Abg. Dr. Pachnicke( frs. Bg.): Der Wahlproteft ist der dickste, sumfangreichste, der uns je vorgelegen hat, er ist 128 Seiten start. for eldur Benn auch nur ein Teil der Protestpunkte sich als richtig erweist, so muß die Wahl für ungültig erklärt werden.
188. Gigung. Dienstag, den 1. Mai, 1 Uhr, Am Bundesratstisch: Niemand.
Auf der Tagesordnung stehen Wahlprüfungen.
Zur Wahl des Abg. Graf Donhoff Friedrichstein( t), ( 4. Rönigsberg) beantragt die Stommiffion die Entscheidung über die Gültigkeit auszusetzen und weitere Erhebungen vorzunehmen. Der Reichstag beschließt ohne Debatte demgemäß. Die Wahl des Abg. Börner( Schwarzburg- Sondershausen , nafl.) wird gleichfalls ohne Debatte für gültig erklärt. Ebenso die Wahl der Abgg. Erust( Bromberg , frs. g.), Krämer( Koblenz , natl.). Die Wahl des Abg. v. Löbell( f.) beantragt die Kommission für ungültig zu erklären, da die Oeffentlichkeit durch Ausweisung von Wählern aus dem Wahllokal beeinträchtigt jei.
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Mittwoch, 2. Mai 1900.
Abg. v. Standy( f.):
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Ich muß die Anschuldigungen, die der Abg. Bachnicke gegen die fonservative Partei erhoben hat, auf das energischftte zurückweisen. Das Auftreten meiner Partei bei den Wahlen ist eher noch nicht Abg. Kopich( fri. Vp.): Die Bedeutung dieses Wahlprotests liegt energisch gemig. darin, daß durch ihn die Zustände in Pommern endlich einmal Darauf schließt die Diskussion. beleuchtet werden. Er ist so umfangreich, daß wenn alle die darin Das Haus beschließt gemäß dem Antrag der Kommission die verlangten Zeugenvernehmungen vorgenommen werden sollten, eine Wahl des Abg. Will zu beanstanden. Neuwahl vor Ablauf der Legislaturperiode doch nicht erfolgen fönnte. Die Wahl des Abg. Stöcker( f.)[ 1. Arnsberg ] wird für gültig In diesem Protest ist so ziemlich alles enthalten, was in das erklärt. find in der That„ geheim", benn die Leute wiffen selbst meist nicht, Lothringen und Dr. Sanel( frf. Va.)[ 7. Schleswig- Holstein ] werden Register der Wahlbeeinflussungen gehört. Die Wahlen in Pommern Die Wahlen der Abgg. Baron de Schmid( wildt.)[ 12. Elsaßwen sie wählen, und sie ist auch allgemein", denn die Bauern beanstandet, ebenso die Wahl des Abg. First zu Inn - und müssen allerdings ganz allgemein unter Führung zur Wahl- nhphaufen( f.)( 1. Hannover ]. Die Wahl des Abg. Harriehausen( 11. Hannover ; bei urne marschieren.( Sehr gut! links.) Um das Wahlgeschäft etwas intereffanter zu machen, hat man die verschiedenartigsten Stimm- feiner Frattion) beantragt die Kommission für ungültig zu er zettel von 6 bis 12 Centimeter hergestellt.( peiterfeit.) Der ganze flären, weil unzulässige Agitationen auf die Kriegervereine ausBericht entrollt ein trauriges Bild davon, wie man auf dem Lande geübt find. darauf ausgeht, den Bauern mit allen Mitteln ihr Wahlrecht zu nehmen. Hoffentlich wird die Bekanntgabe des Berichts dazn führen, daß solche Dinge nicht mehr vorkommen.( Bravo ! links.) Abg. Spahn( C.) schließt sich dem Kommissionsantrag an. Abg. Gamp( Rp.): Einzelne Wahlbeeinfluffungen mögen ja bei der Wahl vorgekommen sein, jedenfalls find Bestechungen nicht Hodor borgelommen, wie in Breslau , wo Socialdemokraten für 5 Mart und Entgelt bei der Landtagswahl freifinnig gestimmt haben.( Unruhe bei den Socialdemokraten.) Aus dem Protest allein kann man übrigens nicht schließen, daß die Wahl sich so abgespielt hat, wie es dort dargestellt ist. Ich kann aus eigener Beobachtung mitteilen, daß in einem Falle die Thasachen vollständig entstellt sind und ich habe die Ueberzeugung, daß es in vielen Fällen fo sein wird. stadio Abg. Dr. Pachnicke( frs. Wg.):
