Correspondenzen.Leipzig. Unser„Klein Paris" ist eine äußerst tanzlustigeStadt. In und außerhalb derselben laden allsonn- und feiertäglicheine Menge von VergniigungSlolalen zur Tanzbelustigunz ein, unddie schlauen Wirthe und sonstige auS diesem Hange der Bevöl-kerung Nutzen ziehende Unternehmer finden außerdem noch Anlaßgenug, die Reihe dieser zweifelhasten Erholungen wachsen zu machenund dem nur allzuschwachen Publikum daS Geld auS der Taschezu locken. Da gibt'S patriotische Festlichkeiten, wie Sedanseier-c.;und der bekanntlich seit mehreren Jahren hier eingeführte Carnevalspielt auch mit seinen Versuchungen in dieser Hinsicht eine be-denklickc Rolle.Ueber die sittliche Berechtigung des Tanze» läßt sich streiten,entschieden zu verwerfen aber ist die Sucht, wie sie sich hier zeigt,und die Art und Weise, wie man derselben an manchen OrtenGenüge leistet. Die rohe Sinnlichkeit ist oft genug der unver-kennbare Antrieb dazu, manche Lokale werden geradezu von Pro-stitnirten und deren Anhang beherrscht, und Schaaren„feiner"terren suchen und finden hier Zerstreuung, die wüst genug ist.S soll hiermit nicht gesagt sein, daß die sogen, niederen Klassenfrei sind von diesem Uebel. Wie sollen sich aber bei ihrer ewigenSorge um Fristung deS Daseins, bei ihrer daraus sich ergebendenAbgcschlossensein von besserer Anregung, Impulse kund geben, dieGemülh und Geist in segenbrmgende Bahnen lenken? Je größereine Stadt, desto mehr springt die Unmoral hervor. Jedermannweiß, worin das seinen Grund hat. Leipzig steht hierin nichtallein da. In einem Punkte aber wird eS wohl kaum von einerandern Stadt übertroffen— und daS ist die Sucht eines Theilsseiner Bewohner, Gesellschaften zu gründen und zwar meist Ge-sellschaften, die keinen andern Zweck haben, als der seichtesten Ge-nnßsucht zu ftöhnen. Kneipen, Tanzen, Aufführen läppischerTheaterstücke, ein bischen Singen nebenbei, das sind die Beweg-gründe, gesellschaftliche Organisationen mit einer Wichtigkeit in'sWerk zu setzen, die einer besseren Sache würdig wäre. Für dieseArt von Gesellschaften ist natürlich der Carneval ein hochwill-kommener Anlaß, ihren Lebensgeistern von Neuem— und zwarin verstärktem Maße— alcoholische Anreizuug zuzuführen undim Spiele mit ihren wenn auch plumpen, so doch überaus leichtgeschürzten Musen, ihrem kümmerlichen Geistesleben etwas WürzeS verleihen. Selbstverständlich geschieht das alles unter demeckmantel der Narrheit, soweit eS eines solchen bedarf. DaSrein geistige Zugeständniß dieser Narrheit reicht hier nicht aus, eSmuß auch in äußerlichen, greifbaren Formen zum Ausdruck gebrachtwerden.Wer nun aber glaubt, daß diese hingebende Fürsorge der sozahlreichen hiesigen Gesellschaften dem nach Ergötzen drängendenVerlangen der„Klein-Pariser" Genüge leistete, der traut denselbenbei Weitem nicht genug Lebenslust zu. Nein, die Privatunter-nehmungcn Einzelner müssen derselben noch als Ableiter dienen—und wahrhaftig! verschiedene der Herren Wirthe wissen das kost-bare Gut der Menge gar herrlich zu verwerthen— sie veranstaltengroße VolksmaSkenbälle. Selbst der recht aristokratisch thuendeWirth des hiesigen Schützenhauses, Königl. Hofrestaurant, ver-schmäht dieS Manöver nicht, er wiederholt es feit mehreren Jahren,waS in Anbettacht der guten Rechnung, die er dabei findet, ganzbegreiflich ist, ebensowohl wie, daß er patriotischen Strömungen,die ja nicht gut ohne Toaste einherrauschen können, mit Kücheund Keller zu Hülfe kommt. Dieselben lassen, wie das„LeipzigerTageblatt" gewöyulich schmunzelnd berichtet, nie etwas zu