So. 70. 1872 Krschemt wöch«mlich 2 mal in Leipzig . Bestellungen netpaen alle Poßanstallen nni Buchhandlungen d«S In- und Au!- landeS au. KSr Leipzig nehmen Bestellungen an: die Expedition, Hohe Str. 4. A. Bebel, Peiertstr. 18, S. Thiele, Emilien str. 2. «donnementöpret»: Mr Preußen inet. Stempelsteuer 17 Sgr., für die übrigen deutschen Staaten 12'/- Ngr per Quartal, per Monat 4'/» Ngr., für Leipzig und Um- gegend per Quartal 13 Ngr. -filialerpeditivu für die Ber - ei«igten SkMten: F. A. Sorge, Box 101 Boboken N.J. viaNewyork Organ der sofial-demokratischen Arbeiterpartei und der Internationalen Gewerksgenossenschasten. Abonnements auf den„Bolksstaat" für den Monat September, 4'° Silbergroschen, werden bei allen Postaustalten, für Leipzig bei der Expedition Hoheftratze 4, wie Pctersftraszc Nr. 18, nnd bei Kolporteur Müller, für die Umgegend Leipzigs bei den Filialexpcditionen in Volkmarsdors, Plag wilz it. entgegengenommen. Die Erpedition des„Volksstaat". An die Parteigenossen! Unter heutigem Dato sind an alle Vertrauensmänner Mandatformulare versandt worden; wo solche nicht über- kommen sein sollten, bitte ich zu reklamiren. Hamburg , den 27. August 1872. Th. Yorck. Als Vertrauensmänner sind ernannt: für Frankenhausen August Hasielhuhn; für Marienberg in S. Mar Grötschel; für Witten Carl Wenzel; für Hohenstein-Ernstthal Louis Po szn eck; für Camenz Carl Mendt; für Dessau Friedr. Polling; für Charlottenburg F. Emmermacher; für Lunzenau Ernst Streune. Der Ausschuß. Tas Wert von Karl Marx . L Als im Jahre 1859 die Marr'sche Schrift„Zur Kritik der politischen Oekonomie" erschien, da schlummerte die deutsche Arbeiterbewegung, uin nach dem ersten und kurzen Erwachen in den Jahren 1848— 1850 zu träumen und sozusagen unter der Decke zu wachsen. Die wissenschaftliche That, welche Marx in genannter Schrift zu Gunsten der Arbeiter vollführte, ward nur Wenigen bemerkbar und diese Wenigen waren keine Arbei- »er. Allein das dargeliehene Pfund ward trotzdem nicht ver- graben. Die Verhältnisse machten sich geltend; unter dem Druck derselben fing der Riese Arbeiterstand an, sich zu recken und zu strecken, so daß schon im Winter 1862—63 an seine Organisation zu seldstständiger Thätigkeit geschritten werden tonnte. Die Lassalle'schc Schriften erschienen. Sie boten neben vielem Selbstständigen und Genialen in vortrefflicher, populä- rer Sprache auch das, was Marx auf dem Tisch der Wissen- schaft ausgebreitet hatte. Aber damit nicht genug. Die Wissenschaft des vierten Standes wuchs mit dem vierten Stande selbst. Und es konnte nicht anders sein, denn ein Stillstand würde Rückschritt, ein Wegwerfen der Leuchte der Wissenschaft aber Verzicht auf Fortschritt bedeutet haben. So geschah denn bald eine neue wissenschaftliche Thai: 1867 erschien ein zweites national-öko- nomischcs Werk von Karl Marx , betitelt„das Kapital." Dieses Werk war epochemachend, trotzdem erst ein Theil desselben die Presse verlassen hat. Die National-Ockonomic erlitt durch„das Kapital" eine Revolution, welche zwar in chrer Wirkung nicht mit dem Kaiserschnitt zu vergleichen ist, jedoch sich in immer weiteren Kreisen unwiderstehlich einführt. Nur mit Widerstreben nahm die Presse des Liberal-Oekono- mismus Notiz von den Hieben, mit welchen Marx die Man- chesterschule und was ihr verwandt ist, in seinem Buch zu Paaren treibt. Hier und da ließ sie sich, und dann auch nur flüchtig, auf eine Kritik ein, mußte es jedoch erleben, daß selbst auf dem volkswirthschaftlichen Kongreß von 1868 der Marx'- scheu Begründung des Begriffes Geld Anerkennung zu Theil ward. Der sozial-demokratischen Bewegung war durch das Marx'- sche Werk eine mächtige Waffe in die Hand gedrückt worden. Nicht nur daß der kleinbürgerliche Sozialismus, dessen Augen- werk vorzüglich auf Krediterperimente— unter Verkennung des Wesens von Waare und Geld— gerichtet ist, durch dieses Werk den Todesstoß erhielt, es wurde auch der Blick in die