Die Abgg. Dr. v. Levezow und Genoffen beantragen weitere Erhebungen darüber, ob die nach dem Protest aus Wahllokalen ausgewiesenen Personen wahlberechtigt gewejen sind, ob und in welchen Bezirken außerhalb derselben wohnhafte Bersonen, welche zur Beiwohnung des Wahlattes erschienen waren, ungehindert zugelassen sind durch Vernehmung fast sämtlicher Wahlvorstände, ob in Rhinow zwischen 10 und 6 Uhr einmal der Wahlvorstand nur aus givei Personen bestanden hat. adot
Abg. Auer( Soc.) stellt auf Grund der Beweiserhebungen feft, daß die Angaben des Protestes fich als durchaus wahr erwiefen haben, danach steht unzweifelhaft fest, daß die Deffentlichkeit der Wahl starte Einbuße er litten hat durch Ausweisung von Personen, die wahlberechtigt waren. Auch die Aeußerung des Protestes, daß der Landrat Ghifane geübt habe, sei erwiesen. Sei doch eine Aeußerung gefallen, man müsse sich die focialdemokratischen Aufpasser vom Leibe halten. Der ganze Ane Woher kommt Herr Gamp zu dieser Neberzeugung? Die Wahl trag der Konservativen beweise nur die Absicht, die Entscheidung prüfungs- Kommission hat die einzelnen Beschwerden genau geprüft zu verschleppen, dafür spreche das Verlangen, fast sämtliche Wahl- und der größte Teil derfelben ist bereits erwiesen. vorstände zu vernehmen. old sibis
shad Abg. Dr. Arendt( Np.)
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giebt zu, daß einzelne Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind. Weitere Erhebungen müßten aber erweifen, ob der Ausschluß der Deffentlichkeit systematisch oder nur in einzelnen Fällen erfolgt sei. Abg. Schwarze Lippstadt ( C.) sh
bittet, den Kommissionsantrag anzunehmen, da die bisherigen Erhebungen vollständig genügten. put nabardine
Abg. Aner( Soc.):
Abg. Dr. Arendt( Rp.) beantragt den Antrag der Wahlprüfungstommission abzulehnen und die Gültigkeit der Wahl zu beschließen. Das Haus beschließt dem Antrag der Kommission gemäß gegen die Stimmen der Konservativen und Reichspartei die Wahl für ungültig zu erklären.
Die Wahl des Abg. Graf Magnis( C.)[ 11. Breslau ] wird für gültig erklärt, doch sollen einzelne Protestpunkte der Regierung zur Kenntnisnahme übermittelt werden. Für gültig werden auch die Wahlen der Abgg. Haffe( natl.) und Dietrich( t.) erklärt. Bei der Wahl des Abg. Dr. Zwick( 5 Berlin ) beantragt die Kommission Beweiserhebungen.
strol sid map Abg. Fischbeck( frf. Vp.) meint, daß die verschiedenen Angaben des Protestes so unerheblich Dfeien, daß Beweiserhebungen gar nicht nötig wären. Insbesondere fei unerheblich, ob in einem Wahlbezirk die Wahlhandlung durch den Vorsitzenden eröffnet sei oder nicht.
Es ist ein Mißbrauch der Jmmunität, wenn man gegenüber Leuten, die sich hier nicht verteidigen fönnen, Beschuldigungen erhebt. Herr Gamp hat meinen Parteigenofien in Breslau den Vorwurf gemacht, daß fie fich hätten bestechen lassen. Dagegen erhebe ich Brotest und weise die Berleumdung des Herrn Abgeordneten zurüd. ( Bravo ! bei den Socialdemokraten. Uuruhe rechts. Glode des Präsidenten.) and Der Ausdruck
fin si Abg. Fischer: Berlin ( Soc.) dobila bittet, den Antrag v. Levezot abzulehnen, da die Vorausjegungen, von denen aus er gestellt ist, hinfällig sind. So sind z. B. die im Antrag Levezzow verzeichneten Personen sämtlich in den Wählerlisten aufgeführt. Beweiserhebung darüber ist also überflüffig. Ich bitte denmach, den Antrag der Kommission anzunehmen.
