhanden ist. Wie man sieht, geht also das französische Recht in der Haftpflicht bedeutend weiter als das deutsche Gesetz vom 7. Juni 1871. Es verlangt den un- bedingten Nachweis entweder des eigenen Ver- schuldens des Unternehmers oder eines beliebi- gen von ihm Beauftragten: die Vermuthung des Verschuldens bis zum Beweise des GegentheilS, wie sie bei uns den Eisenbahnen gegenüber gilt, wie sie das neue schweizerische Fabrikgesetz auch den Fabrikanten gegenüber statuirt, ist ihm durch- aus fremd. Ist aber einmal ein Verschulden irgendwelcher Art nachgewiesen, so muß dem Verletzten so gut wie jedem andern Benachtheiligten voller Schaden- ersah geleistet werden. Die Ausdehnung des Haft- Pflichtgesetzes auf das Baugeschäst, den landwirth- fchastlichen Betrieb und hoffentlich grundsätzlich auf jeden Fall der Bevollmächtigung analog dem sranzöfischen Rechte dürste nur eine Frage der Zeit sein; dagegen werden die Meinungen noch weit auseinander gehen darüber, in welchem Um- fange die Schadensersatzpflicht zu reguliren ist und namentlich, ob, wie bei den Eisenbahnen, auch der Bergwerkseigenthümer und Fabrikant für jeden Unfall verantwortlich sein soll, wenn ««'cht höhere Gewalt oder eigenes Verschulden des Verletzten beweist. Darüber vielleicht ein anderes Mal. desVorwärts" befindet sich eine länge?- C?r- respondenz aus Zürich vom 9. September zu welcher ich mich genöth.gt sehe Einiges zu b-rick. tigen, da mein Mann sich mehr als zwölf ManÄ, im Gefängnlß befinden wird. Wenn mein Mann en seiner Zuschrift an denVorwärts" zunächst über die schweizerischen Verhältnisse spricht, so kann er bei seiner bekannten Bescheidenheit solche niemals für fich gewünscht haben, sondern er hat lediglich die in den Jahren 1848 und 49 von der demo- kratischen Presse herausgestrichenen freiheitlichen und glückseligen Zustände gegenüber den gegen- wältigen in's rechte Licht stellen wollen. Und damit hat er jedenfalls den Nagel auf den Kopf speziell den Verfasser des Socialisten-Gesetzes, den Präfidenten des Reichs-Justizamtes(Friedberg !) als den Moses der Epoche zu bewundern, doch werden wir uns niemals dazu herbeilassen und haben dies, soviel wir wissen, auch bisher nicht gethan, in eine der früherenReichsglocke" oder Eisenbahnzeitung" ähnliche persönliche Polemik zu verfallen. Im Gegentheil haben wir, ebenso wie unsere Mitarbeiter ohne Ausnahme, jede persönliche, durch thatsächliche Unwahrheiten ver- schlimmerte Polemik jederzeit auf das Entschiedenste desavouirt und gemißbilligt und insbesondere die persönlichen Angriffe gegen den Herrn Reichs- kanzler als den größten politischen Fehler ver- worfen und beklagt, und zwar nicht allein der Reichsglocke" oderEisenbahnzeitung" gegenüber, sondern in hervorragendem Maße damals, als die Kreuzzeitung " sich bewogen fand, den Fürsten Bismarck als den natürlichen Vater der Aera Camphausen-Bleichröder-Delbrück in keineswegs verbindlicher Weise vor ihren Schöffenstuhl zu citiren. Dagegen legen wir freilich sachlich einigen Werth darauf, unserem deutschen Baterlande und dem preußischen Königthum nach unserem eigenen besten Wissen und Gewissen zu dienen und unseren Bedarf an Gedanken soweit irgend möglich selbst zu produziren. Die bekannte offiziöse Staats- Apotheke hat schon so vielen verschiedenen Herren gedient und hat schon so oft mit den Rezepten ihrer politischen und socialen Universal- Heilmittel gewechselt, daß wir es vorziehen, solchen Autoritäten zu folgen, welche stets unter derselben Flagge gesegelt sind. Außerdem