bin ich sehr geneigt, ihnen Recht zu'geben: nicht bloS, weil ich trotz meiner fiebzig Jahre mich an Leib und Seele noch jugendlich-ftisch und kräftig fühle, sondern auch aus einem au- deren Grunde. Bergleiche ich mich nämlich mit der jetzigen Jugend, von der wenigsten» zum großen Theil man mit Recht sagen kann: Verflogen ist der Spiritu», DaS Pflegma ist geblieben-, so muß ich bekennen, gegenüber der greisenhaften Engherzigkeit und allberechnenden Altklugheit diese» Nachwuchses komme ich mir oft merkwürdig jung vor, jung, eben weil ich der Alte ge- blieben, weil meine Anfichten und Ueberzeugungen, meine Wünsche und Hoffnungen noch heute die nämlichen find, wie ich al» Jüng­ling sie im Herzen gehegt und gepflegt habe. Mit Schiller möchte ich ausrufen und wahrlich mit bei weitem größerem Rechte als er: War«S immer wie jetzt? ich kann da» Geschlecht nicht begreifen, Nur daS Alter ist jung, ach! und die Jagend ist alt". Und auch von Ihnen, meine Freunde, die Sie zwar noch nicht das siebzigste Jahr erreicht, doch die Jugend längst hinter sich haben, gilt da» Gleiche, wa« ich von mir aussage. Beweis dafür ist schon die Freundschaft, die Sie so viele lange Jahre hin- durch mir bewahrt haben, auch Sie sind die Alten geblieben, auch Sie haben trotz der Zeiten Wechsel treu festgehalten an der Fahne, der Sie in jüngeren Jahren sich verpflichtet, an der Fahne des Rechts und der Freiheit. Und wie heute, so, meine Freunde, lassen Sie uns auch ferner die Alten bleiben, treu uns selbst, treu Einer dem Andern bis zur letzten Scheidestunde! Lassen Sie uns nach wie vor fest im Herzen behalte« das Wort de» größten Seelenkenner», de» Dich ter« ShakeSspeare: DieS über AllcS: sei Dir selber treu!- Zum Schluß, meine Freunde, gestatten Sie mir, auch meiner- feitS einen Wunsch auazusprechen, einen Wunsch für Sie so gut wie für mich: Möge ich Ihnen einst Gleiches mit Gleichem er- widern können, möge e» mir vom Schicksal vergönnt sein, Ihnen allen zu Ihrem fiebenzigsten Geburtstag Glück zu wünschen, wie Sie heute e» mir gethan. Nochmals aus voller Seele Dank für alle Ihre Liebe und Freundschaft I- Die zweite Ansprache folgte al» Erwiderung auf einen von Dr. Guido Weiß bei dem Festessen am Abend des 1. Mai aus­gebrachten Toast, den die Versammelten mit einem Hoch auf den Gefeierten begleitet hatten. Jacoby sprach: Meine Freunde! Ich danke Ihnen für Ihren freundlichen Zuruf; und als Er- widerung sei mir gestattet, nun auch meinerseits Ihnen einen Toast vorzuschlagen. Bei dem gegenwärtigen Streite zwischen Staats- und Kirchen regiment, einem Streite, dem man den wunderlichen Namen Culturkampf- gegeben, hört man jetzt oft die Behauptung aufstellen, daß die Ultramontanen und die Sozialdemokraten Hand in Hand mit einander gehen. Wahr ist nur, daß Beide gleich entschiedene Gegner der(Bis- marck'schen) Blut- und Eiscnpolitik und des darauf gegründeten ueudeutschen Kaiserreichs sind. Sonst aber giebt es in der Welt kaum einen schrofferen Ge- gensatz äl» den zwischen KatholiciSmuS und Sozialismus, wie Wasser und Feuer verhalten fie sich zu einander. In der französischen   Deputirten- Kammer rief einst Thiers den Abgeordneten zu:Ihr habt nur die Wahl zwischen Katho- liciSmuS und Sozialismus!