Abg. Spahn( C.), auf der Tribine fast unverständlich. spricht fich für den Beschluß der Stommiffion ans.
In der Abstimmung wird darauf die Wahl des Abg. v. Löbell gemäß dem Antrag der Kommission gegen die Stimmen der tverber, natt.), Göt v. Olenhusen( 12. Hannover , C.) beantragt Betreffs der Wahlen der Abgg. Graßmann( 4. Marien die Kommission Beweiserhebungen.
Der Reichstag beschließt demgemäß.
Die Wahlen der Abgg. v. tardorff( 3. Breslau , Rp.). Graf Bismard Bohlen( Stralsund f.,) v. Bonin- Barenberg ( 5. Köslin , t.), werden gemäß den Kommissionsbeschlüssen für gültig erklärt.
Die Wahl des Abg. Sachse( Soc) beantragt die Kommission für un giltig zu erklären. Bevor in die Berhandlung dieses Antrags übergegangen ist, teilt
Präsident Graf Ballestrem
mit, daß der Abg. Eachse sein Mandat bereits schriftlich nieder gelegt hat. Zu der Wahl des Abg. Will( 1. Röslin, f.) beantragt die Kom miffion weitere Beweiserhebungen. Abg. Gamp( Rp.) bittet die Wahlprüfungs- Kommissionen, nicht allen Denunziationen", wenn nicht genügend Beweise vorlägen, Blauben zu schenken. Das sei in diesem Fall vielfach gefchehen.
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Die Dorfarme.
EEFNA ( Nachdrud verboten.)
Vicepräsident v. Frege:
Verleumdung" ist parlamentarisch unzulässig. d Abg. Gamp( Rp.) verliest eine Erklärung des Abg. de Witt, der ebenfalls von Vorgängen bei der Breslauer Wahl spricht, die das politische Scham gefühl aufs gröblichste verlegen. is in sind
Abg. Singer( Soc.):
Diese Hengerung des Herrn Abg. de Witt hat mit der Er. flärung meines Freundes Auer nichts zu thun. Aner hat nicht prenische Abgeordnetenhaus geführt haben. Auer hat dagegen ereignet hätten, wie sie zu der Beanstandung der Wahl durch das protestiert, daß Herr Gamp meinen Parteigeroffen eine Handlung vorivarf, die sie in den Augen jedes anständigen Menschen verächtlich machen würde. Wenn ich Herrn Gamp diese Jufinnation zurüc geben wollte ich will es nicht tömte ich mir jagen, man traut niemand etwas zu, was man nicht selbst zu thun bereit ist. ( Bravo ! bei den Socialdemokraten. Unruhe rechts.) Abg. de Witt( C.):
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Ich habe nicht behauptet, daß die Breslauer Socialdemokraten fich haben verleiten laffen, da ich zu vorsichtig bin, um solche unbewiesenen Behauptungen aufzustellen.
is Abg. Gamp( Rp.):
Abg. Singer( Soc.)
Man kann der Wahlprüfungskommission durchaus nicht einen Borwurf daraus machen, daß sie Beweiserhebungen vornimmt. In dem einen Bezirk liegt das Stimmenverhältnis so, daß wenn, wie es wahrscheinlich ist, die betreffende Wahl fassiert wird, das GesamtStimmmenverhältnis sich zu Gunsten des Genossen Robert Schmidt verschiebt. Es ist durchaus falsch, daß es unerheblich sei, ob der Vorsteher die Wahlhandlung eröffnet habe oder nicht. Die Art der Eröffnung ist durch das Wahlreglement bestimmt. Uebrigens fann ich Herrn Fischbed mitteilen, daß der Vorsteher des freifinnigen Wahlvereins in Berlin V erklärt hat, daß er die betr. Wahl nicht eröffnet habe.
Abg. Spahn( C.) verteidigt den Beschluß der Kommission, Das Haus beschließt dem Antrag der Kommission gemäß. Auch über die Wahl des Abg. Frhrn. v. Stumm( Np.) beschließt das Haus dem Stommiffionsantrage gemäß Beweiserhebungen, Damit ist die Tagesordnung erledigt.
