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Mittwoch, den 26. Oktober.

Der Volksstaat

1870.

Abonnementspreis Für Preußen incl. Stempel­steuer 16 Ngr., filr die übrigen deutschen   Staaten 12 gr. per Quartal. Agent für London   A. Duensing, Foreign Bookseller, Libra­rian and Newsagent, 8, Little Newport Street, Lei­

cester Square, W. C.  Filialerpedition für die Verein Staaten: F.A.Sorge, Box 101 Hoboken N.J. via Newyork  

Organ der sozial- demokratischen Arbeiterpartei und der Internationalen Gewerksgenossenschaften.

Brot.

( Nach Pierre Dupont  .)

Wenn am Gestad' und in den Lüften Sich keine Mühle mehr bewegt; Wenn müßig weidend auf den Triften, Der Esel teinen Sad mehr trägt:

Dann, wie ein Wolf, am hellen Tage Kühn tritt der Hunger in das Haus; Ein Wetter rüstet sich zum Schlage Und durch die Luft geht ein Gebraus.

Ihr dämpft den Zornruf, o Despoten, Des Volkes nicht, das hungernd droht! Denn die Natur hat ihn geboten,

Den Schrei: Brot! Brot! Brot thut uns Noth!

Der Hunger kommt vom Dorf gegangen,

Einzieht er durch der Städte Thor; So haltet ihm doch Eure Stangen Und Eure Trommelstöcke vor! Troß Pulver und Kartätschenschauer Rasch wie ein Vogel ist sein Lauf Und auf der allerhöchsten Mauer Pflanzt er sein schwarzes Banner auf.

Ihr dämpft den Zornruf, o Despoten, Des Volkes nicht, das hungernd droht! Denn die Natur hat ihn geboten,

Den Schrei: Brot! Brot! Brot thut uns Noth!

Laßt Eure Söldnerhaufen kommen

In gleichem Schritt, mit gleicher Wehr!

Der Scheuer und der Flur genommen, Hat Waffen auch des Hungers Heer; Es reißt die Schaufel aus der Scholle, Die Sense reißt es aus dem Korn; Sogar des Mädchens Brust, die volle, Bocht an die Kolbe ihren Zorn.

Ihr dämpft den Zornruf, o Despoten, Des Volkes nicht, das hungernd droht! Denn die Natur hat ihn geboten,

Den Schrei: Brot! Brot! Brot thut uns Noth!

Packt, in des Volkes muth'gen Reihen

Wer Sichel oder Flinte trägt!

Laßt immer das Gerüst uns dräuen,

Auf dem das Beil den Kopf abschlägt!

Hat es in finstrer Schauer Mitten, Hat es, die Luft durchzuckend scheu, Der Opfer Leben nun zerschnitten, Dann thut ihr Blut noch diesen Schrei: Ihr dämpft den Zoruruf, o Despoten, Des Voltes nicht, das hungernd droht! Denn die Natur hat ihn geboten,

Den Schrei: Brot! Brot! Brot thut uns Noth!

Brot thut uns Noth! Brot muß man haben! Wie Luft und Wasser thut es Noth! Wir sind des alten Herrgotts Raben: Was er uns schuldet, ist das Brot! Doch seht, die Schuld ist abgetragen: Er gab uns Land zur Aehrenzucht, Und kann nicht noch zu allen Tagen Die, Sonne reifen uns're Frucht?

Ihr dämpft den Zornruf, o Despoten, Des Volkes nicht, das hungernd droht! Denn die Natur hat ihn geboten,

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Den Schrei: Brot! Brot! Brot thut uns Noth! Die Welt ist halb noch wildniß eben Und sollte doch aus Korn und Mais Ein blonder Gürtel sie umgeben Vom Pol bis an den Wendekreis! Laßt uns der Erde   Schoß zerreißen! Laßt uns wir schlugen uns genug! Laßt uns des Krieges schneidend Eisen Verwandeln in den stillen Pflug!

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Des Volkes nicht, das hungernd droht! Denn die Natur hat ihn geboten,

Den Schrei Brot! Brot! Brot thut uns Noth! Ferdinand Freilig rath.

An die Parteigenossen!

ribaldi glücken, eine größere Anzahl von Truppen in die Nähe von Metz   zu bringen, so tann Bazaine  , wenn er ehrlich ist, sich mit ihm vereinigen nnd die französische Republik   hat eine schlagfertige Feldarmee. Wir wissen aus sicherster Quelle, daß man dies im preußischen Hauptquartier befürchtet.