- Thiers kannte seine Leute sehr gut, er bediente sich vielleicht des Sozialismus nur als Schreck- mittel, um die ängstlichen Gemüther seiner Zuhörer in'S Bocks­horn zu jagen. Wenn man jedoch die beiden, einer fremden Sprache ent- lehnten Ausdrücke in gutes, allgemein verständliches Deutsch über- setzt, so findet man, daß allerdings jenes geflügelte Wort einen tiefen Sinn in sich schließt. Katholicismus besteht nicht bloS da, wo an die Unfehlbarkeit des PapsteS geglaubt wird, sondern überall, wo irgend ein Mensch eS sich anmaßt, über Andere zu herrschen. KatholiciSmuS ist nicht» andere», al» Herrschaft de» Menschen über den Menschen, wie Sozialismus nichts Anderes ist als gleiche Freiheit für Alle. Die ganze bisherige Geschichte der Menschheit ist ein fort- dauernder ununterbrochener Kampf dieser beiden Principien, und mit vollem Recht darf mau nicht bloS den fraozöstschen, sondern den Vertretern jedeS Volkes zurufen: Ihr habt nur die Wahl zwischen dem Einen und dem Andern: entweder Herrschaft de» Menschen über den Menschen oder gleiche Freiheit für Alle. Ein Dritte« giebt eS nicht!- Sic, meine Freunde, haben längst Ihre Wahl getroffen und werden Sic gewiß gern mit mir ein Gla» leeren auf das Wohl der wahren Culturkämpfer, der Kämpfer für die Freiheit alles dessen, was Menschengestcht trägt. Die wahren Culturkämpfer leben hoch!- Politische Ueberjicht. Ein Wort für die Schweiz  . In Nr. 40 de»Volks- staat" findet sich anläßlich des Notenwechsels zwischen dem schweizer Bundesralh und der russischen Regierung(in Sachen der russischen Studentinneu) die Bemerkung:Aber daß sich einefreie Re­publik", wie die schweizerische eS zu sein wenigsten vorgiebt, sich demüthig den gemeinsten Beleidigungen einer despotischen Regierung fügt, das beweist uns, wie traurig es mit denfreien- Burgeois- republikcn in Europa   bestellt ist-. Gegen diese Bemerkung wendet sich einer unserer Parteigenossen in der Schweiz.In Nr. 40, so schreibt er uns, geißelt der«VolkSstaat  - mit Recht die Persidie der russischen Regierung, mit der dieselbe die s. Z. in Zürich  studirenden Russinnen hinsichtlich sittlicher Aufführung zu ver- läumden suchte. Ganz richtig ferner bezeichnen Sie eS als eine grenzenlose Frechheit, wenn die russische Regierung auf die, wie eS scheint, mit schweizerischer Derbheit von Seite de» schweizerischen Bundespräsidenten   erfolgte Widerlegung dieser Verdächtigung mit Insulten gegenfremde Mächte" undfreie Republiken- zu ant- Worten wagt. Unbegreiflich dagegen bleibt mir zunächst noch, wie Sie dazu kommen, in diesem Vorgange die Nothwendigkeit eines SeitenhiebcS aus die Schweiz   zu finden. Wollen Sie der Schweiz  einen Vorwurf machen, daß ihre so winzige Mächtigkeit als fremde Macht" sich mit der Großmächtigkeit Rußlands   in keinen weiteren Konflikt einlassen kann? Was sonst noch überfreie Republiken" und Bourgeoisrepubliken- mit Bezug auf die Schweiz  betlagt wird, dürfte mit mehr Nutzen für die Sache der sozia istischen Ausklärung zum Gegenstand einer etwas weniger ober flächlichen Kritik zu machen sein, um dann überhaupt nicht mehr beklagt oder bedauert, sondern im Lichte de» EntwickelungS- standpunkteS einfach begriffen zu werden. Letztere» wäre ein Thema, welche« mir gegenüber ähnlichen Schlagwörter-Aeußerungen schon lange am Herzen liegt, da» ich aber heute mit dieser An- deutung verlassen muß. Ich wollte mit Obigem heute nur auf da» Unzutreffende eine» Tadel» aufmerksam machen, bei welchem, wie e« mir scheint, die Quintessenz der sozialistischen   Weltauffassung, die Berücksichtigung der realen Verhältnisse vergessen wurde". So weit unser schweizer Freund. Ganz recht hat er nicht. Die Bemerkung, welche ihm diesen Tadel entlockt hat, beruht auf der Voraussetzung, daß die schweizer BundeSbehörden für die un- verschämte Antwort der russischen Regierung nicht die nöthige Derbheit- gehabt haben. Und da« ist eine Voraussetzung, die nicht bloß durch den Wortlaut der