Nächste Sigung Mittwoch 1 Uhr( 1. Beratung des von den bag. Müller- Fulda( C.) u. Gen. eingebrachten Gefeßentwurfs wegen Abänderung des Reichsstempelgesetzes( Verdoppelung des Lotterie( Erhöhung der Zölle auf auswärtige Schaumweine und Liqueure), stempels), 2. erste Beratung des von den Abgg. Baffermann( nati.) 1. Gen. eingebrachten Gesezes betr. Abänderung des Zolltarifs 3. Novelle zum Unfallversicherungs- Gesez). Schluß 54 Uhr. unded
In der Flottenkommission
spielten sich am Dienstag einige reizvolle Scenen ab. Das Centrunt fühlt fich durchaus als Herri der Situation. Herr Müller- Fulda und seine Freunde haben einen umfassenden Steuer- Gefeßentwurf I sig vorgelegt, in welchem die von ihnen zur Dedung der Mehrausgaben für die Flotte früher gemachten Vorschläge nunmehr in gehöriger Form und in zahlenmäßiger Berechnung niedergelegt sind. Im Lauf der Debatte stellte sich jedoch heraus, daß diefer Steuer- Entwurf des Centrums im Reichsschaamt in Fühlung mit dem Centrum" ausgearbeitet worden ist. Regierung und Centrum tompromiseln nicht nur hinter den Coulissen, die Regierung ist
Ich habe durchaus nicht gefagt, daß sich in Breslau Leute durch die 5 oder 6 M., die sie erhalten haben, bestimmen laffen, gegen ihre Ueberzeugung zu votieren. Das liegt im Ausdrud Bestechung" auch gar nicht drin.( Lachen links.) Ich wiederhole, es ist mir nicht eingefallen, dem Worte einen schlechten Sinu unterzulegen.
Jakob Bäbbler, ein Inorriger alter Baner mit auffallend langen Armen und Beinen, erhob sich und sagte:„ Nu ja, versteht sich, wir find ja dafür da, für die alten Weiber. Was wollen wir machen? Mach einmal einer einen Vorschlag."
" Ja, mach einmal einer einen Vorschlag." wiederholte der Bürgermeister.
Ju Chalfirchen lebte vor Jahren ein armes Weibchen. Das hatte einmal einen Mann gehabt, der war Leineweber gewesen und Bum Beispiel mit diesen Worten erhob sich nun ein andrer hatte ih sechs Kinder und sonst nichts hinterlassen, als er im besten Gemeinderat, ein schippelrundes Männlein mit himmelblauen Knopf: Mannes alter die Augen schloß für die Ewigkeit. Sechs Kinder und änglein. Zum Beispiel, es muß etwas geschehen. Ich hab' fie sonst ni ts- da weiß man genau, wie reich die Lisbeth Faden- gesehen und ich weiß zum Beispiel, daß es so nicht weiter gehen schneidez war, als sie zurückkehrte in das enge Häuschen am Dorfende. kann. Aber was? Wenn ich zum Beispiel wüßte, daß es in der Aber dagnals war die Lisbeth doch reich: sie hatte ein paar die Arbeit Gemeinde einen gäb', der fie für ein Geringes zu fich nehmen würde, gewohne Arme und mit Fleiß und Ausdauer brachte sie ihr da würde ich zum Beispiel sagen: Nimm fie! So mein ich." is halbes Dugend Trabanten in die Höhe. Da flogen fie nach Der Bürgermeister schüttelte den Kopf: Das wird halt doch und na aus eins ließ sich hier nieder, eins dort, einem gings nicht gehen, Christian,' s nimmt sie feiner. So' ne alte Frau fann ein wenig besser, einem ein wenig schlechter, aber gut gings feinem, lange leben, und die Geschichte fann uns teuer tommen. Wenn ich und das Sprichwort der Alten, daß eine Mutter cher sechs Kinder einen Vorschlag machen soll, so mache ich den: Geben wir der ernähren kann, als sechs Kinder eine Mutter, bewahrheitete sich. Lisbeth halt pro Jahr zehn Thaler- ich denke, dann ist die Sache Für die Lisbeth Fadenschneider fonnte leines der sechs Kinder auch erledigt. Was meint Ihr dazu?" nur einen Thaler jährlich von seinem färglichen Einkommen ab zwaden.
