1 staat« wird zu schr in Anspruch geuommen, und ich. will deshalb nur noch einen Wunsch, welcher mir bei dieser Gelegenheit be- sonders drückend am Herzen lag, aussprechen. Gewiß stimmen die Gesinnungsgenossen mit mir überein:„Mochteu nur endlich die Arbeiter auS ihrer Lethargie erwachen, die Vormundschaft ab schütteln und selbst geistig arbeiten. Ach! wie gar bald müßte es anders werden; die Phrasen von Harmonie, Sparsamkeit, Bil° düng, Wohlstand und dergl. würden sich in ihrer Blöße zeigen, und die Arbeiter würden gar bald an den Bau eines Gesellschaft?- gebäudeS gehen, in welchem in Wahrheit Harmonie, Bilvung und Wohlstand unter den Menschen herrscht. Doch so viel steht fest trotz Allem: die Leiter der Gewerkvereine, sie wissen besser denn wir, wie tief der Sozialismus, wenn auch unbewußt, in den Ge- werkvereiuSmitgliedern, überhaupt im Volke bereits wurzelt, sie wissen, daß die Zeit kommt, wo die irregeleiteten Arbeiter zur Einsicht kommen; daher wiegen sie sich gar zu gern in dem Traume vom„Rückgang der Sozialdemokratie.- I. Gödel. Hlaucha«, 12. April. Ein Doppelfest fand gestern in den Räumen de« Theaterlokales statt. Es galt den SOjährigen Geburtstag Ferdinand Lassalle'S und die Freilassung Bebels auS fast dreijähriger Kerkerhaft freudig zu begehen. Die Genossen von Nah und Fern fanden sich ein, und die Räume reichten kaum au», die Zahl der Festtheilnehmer zu fassen. Als Festredner erschien Wiemer auS Chemnitz . Anknüpfend an dio Bedeutung des Ta» geS, die derselbe für die deutschen Arbeiter habe, ging er über aus ' die Verluste, welche die deutschen Sozialdemokraten durch den Tod zweier Männer, Heß und Herwegh , in den jüngsten Tagen er. litten. Unsere Feste sollen nicht den Stempel tragen, wie die unserer Gegner, die dabei dem CäsariSmuS Weihrauch strenen. Die Arbeiter können das Andenken an solche Männer nicht besser seiern, als wenn sie da« weiterbauen, was von jenen be- gönnen wurde. So begrüße auch er mit Freuden einen unserer .wackersten Genossen im Kampfe für Freiheit und Recht, den in unserer Mitte befindlichen August Bebel, der nach so trüben Er- sahrungen daS Bauner nicht sinken ließ, um das sich schon ein großer Theil de« arbeitenden Volkes gtschaart. Nachdem der Redner geendet, ergriff Bebel , von begeisterten Zurufen begrüßt, da« Wort, in herzlichen Worten für den freudigen Empfang, der ihm zu Theil geworden, dankend. Man solle von ihm nicht ver- langen, daß er heute schon in gewohnter Weise auf den Kamps- chlatz tute, einnnddreißig Monate habe man ihn zum Schweigen verurtheilt, und e« fall- ihm, nach so langer Hast noch schwer, lange zu sprechen. Aber diese Versicherung gebe er den Partei- genossen, daß er der Alte geblieben. Die Gegner, die glaubten, man habe ihn mürbe gemacht, dürften sich täuschen, st- sollen ihn wieder aus dem Kampfplatze erblicken, noch che sie eS denken. Die Leiden, die er im G-sängniß zu erdulden gehabt, seien nicht so schlimm gewesen, als sich manche vorstellen. Wie in Hubert»«- bürg uud Kömgstein, sei auch in Zwickau seine Behandlung eine humane gewesen. Er habe die Zeit benützt, um sich mit Kennt- nissen zu bereichern, die er im Dienste unserer Sache verwcrthen könne, der Sache, der er sein ganze« Leben geweiht. Er habe die Freiheit wieder erlangt und wolle sie bcnützen, kein Tag solle vorübergehen, wo er nicht thätig sein werde; nur Geduld müsse man mit ihm haben, denn er bedürfe noch der Schonung. AuS welchem Grund: die Gegner in verschiedenen Tonarten de- reit« Jubelhymnen über seinen«warteten Rückzug angestimmt, läge klar vor Augen, sie wollten