wünschenübrig. Der jährliche Maskenball im Schützenhause nun unterscheidet sich von ähnlichen Unternehmnngen dadurch, daß er dasbeinahe demokratisch klingende Auehängeschild„VolkS-MaSkenball"verschmäht unv dafür pomphaft kosmopolitisch einen Grand balpare et masqnd ankündigt. Die Einladung in der ftemdenSprache, der ja in Deutschland jetzt so gründlich der GarauSgemacht werden soll, ist nun fteilich unfern Deutschthümlernetwas unangenehm. Die Mißstimmung wagt sich sogar bis ins„Tageblatt", das heißt anonym und auf dem zu bezahlendenRäume der Privatbesprechungea grollend. Jndeß, im Allgemeinenwird für diesen Abend der patriotischen Wallung von kräftigerenElementen ein Dämpfer aufgesetzt— der grand bal pai-6 etmasquS wirv„mitgemacht", der rührige Wurth hat gesorgt, daßHunderte von FreibllletS unter das Publikum kamen, demzufolgesieht eS auf diesem„Balle" nun auch bunt genug auS. Nament-lich die weiblichen Erscheinungen ziehen den Blick auf sich. DieSeidenkleider rauschen, der Flitter glänzt— Leipzig scheint seinganzes Schatzkäftlein weiblicher Reize hier ausgeleert zu haben.Allerdings— besonders die marktfähigen. Sind auch die„an-ständigen" Damen in Menge erschienen, um„sich die Sache ein-mal mit anzusehen", so müssen sie doch zurückttcten vor den glän-zenden Bordelldirnen und ihren Züchtern. Wie stolziren sie ein-her, diese Priesterinuev der BenuS in ihren meist erborgten Ge-wändern, ihre quellenden Formen zur Schau tragend, denn siemüssen doch leben, die Gefallenen, gut leben und dabei noch denTribut entrichten, den Andere von ihrer Schande fordern! Un-ermüdlich, unverdrossen geht es treppauf, treppab; durch die Säleund über die Gänge wälzt sich der tolle Zug.Fanfaren schmettern; die am reichsten gekleideten Hetären werdenprämiirt, zwar nur mit Firlefanz, aber ein' erhebendes Schauspielist« doch für unsere Bourgeois, junge und alte, ledige und ver-herathete. Dann beginnt der Tanz. Die Masken fallen, dieStimmung hebt sich, die Gliedmaßen kommen zur Geltung. Nachund nach beginnen in den Nebensälen die Einleitungen zur„freienLiebe;" patriarchalisch haben sich dort die verschiedenen Körper-schaften niedergelassen— der Louis fehlt nicht dabei— und derWein erfteut deS Menschen Herz. RuvenS und Mackart werdenin der dort sich entwickelnden Ueppigkeit unwillkürlich copirt, Hein-rich HeineS SarkaSmcn erklären sich hier. Ab und zu wagt einUnberuferier Eingriffe in schon veräußerte Rechte, er wird mitmehr oder weniger fühlbarem Hinweis auf die Heiligkeit deS Eigen-thumS, seis auch deS schnell sich verändernden, zurückgedrängt. Sogeht es bacchanalisch bi» zum Morgen fort und daS Ganze endetals Zerrbild der heutigen Gesellschaft, wie es als solches, wenn auchetwas übertüncht begonnen hatte. Wenige Tage darauf wird indenselben Räumen der Jahrestag der Errichtung des deutschenKaiserreichs und dann des Kaisers Geburtstag gefeiert, und mancherder Bestandtheile deS vergangenen MaSkenabendS nimmt daranTheil. Nou olet!—ES war nun einigermaßen interessant zu erfahren, waS wohldaS„Leipziger Tageblatt", welches ja gewissenhaft über derartige„Ereignisse" berichtet, für ein Referat über daS Fest bringenwürde. Richtig, gleich auf der ersten Seite des Blattes Nr. 16,dicht unter den amtlichen Bekanntmachungen erschien es. Nacheiner wohlwollenden Schilderung des Lebens und Treibens aufdem„Feste" und deS ganzen Arrangements desselben, kommt sol-gende Anschauung zu Tage:„Der darauf beginnende Ball warungemein stark frcqucntirt, die Speiseräume durchgängig vollstän-big besetzt, das Gewühl überall