Hinsichtlich des Ausgangs der Friedensverhandlungen Der Abonnentenstand des Volksstaat" hat auch in diesem können wir, statt uns in Conjekturen zu ergehen, nur wieder­Quartal einen bedeutenden Ausfall erlitten. Das Verbot des holen, was wir bei Gelegenheit der Besprechungen zwischen Blattes im ganzen Norden Deutschlands  , die massenhafte Ein- Favre und Bismard gesagt: Das Interesse der preußischen ziehung von Parteigenossen in das Heer, die Arbeitslosigkeit Junker erheischt die Vernichtung der französischen   Republik  , und der damit zusammenhängende Mangel an Verdienst machen und sie werden sie vernichten, wenn es in ihrer Macht steht. dies erklärlich. Die finanzielle Stellung des Blattes ist dadurch Steht es in ihrer Macht? Das ist die Frage. eine äußerst schwierige geworden.

Wir richten deßhalb hiermit aufs Neue die Aufforderung an die Parteigenossen, aufs kräftigste das Blatt nicht allein durch Abonnements sondern auch durch Geld zuschüsse materiell zu unterstützen.

Nach dem indirekten Eingeständniß der preußischen Junker selbst- Nein. Und dies bringt uns zu der zweiten That­sache, die wir zu Anfang hervorhoben: Das preußische Junker­thum ist mit dem Gang des Krieges unzufrieden. Es erhellt dies aus dem sichtlich verstimmten Ton der neueren offiziösen Von Seiten der Verwaltung ist selbstverständlich Alles ge- und offiziellen Kriegs- Correspondenzen und Leitartikel, es erhellt schehen, um die Ausgaben auf das Aeußerste einzuschränken. dies vor Allem aus dem mehr und mehr zu. Tag tretenden Seit Ausbruch des Krieges ist der Gehalt der Redaktion erheb: Widerspruch der offiziellen Kriegstelegramme mit der lich vermindert worden und der Gehalt der Expedition ganz in Wahrheit. Hiervon nur einige Beispiele: Eine Depesche Wegfall gekommen; ferner sind die Honorare für auswärtige Gambetta's verkündete, daß die Pariser   am 13. d. einen glück­Correspondenzen fast gänzlich gestrichen und noch sonstige Er- lichen Ausfall gemacht hätten. Herr Podbielski erklärte, der sparnisse in dem Vertrieb des Blattes eingeführt worden. französische Ausfall sei mit Leichtigkeit und deutscherseits bloß Die dadurch erzielte Minderausgabe beläuft sich auf ca. mit einem Verlust von 19 Mann zurückgewiesen worden, und 130 Rthlr. per Quartal. Daß das Blatt öfters nur im hal- bezeichnete das Gambetta  'sche Telegramm ziemlich unverblümt als ben Umfange erscheint, hat außerdem die Druckkosten nicht un- Schwindel. Jetzt steht aber fest, daß Gambetta   im Wesent= erheblich vermindert. Den Raum noch mehr einzuschränken, ist Lichen Recht hatte. Am 14. fand abermals ein Ausfall indeß nicht möglich. Die gegenwärtige bewegte Zeit liefert aus Paris   statt, der wiederum nicht nachtheilig für die Fran­massenhafteres und wichtigeres Material als sonst, und gegen zosen war und in dem sich der beiderseitige Verlust nach einer über dem Chauvinismus, welcher mit sehr wenig Ausnahmen Correspondenz des ,, Frankfurter Journals" auf 2-3000 Mann die gesammte Presse ergriffen, hat und die öffentliche Meinung belief. Dieser Ausfall existirt für den offiziellen corrumpirt, ist mehr denn je eine möglichst ausführliche Dar Nachrichtenverfertiger nicht; bis auf den heutigen legung unseres Standpunktes geboten. Tag hat Herr Podbielski es nicht der Mühe werth erachtet, Das Parteiorgan hat, wie zahlreiche Anerkennungsschreiben, auch nur ein Wort darüber zu sagen. auch aus Kreisen, die sonst mit uns nicht einverstanden waren, Die neuste hierhergehörige Leistung besteht in folgenden bestätigen, die Fahne der Partei unerschüttert hochgehalten; es drei Telegrammen, die am Sonnabend gleichzeitig eintrafen ist jetzt Sache jedes Einzelnen, fein Möglichstes dazu beizutra- und unfren noch halbwegs denkfähigen Chauvinisten böse Kopf­gen, daß das Blatt nicht sinke. Wirke Jeder unermüdlich für schmerzen verursachten:

"

die Verbreitung des Volksstaat"! Unterstütze uns Jeder nach seinen Kräften! Und wir werden die Krise siegreich über­winden.

