Einzelbild herunterladen
 

Nr. 301.

10

Erscheint täglich außer Montags. Abonnements Preis für Berlin : Vierteljährlich 3,30 Mart, monats lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit dem ,, Sonntags= Blatt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband : Für Deutschland u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 8 Mark pro Monat. Eingetragen in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1891 unter Nr. 6469.

Vorwärts

8. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins: und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Vors mittags geöffnet.

fern sprech- Anschluß: Amt VI, v. 4106.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Preuken

ift ein Reditsfaat,

Donnerstag, den 24. Dezember 1891.

es hat eine verbriefte Verfassung, und diese Verfassung ent­hält einen Abschnitt, der von den Rechten der Preußen" handelt. In diesem Abschnitt ist nicht nur davon die Rede, daß alle Preußen vor dem Gesez gleich sind", sondern die Verfassung enthält auch diese Rechte speziell in verschiedenen Artikeln hübsch aufgezählt. So lautet der Artikel 29 in seinem ersten Absatz wie folgt: Alle Preußen sind berechtigt, fich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß und friedlich ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln". Diese Verfassungsbestimmung hat zwar durch die Verordnung vom 11. März 1850", welche zur Verhütung des Miß­brauchs der Versammlungsfreiheit" erlassen wurde, eine Reihe sehr wesentlicher Einschränkungen erlitten, aber auch

11

"

Sie genau die Gegenstände anzugeben, über die berathen werden foll, und wir werden jede Versammlung aufheben lassen, in der dergleichen sozialdemokratische Reden gehalten werden sollen. Da Sie mit dem Riesop unzweifelhaft im Einverständniß gehandelt haben, so werden wir gegen Sie diejenigen polizei­lichen Vorsichtsmaßregeln ergreifen, die nothwendig erscheinen. Dergleichen Vorkommnisse zu verfügen( foll wohl heißen verhüten, R. d. V. "), und die Arbeitgeber mit veranlassen, Sie aus der Arbeit hier zu entlassen.

einen Termin auf

Expedition: Beuth- Straße 3.

Steuerzahlen die wichtigste Pflicht, welche unser Nechtsstaat" dem Bürger auferlegt.

Dabei möchte man es fast noch ein Glück nennen, daß dem deutschen und speziell bem preußischen Staatsbürger dieser Gehorsam, wie er in den Rasernen ja in klassischer Form gezüchtet wird in so reichlichem Maße zur Ver fügung steht. Denn weniger gedrillte Menschen, wenn sie Dinge auszuhalten hätten, wie wir sie erst vor wenigen Wochen gelegentlich der Wahlagitation aus dem Wahlkreise Raften­burg zu berichten hatten und wie sie sich in der vorstehen vor- und- das würde für sie schlimme Folgen haben. den Polizeiverfügung zeigen, könnten die Geduld verlieren

Zur Feststellung Ihrer persönlichen Verhältnisse haben wir den 21. d. M., Vormittags 11 Uhr, in unserem Amtslofal angefeßt, zu welchem Sie hierdurch geladen, unter der Warnung, daß bei Ihrem Ausbleiben Sie zu einem neuen Termin durch polizeiliche Zwangsmaßregeln

werden gestellt werden.

Schönlante, den 13. Dezember 1891. Die Polizeiverwaltung. Metray.

Un

den Bigarrenarbeiter Herrn H. A., hier.

Rechtsstaates": Wenn der Polizeiverwalter in Schönlante Denn das ist ja das besondere Mertzeichen unseres nicht weiß, daß es ein Recht des Staatsbürgers ist, Ver­sammlungen zu berufen; wenn dieser selbe Beamte weiter nicht weiß, daß er angemeldete Versammlungen nicht zu genehmigen, sondern nur eine Bescheinigung über die er­folgte Anmeldung auszustellen hat; auch wenn der Beamte nicht einmal weiß, daß es bei der Ausübung des Ver­

