Erscheint in Leipzig Mittwoch, Freitag, Sonntag. Bestellungen nehmen an alle Postanstaltcv u. Buchhand- tungen des In- n-Buslandes. Filial- Expeditionen für die Vereinigten Staaten: F. A. Sorge, Lozc 201 Hodoiren, N. J. Peter Haß, 8. W. Corner Third and coatea str. Philadelphia . Abonnetnentopreis für ganz Deutschland IM.KOPs. pro Quartal. Monats-Abonnements werden bei allen deutsche» Poftanstalten auf den Stkn u. 3ten Monat und auf den 3ten Monat besonders an- genommen; im Kgr. Sachsen u. Hrzgth. Sachs.-Alteuburz auch aus den Ite» Monat des Quartals a 54 Pf. Organder sozialdemokrattschenArbetterPatteiMÄverinternationalenGetverksgenossenschasten. Änserate, die Aihalwua von Partei-, vereiu«. nutz N»lls»«samml«ngtn, sowie die F-lial. Expeditionen und sonstige Partei-«ngelegenheitw betreffend, werden mit 10 Pf., Anzeigen mit 25 Pf. die dretgespaltme Petit-Zeile berechnet. Privat- und Vergnügung»- Nr. 21. Sonntag, 21. Ieöruar. 1875. lN er Oi Die Millionäre und das Volkseinkommen in Prentzen. ag buj nd. Die düstern Zahlen, die der preußische Finanzmiuister v. Camp- Hausen in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 19. Januar Über die große Zahl der Nicht- Klaffensteue, fähigen im preußischen Staat gab, eihaitcn erst ihre wahre Bedeutung, wenn wir sie mit der Zahl der Personen in Preußen vergleichen, die auf den höchsten Staffeln menschlichen UcbeiflusseS sich befinden. Durch die Zeitungen geht die Notiz, daß eS in Preußen 49 Personen gibt mit einem Vermögen von je 1 Million, 37 mit einem solchen von je 1,3V0,l)(X), 124 mit je 1,600,vvl), 14 mit je 2,000,000, 13 mit je 2,400.000, 3 mit je 2,800.000, 3 mit je 3,200.000, 4 mit je 3,600.000, 2 mit je 4.000 000, 10 mit je 4,800,000, 2 mit je 5,200.000, 1 mit 6,000,000, 1 mit? 600,000, 1 mit 9.600,000, 1 mit 10.000,000, 2 mit je 12,000,000, 1 mit �4, 000, 000, 1 mit 33,600,000 Thlr. Zusammen 169 Mllliouäre mit einem Vermögen von 398,300,000 Thlr. Die beiden zuletzt erwähnten sind Rothschild und Krupp. Im Verhältniß zu diesem Vermögen beziehen die 169 Personen ein Einkommen von rund 20 Millionen und jeder durch- schnittlich jährlich 118,340 Thlr. Nach der Mittheilung deS FinanzminifierS gibt eS in Preußen 0,034,263 Personen, die ein jährliches Einkommen von unter UV Thlr. haben, und 223,243 Personen, die zwar 140 Thlr. Einkommen besitzen, aber nicht leistungsfähig sind, also ebenfalls von der Steuer befreit bl-iben mußten. Das sind 6,257,500 Per- sonen, die in der allerdürftigsten Lage sich bestnden. Nehmen wir an, daß das Durchschnittseinkommen dieser 6'/« Million erwach- sener Personen sich auf 120 Thlr. per Kopf beläust, was eher günstig als ungünstig angenommen ist, so haben die 169 Millio- iiäre so viel Einkommen als 166,666 aus der ärmsten Klaste, und jeder einzelne von ihnen so viel als 986 Personen der ärmsten Klaffe. Das Verhältniß würde noch viel ungünstiger sein, wäre das Vermögen der Reichen und Millionäre eben so leicht abzuschätzen, oder würde eS bei diesen nur eben so streng genommen, wie bei den armen Teufeln. Daß Rothschild nur ein Vermögen von 14 Millionen, und Krupp ein solches nur von 33V- Millionen haben soll, wird von Sachverständigen sehr bezweifelt. Bor einiger Zeit wurde Krupps gesammteS Vermögen auf über 100 Millionen angegeben, und bedenkt man, daß der Mann 16,000 Arbeiter be- schäftigt und sicher auch viele Millionen. in Papieren fest liegen hat, so ist dies nicht unwahrscheinlich. Nack der oben