damit Mißtrauen gegen ihn unter den Parteigenossen aussäen. So Manche glaubten, die Sozialdemokratie sei im Rückgange begriffen, aber da« sei nicht der Fall; in der jetzigen Zeit, wo eS dem Einzelnen schwer falle, auf die Orgaue der Partei zu abonniren, um in geschlossener Reihe weiter zu kämpfen, sei eS ein wohlfeile« Vergnügen, sich über den Rückgang der Sozialdemokratie zu freuen. Aber mögen e« die Gegner nicht vergessen, daß die Roth, die sie verschuldet, mehr denn alle Agitation den Arbeitern die Augen geöffnet habe über die heutige Produktion, daß unsere Reihen sich bald Wied« ver- mehren und verstärken werden in nie geahnter Macht. Schon hat sich etwa« vollzogen, wa« den Gegnern unheimlich zu werden beginne, die Verewigung der Sozialdemokratie. Mit hoher Freud - habe Redner e« begrüßt, al« er die Kunde von einer Berstän- digung und Versöhnung noch im Kerker erhielt. Mit voller Freude begrüße er heute die Mitglieder der anderen Fraktion, die un« oft von jener Stelle au« al« Gegner gegenübergestanden; wir gehen fortan nicht nur friedlich neben einander, sondern kämpfen jetzt schon gemeinsam mit einander für das hohe Ziel, dem wir uachstreben. Und al« Mitkämpfer in dem gemeinsamen verbände werde auch er eintreten, mit demselben Eifer wie in vergangenen Tagen. So heftig, wie wir un« früher unter einander bekämpft, werden wir nunmehr muthig uud furchtlos gegen den gemeinsamen Feind vorgehen, viele Gegner geben nn« bereit« im Stillen Recht, denn so manches hat sich erfüllt, wa« wir vorausgesagt. Sollten wir trotzdem auf's Neue verfolgt, in derselben Weise beschimpft werden, mögen die Gegner sich dem Wahne hingeben, daß sie un« damit unterdrücken wollen— e« kommt die Zeit, wo sie einsehen, daß alle ihre Mühe umsonst ist. Denn für Einen, den sie kämpf- unfähig gemacht, werden Andere erstehen, die da« begonnene Werk der Vollendung zuführen werden. Mögen die Zelten und der Druck noch so schwer auf unS lasten, nicht eine Stunde vermag man unS vom endlichen Siege abzuhalten. Der Tag wird kom- men, wo da« rothe Banner der Sozialdemokratie allerorts flattern wird, und den wahren FreiheitStag verkündet.— Stürmischer Beifall überzeugte den Redner, daß der Geist der Sozial- demokraten Glauchau '« noch der alte geblieben. Die Marseillaise durchbrauste den Saal, Alle stimmten begeistert ein in jene« wahre Freiheitslied, und noch manch' andere« Proletarierlied wurde gesungen. Erst spät«ach Mitternacht trennte man sich. Magde»«rg. Ein angeschossenes Reptil.(Forts.)— Nachdem die„Magdeburgische- die Sozialdemokraten und Ultra- montanen in eine» Topf geworfen, fährt sie fort: „Man wüßte darnach sehr unerfahren sein, wenn man sich vornehmen wollte, diese Fanatiker eine« Besseren zu belehren. Sie wollen ja gar nicht diScutiren und sich von der Ver- kehrtheit ihrer Lehren überzeugen. Im Reichstage hat man den B«such gemacht, sozialdemokratische Abgeordnete in Com- Missionen, welche sich mit Arbeitervcrhältnissen beschäftigten, zu wählen, um dort mit ihnen sachlich zu verhandeln. Da diese Herren aber mit den blutrothen Phrasen, welche sie für die Tribüne der Plcyarverhandlunden auswendig gelernt hatten, bei der stillen Arbeit der Commisstonen nichts ausrichten konnten, so drückten sie sich um diese Sitzungen feige herum od« blieben stumm wie die Fifche.