heutige Produktionsweise geschärft und die Agitation selbst auf breiteren Boden, den der Gewerkschaften, hinübergeleitet. Neue Agitationsschriften erschienen und der Born, aus dem sie alle wehr oder minder schöpften, zugleich dadurch diesen Born der Arbeiterwelt mehr und mehr zugängig machend, war„das Kapital" von Marx . Dennoch hat es verhältnißmäßig lange gedauert, bis die erste Auflage des Buches vergriffen war. Daß aber der zweiten Auflage, welche vielfach gegen die erste verbessert und mit neuen Anmerkungen versehen ist, die besten Anzeichen vorausgehen, ergiebt sich durch Veröffentlichung einer französischen und einer russischen Uebersetzung des Werkes. Sein Ruhm ist also schon weit über die deutschen Sprachgren- Kn hinausgedrungen und wird nothwendiger Weise noch weiter dringen, wenn dereinst sämmtlicheTheile des Werkes erschienen sind. Vorerst liegt uns nur der erste Theil, und zwar von der zweiten Auflage dessen erste und zweite Lieferung vor. In diesem Theile ist der Produktionsprozeß des Kapitals darge- , während der zweite Theib den Zirkulationsprozeß des Kapitals und die Gestaltung des Gescmmtprozesses, der dritte Theil schließlich die Geschichte der Theorie enthalten wird. Wenn ich nun wegen des Marr'schen Werkes zur Feder greife, so geschieht es keineswegs, um über dasselbe in kriti- Ichen Erörterungen mich zu ergehen, sondern um in Kürze die Hauptergebnisse der Marx 'schen Forschungen wiederzugeben. Allerdings ist dies eine schwierige Aufgabe, denn die streng wissenschaftliche Sprache, in welcher Marx sein Buch geschrieben hat, ist meistens schon so gedrungen, daß Kürzungen kaum möglich erscheinen. Allein gerade die streng wissenschaftliche Sprache veranlaßt mich, hier und da als Erklärer und Er- läuterer aufzutreten, dadurch das Studium des Buches„das Kapital" nicht nur anregend, sondern auch nach Kräften för- dcrnd. Verständniß für unsere Bestrebungen zu erwecken, sei stets Aufgabe Aller, Aufgabe des ganzen Agitationskörpers. Auch ich schließe als dienendes Glied gern diesem Ganzen mich an. Geib. Schulregulativisches. Der berüchtigte Stiehl, einer der Anfernger— wir sagen absichtlich nicht Urheber— jenes famosen Gesetzbuchs über die Volksverdummung, genannt Preußische Schulre gulative hat, wie man nachträglich erfährt, nur einen längeren Urlaub, nicht seinen Abschied erhalten. Seine Absetzung war von den national-liberalen„Realpolitikern"— decretirt worden die sich nach der bekannten Regel lucus a non lucendo*) nur deshalb„Realpolitiker" nennen, weil sie von allen„realen" Verhältnissen abstrahiren, vermittelst der Springstange des Zweck- mäßigkeitskodex kühn über dieselben hinwegsetzen und mit einer in der That an die Kinderstube erinnernden Phantasiekraft alle im Weg stehenden Personen und Dinge bei Seite schieben, oder gar„aus der Welt schaffen"— natürlich nur in der Pyanta sie. Aber irmudus vult decipi, die Menschen wollen nun einmal betrogen sein, und so kommt es denn, daß diese spaßhasten Selbstbetrüger auch noch immer eine Anzahl von Leuten finden, die sich von ihnen betrügen lassen. Wir wissen nicht, ob der Beurlaubung des, allerdings vollständig abgenutzten, Stiehl nicht schließlich doch noch dessen Rücktritt aus dem aktiven Staatsdienst folgen wird, aber was wir wissen, ist, daß der Geist Stiehl's in Preußen nach wie vor der herrschende ist und auch so lange der Herr schende chleiben wird, bis das Preußen der Herren Bismarck und Stieber aufhört, zu existiren. Wer den geringsten Zweifel in dieser Beziehung hegen sollte, dem empfehlen wir den Artikel zu lesen, welchen die amtliche„Provinzialkorrespondcnz' anläßlich der im Juni d. I. von Herrn Falk veranstal teten ,, Berathungen über die Volksschule" veröffcnt- licht hat.