Die Expedition und Redaktion des Volksstaat."

د"

1) Der Königin Augusta in Homburg  . Versailles  , den 21. Oktober. Ich komme soeben von einem fleinen Gefechte bei La Malmaison; 12 Bataillone waren vom Mont Valerien mit 40 Geschützen ausgefallen, und wurden nach drei­stündigem Gefechte zurückgeworfen. Wir sahen von dem Marly Viadukt dem Gefechte zu. Ganz Versailles   wurde allarmirt. Wilhelm.

2) Versailles  , den 21. Oktober. Am 21. 1 Uhr Nachmittags Ein billiger Friede mit der französischen französischer Ausfall mit bedeutenden Kräften vom Mont Valérien Republik! aus, wobei etwa 50 Feldgeschüße, durch die vorderen Abtheilungen der 9. und 10. Infanterie- Division, sowie des 1. Garde- Landwehr- Regiments, zuletzt unterstützt durch Artillerie- Feuer des 4. Korps vom rechten Seine­Bis jetzt konstatirt! über 100 Gefangene und 2 Feldgeschütze in unsern Händen. Diesseitiger Verlust verhältnißmäßig gering.

Keine Annerionen! Bestrafung Bonaparte's und seiner Mit- fer unter den Augen Sr. Majestät des Königs fiegreich zurückgeschlagen. schuldigen!

Politische Uebersicht.

Wenn über dieses Gefecht, wie nicht zu bezweifeln, ein neuer fran zösischer Siegesbericht erscheint, so wird dies der beste Beweis für die außerordentliche Genügsamteit unserer Gegner sein. von Podbielsti.

3) Ein Telegramm des Generallieutenants v. Blumenthal behan­delt dasselbe Gefecht, und fügt hinzu, daß die 2 Geschütze durch das

Zwei Thatsachen sind heute zu konstatiren: erstens, daß Friedensverhandlungen obschweben, und zweitens, daß 50. Infanterie- Regiment erobert wurden.