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So hat denn die Lisbeth, als fie fiebzig Jahre alt geworden war um Nadel und Schere nicht mehr halten tonnte, sich auf ihre Truhe esezt, in der sie nach Art der alten Waschfrau unter andern eiligtümern auch ihr Hemd, ihr Sterbehemb" bewahrte, und die spände in den Schooß gefaltet, während fie sprach: Jest geht's niht mehr! Lisbeth, was meinste, was soll ich jetzt machen? Jest web' ich halt Hunger leiden müssen. Ojeh!"
Und sie litt Hunger. Sie nährte sich von Kaffee, Brot und Kartoffeln und von Kartoffeln, Kaffee und Brot. Dabei ging's in rafender Schnelligkeit bergab mit ihr, und ehe fieben Wochen um waren, vermochte sie kaum einmal in der Woche zum Bäder zu gehen, um sich einen Laib Brot zu holen.
Da brachte ein Dorfältester die Geschichte mit der alten halbverhungerten Frau vor den Gemeinderat, und der hielt dieser Ges fchichte wegen eine Sigung ab.
Aljo, fagte der Bürgermeister, Ihr wißt ja, Ihr Männer, um was wir heut' zufammen gekommen sind. Die Lisbeth Fadenschneider kann nicht mehr. Was sollen wir machen?" bt Die Herren Gemeinderäte schwiegen still.
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Will feiner was reden?" fragte der Bürgermeister. Steiner wollte etwas reden.
Da werden wir eine Steuer mehr erheben müssen," warf einer der Männer hin.
" Hat sich denn die Lisbeth schon selbst um eine Unterstügung an uns gewandt?" fragt ein andrer. mad in asioid doll Das hat sie nicht gethan. Von andrer Seite wurde ich darauf aufmerksam gemacht," erwiderte der Bürgermeister. indus Ich meine," versette darauf der Fragesteller, da follten wir warten, bis sie selbst tommt. Fragen wir sie erst einmal, ob sie einer Unterstützung bedürftig ist. Dann haben wir immer noch Zeit, etwas zu beraten und zu beschließen.
Und wenn sie ihrer bedürftig ist, denn kann man ihr ja das Häuschen verkaufen. So viel wird dabei herauskommen, daß man die Frau, ohne der Gemeinde eine neue Steuer auflegen zu müssen, erhalten kann. Was meint Jhr?" wußte nun noch einer zu fagen. Nach einigem Hin und Herreden wurde der Befchluß gefaßt. die Witwe Lisbeth Fadenschneider folle, falls sie sich in wirklich traurigen Berhältniffen befinde, ein schriftliches Gesuch un Unter ftigung an den Gemeinderat einreichen. Das Weitere solle dann später besprochen und beschlossen werden.
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Die Lisbeth Fadenschneider bekam diefen Gemeinderatsbeschluß schriftlich zugestellt. Fürs erste fonnte sie nun nicht lesen, und als ihr peine Nachbarsfrau das Schriftstück plaufibel gemachte hatte, da konnte eine Nachbarsfrau das Schriftftüd plausibel gemachte hatte, da konnte fie nicht schreiben. Sie rief sich deshalb, als sie noch ein paar Tage gehungert hatte, einen oft an ihrem Häuschen vorbeigehenden Gerichtsvollzieher in die Stube. Der schrieb ihr in säuberlicher, strader Schreibgehilfenschrift auf einen Bogen Kanzleipapier folgendes: Unterthänigste Promemoria der Witwe Elisabeth Fadenschneider an den hochlöblichen Gemeinderat von Thaltirchen.
Das Ortsoberhaupt traute sich ob dieses Bescheids hinter den Ohren. Ja, ja, hin, hm," fing er endlich an. Ja, ja, hm, hm, was ich sagen wollte, wenn niemand etwas sagt- hm, hm- ich werde halt doch etwas jagen müſſen."
Die Gemeinderäte nidten zu diesen Ausführungen des Orts oberhauptes eifrig mit den Köpfen.
Der Bürgermeister nahm seine Kappe vom Tische, drehte fie zivischen den Fäusten hin und her und that nach einer fleinen Weile aufs neue den Mund auf:
Ich hab' es gesagt. Ihr Männer, die Lisbeth Fadenschneider fann nicht mehr. Sie ist fertig, und es bleibt nichts übrig, tvir werden darüber raten müssen, was an thun ist in dieser Sacje. Will einer der Männer' was reben? Der Jakob Bäbbler will' was sagen. Du haft's Wort, Jakob!"
