1. Beilage zum„, Vorwärts" Berliner Volksblatt.
Nr. 302.
Weihnachten 1891.
Bum blut'gen Rampf gerüstet sind die Staaten, In Waffen starrend steh'n die Völkerheere, Berwüstung droht des Friedens fargen Saaten, Der Menschengeist ersinnt nur Mordgewehre Und doch ertönt auch heut' in weiter Runde Die oft gehörte, nie erfüllte Kunde:
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" Friede auf Erden!" Das Volt, so arg gequält- Die Botschaft hört es wohl, allein der Glaube fehlt!
Die Hungerfurie zieht durch alle Lande, Und Noth und Elend wachsen riesengroß. Das Proletariat ist kaum im Stande
Noch zu ertragen sein so hartes Loos! Und doch soll es in Liebe sich verbünden Mit denen, die ihm heute wieder künden! " Friede auf Erden!" Das Volk, so arg gequält Die Botschaft hört es wohl, allein der Glaube fehlt!
Doch tief im Herzen wohnt auch ihm ein Glauben, Ihm fröhlich keinit der Hoffnung grüne Saat,
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Und diesen Glauben kann ihn Niemand rauben!. Daß einst erfüllet sich das Wort zur That, Das Wort, das es so oft schon hat gehört, Das ihm auch heute wieder wird gelehrt, Daß es aus seiner Noth erlöst soll werden Und herrschen soll in Zukunft Fried' auf Erden!"
Doch erst, wenn alle Leidenschaften schweigen, Wenn nicht mehr Egoismus triumphirt, Wenn Haß und Zwietracht nimmer sich mehr zeigen, Wenn hoch und hehr allein die Lieb' regiert, Die Menschen sich erkennen nur als Brüder,
Und Gleichheit herrscht und nicht mehr Hoch und Nieder, Dann erst, ja dann erst kann zur Wahrheit werden Das schöne Wort, daß Friede sei auf Erden!"
A. T.
Freitag, den 25. Dezember 1891.
Tokales.
8. Jahrg.
die günstigsten Voraussetzungen vorhanden sind, sehr schnell die Löhne. Der politischen Bewegung werde dadurch nichts ents Grenze ihrer Ausdehnungsfähigkeit erreichen werden. Die Ver- zogen; wer viel verdiene, könne auch viel leisten. Es sei nothsammlung ist daher der Ansicht, daß der Kraftaufwand, den die wendig, daß innerhalb der Gewerkschaftsbewegung allgemein Gründung und Aufrechterhaltung von Genossenschaften erfordert, höhere Beiträge bezahlt würden, dann tönne auch was ge in keinem Verhältniß steht zu dem Nußen, welcher der all- leistet und eine Besserung errungen werden. Dadurch gemeinen Arbeiterbewegung aus denselben erwachsen kann." werde der Konsum nicht herabgedrückt. Er gebe sich nich der Illusion hin, daß man in den Genossenschaften große Zu Gunsten der in vorstehender Resolution aufgestellten Kapitalien ansammeln könne, glaube aber, daß sie der Arbeiter Grundfäße führte Stolten, nachdem er vorher die Unzuläng- bewegung einen Rückhalt gewähren könnten. Er wolle für dies lichkeit des Lassalle 'schen Vorschlages gezeigt, aus, daß die von ihm be- felben auch keinen Enthusiasuus entfachen; für ihn sei die Gee cntragte Resolution sich ebenso wenig feindlich den einzelnen werkschaftsbewegung die Hauptsache, in solchen Berufen, wo GeGenossenschaften gegenüberstelle, wie dies im Anfang der sechs nossenschaften möglich, würden sie sicher der Gewerkschaftsziger Jahre in dem damals entbrannten Streite geschehen sei, bewegung von Vortheil sein. Die Resolution bitte er abzulehnen; der unter den Schlagworten Selbsthilfe und Staatshilfe geführt er sei überhaupt gegen Resolutionen; nicht Einzelne tönnten das wurde. Damals fei man sich bereits auf fozialdemokratischer Programm entscheidend auslegen. Seite darüber klar gewesen, daß diese Art von Selbsthilfe den Programm entscheidend auslegen. Arbeitern in ihrer Gesammtheit irgend welchen Nutzen nicht wird und nicht getheilt werden kann, brauchen wir wohl faum Daß der Standpunkt v. Elms in der Partei nicht getheilt bringen