aufge- führten Berechnung würde sich das Krupp 'sche Einkommen jährlich auf 1,680,000 Thlr. belausen. Gewiß eine sehr hübsche Entschädigung für die„Sorge" und„Mühe" de? Herrn Krupp, aber sicher weit von der Wahrheit entfernt, wie wir gleich beweisen vollen. Nehmen wir an, daß diese 1,680,000 Thlr. Krupp 'sches JahreS- einkommen rein aus seinen industriellen Unternehmungen, in denen er die 16,000 Arbeiter beschäftigt, resultiren, daß er also keine Eisenbahn-, Bergwerks- oder sonstige Aktien besäße, so würde jeder der 16,000 Albeiter ihm dnrchschnittlich jährlich 105 Thlr. ein- dringen. Wenn jeder Krupp'sche Arbeiter durchschnittlich 260 Thlr. verdient, würde daS ein Profit von 38V- Prozent der Lohnrate ltdeS Arbeiters sein. Glaubt aber in ganz Deutschland ein Mensch, daß Herr Krupp, der seine Fabrikate ausgezeichnet bezahlt bekommt und, wie der Abgeordnete Berger ihm im ReichS.'ag nachrechnete, in Folge des Vivvopols, daS er bei der Gefchützfabrikation besitzt, Millionen «Haler Extra-Berdienst hat» mit 33V- Prozent Nutzen des Lohn- hetragS seiner Arbeiter sich begnüge? 50 Prozent der Lohnrate ffi der Nutzen, mit dem der Fabrikant in der Regel produzirt; er deträgt aber auch sehr häufig 100 und weit mehr Prozent, und vir glauben, daß Herr Krupp mit nicht geringerem Nutzen vorlieb «immt. ES zwingt ihn ja Niemand, er hat keine Konkurrenz und dat die Regierungen zu Kunden, die ihm keinen Pfennig vom be- düngenen Preis abziehen, und bei denen ihm kein Pfennig Verlust NsteHt. WaS von Herrn Krupp gilt, gilt mehr oder weniger von seinen Mitmillionären und allen reichen Leuten. Sie können mit Be- 1»emlichkeit einen großen Theil ihres Einkommens der Besteuerung »hinterziehen", und daß eS in sehr umfänglichem Maße geschieht, haben die Erklärungen des sächsischen Finanzministers seiner Zeit �«igt. Es liegt kein Grund vor, anzunehmen, daß die preußischen Kapitalisten mehr Eifer besitzen, dem Kaiser zu geben was des kafferS ist— um einmal die Bibel sprechen zu lasten— als ihre sächlichen Klaffengenoffen. Die Pflichten gegen den Staat gewiffenhaft « erfüllen, ist eine Regel, die nur für den Plebs gepredigt, von Predigern selbst aber nickt beobachtet wird. Da gehtS wie �i der Religion: Handelt nach meinen Worten und nicht nach viinen Werken! Würde die Abschätzung deS Vermögens streng genommen, die Zahl der Millionäre im preußischen Staate würde noch eine °iit größere sein, und jeder der jetzt vorhandenen weit höher abschätzt werden. Aber auch die vorliegenden Zahlen genügen, um ar. 'h ungeheuren Abstand dazuthun, der zwischen Arm und Reich, vischeu Volk und Bourgeoisie, zwischen den Arbeitsbienen und in Drohnen der Gesellschaft besteht. , Wer einigermaßen gesunden Verstand besitzt, muß einsehen, daß vse Zuspitzung der Gesellschaft in immer schroffer sich gegenüber fhende Klaffen ihren Höhepunkt zu erreichen beginnt. Hier giebt'S Bettuschen mehr, hier hilft nur ein Mittel— die allge- "iine Expropriation, der Ucbcrgang aller Arbeitsmittel und ArbeitSwerkzevge in die Hände der Gcfammtheit und die Organi- sirung der gesellschaftlichen Produktion und Consumtion. Die wenigen Reichen schwelgen und die Masten hungern. Die Bourgeoisie wird immer reicker und daS Volk immer ärmer. Und hören wir den Minister Camphausen» der in Folge seiner amtlichen Stellung die traurige Lage der großen Volksmehrheit nur zu gut kennt, so giebt eS nur ein Mittel der Roth abzuhelfen— die Löhne herabzusetzen! Nie ist ein frevelhafteres