betreffenden, in Nr. 40 deS VolkSstaat  " von un» besprochenen, Zeitungsnotiz, sondern auch durch die Erinnerung an daS Verhalten der schweizer BundeSbehörden in ähnlichen Fällen gerechtfertigt wird. Wir verlangen sicherlich nicht von der Schweiz  , daß sie die Rolle eine» europäischen Schiedsrichter« oder gar Raufbolds spiele, wir können aber auch keineswegs ihre materielle Machtlosigkeit als Entschuldigung für servile« Verhalten den Großmächten gegenüber gelten lassen. Durch mannhaste« Auftreten wird der Bestand der Schweiz   nicht gefährdet, während auf der anderen Seite Akte der internationalen Feigheit, wie z. B. die Auslieferung Netfchajeff'S wa» man auch immer von dem Mann denken möge war, nur geeignet sind, da» moralische Ansehen der Schweiz   zu erschüttern und die despotischen Großmächte zu immer unverschämteren Zumuthungen aufzumuntern. Ueber die traurigen Loha- und Arbeiterverhält­nisse in den österreichischen Jndustriebezirken entnehmen wir derConcordia  - nachstehende Tabelle: Eise» und Stahl. Schlefische Hätten Kärnten  , Steiermark  Böhmen  , Mähren  Kohle. Mähre», Schlesien  Böhmen  Steiermark  Web- u. Mrkwaaren.' Brünn Reichenberg Btelitz Jägeradorf Mech. Spinnereien. Trautenau  Asch EoSmano» Frendenthal Glasfabriken. Haida, Stewschönau Papierfabriken. Leder. Brünn  Prag  Wien  Maschinenfabriken. Eisenbahnbau (Erdarbeiten). Niederösterreich  Böhmen  Galizieu I ll III I II III I II Iii I II I II I II I II I II I II <4 II oo in 00 3 3 i kr. fl. 3 2 1 3 2 50 1 80 3 50 2 50 1 50 4 2 4 50 3. 4 2 50 3>- 1 i50 3 50 1 ,80 3- 1 150 2 50 1 50 3 2'80 2 50 2 20 70 70 70 60 26,27 50,00 46,67 28,57 20,00 44,44 14,29 20,00 33,33 25,00 25,00 22,22 33,33 37,50 30,00 33,33 22,86 44,14 33,33 33,33 32,00 33,33 33,33 28,57 32,00 50,00 16,67 33,33 25,50 16,67 33,33 20,00 14,29 20,00 33,33 50,00 60,00 50,00 B -ff S K §« 40,98 31,00 22,54 25,00 27,78 33,75 16,67 33,65 33,33 32,67 35,98 16,67 33,33 12,50 25,00 10,00 22,54 53,38 280 950 800 300 400 700 600 400 150 200 200 150 1000 100 2000 A« »Ä 1400 1900 350 1300 2200 1000 200 350 400 250 350 670 700 1800 6600 Staatsanwalt beantragte 6 Monate Gefängniß, der Gerichtshof erkannte dagegen auf kostenlose Freisprechung, weil der ganze Bor» trag nur eine erlaubte Kritik innerhalb der gesetzlichen Grenzen sei. Aus Serbien   schreibt man un«: Wie Ihnen bekannt, ist nach der Auflösung der SicupsLÜtinn (Nationalversammlung) festgesetzt worden, daß die Neuwahlen nach 4 Monaten statthaben sollen. Unser sogenannt-»BersöhnungS- Ministerium- da» sich quasi die Beruhigung der Parteckeideu- schaften al» Ziel gestellt hat trifft die uölhigea Vorbereitungen sehr lebhaft. Unterdrückung, TerroriSmuS, Tyrannei aller Art sind auf dem CulminationSpunkt. Tagtäglich werden Verhaftungen, Mißhandlungen, ZeitungSsuSpendirungen rc. in brutalester Weis« ausgeführt da« bringt ja dieV-rsöhnungSpolitik" mit sich. Das sozial-politische BlattOslobodienje"(Befreiung), da» po­litische Organ der Sozialdemokraten Serbiens  , wurde vor Karze« auf 3 Monate fuSpendirt; die gleich darauf neubezründetelüowu 1 Oalobodjenje8(neue Befreiung) wurde ebenfalls erstickt. Die zehnte Nummer de« sozialwiff-nschastlichen BlattcSRacl8 (Die Arbeit") wurde«wegen öffentlicher Aufreizungen-, die an- geblich im Nekrologe Svetozar Martovic enthalten seieir(!), ganz konfiszirt, ebenso die elfte Nummer«od sogleich wurde die Anklage gegen den verantwortlichen Redakteur Pera Todocowitch er- hoben. Nummer 12 de«Bad" wurde ganz ungesetzlich konfiSzirt. Die betreffende Nummir sollte in 2V, Bogen gedruckt werden; bc- vor aber der zweite