- Reserent erklärt dem etwa anwesenden Herrn Lerfass«, daß er entweder falsch über Geschäftsgang und Verhältnisse des Reichs- tag« unterrichtet oder bei seiner Behauptung über die Wahr- heit hinausgegangen fei, obschon ein so strenger Lügenhass-r -vor Allem der Reinheit seiner Quellen sich versichern sollte. Zu- nächst sei nur ein einziger Sozialist.in eine einzige Com Mission gewählt worden, wahrend der Artikel von einer Mehrzahl von Abgeordneten und Commisstonen rede, wahrscheinlich um die Reichstagsgroßmuth recht glänzend hervorzuheben. Er, Mot teler selbst, sei in die sogenannte Contracibruchgesetz- Commission gewählt worden, deren Sitzungen er mit Ausnahme von zweie» vünkilich beigewohnt habe, während der Abgeordnete Most in seiner Abwesenheit, die durch unabwendbare berufliche Zwischen- fälle veranlaßt wurde, am Platz- war. Thatsächlich unwahr sei also die R-denSart von dem Ver- suche mit den sozialistischen Abgeordneten in den Commisstonen veS Reichstags; und diese entstellten Thatsachen als Beweis da- für anzuziehen, daß die Sozialisten gar uicht diskutiren wollten, sei ein weiterer Beleg für die Gewissenhaftigkeit der liberalen Presse. WaS aber die Behauptung anlange, daß sich die So- zialisten feige um die CommisstonSsitzungen herumgedrückt haben rc., so müsse er zunächst NameuS seiner Collegen, die keiner Com- Mission angehört haben, gegen da« Sprechen in der Mehrzahl Verwahrung einlegen, und w«S ihn selbst betreffe, so weise er diese mehr al« kühne Behauptung al« eine feige Verdächtigung zurück. Redner erläutert die Eintheilung des ReichStaz» iu„Abtheilungen" und schildert die Art der CommissiinSwahlen, die ausschließlich von den Majoritäten entschieden werden. Er berichtet Über die Motive zu seiner Wahl in die Commission, die in der Absicht durch die Nationalliberalen erfolgt sei, ihn als Aushängeschild zur Beruhigung der Arbeiter fizuriren zu lassen. Seine Stellung den übrigen 19 CommisfionSmitgliedern gegenüber fei die eines per- sönlichen Proteste« gewesen gegen den Versuch, die Arbeiter unter ein Ausnahmegesetz zu stellen. Deshalb habe er weder ein Wort gesprochen noch abgestimmt, bevor nicht da« ganze Gesetz durch- berathen war, für dessen Zustandekommen die Commission sich redlich abgemüht, während er selbst daS gegentheilige Interesse ge- habt habe. Da« Mitsprechen und Mitstimmen hätte ihm ein Stück Verantwortung nach außen und die Mitunterzeichnung de« CommisstonSberichtS zugezogen, auch habe er ein Interesse daran ge habt, seinen prinzipiellen Standpunkt im Plenum des Reichstages zu wahren, statt in der Commission sein Pulver zwecklos zu v« schießen, uud deshalb habe er bei Schluß der CommissionSarbeiten eine Erklärung betreffs seiner Haltung abgegeben, die zwar nicht im CommissioaSprotokoll niedergelegt, aber ausführlich im„Crim- mitfchauer Bürger- und Bauernfreund- veröffentlicht worden fei. Nachdem in der Commission erklärt worden, daß mau hier keine Grundsätze zu diskutiren, sondern auS der Vorlage Etwas zumachen habe, fei ihm seine Haltung klar vorgezeichnet ge- wesen. Redner schildert unter wiederholt stürmischem Beifall die Hergänge in der Commission, speziell die von Herrn Bamberger (Vorsitzender der Commission) veranstaltete„Probeabstimmung- mit TagS darauf erfolgter„Hauptabstimmung- über den ersten Paragraphen d« Borlage und die dazu in mehrtägiger Berathung gewonnenen Amendements, die bei der„Probeabstimmung- nebst der Regierungsvorlage fielen, während bei der„Hauptabstimmung- die Regierungsvorlage Gnade fand.