aber glauben wir dem"offiziösen Preßbureau" die offene Erklärung schuldig zu sein, daß wir seineCorrespon- denten" in socialen Dingen für überaus unwissend halten, wie denn auch auf diesem Gebiete noch niemals etwas von dort ausgegangen ist, was sich über das Niveau der gewöhn- lichen Phrase erhoben hätte. Haben wir Unrecht, so widerlege man uns, haben wir aber Recht, so ist es keine gute Polemik, falsch Zeugniß abzulegen." So derStaats-Socialist". Was er da dem Herrn von Bismarck an allerlei persönlichen Schmeicheleien auftischt, lassen wir gern passiren in Hinficht auf den geradezu vernichtenden Angriff. der auf das Preßbüreau eben desselben Herrn von Bismarck geführt wird. Was aber in Bezug auf das Regierun gspreßbüreau gilt die geradezu fabelhaste Unwissenheit in ökonomischen und so- cialcn Dingen, das gilt auch in Bezug auf andere Büreaus und Personen, so daß jede auch noch so winzige Reform in socialen Dingen im deutschen Reiche unter dem gegenwärtigen Regime un- möglich ist. Eine traurige Nothwendigkeit nennt dieMagdeburgische Zeitung" das Sozialisten- gesetz. Traurig ganz gewiß; auch noth- wendig um die Sozialdemckratie immer weiter zu verbreiten. Liberaler Hülferuf nach Polizei- Weisheit und nach dem lieben Herrgott. Bis jetzt hat der Liberalismus von Beiden, von der Polizei und vom Herrgott, wenig gehalten; nun aber bringt die Sozialdemokratie den Liberalismus wieder auf den allein seligmachenden Polizei- und Gottesweg. Das bedenken die christlich gesinnten Leute, das bedenken die Conservativen, diese Polizeiliebhaber nicht. Anstatt der Sozialdemo- kratie die Hände zu küssen, bestreben sie sich, uns zu vernichten, uns, ihre besten Freunde, die dem gott- und pflichtvergessenen Liberalismus Mores getroffen, denn jetzt sind die Zustände insofern andere, als wir jetzt den Kampf um sozial- politische Rechte führen, was 1848 uur theilweise der Fall war. Ich glaube nimmer, daß mein Mann bei seiner Ankunft in der Schweiz sich ge- dacht hat, inBürgerfamilien" ein feines Leben führen zu können, dazu hat er sich sein ganzes Leben hindurch viel zu sehr um sein täglich Brod bemüht und suchte lediglich Arbeit. Der Beweis ist ja auch dadurch erbracht, daß er sich mit einer sehr schlecht bezahlten Arbeit begnügte. Dort aus- gewiesen(in Schaffhausen ), begab er sich nach Zürich zurück und verbrachte noch einige Tage daselbst, wo für seinen Lebensunterhalt täglich 15 Centimes genügen mußten, welche ihm aus� Halberstadt zugegangen waren. Unter solchen Verhältnissen mußte ihm natürlich der Muth ver- gehen, sich noch weiter an das Comitö des Schwei- zerischen Arbeiterbundes zu wenden; es war ja allgemein bekannt, daß er in Schaffhausen ausgewiesen worden war. Wer in derartigen Lebenslagen fich befunden, der wird auch meinen Mann in diesem Falle begreifen können. Werk- würdig bleibt nur dabei, daß das erwähnte Bun- descomitö die Sache so spät erfuhr. Meines Mannes Wille ist noch nie gewesen, viel von sich reden zu machen, und darum ist der Correspon- dent im Unrecht, wenn er die Briefe meines Mannes in's Lächerliche zu ziehen sucht. Kruhl hat seit vielen Jahren für unsere Ideen gekämpft und wir haben seit dieser Zeit unendliches Un- gemach erdulden müssen aber immer ohne den geringsten Eigennutz.. Mit sozialdemokratischem Gruß Margarethe Kruhl in Halberstadt . (Wie uns aus guter Quelle zukommt, hat die Schweizer Behörde, ob mit oder ohne Absicht, das bleibt dahingestellt, aus einemBergehen wider die öffentliche Sicherheit ", ein.Ver- gehen wider