man in den leitenden preußischen Kreisen mit dem jetzigen Der Leser braucht bloß die fettgedruckten Stellen zusammen­Stand der Kriegsoperationen nichts weniger als zufrieden ist. zuhal ten und er hat die beste Kritik dieses Müsterchens offizieller Was die Friedensverhandlungen betrifft, so sind dieselben Geschichts- schreibung. Jedenfalls sind wir aber Herrn Podbielski die Anerkennung allem Anschein nach von den ,, neutralen Mächten" eingeleitet worden und zwar auf der von der Londoner   ,, Times" formu- schuldig, daß er nicht die ,, außerordentliche Genügsamkeit" besiẞt, mit lirten Grundlage, die eine Gebietsabtretung französischerseits dem Resultat des von ihm gemeldeten Treffens zufrieden zu sein. Diesen unverdächtigen Zeugnissen zu Gunsten der fran­ausschließt. Die Anwesenheit eines Abgesandten Bazaine's   im preußischen Hauptquartier hängt mit diesen Verhandlungen zu- zösischen Republik   führen wir ein anderes aus feindlichem Lager sammen, und hatte offenbar nur zum Zweck, festzustellen, ob bei. Herr Mar Hirsch schreibt in der letzen Nummer des die an Bazaine's   vermeintlichen Bonapartismus sich knüpfende Gewerkverein": Berlin  , 20. October. Hoffnung einer Reſtauration des Kaiserreichs festzuhalten sei Mehr als drei Monate sind seit der verhängnißvollen Kriegser­oder nicht. Daß die Auskunft, welche der Abgesandte Bazaine's flärung Frankreichs   verflossen, und noch immer teine Entscheidung! Die gab, den Wünschen des preußischen Hauptquartiers nicht ent- Lasten und Opfer dieses Krieges wachsen für beide Länder in's Ünend­sprach, darf nach den vorliegenden Berichten mit ziemlicher Ge- liche, die Sehnsucht nach dem Frieben wird in Deutschland  , und gewiß wißheit angenommen werden. Jedenfalls hat die Vermuthung, auch bei der Wiehrzahl der Franzosen   immer dringender. Man glaubte bisher, daß die moderne Kriegführung wenigstens den Vorzug habe, durch Bazaine wolle kapituliren, sich als trügerisch erwiesen. Weß- die sofortige Massenentfaltung der Wehrkräfte die Kriege zu verkürzen; halb sollte der Marschall auch fapituliren? Er hat, abgesehen von leider scheint sich dies gegenwärtig nicht zu bestätigen. Und doch hat der 25,000 Mann starken Metzer Festungsbefagung über 100,000 noch nie, seitdem es Geschichte giebt, eine so ungeheure Kraftentwicklung Mann Kerntruppen unter seinem Befehl, und leidet so wenig stattgefunden. Wie staunte die Welt über die Riesengröße Napoleons I., als er im Jahre 1812 ans halb Europa   ein Heer von einer halben an Nahrungsmitteln*), daß preußische Kriegs- Corresponden- Million Soldaten gegen Rußland   führte! Im Jahre 1870 aber hat ten neuerdings zu argwöhnen beginnen, die Cernirung sei lücken- Deutschland   allein über eine Million Streiter in's Feld geschickt, aus­haft und Bazaine stehe in fortwährendem Verkehr mit der Um- gerüftet mit allen Hülfsmitteln der Wissenschaft und Industrie; eine gebung. Vielleicht wendet der Eine oder Andere ein: aber wa- Reihe gewaltiger Siege sind erfochten, ganze Armeen vernichtet, mächtige rum ift er dann nicht aus der Mauſefalle herausgegangen? Aus dem einfachen Grunde, weil es keine Mauſefalle ist, son­dern eine unangreifbare Stellung, die ihm den Vortheil verschafft, eine doppelte feindliche Streitmacht zu beschäftigen, ohne selbst im mindesten gefährdet zu sein. Es wäre absoluter Wahnsinn, wollte er diese Stellung verlassen, ehe die Möglichkeit vorhan­den ist, der Cernirungsarmee im offenen Felde die Spitze zu bieten. Am 31. August war Bazaine   notorisch durchge­*) Obiges Gedicht, Herr Staatsanwalt, ist bereits 20 Jahre alt, tann also nicht mit Bezug auf den französisch deutschen   Krieg ver- brochen, zog sich aber wieder zurück, sobald er merkte, daß faßt sein. Zum Schuße des Dichters hielten wir diese Bemerkung der Mac Mahon  'sche Vorstoß mißlungen war. Sollte es Ga­für nothwendig; sie ist übrigens auch in literarhistorischer Beziehung von Wichtigkeit, weil sich gewisse Leute ein Geschäft daraus machen,*) Seit drei oder vier Tagen hat die offiziöse Presse Befeht, die die spießbürgerlichen Gedichte des unechten Freiligrath, welche jetzt französische   Armee in Metz   dem Hungertod nah zu schildern. Die Un­burch alle Zeitungen gehen, dem Verfasser des Obigen zuzuschreiben. ruhen in Paris  " ziehen nicht mehr, und Abwechslung muß sein."

Ihr dämpft den Zornruf, o Despoten, Des Voltes nicht, das hungernd droht! Denn die Natur hat ihn geboten, Den Schrei: Brot! Brot! Brot thut uns Noth! Der Kabinette Thun   und Lassen, Was gilt es unserm Bienenschwarm? Wozu noch für der Fürsten Hassen Bewaffnen den Cyklopenarm?*) Das Volk ein Meer! Vom nackten Heerde Braus't es heran, und schwillt und droht! Erbebt und gebt dem Pflug die Erde, Und nimmer fehlen wird das Brot.

Ihr dämpft den Zornruf, o Despoten,

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Bestungen eingenommen, der vierte Theil des feindlichen Landes besetzt, seine Hauptstadt seit Monatsfrist umschlossen aber noch immer fein Ende, noch immer kein Friede!

Mögen unsere Chauvinisten es eingestehen, daß sie denn doch die Volkskraft Fra   ntreichs außerordentlich unterschätzt haben daß die Freiheit, selbst in der unreifen Form der jetzigen Republik, eine gewal­tige Macht im Voltsleben ist. Gerade als deutscher Patriot darf man die Standhaftigkeit und den Opfermuth der Nachbarnation nicht ver­fennen, so viel Webe sie uns auch zufügt. Nachdem das gesammte stehende Heer des kaiserlichen Frankreichs   theils vernichtet, theils gefan= gen oder eingeschlossen war, und Alles schon gemeint, jetzt sei ein fernerer Widerstand unmöglich da wuchsen die Krieger gleich Pilzen aus dem französischen   Boden, ein riesiges Heer von Paris  , eine Loire  - Armee, eine Armee von Lyon  , und überall, selbst mitten in den von uns be­setzten Gegenden, Haufen von Freischüßen und Partisanen. Wie der Hydra wachsen Frankreich   die abgeschlagenen Köpfe immer von Neuem, und selbst der Herkules Deutschland vermag sie faum zu überwinden.