(Schluß f.) Aerkin. Partei- und GewerkSgenosfen allerort«! Der llebermuth der Fabrikanten begnügt sich jetzt nicht mehr, Ar beiter zu maßregeln, welche dieser oder jeuer sozialistischen Orga nisation angehören, nein, diese Herren gehen noch viel weiter und suchen eine jede Bereinigung von Arbeitern, selbst wenn die- selbe der unschuldigsten Natur ist, zu unterdrücken. Selbstv« stündlich verliert die Harmonielehre angesichts dieser Umstände immer mehr Anhänger und werden die Arbeiter von den Fabri kanten selbst zur Einsicht gebracht und in da« sozialistisch: Lager getrieben. Selten ist wohl aber das Auftreten irgend eines Fabri kanten- oder Meisterstandes ein so schamloses gewesen, al« da* jenige de« Weißgerbermeister auf dem Gesundbrunnen zu Berlin . Seit einigen Jahren hatten die Weißgerbergesellen eine Vereinigung der harmlosesten Natur behusS Unterstützung der wandernden Gesellen gegründet. Die Meister selbst haben bei Entstehung diese« verbände« denselben„mit Freuden- begrüßt. Auch in anderen Orten Deutschland « waren die Gerbergesellen zu demselben Zweck zusammengetreten, ohne daß die Meist« sich im Geringsten darüber mißfällig geäußert hatten. Auf einmal ist e« nun den Berliner Meistern eingefallen, eine Erklärung in ihrem Organe zu veröffentlichen, wonach dieselben keinen Gesellen mehr in Arbeit nehmen wollen, der diesem Vereine angehört, weil derselbe— man höre und staune—„ Strikezwecke- verfolge. Niemand hat sich über diesen, angeblichen Zweck mehr gewundert al« die betreffenden Vereinsmitglieder selbst. Alle Verhandlungen mit den Meist«« haben zu keinem Resultat geführt, da die Ge sellen, und zwar mit Recht, von ihrem Berein nicht lassen wollen, weil sie wohl wissen, daß die Meister nur deshalb die Organisa- tion sprengen wollen, um dann später eine Lohnreduktion desto leicht« durchführen zu können. Leider ist ein Theil d« Gesellen abgefallen und ist aus dem Berein geschieden, um bei den Meistern weiter zu arbeiten; diese Gesellen sind sogar erbärmlich genug und lassen sich von den Meistern zur Arbeit nach Feierabend gebrauchen, um dadurch die strikenden zu ersetzen. Auch läuft folgende Notiz durch die Zeitungen:„Die Arbeitgeber suchen mehr und mehr durch Vereinigung gegen die Forderungen der Arbeitnehmer sich wehrhaft zu machen. So hat sich neuerdings der Berein der Gerbercibesitzer in Berlin als Genossenschaft constituirt, um seinen Mitgliedern Arbeitskräfte zn verschaffen resp. bei etwaigen Ar beitSeinstellungcn sich gegenseitig zu unterstützen.- Also scheinen die Herren um jeden Preis diesen Gesellenverein sprengen zu wollen. Auch die Gerberweister Magdeburg « haben flch ihren Berliner Collegen würdig angeschlossen. Genossen! Da vorauszusehe» ist, daß die ausgesperrten Ge- sellen(nur v«heirathete Leute, da die anständigen von den jüngeren Leuten abgereist sind) noch längere Zeit außer Stellung sein wer- den, hingegen die Meister bei dem gerade jetzt eingetretenen guten Geschäftsgange schließlich doch w«den nachgeben müssen, angesichts dieser Umstände, Genossen, ist e« unsere Pflicht, den ausgesperrten Gesellen Hilfe zu leisten, damit dieselben nicht nachzugeben brau- chen. Gerade, weil die Gerbergesellen noch nicht zu den Unsrigen gehören, müssen wir zeigen, daß wir für die Rechte der gesammten Arbeiterklaffe eintreten und nicht engherzig Denjenigen die Hilfe verweigern, die noch nicht zur Erkenntniß ihrer Klaffenlage voll und ganz gekommen sind und deshalb unserer Organisation noch nicht angehören. Bedenkt, daß ein Sieg der Meister, selbst wenn derselbe über eine andere Organisation geschieht, schließlich aus unS selbst zurückfällt. Mit brllderlichem Gruß. I. A.: Julius Heiland. Unterstützungen sind zu senden an August Keitel, Berlin . N. Grünthal« Straße 34. All- arbeiterfreundlichen Blätter werden um Abdruck gebeten. Miesvade«. Auch die hiesigen Genossen begrüßen die Be- stredungen zur Vereinigung der deutschen Sozialdemokcatic mit Freuden und wurde die EinigungSsrage bereits in mehreren Partei- aersammlungen diSkutirt. So besprach Nauert am 20. März in einem längeren Vortrage die Gcünde, welche zur Zersplitterung der deutschen Arbeiter beigetrageu und üb« Programm- und Orga- nis. tionSentwurf im Allgemeinen. Am 23. März und 3. April fand die Specialdiskussion statt und wurden von dea hiesigen Ge- nosseu folgende Anträge gestellt: 1) Anstatt des Namens„Deutsche Arbeiterpartei-, zu setzen „Arbeiterpartei Deutschlands ". 