könnte. Heute aber, nach bald dreißig Jahren, würden besonders hervor zu heben. Wir glauben auch nicht, daß die dieselben Gedanken, die damals Schulze- Delißsch vortrug, von Sozialdemokraten vor Sozialdemokraten aufgewärmt. Das sei Zahl der Gegner der Resolution im Wahlverein eine allzu große es, wogegen sich die Resolution energisch wende, daß bei den Partei zu den Genossenschaftsgründungen durchaus forreft und sein wird. Die Resolution präzisirt den Standpunkt unserer Genossen und bei anderen Arbeitern die Jauſion hervorgerufen angesichts mancherlei Vorkommnisse in der letzten Zeit können werde, als ob es auf dem Wege der Genossenschaftsgründungen wir es nur zustimmend begrüßen, duß unsere Genossen in Hammöglich sei, für die Arbeiter in ihrer Gesammtheit irgend welche burg die Gelegenheit ergriffen und eine grundsätzliche Aussprache Vortheile zu erreichen. Gegen die Erweckung solcher falschen über diese Frage herbeigeführt haben. Hoffnungen müffe entschieden Protest erhoben werden. Damit fei über diese Frage herbeigeführt haben. durchaus nicht gesagt, daß man den bestehenden Genossenschaften oder auch noch zu gründenden feindlich gegenübertrete. Daß sogar Umstände eintreten könnten, wo solche sich als unumgäng lich erweisen, erkenne er an; aber deren Nutzen erstrecke sich nicht über eine gering begrenzte Personenzahl hinaus. Der Kraftaufwand aber, den ihre Schaffung erfordere, sei dem gegenüber In der hiesigen Geschäftswelt wird es nach den Fests unverhältnißmäßig groß. Viele Tausende von Arbeitern müßten tagen einen gewaltigen Krach geben. Wir haben schon wiederihre Groschen zus mmensteuern, um einige Dugend Arbeiter in holt darauf hingewiesen, daß die Geschäfte infolge der Theuerung einer solchen Genossenschaft beschäftigen zu können. In vielen der Lebensmittel so miserabel gehen, daß viele Ladeninhaber ihre Berufen sei aber das Kapitalbedürfniß so groß, daß Genossen- Lokalitäten nur noch geöffnet halten in der Hoffnung auf ein schaften aus Arbeitermitteln überhaupt zu den Unmöglichkeiten gutes Weihnachtsgeschäft. Diese Hoffnung hat sich nur zum gehörten, zumal, wenn auch die Produkte nicht im Arbeiterstande Theil erfüllt. Am allerschlimmsten sieht es in der LuxuswaarenAbfaz finden können. Man solle daher nicht die an einzelnen und Gold- und Silberwaarenbranche aus. Hier herrscht thatOrten für einzelne, besonders günstig gestellte Berufe vorhandene fächlich eine Stalamität, die einen allgemeinen Krach erwarten Möglichkeit der Gründung von Genossenschaften als allgemeinen läßt. So macht jetzt ein Brief eines Berliner Uhrmachers die Gesichtspunkt nehmen; das führe zu absolut falschen Schlüssen. Runde durch die Presse, welchen diefer an seine Verwandten in Weil die Genossenschaften sich nicht beliebig ausdehnen und ver- der Provinz gerichtet hat. In diesem Schreiben heißt es u. a.: allgemeinern lassen, könnten sie auch der Gewerkschaftsbewegung Das Geschäft liegt total darnieder, die Läden stehen teinen irgendwie zuverlässigen Rückhalt gewähren. Ihr einziger in jeder Branche, mit wenigen Ausnahmen, den ganzen Tag Werth für die Allgemeinheit sei der eines gelegentlichen Noth- leer. Die Leute haben sich in Berlin den Magen zugeschnürt behelfs. Deshalb möge man für die Resolution stimmen, die das und essen nichts mehr. Denn alle Lebensmittel find so flar zum Ausdruck bringe. enorm theuer, daß die Leute eine derartige Manipulation vorDiefen Ausführungen gegenüber verwies v. GI m auf die früheren nehmen müssen. Butter kostet heute 1 M. 40 Pf., ein Preis, wie englischen und französischen Genossenschaften, die Erfolge erzielt er feit fechs Jahren nicht dagewesen ist. Ich glaube, nach WeihUeber den