groß, aber an allen Orten herrschte! Anstand und gute Sitte. Bürgerliche Familien waren in großerZahl vertreten und verliehen durch ihre Anwesenheit dem Festeeinen soliden Anstrich, der sich wohlthnend über den ganzen Abend�verbreitete-c." Ob wohl der Redakteur deS„Tageblattes" mitseinen Angehörigen und seinem Redaktionspersonal bei diesem„soliden Anstrich" mit geholfen haben mag? Und wenn daS nichtder Fall war, welchen einfältigen Berichterstatter mag er wohlmit der Milch der frommen DenkungSart zu dieser Orgie geschickthaben? Genug, daS gelesenste Blatt deS„gebildeten" Leipzig be-richtet überhaupt über eine solch: und vervollständigt vou neuemden Beweis, welch riesiger Carneval daS bürgerliche Journalisten-thum ist. Der Phantasie jedes Einzelneu bleibt eS überlassen,dem„Leipziger Tageblatt" darin die gebührende Rolle zuzuweisen.Bezeichnend genug aber ist eS, daß sich die städtischen BehördenLeipzigs mit Vorliebe dieses Blattes z« amtlichen Bekanntmachungenbedienen, noch bezeichnender jedoch, daß daS Polizeiamt zu diesenBehörden gehört und wahrscheinlich an dem bewußtem Abendeseine Sektion, die Sittenpolizei, diSpenfirt hatte.Schneeverg, 20. Januar. Seit länger denn einem Jahrwurde hier keine Volksversammlung abgehalten, und so begrüßtenwir es mit lebhafter Freude, als uns mitgetheilt wurde, daß Ge-nosse Wiemer aus Magdeburg im IS. Wahlkreise agitiren wolle.So fand bereits gestern im Gasthos„zur Sonne", eine von ca.500 Personen besuchte Volksversammlung statt, die einen sehrguten Verlauf genommen hat und dazu diente, das Klassenbewußt-sein der Arbeiter aufs Neue zu wecken und zu stählen. Die Ver-sammlung wurde von Parteigenosse Gustav Hörnig eröffnet undgeleitet. Wiemer behandelte in nahezu zweistündiger Rede dieTagesordnung:„Die Arbeiterbewegung" unter großer Ausmerk-samkeit deS Publikums. Als Redner durch ein Referat deS„Erzgeb.VolkSft.", daS einen Vortrag deS BürgerschullehrerS Möckel auSNsustädtel über StrikeS behandelte, sich veranlaßt sah, auf dasselbe«inzugehen und die Ansichten und Schlüsse des Herrn Möckel einer,wie Herr Möckel selbst zugeben mußte, ruhigen und leidenschaftS-losen Krink unterzog, sah sich ein hier gerade nicht sehr in derAchtung seiner Mitbürger stehender Mensch veranlaßt, den Re-ferent durch äußerst laute Gegenbemerkungen zu unterbrechen. DerRedner ließ sich daS gefallen, da ihn ein solches Benehmen nichtstörte, nicht so daS Publikum, daS energisch die Entfernung deSStörenfrieds verlangte, und so sah sich der Exedeut bald an diefrische Luft gesetzt, wo er mit dem an diesem Abend äußerst Hefttigen Sturmwind weiter hadern konnte. Es soll hier nur ange-führt werden, daß Herr Möckel die StrikeS als„reine Geschäfts-fache" betrachtete,„daß die größten StrikeS von der inLondon bestehenden Internationale angezettelt wur-den", und daß die StrikeS für die Arbeiter„eine Zeit derErholung, unterbrochen durch interessante Bcrathungen,bei und nach denen es lustig hergeht."---„Darumwird auch so mancher Strike auS purem Uebermutheunternommen". Gegen StrikeS giebt eS nach der Ansicht desHerrn Möckel kein anderes Mittel als„GegenstrikeS", und gelangter zu folgendem Resultat:„Die Abhilfe kann deshalb auchnur dadurch geschaffen werden, daß man wieder zurückzu den früheren Einrichtungen(Zünfte ec.) greift, sie aberden veränderten Verhältnissen anzupassen und eS da-hin zu bringen sucht, daß Arbeiter und Arbeitgeber daSHauptgewicht wieder aus daS legen, nicht waS sie trennt,sondern was ihnen gemeinsam ist und sie eint." Inwelcher Weise Wiemer jene Ansichten