Wort auS officiellem Munde von der Tribüne der Volksvertretung herab dem arbeitenden Volke inS Anaestcht geschleudert worden. Der beispiellose aber künstliche in- dustrielle Ausschwung der letzten Jahre, den allein unsere nach Reichthum gierige Bourgeoisie hervorgerufen; der unerhörte Schwin- del, den sie mit fiktiven Werthen getrieben, hat ihr die Taschen bis zum Ueberlaufen gefüllt. Aber den nothwendiger Weise darauf folgenden Krach, der ganze Schickten der Gesellschaft iu den Ab- grund schleuderte, der allgemeine Roth und Biodlostgkeit erzeugte, — den sollen die an allem Diesem gänzlich unschuldigen Arbeiter auSbaden. Herr Camphausen hat die officiellen Steuerlisten in der Hand. Er weiß, daß von 8.900.000 für ihr Einkommen selbstständig sorgenden Preußen nicht weniger als 6,255.000 unfähig sind, die geringste Staatssteuer zu bezahlen, und er weiß, daß diese Zahlen gerade auS der Periode stammen, wo nach Ansicht unserer gesell- schastlichen Schönfärber die Löhne„unverhältnißmäßig" gestiegen waren. Wie kann er eS gegenüber diesen Zahlen dennock wagen, die verbreiteten Unwahrheiten über die angeblich vortreffliche Lage der arbeitenden Klaffe zu unterstützen, indem er der Bourgeoisie osficiell und öffentlich die Lohnreduktionen anräth? Dieser kaum glaubliche Widerspruch erklärt sich, wenn man erwägt, daß Herr Camphausen, wie alle unsere StaatSlenker, zu der Klasse von Leuten gehört, die von Jugend auf gewohnt sind, eS als selbstverständlich anzusehen, daß daS Volk sich für ihr Interesse abschinden und abarbeiten müsse, und welche die Ansicht haben, daß jeder Tbaler, den sie von ihrem Aufgespeicherten in Folge schlechter Konjunktur verlieren, durch härteren Druck auf daS arbeitende Volk ersetzt werden müsse. Herr Camphausen gehört selber— gleich verschiedenen seiner College»— zu den 169 Millionären deS preußischen Staate»; er ist unverheirathet und hat keine Kinder— wenigsten» keine „rechtmäßigen"—; als preußiscker Minister bezieht er 12.000 Thaler jährliches Gehalt und befitzt eine präcktige miethfreie Woh- nung; da begreift sick, daß er für die armen Kapitalisten in Sorge «stund ihnen die Lohnreducirung gegenüber ihren Arbeitern empfiehlt. Was sollte auS ihm, was aus den Taufenden der andern bedauernS- werthen Geldmänncr werden, wenn statt der 15 oder 20 Prozent Dividende eS nächstes Jahr nur die Hälfte oder vielleicht noch etwas weniger setzte? DaS darbende Volk mit seinem Einkommen von unter 140 und nicht viel Uber 140 Thaler mag sehen, wo eS bleibt. Es ist ans Hungern gewöhnt. Hat es keine Butter mehr zum Brod, dann begnügt eS sich mit Salz, und mangelt ihm auch das Brod, ißt es Kartoffeln, oder legt sich ruhig hin und— stirbt Hungers. In Oesterreich fordert der Kaiser den Wiener Polizeipräsidenten auf, ihm Bericht zu erstatten, weil er von dem allgemeinen Elend gehört. Der Bericht wird keine Folge haben, aber er zeigt doch den guten Wille» und stellt doch fest, daß man sich der Roth des VolkeS bewußt ist. In Preußen-Deutschland ignorirt man die am hellen Tage liegende Roth , ja man steigert sie, indem man die Lohnherabsctzung osficiell empfiehlt. Die Arbeiter wissen jetzt wenigstens, woran sie sind, mögen sie die Lehre nie vergessen! überall anwendbar.