Werth von Genossenschaften für die Arbeiter- hätten, obwohl ihnen die feste gesetzliche Basis fehlte. In Bel- nachten ist halb Berlin banterott. bewegung fanden in mehreren Versammlungen des Wahlvereins gien seien die Genossenschaften heute gleichbedeutend mit der Den Groffisten geht es unter diesen Verhältnissen auch trüb für den I. Hamburger Reichstags Wahlkreis sehr interessante Partei. Die Genossenschaften in Deutschland hätten heute eine felig genug. So erzählte der Inhaber einer großen GoldwaarenBerhandlungen statt. Bekanntlich haben Hamburger Arbeiter, ziemlich sichere gesetzliche Basis und wenn auch manche unterm fabrik in der Provinz, der regelmäßig einige Wochen vor Weihinfolge großer Streits in den betr. Gewerben, eine Bäckerei Sozialistengesetz den Weg alles Fleisches gegangen, fo fei doch nachten nach Berlin fommt, hier seine zahlreiche Kundschaft besucht Genossenschaft und eine Genossenschaft der Tabakarbeiter ge- auch Manches in die Jehtzeit hinübergerettet. Er empfehle nicht, und immer recht zufriedenstellende Geschäfte erzielte, daß er diesmal gründet. Weiter besteht dort der Plan, eine Brauerei- Genoffen sich mit aller Gewalt auf die Gründung von Genossenschaften zu am ersten Tage seines Hierseins seine besten Kunden aufgesucht schaft in's Leben zu rufen, zu der allein Rapital ven 1/2 Millioden werfen, es ermahne im Gegentheil zur vorsichtigen Prüfung, ob auch habe, daß er von früh& Uhr bis Nachmittags 5 Uhr von Laden aufgetracht werden soll. Bei solcher Sachlage fann es nicht die nöthigen Vorbedingungen vorhanden seien. Um Mißerfolge zu Laden gefahren fei und daß er bis zu dieser Zeit auch nicht überraschen, daß die Hamburger Parteigenossen dem Genossen zu verhüten, müsse vorsichtig zu Werke gegangen werden. Die einmal Veranlassung gehabt habe, seine Muster auch nur vorzus schaftswesen ihre Aufmerksamkeit zuwenden, zumal über den Arbeiter müßten in den Genossenschaften den nöthigen Einfluß zeigen. Keiner der Kunden wollte auch nur die Sachen sehen! Werth dieser Einrichtungen die Meinungen erheblich auseinander- haben; weil das in der Vereinsbäckerei nicht der Fall, habe er Diesmal besucht der Fabrikant nur die feinen" Kunden, bei den gehen. sich seinerzeit gegen dieselbe gewendet. Es dürfe in den Genossen- anderen läßt er sich gar nicht sehen, weil er diesen nichts verSchon hat die Angelegenheit drei Versammlungen des ge- schaften kein zu hoher Lohn bezahlt werden, damit die Arbeiter sich faufen will auf das Risiko hin, nach Weihnachten mit einer nannten Vereins beschäftigt und ist die Abstimmung noch nicht von den Klassenkämpfen zurückziehen. Nicht der sei der Konkursanzeige bedacht zu werden. Und das ist sehr vorsichtig, einmal vertagt worden. In der Debatte wurden die beste Agitator, der am besten gestellt sei. Die Konsumenten denn der oben erwähnte Briesschreiber wird Recht behalten nach gegensätzlichen Meinungen flarsten von den Ge- hätten von den Genossenschaften keinen Schaden; ein Theil der Weihnachten ist halb Berlin bankerott." nossen Stolten, Redakteur des" Echo", und A. von Elin Zwischenhändler könne beseitigt werden. Auch unter den heutigen Die Ursachen dieser geschäftlichen Krisis liegen nahe genug, zum Ausdruck gebracht und lassen wir deshalb die Reden der Verhältnissen könnten die Genossenschaften schon Mittel für die das fleine Bürgerthum, die arbeitende Bevölkerung ist nicht beiden Genossen, wie dieselben das„ Echo" wiedergiebt, jolgen. Arbeiterbewegung schaffen. Mit der Ausdehnung der Genossen- mehr fauffräftig. Mit der Ausdehnung der Genossen- mehr fauffräftig. Der geringe Verdienst wird aufgebraucht Die Abstimmung wird über nachstehende Resolution