Ich bin fiebzig Jahre alt und es fehlt mir an jeglicher Substanz. Sechs Kinder habe ich, die haben nichts; ein Häuschen habe ich, das trägt nichts, weswegen ich demütigft supplicire um Suspension feitens des hochlöblichen Gemeinderats.
Statt des Namens.
Der hochlöbliche Gemeinderat fraute fich in den Haaren. Der Bürgermeister gab jebem das Schriftstück der Reihe nach in die Hand, benn er fürchtete fich, die vier fonderbaren Worte auszusprechen.
Als alle gelesen hatten, fragte er:„ Num, Ihr Männer, was ist Eure Antwort auf dieses Christian, Du hast's ja noch in der Hand, lef einmal die lleberschrift."
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Der Schippelrunde reichte dem Bürgermeister das Schreiben hin: So weit reicht meine Gescheitheit nicht," sagte er, da wird wohl schon ein Gescheiterer hermüssen."
„ Das Weibsbild, das unglückliche!" rief das Ortsoberhaupt. " Sest macht sie's gar noch franzöſiſch. Wer ihr nur den Wisch aufgefeßt hat. Wissen möcht ich's. Jezt sind wir so flug wie zuvor oder hat's einer begriffen?"
Die Männer schwenkten die Mützen.
„ Wer ihr wohl den Bettel aufgesetzt hat, der Schullehrer vielleicht?" Einer der Gemeinderäte tante die Handschrift des Gerichtsvollziehers, aber er hielt den Mund. Denn wer wird auch sagen, daß er die Pfote des Gerichtsvollziehers fennt!
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Wenn man nur wüßte, ob sie' was will, oder ob sie nichts Was fangen will, die Lisbeth? So weiß ntan aber gar nichts. wir mun an?" fragte der Bürgermeister.
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„ Geben wir das Schreibwert einem Studierten," empfahl einer. Um Himmelswillen! Wir werden ausgelacht, wenn wir unsre Unkenntnis an den Tag legen. Wir müssens anders an fangen." " Ich wüßte was," sagte Bäbbler. Da haben wir einen Buben daheim, der geht in die Schul'. Wenn man dem einen Zettel mitder geben würde, auf dem die vier Worte geschrieben ständen Schullehrer tönnte die Geschichte vielleicht verdeutschen."
Der Vorschlag fand Anklag. Der Gemeinderat Bäbbler trug die Weisheit des Gerichtsvollziehers in der Tasche heim, und sein Entellind fragte den Schullehrer, ob er ihm nicht die Worte ber deutschen wolle?
Die Amtssprache hatte der Schullehrer auch nicht studiert; er ging deshalb zum Pfarrer. Diefer fab in einem Fremdwörterbuch nach und überfeste glücklich: Merkzettel, Wesen, beantragen, einst weilige Amtsentjeßung.
Dem in der Amtssprache ebenfalls nicht tapitelfesten Gerichts. vollzieher war es passiert, daß er statt Subfifteng- Substanz und statt Sustentation Suspension geschrieben hatte.
Als dem Gemeinderat dermaßen der Sinn der merkwürdigen Eingabe llar gemacht worden war, geriet er fürchterlich in Aufregung. Also regung. Also die alte Hungerleider'n wollte man unterstützen, und statt das gütige Borhaben dankbar anzunehmen, macht sie sich über den Ortsvorstand luftig. Wart' mur, alte Here, das soll Dir eingetränkt werden!" schrien die Männer. Und sie erbosten sich der maßen, daß fie allsogleich eine Beschwerdeschrift an das Gericht auffegten, in welcher sie die alte Lisbeth der Beleidigung beschuldigten. Die Antwort des Gerichts wirkte etwas sehr abkühlend auf die erhitzten Gemüter der wohlweisen Väter von Thalfirchen. Ein findiger Amtsschreiber hatte die Fehler der streitigen Eingabe der Betentin" torrigiert und gleich eine verbesserte und verdeutschte Abschrift derselben mitgeschickt.
Die Herren Gemeinderäte zogen die Köpfe ein und schämten sich. Die Lisbeth Fadenschneider aber war inzwischen sachte des Todes verblichen. Die sechs Männer, die sie auf den Kirchhof trugen, fagten, daß sie noch niemals eine leichtere Leiche getragen hätten.R. S. Diefenbach.