„Die gepflogenen Erörterungen bezogen sich auf den Inhalt, das Ziel und die Mittel der Volksbildung. Die von der Unterrichtsverwaltung erlassenen Bestimmungen über diese Gegenstände sind wesentlich in den sogenannten Schulregula- tiven vom 1., 2. und 3. Oktober 1854 enthalten. Eine er neute Erwägung dieser Bestimmungen ist in den letzten Iah- ren so vielfach in Anregung gekommen, daß der jetzige'Cultus- minister Dr. Falk diesem weit verbreiteten Verlangen schon vor der in Aussicht genommenen gesetzlichen Regelung des ge- ammtcn Schulwesens entgegen kommen wollte."--„Nach den Erklärungen des Ministers ist es nicht ausgeschlossen, Ab- änderungen(in den Schulregulativen), falls sie sich als nothwcndig erweisen sollten, eintreten zu lassen—". So die„Provinzialkorrespondenz", die wir im Vorstehen- den wörtlich citirt haben. Sehen wir nun zu, was für„A ende- rung cn" nach den Ansichten des„entgegenkommenden" Hrn. Falk und seiner Genossen in Möhler„sich als nothwcndig er- weisen" dürften. „Während", so beschcidet uns die„Provinzialkorrespondenz „in gegenwärtiger Zeit grundsätzliche Auffassungen, die man seit Jahrzehnten für richtig gehalten, in Zweifel gezogen wer- den, und die veränderten(?) Beziehungen zwischen Staat und Kirche eine unvermeidliche Rückwirkung auf die Stellung der Volksschule üben, ist gleichzeitig erkennbar, daß die Ansichten weiter Kreise über das Pol ksschulwesen noch nicht geklärt s ind." Es versteht sich, daß, keine„Aenderungen" getroffen wer- den können, ehe„die Ansichten geklärt" sind. Es galt also zu- nächst, die„Klärung" herbeizuführen, und dies war der Zweck der Conferenzen, welche vom 11— 20. Juni zu Berlin statt- fanden.„Zur Theilnahme an den Berathunzen waren außer den-- näher betheiligten Mitgliedern des Unter- richtsministeriums, eine größere Anzahl von �Schul- räthen und Schulmännern verschiedener Stellungen beru- fen worden. Außerdem waren mehrere hervorragende Mitglieder der Landesvertretung herangezogen, welche seit Jahren ein besonderes Interesse für die Fragen des Volksschulwescns bekundet hatten und deren Auffassang beson- ders im Hinblick auf den Zusammenhang des Volks- schulwesens mit dem gesammten staatsbürgerlichen Lebenbcachteuswerth erscheinendurfte."--„Den verschiedenen Ansichten"(welche die da oben bezeichneten Herren nach dem Herzen Falk's zu Tag förderten)„gestattete" selbiger Hr. Exc. Falk,„den freiesten Ausdruck", für welche gewaltige Gnade ihm„aus dem Schoo ß der Versammlung lebhafter Dank zu Theil ward". Hätte er den Herren einfach erklärt: So und so habt Ihr zu sprechen oder— Maul halten!— dann wäre der Dank vermuthlich nicht„lebhaft" gewesen, aber doch Dank.„Kein Standpunkt", erfahren wir weiter, „sollte unvertreten bleiben". Man bemerke dasWört- chen:„sollte"; es steckt darin, wie sich gleich zeigen wird, ein recht gelungener Witz. Während der Berathungen„stellte sich klar genug heraus, wie weit in manchen Punkten die An- sichten über die Aufgaben der Volksschule ausein- andergehen, wie überaus schwierig es ist, das Maß der- jenigen Forderungen festzustellen, die dem vorhandenen Be- dürfniß und den ei gentlich en Z i eleu der Volksschule unzweifelhaft entsprechen". Das„Unzweifelhafte", welches„überaus schwierig festzustellen ist", gehört ebenfalls in die Kategorie der gelungenen Witze, von denen der Dichter des„Gerad' aus dem Wirthshaus komm' ich heraus" seinem Nachfolger im Amt und Geist(das Wort in seinem negativen Sinne genommen) etwelchen Vorrath hinterlassen zu haben scheint. Doch betrachten wir uns die„weit auseinandergehenden" Ansichten der Herren Conferenzler, unter denen„kein Standpunkt unvertreten sein sollte", und denen der„freieste Ausdruck gestattet" war. Zunächst erfahren wir, daß das„Wünschenswerlhe" einer „zeitgemäßen Abänderung" der Schulregulative„von keiner Seite verneint wurde". Hier ist von den„weit auseinandergehenden" Ansichten noch nichts zu verspüren. Die Einstimmigkeit für eine„zweckmäßige Abänderung" verliert vorläufig alles Wunderbare, wenn man bedenkt, daß der Ver- anstalter der Conferenz, Se. Excel. Cultusminister Falk, sich von vornherein„unumwundenfür eine Revision" aus- gesprochen hatte. Doch aufgepaßt! Nun haben wir's!