stattfinden: schaften werde auch deren Kredit wachsen und damit weitere durch die Anschaffung deffen, was unbedingt zu des Lebens " Die Versammlung erklärt, daß sie in den Genossenschaften Ausdehnung möglich sein. Wenn durch die Genossenschaften ver- Nahrung und Nothdurft gehört. Jeder ist froh, wenn er sich weder ein Mittel zur Hinüberleitung der kapitalistischen Pro- schiedene Kleingewerbetreibende brotlos würden, fönne man sie und seine Familie gerade so durchschlagen kann, er muß Alles duktion in die sozialistische erblicken kann, noch sie für geeignet in die Genossenschaften aufnehmeu. Manche der Redner hätten daran feßen, um das zu verdienen, was zur Füllung des Magens, hält, der gewerkschaftlichen Bewegung einen Rückhalt zu ge- freilich die Genossenschaften in zu rosigem Lichte geschildert, sie zur Zahlung der Wiethe und der Steuern und zum Ankauf währen, weil die Gesammtheit der Arbeiter von der Wirkung der würden noch viele Enttäuschungen erleben. Doch würden die einiger unbedingt nothwendiger Kleidungsstücke gebraucht wird. Genossenschaften unberührt bleibt. Die Versammlung erkennt Genossenschaften entschieden eine erzieherische Wirkung üben Sehr oft reicht's gar nicht so weit und das eine oder andere zwar an, daß eine Genossenschaft unter bestimmten Voraussetzungen durch das Zusammenarbeiten der Arbeiter. Tadurch erst würden muß aufgeschoben werden mit dem Troft auf bessere Zeiten". den Zweck erfüllen kann, im Kampfe für die Bestrebungen der diese befähigt, Bürger des neuen Staates zu werden. Heute be- Ein schlechter Trost bei der heutigen fapitalistischen Wirthschaft! Arbeiter gemaßregelte Genossen unterzubringen, sie vor dem fänden die Genossenschaften sich noch im Anfangsstadium, aber Aber auch zahlreiche Familien, welche bis vor kurzem noch wirthschaftlichen Ruin zu schützen, doch sind diese Voraussetzungen sie würden sich einen größeren Wirkungsfreis erringen. Lütjens etwas hatten", sind heut auf das Leben aus der Hand in den nur in wenigen Berufszweigen vorhanden. Auch diese Wirkung habe darauf hingewiesen, daß durch die Beiträge für die Genert Mund angewiesen, die Ersparnisse sind aufgezehrt, die Theuerung fann aber der Natur der Sache nach nur eine beschränkte und schaftsbewegung die Konsumfähigkeit beschränkt werde. England hat die Leute gezwungen, den letzten Thaler von der Sparkasse vorübergehende sein, weil auch solche Genossenschaften, bei denen habe die höchsten Beiträge der Art, aber auch die höchsten abzuheben. Die Statistiken der Sparkassen haben ohne Ausnahme ( Nachdruck verboten.)
Korrespondenzen und Parteinachrichten.
am
Gewonnenes Spiel.
Eine Weihnachtsgeschichte von A. F. Thiele. Schnarrend verkündete die alte Schwarzwälder WandUhr in heiseren Schlägen die Mitternachtsstunde.
Mühsam richtete Frau Förster ihren durch Arbeit, Entbehrung und Krankheit gebrochenen und siechen Körper von der dürftigen Lagerstatt halb auf und wandte den trüben Blick dem Tische zu, an dem, neben sich die Nähmaschine, ein junges hübsches Mädchen beim fahlen Lichte einer Petroleum lampe mit Wäschenähen beschäftigt saß.
" Ich bitte, Minna, lege Dich nieder. Es ist bereits wieder 12 Uhr! Du hältst die anstrengende Arbeit nicht aus. Schone Deine Gesundheit."
Gleich, liebe Mutter, bin ich fertig. Noch einige Knopflöcher und die Arbeit ist beendet."
Kannst Du es denn nicht bis morgen lassen?" " Unmöglich! Du weißt, morgen ist Weihnachts- HeiligerAbend, da wird in der Fabrik nur bis Mittag gearbeitet und dann muß Alles fertig sein, denn dann wird gerechnet." O daß ich Dir doch bald wieder helfen könnte!" Und mit einem halb unterdrückten Seufzer sank Frau Förster wieder auf ihr Lager zurück.