— Die Frage wird, wie man hört, noch deS Weitere» bei der Plenarberathung.deS Etats zur Besprechung ge- langen." DaS der Bericht. Wir glauben eS gern, daß das Institut der Fabrikinspektoren, wenn sie nicht bloß Strohmänner sind,'den auS- beutungSlustigen Fabrikanten„eher Nachthcil als Vortheil" bringen würde. DaS Geständniß kennzeichnet die sauberen Herren. Und noch schärfer kennzeichnet sie der ausgesprochene Widerwille gegen die Ernennung von Aerzten zu Fabrikinspektore». Sie selber, die Herren Bourgeois, wollen den Fabrikbetrieb„soweit eS thunlich", daS heißt, so weit eS die„Profite" nicht schmälert, „den gesundheitlichen Bedürfnissen ihrer Arbeiter anpassen", kein Fachmann soll aber kontroliren, wie die„gesundheitlichen Bedürf- nisse" bei dieser Anpassung wegkommen. Jedenfalls sind wir den „zum Handelsstand gehörenden Mitgliedern der Gruppe" für ihre Auftichtigkeit zu Dank verpflichtet: sie haben die Unvereinbar- keit der heutigen Produktion mit den einfachsten For- derungen der Menschlichkeit demonstrirt, und damit Zeugniß abgelegt für die Berechtigung, für die Nothwendigkeit deS So- zialiSmuS. — In dem jetzt von dem verunglückten Lindwurm rediguteu «Jnsterburger Bürger- und Bauernfreund", der nun gegen den Sozialismus seine Fahne erhoben und gegen ihn zu Felde zieht, lesen wir unter der Rubrik:„Volksschullehrer- Gehalt" Folgendes: „Die Position für die Alter»-Zulage« der Volksschullehrer wird im Etat für 1875 bedeutend erhöht werden. Zu der bisher ausgeworfenen Summe für diesen Zweck von 1,100,000 Thlr. wird diese» Mal wieder eine Million hinzutreten, so daß, die Be- willigung deS Landtages vorausgesetzt, woran indessen wohl nicht zu zweifeln ist, dem Herrn Minister für 1875 1,100.000 Thlr. zu AlterSzulagen zur Disposition stehen werden. Dadurch wird der jetzige Maximalsatz der AlterSzulagen von 60 Thlr. auf ca. 80 Thlr. erhöht werden." Ei, wie herrlich, Herr Lindwurm! Also von 60 aus 80 Thlr., also um ganze 20 Thlr., sage zwanzig Thaler, sollen die Al- terSzulagen der Volksschullehrer erhöht werden. Nun werden doch gewiß die armen Lehrer glücklich und zuftieden sein, sie werden in einem Meere von Seligkeit schwimmen und Hosiannah singen und den Schreiern wird endlich einmal da» gottlose Maul gestopft sein.— Wir richten aber an den„Moltke de» Kulturkampfes", den Herrn UnterrichtS-Minister Falk, die bescheidene Anfrage: Wie lange muß ein Lehrer„gedient" haben, um dieser hohen Alter»- zulage theilhaftig zu werden? Wahrscheinlich so lange, bis er sagen kann: „Dich beweinend zum Grabe hin trag' ich Meine Ehr' und dies schneeweiße Haupt." Politische Uebersicht. — Fabrikanten und Fabrikinspektoren. In der Gruppe (Commission) des preußischen Landtags, welcher die Vorberathung deS Etat» deS Ministeriums für Handel und Gewerbe überwiesen worden, kam kürzlich die Frage von der Einführung der Fabrik- inspektoren in alle Theile der Monarchie zur Sprache. Man berichtet darübet:„Seitens des RegierungscommiffarS wurde die Nothwendigkeit dieser allgemeinen Einführung erwiesen und na- menrlich hervorgehoben, daß es Aufgabe dieser Beamten sein müsse, auch daraus zu achte», daß für die Arbeiter auch in sanitärer Be- Ziehung Sorge getragen werde. Aus diesem letzteren Grunde würde eS sich daher empfehlen, für diesen Posten namentlich Aerzte zu wählen, welche wegen der ihnen innewohnenden Ersahrungen die geeignetsten Maßregeln ergreisen könnten, etwa vorhandenen Mängeln abzuhelfen. Von Seiten der zum Handelsstande gehören- den Mitglieder der Gruppe wurde dem entgegengehalten, daß eine allgemeine Einführung des Instituts der Fabrikinspektoren doch bedenklich erscheine und leicht eher Nachtheil als den ge- hofften Vortheil