-

diese Verordnung ändert daran nichts, daß die Preußen das Recht haben, Versammlungen zu. N. 5261. berufen; es sind nur gewisse Formalien für diesen Fall vorgeschrieben. Daß solche Versammlungen der Ges So der Polizei- Ukas. Ueber die Ungesehlichkeit des sammlungsrechtes keinen Unterschied macht, ob der Redner nehmigung bedürfen, ist durch die Verfassung und selben, von der ersten bis zur letzten Zeile, brauchen wir ein Fremder" in diesem Falle ein Berliner Kind- ist, die Bestimmungen der Gesetzestraft beanspruchenden Ver- kein Wort zu verlieren; ebenso wenig darüber, daß wenn oder nicht so hat das für den betreffenden Beamten ordnung vom 11. März 1850 einfach ausgeschlossen. ein simpler Bürger sich eines gleichen, die gesetzlichen Vor- kaum eine nennenswerthe Bedeutung. Schlimmsten Falls Ebenso ausgeschlossen ist es natürlich, daß Jemand durch schriften so vollständig außer Betracht lassenden Vorgehens wird er rettifizirt" was aber, wenn die Rektifikationen einfache Ausübung eines gesetzlich garantirten Rechtes sich gegen eine Behörde schuldig machen würde, er unter allen aus solchem Anlaß erfolgen, noch keinem Rektifizirten" einer strafbaren Handlung schuldig macht. Sollte aber um Umständen zur Rechenschaft gezogen und bestraft würde. beim Avancement im Wege gestanden haben soll. gekehrt es Jemand unternehmen, einen Staatsbürger Sur Obuch die Polizeiverio iltung in Schönlante' vor den Nun aber denke man sich umgekehrt den Fall, der Ein­Gewalt oder Drohung an der Ausübung staatsbürgerlicher Richter stuhl zitirt wird, wollen wir abwarten. berufer der Versammlung oder der Redner in derselben Rechte zu verhindern, so macht sich der Betreffende einer Was aber heute schon fest steht und was für uns und wären in punkto Kenntniß des Versammlungsgesetzes so strafbaren Handlung schuldig, wie des Näheren im Straf- die gesammte deutsche Arbeiterschaft den Erlaß der Polizei schlecht beschlagen gewesen, wie die Polizeiverwaltung in gesetzbuch nachzulesen ist. in Schönlante besonders interessant macht, das ist die darin Schönlante, und sie hätten die Bestimmungen des Gesetzes offen ausgesprochene Drohung, dafür Sorge tragen zu wollen, so wenig beachtet, wie dies der Erlaß" thut, wie viel daß der Arbeiter, welcher es gewagt hat, ein ihm zustehendes Wochen Gefängniß hätte dies für die beiden Bürger wohl verfassungsmäßiges Recht auszuüben, aus der Arbeit ent- im Gefolge gehabt! lassen werde.

Mit allen diesen gesetzlichen Bestimmungen und Vor­schriften, wie sie einen Rechtsstaat wie Preußen zieren, vergleiche man nun die rauhe Praxis, wie sie aus dem nachstehend wörtlich wiedergegebenen Erlaß spricht. Der­selbe rührt her von der Polizeiverwaltung in Schönlante, einer Stadt in der preußischen Provinz Posen und lautet wörtlich:

Am 2. d. M. meldeten Sie uns eine Arbeiter- Wolfsver­fammlung zum 4. d. M. an, in welcher Anzeige als Tages Ordnung bezeichnet wurde: 1. Lage der Arbeiter 2c. 2. Diskussion.

3. Verschiedenes.

Da die bisherigen Versammlungen zu feinen Ausstellungen Anlaß gegeben hatten, fo gerrehmigten wir die Versammlungen. Nun hat sich aber herausgestellt, daß ein ganz fremder Mensch, Namens Riesop, sich herausgenommen hat, in der Versamm

Was aber in Schönlante und Rastenburg passirt ist, Hier mischt sich also die Polizei in Privatverhältnisse steht durchaus nicht vereinzelt da, sondern passirt nur zu ein, die sie gar nichts angehen, und sie sucht einen Arbeiter, oft und in fast allen Gauen unseres lieben Vaterlandes. weil er ein politisches Recht ausgeübt hat, damit zu be- Wäre es unter solchen Verhältnissen nicht angebracht ftrafen, daß sie ihn aus Lohn und Brot treibt. Diese und eines Rechtsstaates- in diesem Falle allerdings Handlung mit dem rechten Namen zu bezeichnen, werden ohne Gänsefüßchen- angemessener, gewisse Organe tüm wir uns hüten; Gründe dafür brauchen wir unseren Lesern merten sich etwas mehr um die für ihre Befugnisse und nicht anzugeben. Dieselben werden übrigens das rechte Aufgaben gezogenen gesetzlichen Grenzen, als daß sie durch Wort schon selbst finden. Denunziationen klassenbewußter Arbeiter den Herren Kühne mann und Körting Konkurrenz machen?

Natürlich hat der betroffene Arbeiter gegen den Polizei- Ukas sofort Beschwerde erhoben. Der Vorladung zur Feststellung seiner persönlichen Verhältnisse" hat er aber einstweilen folgen müssen und dadurch einen halben Tag Ist

lung zu sprechen, und zwar in einer Weiſe, daß man annehmen von seinem Arbeitsverdienſt eingebüßt. 3ft es doch auch Politische Uebersicht.

muß, daß er es darauf abgesehen hatte, die hiesigen Arbeiter aufzuheben.

Offenbar haben Sie darum gewußt, und es ist ganz un verantwortlich von Ihnen, daß Sie uns nicht davon Anzeige gemacht haben, daß ein Fremder in der Versammlung Wenn Sie fünftig eine Versammlung anmelden, so haben

sprechen werde.

Feuilleton.

Machbrud verboten.]

-

.

Von Edna Fern.

Langsam hat sich aus seinen Armen

[ 14

gelöst,

fie steht vor ihm, sie will den Mund öffnen, da faßt

er sie haftig am Arm:

-

ein durch oberstrichterlichen Spruch festgestelltes Postultat durch die hohe Polizei zu folgen hat, gleichgiltig ob diese unferes Rechtsstaates", daß der Bürger der Vorladung Vorladung sich auf gesetzlichem oder durchaus ungesetzlichem Boden bewegt. Der Bürger kann sich beschweren aber vorerst hat er zu gehorchen. Der Gehorsam ist neben dem

mein ganzes Leben gebe ich freudig für ein kurzes Jahr an Deiner Seite aber ich kann die Mutter nicht verlassen, so nicht!"