die öffentliche Sittlichkeit" aus irgend einer Zuschrift herausgelesen und deshalb Kruhl ausgewiesen. Allerdings ein lächerliches Versehen. Red. d. V.) lehren. Daß die Angst vor dem Sozialismus dies Wunder", welches alle christlichen Pastöre und alle Polizeigewalt nicht bewirken konnten, ver- richtet, das beweist zur Evidenz folgende Notiz aus einem nationalliberalen Waschzettel, der das Ausnahmegesetz bespricht und die wir derMag- deburgischen Zeitung" entnehmen: Das ehrliche Streben aller Theile nach Ver- ständigung ist die besterettende That", um über die drohenden Gefahren der Gegenwart hinweg- zukommen. Was die Zukunft bringen wird, liegt in der Hand Gottes. Schwere Stürme werden in späterer Zeit kaum ausbleiben, das befürchten die Gegner des Ausnahme- gesetzes und das wagen auch Die kaum in Abrede zu stellen, welche der Meinung sind, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen das Scheitern des Ausnahmegesetzes durchaus verhütet werden müsse. Von dem Maße der Weisheit, mit welchem die Regierung das Gesetz handhaben wird, dürfte es zumeist abhängen, ob dieses Gesetz seinen Zweck erreichen oder das Uebel noch verschlimmern wird." Bekannt ist, daß nicht die Regierung, sondern die Polizei das Ausnahmegesetz handhaben wird in unaussprechlicher Weisheit, da die Polizei- Weisheit in Deutschland ja über allen Zweifel erhaben ist und alle anderen Culturnationen in gerechtes Erstaunen setzt. Der Liberalismus ist also jetzt auf diePolizeiweisheit" und dieHand Gottes " gekommen. Nationalliberale Sozialisten. Der Frankfurter Beobachter" höhnt dieNational- liberale Correspondenz" in folgender Weise aus: Seit Bismarck Lassalle und sein sozialistisches Programm gelobt hat, beginnen auch die National- liberalen in dem Augenblicke, wo alle sozialistischen Bestrebungen in Acht und Bann gethan werden sollen, für diese selben Bestrebungen Propaganda zu machen. Anknüpfend an die bekannte Rede des Abg. Dollfus aus Mühlhausen , empfiehlt die Nationalliberale Correspondenz" in ihrer neuesten Nummer den Bau von Arbeiterstädten mit Staatshülfe, da Dollfus mit Recht gesagt habe: Macht jeden Arbeiter zum Grundbesitzer und es wird keine Sozialisten mehr geben." Das ist wahr, aber Finanzminister Hobrecht wird sich be- danken, die Moneten dazu herauszurücken und die Nationalliberalen wissen Das sehr gut. Sie wollen sich nur zur Abwechslung einmal als Philantropen zeigen, zumal es ihnen selbst nicht einen Heller, sondern nur einige Tintenkleckse auf's Papier kostet." So muß es kommen. Wer den Schaden hat es ist doch ein Schaden, daß Herr von Bis- marck durch seine Lassallerede den Nationalliberalen in ihrewirthschaftliche Suppe" gespuckt hat braucht für den Spott nicht zu sorgen. Zur allgemeinen Rathlosigkeit. Die Allgemeine Eoangelisch-Lutherische Kirchenzeitung" schreibt: Ueber all hat die Sozialdemokratie Erfolge und Fortschritte zu verzeichnen: bei den Wahlen, unter der Jugend, in den Kreisen des kleinen Handwerks und Beamtenthums, auf den höheren Unterrichts- Anstalten, unter den Studirenden, Gebildeten und Besitzenden, in der Armee! Und was thut man dagegen, welche Gegenwirkung übt man? Ausnahmegesetze, Polizei, Gewalt! Inder That, damit sich zu beschäftigen, wie man der Sozialdemokratie die Wurzeln abgrabe, scheint gan* außerhalb aller Betrachtung zu liegen. Wahrlich, so lange auf religiösem und politischem Gebiete jene liberale Richtung verfolgt wird, welche alle zerstörenden Elemente entbunden hat, so lange in wirthschaftlicher Beziehnng das