erzielen könnte. Ebenso könnte man sich der Ansicht nicht anschließen, daß zu dem in Rede stehenden Amte Mediziner mit Vortheil zu verwenden seien. Da» eigene Interesse der Fabrikanten gebiete eS schon, die Einrichtungen in ihren Fabrikräumen, so viel als dieS mit den« FabrikationSbe- trieb sich vereinbaren lasse, so weit als thunlich den gesuudheit- licheu Bedürfnissen ihrer Arbeiter anzupassen, denn einem jeden Fabrikanten müsse doch daran gelegen sein, so wenig als möglich einen Wechsel in dem Arbeiterpexsonal herbeizuführen, was aller- dingS unbedingt geschehen würde, wenn die Aibeiter in Folge der gesundheitSgesährlichen Anlage der Fabrikräumc häufigen Krank- heitSsällen auegesetzt würden. DaS Institut der Fabrikinspektoren sei für gewisse Verhältnisse vollkommen am Platze, aber nicht — Gleiches Recht für Alle! Man schreibt unS auS Danzig : Auf der hiesigen Kaiserl. Königl. Werst wurden alle Arbeiter über 60 Jahre zum k. k. Ober SchiffSbaudirektor bcschieden, um die erbauliche Nachricht zu empfangen, daß sie mit dem 1. April d. I. entlassen seien. Einer, der bei seinen 64 Jahren noch rüstig genug befunden wurde, um arbeiten zu können, darf bleiben, die Andern erhielten den guten Rath, eine Eingabe an das Ministerium zu machen. Auf die Frage, von wem der Erlaß ausgehe, erhielten die Arbeiter von dem Ober-SchrffSbaudirektor die Antwort:„Die» sind Fragen, die ich nicht beantworten kann." Wenn diese Ar- beiter, die doch auch für den Staat wirken, weggejagt werden, müßten da nicht auch verschiedene höhere und sehr hohe Beamte deS Staats, die auch 60, ja hoch in den 70 er Jahren find, weg- gejagt werden, Beamte, die bei sehr hohem Gehalte dem Staate weit weniger Nutzen bringen als der Arbeiter? Was dem Eine» recht ist, ist dem Andern billig! — Denunziantengesindel. DaS traurigste Zeichen unserer „sittlichen Verkommenheit" ist daS Ueberhandnehmen deS Denun- ziantcnthumS. Man kann nirgend« mehr ein freies Wort reden, ohne Gefahr zu laufen, von einem gesinnungStüchtigen„nationalen" Schuft denunzirt zu werden. So schreibt z. B. der„Mainzer Anzeiger" ä. st. 15. d. M.: „Der Faktor unserer Druckerei, welcher wegen einer Aeuße- rung, die er in der Trunkenheit im Eiscnbahncoupö gethan haben soll, in Folge der Denunziation eine» preußischen Vice- feldwebels in Wiesbaden zu drei Monaten Gefängniß ver- urtheilt wurde, muß heute seine Strafe antreten, da zwei an den Kaiser gerichtete Gnadengesuche abschläglich beschieden worden sind. Der Verurtheilte hat acht Kinder, denen inzwischen der Ernährer fehlt.(!)" DaS Widerlichste ist: statt daß solch niederträchtige» Denun- ziantengesindel gelyncht oder doch wenigstens angespuckt wird, gilt daS Denunziantengeschäft heutzutage für„ehrlich", für„verdienstlich", für„patriotisch". Ach— die Franzose», fie haben ihre„Re- vaucke"!— Herr Schulze in Mainz ist unzweifelhaft„ein ehrenwerther Mann", und erfüllte nur eine patriotische Pflicht, als er folgen- des Correspondenzchen für die„patriotische" Presse anfertigte: „Vom Mittelrhein , 6. Februar. Wieder hat der Abgeordnete Liebknecht gelegentlich deS LandsturmgesetzeS im Reichstag? eine jener perfiden*) Reden gehalten, die seinem eigenen Eingeständ- nisse nach nicht an die Adresse deS. Reichstages, sondern an die deS„VolkeS ", nämlich desjenigen TheileS desselben, den Hr. Lieb- •) In einigen Blättern ist dies Wort weggelassen worden.
Ausgabe
7 (21.2.1875) 21
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