Bogen fertig war, wurde sie durch einen Polizei- beamten mit Beschlag belegt, welcher mit GenSdarmenbegleitung in die Buchdruckerei eindrang, den schon fertigen Bozen   rn allen Abzügen konfiSzirte und auf» Pölizeibareau brachte. Diese« un- gesetzlichen Verfahren» wegen ist seitens der RedaktionBad8 Anklage gegen den betreffenden Polizeibeamten erhoben. Durch diese schändlichen Verfolgungen ist auch diese» Organ der ser- bischen Sozialdemokratie momentan zu Grunde gerichtet worden. Dem verantwortlichen Redakteur de»Bad8, Pera Todorowitch liegt bereit« eine Bürde von fünf Pceßprozeffea aus dem Halse. Der erste Prozeß sollte den 29. April zur Verhandlung kommen. Aber nicht nur die sozialistssche Presse wird so mißhandelt, son- dern jede nur irgend sreisiamge Meinungsäußerung wird erstickt. DaS politische Organ der liberalen Partei,Buducnost8(Zu­kunft) ist ebenfall« unterdrückt. Ein der bentigea herrschenden Partei oppositionelles Blatt,lstoü8(derOrient"), Organ de« bekannten ehemaligen Ministerpräsidenten Ristitch, ist ebenfalls unterdrückt worden. Und e« giebt heute nur noch dieRepülieu- presse-, und fie jubelt und jodelt ihrTriumphlied  -, sie allein giebt heute den Ausdruck deröffentlichen Meinung" und da« heißt in Serbien  Preßfreiheit- undHerrschast der öffentlichen Meinung-!! Wie Sie sehen: in Serbien   geht'S ganz gemüthlich zu da« ist gewißdie beste der Welten"! Mag aber die Regierung noch so große Niederträchtigkeiten und noch so große Tyrannei ausüben, mag ste, Dank solch elenden Mitteln, in den bevorstehenden Wahlen siegen(wa« wir indeß noch sehe» wollen), wir werden doch schließlich die Sieger sein. Ende gut, alle» gut! Jeder gewaltsame Druck wird immer noch ge» wattigeren Widerstand hervorrufen l- Jm Baugewerke beträgt die durchschnittliche Reduktion 24,19 pCt. Der gemeine Taglohn ist dagegen nur um ca. 10 pCt., und der Lohn der ländlichen Arbeiter nur um ca. 14 pCt. her- untergegangen. Die Lohnreduktion nimmt von Osten nach Westen zu, was seinen Grund theilS in den absolut niedrigen Löhnen von Ungarn   und Galizien  , theilS in den zwei ergiebigen Ernten der nordöstlichen Länder haben dürfte. In verschiedenen Bourgeoisblättern lesen wir: AuS Thüringen  , 29. April. Einer der fanatisirtesten So- zialdemokraten, Schuhmacher Gifsey in Eiscnach, der unlängst wegen verleumderischer Beleidigungen von Beamten und Behörden zu mehreren Monaten Gefängniß verurtheilt worden, hat e» für zweckmäßiger gehalten, vom Gefängniß aus die Gnade deS Groß- Herzog» von Weimar  (der eben auf der Wartburg   weili) um Mit- derung seiner Strafe anzuflehen. In dem Gnadengesuche spricht er Reue über sein bisheriges Treiben aus, bekennt verführt» nun aber zur Einsicht gekommen zu sein, will sich bessern zc." Unsere Gegner lügen so unverschämt und so systematisch, daß wir die obige Mittheilung, so lange wir nicht Beweise der Rich- tigkeit haben, für eine Lüge und Verläumdung hallen. Seit der skandalösen Berurtheilung Giffey'S haben wir von ihm und über ihn keine Nachricht erhalten. Sollte jedoch die Mittheilunz sich als richtig erweisen, je nun, so ist der Mann zum Sozialdemokraien zu schlecht, aber zum Natioualliberalen noch immer gut genug, vielleicht zu gut. Am 7. Mai stand Parteigenosse Heiland vor dem So- rauer Kreisgericht wegen einer am 19. Juli v. I. in Sommer- feld gehaltenen Rede. Die Anklage lautete auf Beleidigung des Richterstandes, OsstzierstandeS und der deutschen Armee. Der Gewerksgenossenschaftliches. Allgemeiner deutscher Schneiderverein. Zierki«, 25. April. College  », GewerffchaftS-Genossen! Ge- maß