2) Hl. ad. 2 den Vorschlag der„Tagwacht- direkte Gesetz- gebunz durch da« Volk, d. h. daS Recht des Volke«, Ge- setz: vorzuschlagen und darüber abzustimmen. 3) Hl. ad, 3, anstatt Entscheidung über Krieg und Frieden durch die Volksvertretung za setzen: Entscheidung über Krieg und Frieden durch da« Volk. Unsere Meinung über die Organisationsvorlage werden wir nach genauer Durchberathuuz mittheilen. Auch haben die Genossen ein„Arbeiter-Lesezimmer- ge- gründet und bitten wir diejenigen Freunde der Arbeitersache, welche gesonnen sind, un« durch Bücher, Zeitungen:c. zu unterstützen sich an Unterzeich aeten zu wenden. Fr. Nauert, Neugasse 7, ni. MurzSurg, 9. April. Das letzte Verbot einer Versammlung von Mitgliedern der sozialdemokratischen Arbeiterpartei iu Nüru- b-rg ruft wieder so recht lebhaft die gar sonderbaren RechtSver- Hältnisse, in denen die Arbeiter BaiernS leben, Denjenigen in« Gedäibtniß zurück, welche bis jetzt der Ansicht waren, daß wir überall da«„gleiche Gesetz- und in Folge dessen daS„gleiche Recht" mit anderen Staatsangehörigen theilen. Wenn wir die Anstrengungen, welche die„löbliche Obrigkeit- zur Bekämpfung der„rothen Reichsfeinde- in Baiern macht, in» Äuge fassen, wenn man die verschiedene ganz beliebige Aawendung de« VereinSzesetzeS und der Bestimmungen über Versammlungen, wie sie an den verschiedenen Plätzen unsere«„Vaterlandes- geübt werden, betrachtet, so wird einem mit schlichtem Unterthanenver- stände ausgerüsteten Menschen ganz wirr im Kopfe, und schon gar Mancher ließ sich zu Urtheilen verleiten, die vor dem kritischen Blicke des Staatsanwalt« keine Gnade fanden und zu kürzeren oder längeren„Badereisen- der ruchlosen Verfasser führten. Um nun einer derartigen„Sommerfrische- auS dem Wege zu gehen, will ich nur eine kurze Statistik aller in Baiern vorgenommeneu „Auflösungen- geben und die örtlichen Verhältnisse mit einander vergleichen. Zu diesem Zwecke werde ich erst mit dem Jahre 1373 beginnen. Die erste Auflösung einer Partei-Mitgliedschaft wurde damals von dem Bürgermeister Gehring in LandShut , bekanntlich auch ein „Rechtskundiger-, unter der Motivirung, daß„sothane Mitglied- schast ein politischer Verein sei, der mit anderen politischen Ver- einen in Verbindung stehe-, verübt. Die Sozialdemokraten Land«- Hut« ließen sich die« nicht gefallen, sondern ergriffen die Berufung an die Regierung von Oberbaiern. Diese gab der Berufung Raum und bestätigte,„daß Mitgliedschaft und Verein«icht ein« sei-. Der He«„Rechtskundige- hatte sich blamirt, und die So- zialdemokraten betrachteten die« als einen um so größeren Sieg, als sie damit ein Präcedenz für alle künftigen Fälle gegeben glaubten. Wirklich war auch bis zum Frühling 1874 Ruhe, aber mit dem Erwachen der Natur schien auch die„Intelligenz" der Polizisten ganz gewaltig aufgethaut zu sein. Nachdem erst der wackere Bürgermeister von Hof die rettende That vollbracht uud mau dort die„Theiler" in alle Winde zerstreut hatte, ging der Kulturkampf Nr. 2 in München lo«. Die„Organisation de« arbeitenden Volke« in