Prinzip des Gehenlassens die kleineren und mittleren Existenzen expropriiren und vernichten darf und fast alle mit Ausnahme der Plutokratie mit Unzufriedenheit erfüllt, wird man den Er- folgen der Sozialdemokratie nicht Halt gebieten, sondern sie wird immer weiter und immer drei- teren Boden gewinnen, selbst dort, wo man es nicht vermuthen sollte." Die Regierung: Ausnahmegesetze! Die Bourgeoisie: die Hungerpeitsche! Und die Gelehrten derAllgemeinen Evangelisch-Lutheri- schen Kirchenzeitung": die Religion, die Ver- tröstung auf den Himmel. Dabei blüht und wächst die Sozialdemokratie glänzend und ruhig weiter. Wir erhalten folgende Zuschrift: An die Redaktion desVorwärts". Ich bin leider wieder einmal genöthigt, Ihnen eineBerichtigung" auf Grund des§ 11 des Reichspreßgesetzes zur Veröffentlichung zugehen zu lassen. Sie richtet sich gegen Nr. 118 des Vorwärts" und ist eine doppelte: 1) Sie schreiben: ich seivor 30 Jahren sehr stark von communistischen Gifte durchseucht ge- Wesen". Ich fordere Sie auf, entweder zur Zu- rücknahme dieser Behauptung als einer Unwahr- heü oder zur Erbringung des Wahrheitsbeweises. 2) Sie führen aus der von mir redigirten �Deutschen Allgemeinen Zeitung"(Nr. 230) eine Stelle an, aus der hervorgehen soll', daß ich auch ein mißbräuchliches Vorgehen der Executivbe- Hörden gegen die Sozialdemokratie auf Grund des sogenannten Sozialistengesetzes gutheiße. Aber Sie entstellen den Sinn dieser Stelle, indem Sie solche aus dem Zusammenhange reisßen indem Sie verschweigen, daß ich in der Bil- dung der mit Ausführung des Gesetzes zu be- trauenden Behörden Garantien angebracht wünschte sowohl gegen einemißbräuchliche und übertriebene", als auch allerdings! gegen eine schlaffe und lässige Ausführung der Gesetze; Sie verschweigen, daß ich mich gegen die Ausführung des Gesetzes durch bloßeLan- desPolizeibehörden" erklärte, weil diese leichtent- weder zuschroff" oder zu verzagt verfahren möchten" daß ich vielmehr die Ausführung des Gesetzes dem Reichskanzler übertragen sehen wollte, der dafür dem Reichstage verant- wortlich wäre. Alles Dieses verschweigen Sie geflissentlich und dadurch wird meine wahre An- und Absicht betreffs jenes Gesetzes in Ihrer Anführung wahrheitswidrig entstellt. Leipzig , den 5. Oktober 1878. Prof. Dr. Biedermann, Redakteur derDeutschen Allgemeinen Zeitung". Wie oft sollen wir unserem geehrten Mit- arbeiter, Herrn Professor Biedermann, sagen, daß er sich nicht auf das Preßgesetz zu berufen braucht, wir nehmen alle seine Beiträge gern auf. Zu 1) bemerken wir, daß wir seiner Auffor- derung, den Wahrheitsbeweis der Behauptung, daß Professor Biedermann vor 30 Jahren vom Com- munismus durchseucht gewesen sei, sehr leicht er- bringen können. ImAlbum fürs Erzgebirge " (Von Mitgliedern des Schriftstellervereins. Leipzig . Brockhaus und Avenarius. 1847) befindet sich ein Aufsatz:Zur Charakteristik des Sozialismus und CommunismuS nach ihren unterscheidenden Mo- menten. Von Carl Biedermann", in dem sich folgende Stelle befindet: Im jetzigen Verkehr ist es oftmals der blinde Zufall oder gar die rohe Gewalt und verjährtes Unrecht, was die Uerthcilung der Arbeiten und der Genüsse regiert, was dem Oinen die schwere Arbeit, dem Andern den leichten Ocnuß zuwirft, den Einen zum Herrn der Arbeitskraft von hundert Anderen, diese dagegen zu Dienern und Sklaven Jenes macht. Im jetzigen Verkehr zieht oftmals der mühelose Besitz den besten Theil des GewinnsteS an sich, während die mühevolle Arbeit nur einen kärglichen Lohn