widerlegte, brauchen wir wohlnicht weiter auszuführen. Im Laufe seines Vortrages kam Rednerauch auf die Betheiligung der Arbeiter bei den Wahlen tc. zusprechen, und legte unter Anderen die Stellung klar, die unsreAbgeordneten im Reichstage einnehmen, und geißelte das Verfahrengegen dieselben in ziemlich scharfer Weise. Als Redner auch aufdie Vorlagen resp. auf die legislatorischen Schöpfungen des Reichs-tagS zu sprechen kam, sollte er hierin nicht weiter kommen, alsbis zum Landsturmgefetz. Kaum hatte er desselben Erwähnunggethan, als unser Bürgermeister erklärte, dem Redner daS Wortzu entziehen, falls der elbe nicht sofort das Landsturmgefetz beiSeite lasse, indem dasselbe nicht zur Tagesordnung gehöre; eSsolle über die Arbeiterbewegung gesprochen werden und über nichtsAnderes. Als ob das Landsturmgefetz nicht ebenfalls tief in dieArbeiterverhältnisse einschneide. ES war dem Referenten Haupt-sächlich darum zu thun, Klarheit über die soziale Frage zu schaf-sen, und auch den anwesenden Gegnern Gelegenheit zu geben, sichmit ihm in die Debatte einzulassen, und so that er für diesmalunserm Bürgermeister den Willen, und führte sein Referat ohneLandsturm, aber unter lebhaftem Beifall der Versammlung zuEnde.Von den anwesenden Gegnern meldete sich nur Herr Möckelzum Wort, seine Freud: ausdrückend, daß sein, wie er sagte, im„Erzgeb. Volkssr." ungenau wiedergegedeneS Referat eine solchruhige und leidenschaftslose Kritik erfahren habe, er erklärte sichnicht mit allen Aussührungen deS Redners einverstanden. SeinerAnsicht nach sei eS unmögttck, daß der Mittelstand als Träger derBildung(!!!) dem Großkapital weichen müsse und in die ReihendeS Proletariats hinabgedrängt werden könne. ES gäbe ein Mittel,um sich über den Wogen der industriellen Fluth zu erhalten, daSsei daS Genossenschaftswesen, die Produttivassoziation, durch Selbst-Hilfe gegründet. Dadurch würde Friede und Einttacht wieder-kehren, der soziale Krieg, der von uns, d. h. den Sozialisten her-aufbeschworen sei, würde vei schwinden.Die Sozialdemokraten hätten bis jetzt noch Nichts erreicht, da-gegen gebe eS viele Beispiele, was durch Selbsthilfe geschaffen sei,und empfehle er den Arbeitern als die beste Organisation dieHirsch-Dunker'schen Gewerkvereine, und rieth, daß alle ParteienHand in Hand gehen wögen. Wiemer widerlegte den ReferententheilS durch statistische Belege, theilS durch andere treffende Be-weise. Er empfahl, nicht mit Parteien Hand in Hand zu gehen,die ihre Grundsätze nur zu oft verläugnen, in deren Reihen dieFreiheit längst eine abgedroschene Redensart sei, sondern da Stellung zu nehmen, wo die bessere Ueberzeugung eS gebiete, und un-beirrt weiter zu arbeiten an der Befreiung der Menschheit auSder Despotie, der Sklaverei des Kapitals und der Knechtung desGeistes. DaS Referat hat auch seine Früchte gettagen, und habenwir nur noch den einen Wunsch, daß nicht, wie daS Mädchen ausder Fremde, jährlich einmal ein Agitator zu uns kommt, sonderndaß solche öfter daS Gebirge besuchen und der ausgestreute Samewird seine Früchte tragen. Mehrere Parteigenossen.Hroßenhaiu. Trotzdem die Arbeitskräfte hier zureichen, könneneS sich die hiesigen Fabrikanten doch nicht versagen, mit ihrerWerbetrommel von Ort zu Ort zu springen und Alles, waS sichnur irgend wie erhaschen läßt— ob Alt oder Jung, ohne Unter-schied deS Geschlechts— unter ihrer Obhut zur weiteren AuSbeu-!tung anher zu bestellen. Daß eS heute noch immer genug„fromme�Schafe" giebt, welche an den„Fabrikantsnhonig" glauben, ist bei!der großartigen VolkSverdummungSmaschinerie