München " wurde„aufgelöst", und da trotz- dem noch verschiedene Taufende von Arbeitern die„VolkSversamm- langen- besuchten, so wurden auch diese aufgelöst und außerdem den Wirthen mit dem Zaunpfahle so lange gewinkt, bi« sie ihre Lokale den bösen„Rorhen- versagten. Da, al« mau stch iu München eben auf den kaum gepstückten Lorbeern ausruhen wollte, um Kraft zu neuem Schaffen zu erlangen, erscheint plötzlich ein Aufruf der„sozialistischen Krakehler- Nürnberg« zu einem bairischeu Arbeitertage und zur Organisation eine« bairischen AgitationS- Comitäs. Da war eS um die Ruhe der„StaatSretter- großen und kleinen Kaliber« geschehen, ein derartiger Frevel mußte be- straft werden. DaS Wie? mußte gesunden werden. Man konnte zwar den Arbeitertag nicht mehr hindern, aber man konnte ihn beuutzen.— Hatte da einer der Erzrevolutiouäre den Einfall, den Delegirten de« Arbeitertage« öffentlich zu ratheu, sie sollten nicht alle Beschlüsse an die große Glocke hängen uud vertrauliche Mittheilungen auf einem Spaziergange austauschen. Da« mußte „staatSgefährlrch- sein: Sozialdemokraten spazieren gehend und dabei vertraulich plaudernd— wenn da keine«Verschwörung- da» hinter steckte, dann war überhaupt noch nie ein„Hoch- und Lan- d»S-Verrath- begangen worden, hier mußte man also„retten". Und man„rettete- in Nürnberg und München , al« den Centralpunkten der„Umstürzler". Vernehmung der sogenannten Führer und De» legirten. Al« man trotz der„Vernehmungen" Nichts vernommen, da eben nichts„Heimliches- existirte, wurde aufgelöst— in München : die Mitgliedschaft der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, der Ar- beiter-Preßverein, die Mitgliedschaft der Schneider, Schuhmacher, Holzarbeiter, Metallarbeiter, Töpfer und Mal«; in Nürnberg , GlaiShammer, Wörth und den umliegenden Ortschaften: die Mit- gliedschaften der Partei und verschiedene Gewerkschaften; iu Land«- Hut wiederholt die Mitgliedschaft der Partei; desgleichen in Er- langen und Bamberg . Da« waren gewaltige Anstrengungen, die Sozialdemokraten hatten keine Organisationen mehr, sie waren„vernichtet". Da— man sollte solche Frechheit kaum für möglich halten— nachdem man die„Kerle" kaum bezwungen, gründen sie Wahlvereine und zwar wieder in der Weise, daß an der Gesetzlichkeit der Bereinigung gar nicht gemängelt werden konnte. Doch auch hier schaffte man Rath; ging das„Auflösen" nicht wegen„Ungesetzlichkeit der Ver- einigung", so ging eS vielleicht auf andere Weise, man durfte nur suchen. Man suchte und fand— die„destruktiven Tendenzen". — Die Wahlvereine Nürnberg, LandShut , Erlangen fielen, und die Polizei hatte wieder gesiegt. Gesiegt? Ueber waS? Ueb« die Organisation der Arbeiter wohl, hat sie aber auch gesiegt über die Idee, welche diese Organisationen erfüllte?-- Man hat da» Pulverfaß zerschlagen, daS Pulver zerstreut, aber nichts desto we- niger bleibt das Pulver, und e« trägt als solches seinen redlichen Theil zur Verbreitung der unter der Asche glimmenden Gluth, die einstmals zum Freudenfeuer der Freiheit aufflammen wird, bei.— Die„Aaflösungen" waren also nutzlos, ja sie waren sogar schädlich für Diejenigen, welche in ihrem staatsretterischen„Amts- eifer" daS Auflösen, Anklagen und Verdonnern besorgten; und sie waren außerdem noch etwaS ganz andere«: sie waren dem Ge- setze nicht entsprechend. Den letzteren Satz zu beweisen, muß wieder auf die Redens- art von„gleichem Recht und Gesetz" am Eingange dieses zurück- gegriffen werden. Entweder giebt es in Baiern ein„gleiches Recht
Ausgabe
7 (21.4.1875) 45
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