Minna hatte die leise Klage wohl vernommen. Schmerzbewegt schaute sie einen Moment nach der kranken Mutter Lager hin, cann aber wandte sie sich wieder mit regem Eifer ihrer Arbeit zu. Als dieselbe fertig gestellt und zum Mitnehmen in die Fabrik bereit gelegt war, nahm das Mädchen ein kleines Notizbuch zur Hand und begann noch einmal nachzurechnen, wieviel sie morgen aus gezahlt erhalten würde. Das Ergebniß war fein großes. Wenn sie die Arbeit des morgigen halben Tages noch hinzu rechnete, würde sie höchstens auf zehn Mark kommen. Was sollte sie damit anfangen? Wie sollte sie davon Weihnachten feiern? Doch es würde schon gehen. Sie verlangte ja nichts
für sich, und einige Stärkungen und neue Medizin für die Mutter, sowie das nothwendige Heizmaterial, dann wollte sie die Feiertage über von früh bis spät arbeiten, damit zum neuen Jahre die Wohnungsmiethe nicht fehle. Der Hauswirth muß ja früher befriedigt werden, als der eigene Magen! Unter diesen Gedanken legte sich auch die müde Arbeiterin endlich zur Ruhe nieder. Das Lämpchen verlöschte und das armselige Dachkämmerchen erfüllte ein schweigsames Dunkel.
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„ Hier, Fräulein Förster," ist Ihr Buch!" meinte am Mittag des nächsten Tages die Direttrice, indem sie Minna ihr Lohnbuch überreichte.
bis
Schreckensbleich starrte Minna die Sprecherin an. Mit Blitzesschnelle zogen die ganzen furchtbaren Konsequenzen des einen Wortes:" Entlassen!" an ihrem geistigen Auge vorüber, mit einem Blicke hatte sie ihre ganze schreckliche Situation übersehen.
Sie wanfte, fie mußte sich flüßen, um nicht zu fallen. Von ihren qualvoll bebenden Lippen rang sich mühsam die Frage: Entlassen... und warum?"
"
"
Warum? Ja, mein schönes Fräulein, da müssen sie den Fabritherrn, Herrn Brandes, fragen! Ich kann das nicht wissen!" Und mit spöttischem Gekicher verließ die Direktrice den Arbeitsraum, Minna allein lassend in ihrer Angst und Qual.
Die Arbeit war beendet, die übrigen Arbeiterinnen waren bereits abgefertigt, hatten wohl bereits die Fabrik Herrn Brandes solle sie fragen! D nun war ihr verlassen und eilten nun nach Hause, um noch nach Mög- Alles flar. lichkeit Borbereitungen für das bevorstehende Weihnachtsfest Nun wußte sie auch den Grund ihrer Entlassung! Es zu treffen und von dem erhaltenen fargen Lohne dies und war nichts als ein Racheakt, veranlaßt durch die Abweisung jencs zu kaufen. Minna Hatte geduldig gewartet, seiner Annäherungsversuche, durch die Ablehnung seiner ihr die Reihe an fie fam; sie hatte eine Ar- gemachten Anträge. beiterin nach der anderen gehen sehen, keine hatte ihr ein freundliches Abschiedswort gegeben, hatte sie doch Romptoir, um sich ihren Arbeitsverdienft auszahlen zu Fassungslos wankte auch sie hinaus und begab sich ins feine Freundin unter ihren Arbeitsgenossinnen. Auch die Lassen. Direttrice war ihr nicht gewogen und als diese ihr jetzt ihr Der Buchhalter, ein alter freundlicher Herr, war ihr Lohnbuch aushändigte, umspielte ein spöttisches Lächeln ihre immer zuvorkommend und theilnahmsvoll begegnet, hatte Lippen. stets ein freundschaftliches Juteresse für sie bekundet. Minna, welche sich ganz ihren Gedanken hingegeben hatte, erwachte wie aus einem Traume bei der Anrede der Als er jetzt die jugendliche, gebrochene Mädchengestalt Direttrice und nahm mechanisch ihr Lohnbnch in Empfang. in das Kassenzimmer hineinschwanken sah, erhob er sich Dürfte ich Sie wohl um Arbeit bitten für die Feier schnell von seinem Sitze und führte sie theilnahmsvoll zu tage? Ich möchte gern zu Hause arbeiten!" fragte Minna einem Sessel. Dann nahm er ihr schweigend das Buch in gewohnter Bescheidenheit. aus der Hand und begab sich auf seinen Platz zurück, leise " Ich bedauere, Ihren Wunsch nicht erfüllen zu können!" vor sich hin murmelnd: erwiderte die Direttrice falt. Ich habe Ihnen überhaupt mitzutheilen, daß Ihr Arbeitsverhältniß in hiesiger Fabrit ich mit dem heutigen Tage gelöst ist. Sie sind entlassen!"
Entlassen! Arbeitslos! Jetzt gerade zu Weihnachten!
Armes Kind! Man hat Dir übel mitgespielt! Doch befürchte, das Schlimmste steht Dir noch bevor." Während er sich nun in seine Bücher vertiefte und die nöthigen Eintragungen machte, saß Minna wie geistesabwesend