gar kein Wunder.Selbstverständlich giebt eS aber auch Arbeiter, die unter der Wuchtder heutigen Produktionsweise und durch die mit detselben engverbundenen fortwährend sich erneuernden GeschäftSkrifen überzähligwerden und sich dann für jeden Preis verkaufen müssen. Dieseüberzähligen Proletarierhände sind ein herrlicher Fang für unserFabrikantenthum, und werden zur leichteren Anlockung solcher„Menschenwaare" allerlei schöne Versprechungen gemacht, wie z. B.die hiesigen Fabrikanten mit„hohem" Lohn,„dauernder Beschäf-tigung" und anderem wohlfeilen Phrasengeflunker herumwerfen,um nur recht viele Arbeiter heranzulocken. So wurden u. A. vonGrünberg Appreturgehülfen mit dem Versprechen herangezogen, daßsie wöchentlich 4 bis S Thaler verdienen können, waS aber nachdem üblichen Lohne, welcher höchstens 3 Thaler beträgt, eine ziem-lichc Aufschneiderei ist; und wenn daS Alles nicht wäre, so war eSeine Unverschämtheit, Arbeiter h-rzulocken, für die man gar keinederartige Beschäftigung hatte, wie eS hier der Fall war. Dennals die genannten Arbeiter ankamen, wurden sie von einer Fabrikzur anderen geschickt, aber in keiner derselben wurden Appretur-gehülfen gebraucht. Als dieselben sich beschwerten und Reisever-gütigung von dem Fabrikantenverein verlangten, wurde ihnen au»„Mitleid" andere Beschäftigung zugewiesen, bei welcher einer voudiesen Arbeitern in drei Wochen nach seiner eigenen Aussage 4Thlr. 26 Gr. 7 Pf. verdiente und ein anderer ungefähr 2 Thlr.pro Woche. Wie eS sich bei einem derartigen Verdienst lebenläßt, brauche ich wohl nicht erst näher auSzuführea. Aber das istgewiß, daß diese Arbeiter ihre Verpflichtungen gegenüber denQuartier- und Kostgebern nicht erfüllen können. Und wer sinddieselben? ES sind verheirathete Arbeiter, welche ihre Miethe undübrigen Bedürfnisse allein nicht decken können und dayer genöthigtsind, mit Anderen ihre ohnehin kleinen ungesunden Wohnungenzu theilen und dieselben noch unwohnlicher zu machen, als siebereits schon sind.Die logische Folgerung daraus ergiebt: daß die ohnehin bisauf's Mark ausgesaugten Arbeiter noch die von Seiten des Fabri-kantenvereines hergezogenen Arbeiter— die doch nur atS Eon-kurrenten zur Herabdrückung der Löhne bestimmt sind— größten«theilS erhalten müssen.Den weiblichen Arbeitern, die man herlockte, geht eS größten-theilS ebenso schlecht, dieselben haben ungeheuer zu kämpfen, umnur den Hunger zu stillen, und eS würde ihnen trotz alldem nichtgelingen, wenn sie nicht unter der Hand von Seite» der HerrenFabrikanten unterstützt würden; diese Unterstützung soll wahrschein-lich daS Schweigen dieser armen Geschöpfe erkaufen. Aber merktans ihr Herzlosen, über kurz oder lang fällt die Binde von denAugen dieser bethörten Arbeiter und euer ganzes Sündenregisterwird an die Oeffentlichkeit gezerrt und dann nützt die ganze Schön-färbekunst nichts mehr, denn die durch Hunger abgehärmten undhalbnackt dastehenden Gestalten werden mehr bezeugen als tausendeschöner Worte.Bevor ich jedoch diese Zeilen schließe, kann ich nicht unter-lassen einige Musterexemplare noch zu kennzeichnen. Als besondershervorragend steht da Richter, Direktor der sächsischen Tuchfabrik(Aktiengesellschaft), welcher, nebenbei bemerkt, sich den größtenTheil deS TageS im„aufgeregten Zustande" befindet und vorlauter Uebermuth nicht weiß, wie er die Arbeiter behandeln soll.Ju Grobheiten auStheilen ist er ein Ausbund erster Größe undan Handgreiflichkeiten fehlt eS ihm auch nicht. Um die Arbeiterrecht unter der Kaute zu halten, entläßt er alle, die den