davonträgt; wird oft die luftige Kunst, die einem eitlen Sinnesrausche fröhnt, mit Tausenden belohnt, während die schwielige Hand des Arbeiters, die das Nothwendigste für die Gesellschaft be- reitet, ihm selbst kaum die nothdürftigste Existenz zu schaffen im Stande ist. Bon dem allerrohesten Communismus, dem sogenannten TheilungScommunismus oder dem System der gleichen Vertheilung aller Güter unter die Menschen, spreche ich hier nicht, da diese Form einer weit frühern Stufe der Ge- sittung angehört, gegenwärtig aber von keinem communistischen Systeme adop- tirt wird. Die Sache Praktisch betrachtet, scheint also so viel gewiß, daß, wenn überhaupt eine völlig veränderte Organisation der gesellschaftlichen und Verkehrsverhältnisse früher oder später noth- wendig werden sollte(eine Möglichkeit, die ich wenigstens nicht unbedingt leugnen möchte), diese uns zunächst wohl nur zur Ge- staltung der Dinge im Sinne des Sozia- lismus führen dürfte, d. h. zu einer rationel- leren Regelung der Arbeits- und Erwerbsver- Hältnisse, jedoch mit Beibehaltung des Grund- Verhältnisses selbst, der direkten Beziehung zwischen der Produktion und der Consumtion des Einzelnen, und daß es dann erst wieder einer weiteren, vielleicht sehr langin Bildungs- zeit bedürfen möchte, bevor es der Gesellschaft möglich werden könnte, auch diese Schranken niederzureiken und die lehten Konsequenzen des Kreiheitsgedankens, wieder Kommunis­mus sie ausstellt, zu verwirklichen." Nun, Herr Communist Biedermann, ist der Beweis erbracht eine solche Sprache, wie Sie sie geführt haben, dürfen die Communisten Lieb- knecht und Hasenclever kaum jetzt führen, nach Ihrem Ausnahmegesetz aber gewiß nicht. Erst Sozialismus, dann Communismus,diese letzte Consequenz des Freiheitsgedankens" die Herren Liebknecht und Hasenclever sind ganz Ihrer Mei- nung, Herr Biedermann. Was soll denn nunmehr, Herr Professor, all' Ihr Geziere zu Punkt 2) Wenn Sie von der Bildung der Polizei- und Exekutivbeamten sprechen, welche vor Mißbrauch Schutz gewähren soll o, du heilige Professoren- Einfalt! Aber auch selbst die sozial-politische Bildung Ihres Reichskanzlers ist nicht so groß, daß sie derartigen Schutz gewähren könnte. Auf alle Fälle tappen Sie in der Irre. Ihre sittliche Entrüstung zu Punkt 2 war also völlig über- flüssig, und Alles, was wir ohne Absicht als un- erheblichverschwiegen" haben, kann Sie nicht retten vor dem Vorwurf, daß auch einmiß- bräuchliches" Vorgehen gegen uns Ihnen keine Kopsschmerzen machen wird. Und trotzdem unser braver, biederer Mit- arbeiter! Allerdings: Früher Communist, jetzt Reaktionär das ist gewiß bedenklich, aber unsereLeser verzeihen Ihnen den umgekehrten Salto- Mortale� Ihrer anderen guten Mitarbeiter-Eigen- schaften halber, Herr Professor Biedermann. Die Ausführung des Sozialisten- gesetzes in Sachsen soll, wie dieDresdener Nachrichten" erfahren, den jetzt herrschenden In- tentionen zufolge, in der Unterinstanz den Kreis- hauptmannschasten(also nicht den Polizeidirektoren) zufallen. Der Kreishauptmann würde zunächst das Verbot einer sozialdemokratischen Zeitschrisl und eines Vereins auszusprechen, sowie die etwa confiszirten Kassen zu verwalten haben. Gegen eine Entscheidung des Kreishauptmanns stünde den davon Betroffenen der landesgesetzlich vor geschriebene Jnstanzenzug(Appellation an das Ministerium des Innern) zu. Gegen eine Ent- scheidung des Ministeriums bliebe dann noch die Beschwerde an die Rekursinstanz offen, die in Berlin gebildet wird und deren Zusammensetzung