dem von der letzten Generalversammlung gefaßten Beschlüsse, betreffend die Veröffentlichung eine» kurzen statistischen Berichte« über die Höhe der Arbeitslöhne in den verschiedenen Städten gegenüber den nothwendigsten Lebensbedürfnissen, der Miethspreise u. s. w., so wie über den Ganz de« Geschäft» im Großen und Ganzen, bringt die Contralcommission, als die hierzu beauftragte Behörde, kurz folgende« Resumö der eingegangenen Berichte. Daß dieS jedoch so spät geschieht, liegt nicht an der Coatrol-Commisston, sondern tragen hieran die Mitgliedschaften die Schuld, welche ihre Berichte so spät eingesandt haben. Collegenl Thut man nur einen Blick in die eingesandten Berichte, so muß man sich in der That wundern, wie eS möglich ist, daß die Schneider bei einem solchen Hungerlohn existiren können. Der Verdienst beträgt pr. Stunde für gute und mittlere Ar- beit 1830 Ps. Mit dem höchsten Satz jedoch nur für Berlin  und Leipzig  . Am schlechtesten ist die Bezahlung in Würzburg  , Gießen, Schw. Gmünd, Erfurt  , Bayreuth   und RegenSburg. Ueberall, sogar in der sogenannten guten Zeit, stellen sich starke DeficitS heraus, die durch Uebcrarbeit und durch Entbehrungen, die dem Körper auferlegt werden, gedeckt werden müssen. Es kann einem, wenn man die Lohntabellen ansieht, wahrlich nicht Wunder nehmen, wenn mancher Schneider zum Schwindler wird und Schulden macht, die er später nicht zu bezahlea im Stande ist. College  »! Die« ist der Zustand, in dem sich die besseren Ar- beiter, die Arbeiter, welche aus Kundenarbeit beschäftigt sind, be- finden. Wahrhaft erschreckend aber ist das Bild, waS man sich von der Existenz eine» ConfectionS- Schneider» machen muß, wenn man sich die Lohntabellen betrachtet. Hier beträgt der Verdienst pr. Stunde 13 bis 18 Pf. Obenan steht Würzburg   mit 13 Pfennigen, dann Nürnberg   mit 14 Pf. und dann Berlin   mit 13 Pf. Rechnen wir den Tag zu 10 Stunden, so ergiebt sich für Würzburg   ein täglicher Verdienst von 1 Mark 30 Pfennige, für Nürnberg   1 M. 40 Pf. und für Berlin   I M. 80 Pf. Muß man sich hier nicht die Frage vorlegen: wie ist eS möglich, daß ein Mensch bei solchem Hungerlohne existiren kann? In ver That ist es aber bei den meisten Schneidern auch kein Existiren mehr, sondern nur ein Vegctiren. Wie lange diese Leute arbeiten, und wa« für Entbehrungen sie ihrem Körper auferlegen müssen, mag Jeder sich selbst berechnen, wenn man erwägt, daß ein Mensch, um menschenwürdig zu leben, in Nürnberg 300 Thlr., in Würz- bürg 323 Thlr. und in Berlin   395 Thlr., Miethe eingerechnet, gebrauckt. Hierzu kommen nun: Seide k., die fast jeder Arbeiter sich selbst beschaffen muß, sowie Steuern, Krankengeld zc. Auch gilt dies nur für Unverheirathete, bei B-rheiratheten müssen Frau und Kinder mit Helsen  , und stellt sich trotzdem daS Berhältniß bedeutend ungünstiger. Ist eS da ein Wunder, wenn man unter den Schneidern so viele bleiche Jammergestalten einherwandelu sieht, die, Jünglinge an Jahren aber Greisen ähnlich, gebrochen an Geist und Körper, rettungslos einem frühe« Tode, verbunden mit langem Siechthum, entgegeneilen? Nirgend steht die Ausbeutung in der ConfectionS Branche in solcher Blüthe wie in Berlin   und Nürnberg  . Beweis hierfür ist, daß ganze Frachten Arbeit von außerhalb, z. B. von Mainz  , Köln   zc. nach Berlin   gebracht, und dort von den sogenannten ConfectionS-Meistern in Accord genommen werden. So wurden im vorigen sowohl wie in diesem Jahre viele tausend Röcke für den Preis von 2 M. 20 Ps. bis 2 M. 70 Pf. in Berlin   ge- fertigt, wobei natürlich die Herren Unternehmer, die Geschäft«-