„Heber den Umfang der Veränderungen machten sich mehr oder min- der erhebliche Meinungsverschiedenheiten geltend." Gewiß, die extremsten„Staudpunkte", die ja ebenfalls„nicht unvertreten sein sollten", werden jetzt zum„freiesten Ausdruck" gelangen! Lesen wir:„Die überwiegende Mehrheit hat volle Anerkennung für das Gute, was auf dem Boden der bisherigen Einrichtungen(d. h. der Schulrcgu- lative) geleistet worden ist" und„nimmt Bedacht daraus,-- die eigentlichen Aufgaben und Ziele der Volksbildung nicht in Gefahr zu setzen". Also: die überwiegende Mehrheit ist für die Schulrcgu- lative, und faßt folglich die„Aufgaben und Ziele der Volksbildung" im Sinne der Schulregulative auf.— Weiter! Wir müssen doch endlich auf die„abweichen- den" Ansichten stoßen. Das Thema des Religionsunter- ri cht s in den Volksschulen ist auf dem Tapet. DicßKodus, hic sa'ta. Hier oder nie kommt der revolutionäre Stand- Punkt, der unmöglich fehlen kann, wo„kein Standpunkt unvcr- treten bleiben sollte," zum eklatantesten Durchbruch. Wohlan! Blicken wir in die„Provinzialkorrespondenz"!„Dem Aus- allen des Religionsunterrichts aus dem Stunden- plan der Schule redete Niemand das Wort." Daraus ersehen wir, daß für den Hrn. Cultusminister Falk die Forderung der konfessionslosen Schule nicht unter die„Stand- punkte" gehört, von denen ja keiner„unvertreten bleiben sollte". Aber halt. Der„Niemand" verwandelt sich durch ein Wunder Falk-Mühler'scher Logik plötzlich in„eine vereinzelte Stimme", welche„die gänzliche Fernhaltung des Eon- essionalismus aus der Schule befürwortete"-- jedoch nachträglich erklärte, daß er„keinen„naturalistisch-rationa- lisirenden" Unterricht in der Religion wolle." Und dieser son- derbare Kauz von einem Confessionslosen fand seine heitere Er- gänzung in einem„anderen Redner", welcher„einen allgemein gehaltenen„christlichen Religionsunterricht" empfahl, der den Kindern der beiden Konfessionen durch denselben Lehrer ertheilt werden könne." Besagter Schwärmer für des„erzinfamen Pfaf- en Dollingerius")" neuesten Religionsschwindel vertratdie Ansicht, daß durch den gemeinsamen Religionsunterricht die Stellung der Confessionen eine friedliche werden würde. Abgesehen von enem Confessionslosen, der ein Gegner des„naturalistisch-ra- tionalisircnden Unterrichts in der Religion" ist(als ob der na- turalistisch-rationalisirende Unterricht nicht ein Unterricht gegen die Religion wäre, mit Nothwendigkeit zur Zerstörung der Religion führen müßte), und von diesem Döllinger-Anbeter(der keine Ahnung davon zu haben scheint, was doch auf jeder Seite der ersten besten Weltgeschichte zu lesen, daß Intoleranz im Wesen der Religion, daß der Glaube, der die Religion be- gründet, seiner ganzen Natur nach ausschließlich ist, und daß eine friedliche Stellung der Confessionen zu einauder blos dann möglich, wenn die Menschen es mit den Confessionen nicht mehr ernst nehmen, mit andern Worten: wenn die Re- igion tod t ist)— abgesehen von den zwei genannten Auswüchsen modernster Muster-Kultur„gingen alle übrigen Mitglieder der Versammlung, die sich an der Er- örterung betheiligten, davon aus, daß der Religions- nterricht auf Grundlage der Coufesston zuertheilen ei." Bleiben die Einzelheiten zu regeln.„Auch gegen den Unterricht im Katechismus traten nur vereinzelte Bemerkungen hervor. Dagegen wurde von anderer Seite versichert, die Gemeinden verlangten, daß die Kinder möglichst in das Verständniß(!!) des Katechismus eingeführt würden." Die betreffenden Gemeinden mögen sich trösten! Die 1854er ») Das Ding nach seinem Gegentheil zu benennen, wie „Hain "— a non lucendo(vom nicht Leuchten). Derselbe„macht" jetzt bekanntlich in Einigung desProtestan- tismus und Katholicismus, zur großen Erbauung der zahl- reichen„Denkervolks"-Fraubasen beiderlei Geschlechts.
Ausgabe
4 (31.8.1872) 70
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