Muthhaben, ihn in seinem Treiben zu stören, und ersetzt die Stellendurch neue Ankömmlinge, mögen letztere für hunderte von ThalernSchaden verursachen, er behält sie doch. In letzter Zeit hat ersich mit lauter protegsrten Speichelleckern umgeben, die ziemlichtheuer zu stehen kommen. Es sind meistens Leute aus seinerVaterstadt Brünn. Wahrscheinlich altej Familienerbstücke. Eingewisser Schingel ist auch darunter; derselbe macht den Doppel-gänger deS Herrn Richter, weil er in anderer Eigenschaft mchtverwendbar ist. Daß dabei die Aktien immer mehr heruntergehen,darf bei solcher Mißwirthschast nicht Wunder nehmen. Es ist nurtraurig, daß die Arbeiter bei derartiger Leitung, materiell zuGrunde gehen müssen.— Einem Arbeiter, bei Grünberg zu Hause,wurde eine Anstellung geboten, mit dem Bemerken: er soll seineFrau, sammt Familie(7 Kindern) herkommen lassen. Nach mehr-maligem Fragen über die Höhe seine» zukünftigen Lohnes erhielt erden angenehmen Bescheid, daß man ihm 2'/- Thaler pro Wochezukommen lassen würde. Diese trockenen Zahlen sprechen für sichselbst. Und nun zu den nächsten„Arbeiterfteunden."Tzschucke u. Otto: Für diese Herren ist jede» menschliche Ge-fühl eine Dummheit und ihr ganzes Thun und Treiben gehtdarauf hinaus, ihre Ausbeutungssucht immer mehr und mehr zuschärfen. So wurden in letzter Zeit durch allerhand Chikane diealten Arbeiter zum Verlassen der Arbeit gebracht, um durch diesesManöver die Löhne leichter hcrabdrücken zu können. Ferner wurdeschon mehrmals im hiesigen Anzeiger ein tüchtiger Selfaktorspinnerfür diese Firma gesucht. Natürlich findet sich keiner, der diesenPatronen die Arbeit für einen Hungerlohn verrichtet. Sie hatteneinen tüchtigen Arbeiter, der l'/s Jahr die Arbeit zur Zufrieden-heit machte, dem mußten sie S Gr. vom Lohne pro Woche ab-ziehen, waS sich dieser Arbeiter nicht gefallen ließ und lieber dieArbeit verließ. Diese Dreistigkeit mußte bestraft werden durch daSVehmgericht des Fabrikantenvereins. Er bekam im ganzen Ortekeine Arbeit mehr und mußte denselben verlassen.DaS Ende vom Liede ist, die Werdetrommel zur Hand:„Tüch-tige" Arbeiter finden bei„gutem" Lohn„dauernde" Beschäf-tigung.—An Euch Arbeiter ist es, der Organisation beizutreten umbaldigst solche traurige Zustände auS der Welt zu schaffen. Fernerrufe ich Euch noch zu, vergißt unfern Hauptkämpser den„BolkS-staat" nicht, führt ihm neue Abonnenten zu, denn nur ans dieseWeise ist eS möglich, unser erhabenes Ziel früher zu erreichen.Und nun noch ein herzliches Lebewohl bei meiner Abreise vonhier. Haltet fest zusammen, damit für die Zukunft eS den HerrenFabrikanten nicht so leicht gemacht wird) einen Arbeiter herauSzu-werfen. Hugo Schmidt.Kalle a. S. Die Arbeiterfraktionen beider Schattirungen amhiesigen Orte erklären sich mit der Vereinigung einverstanden undreichen hierzu von ganzem Herzen die Bruderhand. Möge ihr sehn-lichster Wunsch bald erfüllt werden. W. F.Bevollmächtigter für Halle.Wilhelmshaven, IS. Januar.(Zum Strike der WilhlemS-havener Zimmerleute.) Der Strike dauert ohne Unterbrechungfort. Noch stehen wir fest, und trotz der jesuttsschen Zersplitte-rungSversuche der Herren Meister gegen unsere Organisation istdoch noch kein Kamerad von der Fahne gewichen. Freilich ist dieRoth eine große gewesen, und eS gab in den Hütten unsererKameraden zur Weihnachtszeit keine so fröhlichen Gesichter, wieim vorigen Jahre, denn es fehlte überall am Besten. Aber ttotz-dem wir daS WeihnachtSfest und den 1. Januar nun hinter unshaben, ist doch noch keine Aenderung in unseren Arbeitsverhält-