-

" Sei ruhig, weine nicht so, mein Liebling, ich will Dich nicht mehr quälen. Geduldig will ich sein und warten- worauf? Wer weiß es?- Aber es muß ja noch gut werden, es ist nicht anders möglich.

-

Lebewohl, Du mein Glück, meine Seligkeit nicht für immer, o nein, für eine kurze Zeit nur, kurz, gegen die Ewigkeit unserer Liebe. Meine leb' wohl!"

Buchen.

Fest umschlungen halten sie sich, unter den weinenden " Noch nicht,, sprich noch nicht ich ängstige Dichter kommt der Nebel nieder, und ungeduldig reibt mich!" und wie wirkliche Furcht sieht es aus Günther's das Pferdchen den Kopf gegen die Schulter seiner Herrin. Augen. Wer giebt mir Antwort?

schaut ihn traurig an.

"

-

Wohnt dort oben über den Sternen ein Wesen, das Günther, Liebster, weißt Du, wie ich Dich liebe? Go sehr, daß ich Religion, Erziehung, guten Namen von mir eiseskalt und seelenruhig unser Schicksal lenkt? Thun wir schleudern möchte, Dir zu folgen, wohin Du auch gehst. es selbst mit tollkühnem, leidenschaftlichem Menschenwillen? Aber, Günther, ich habe eine Mutter- Sieh', eine Mutter thut so Vieles für ihr Kind. Sie gebiert es mit Schmerzen, sie wacht über ihm in Sorgen, sie beschützt es, so viel es ihr möglich, vor Kummer und Noth.

Günther, Du lieber," sie lächelt unter Thränen, wir find noch jung, wir haben noch Zeit, wollen wir warten noch, ehe wir uns unseres Glückes freuen?"

Günther antwortet nicht, er starrt finster zu Boden; in dumpfer Schmerzenslaut, als habe er ein körperliches Weh, dringt über seine Lippen. Da wirft sich ungestüm in seine Arme, da umschlingt sie seinen Hals, als wollte sie nimmer von ihm lassen:

,, Günther, Liebster, Du mein Alles! Wie soll ich's er­tragen ohne Dich! Ich werde sterben fern von Dir! Ach,

Ist's der Zufall, eine wunderlich- kluge Verkettung un­scheinbarer Ereignisse?-

Ah, wer giebt mir Antwort!-

Berlin , den 23. Dezember.

deutschen nicht agrarischen Zeitungen findet sich folgende Es giebt keinen Nothstand. Im Handelstheil der Notiz und Tabelle:

"

Noch schärfer als in irgend einem der voraufgegangenen

Wer läßt es regnen?"

" Der liebe Gott."

Wo ist der?"

"

" Im Himmel."

"

Was macht er da?"

" Er regiert die Welt."

Geht das schwer?"

"

" Fürchterlich schwer."

Warum denn?"

" Junge, frage Deinen Papa, ich weiß nichts mehr," sagt seine Mutter, dem Verzweifeln nahe.

Klein Hildegard hat sich während dieser interessanten Unterhaltung mit Nachdruck auf den Teppich gesetzt, trommelt mit den kurzen Beinchen auf die Erde und er­

klärt sehr entschlossen:

Es soll dleich aufhören su degnen, Mama." Ernst kommt in die eine Thür hinein, brummt etwas von schouderhaftem Hundewetter", und geht aus der andern wieder hinaus, vermuthlich in den Pferdestall.

stützt gedankenvoll den blonden Kopf in die Hand, guckt aus dem Fenster, zählt die Schneeflocken, die da zwischen den Regentropfen tanzen- denn es ist Schlapp­schnee", richtiges Novemberwetter- und denkt dabei an Günther und findet das auch sonderbarer Weise gar nicht unpassend.

-

Klatschend schlägt der Regen gegen die Erkersenster des Saales in Werdern, der Wind schüttelt die alte Wetter fahne auf dem Dach, daß sie sich knarrend dreht, und pfeifend sauft er im Kamin herunter. Trostloses Wetter! Eine allgemeine Langeweile und Melancholie hat sich Frau Rehling tritt ins Zimmer; ihre Augen blicken infolge dessen der Familie Rehling bemächtigt; sogar die finster, sie schiebt die Unterlippe ein wenig vor und macht Kinder wissen nicht, wie sie sich beschäftigen sollen. Kurt sehr große Schritte ein Beichen, daß sie aufgeregt und lehnt gegen die Knie feiner Mutter und versucht, seiner Wiß- zornig ist. Sie trägt einen geöffneten Brief, geht auf begierde zu genügen. zu und legt die schöne, weiße Hand fest auf ihre Schulter. Felicitas", sagt sie ernst, was ist zwischen Dir und Günther Norberg?"

" Mama," sagt er, woher kommt der Regen?" " Aus den Wolken," antwortet seine Mutter.

-