Protestiren, ist eS offenbar erforderlich, daß man zuverlässige (authentische) Kenntniß der Verhandlunngen besitzt, welche nur daS offizielle Protokoll gewähren kann. Ein solches hat der Vororts- Versammlung in keiner Weise vorgelegen, da eS überhaupt noch nicht erschienen; derProtest" ist also nur aus Hörensagen ge» baut und, wie sich sofort zeigen wird, auf größtentheilS falsches Hörensagen. Man hat eS ferner gänzlich und absichtlich unterlassen, zu der Versammlung, in welcher VerbandStagSbeschlüsse als statuten- widrig angefochten, und fämmtliche Abgeordnete, insbesondere aber der Gründer und Anwalt der deutschen Gewerkvereine und der hochangesehene und verdiente Sachverständige schwer beschuldigt werden sollten, auch nur eine dieser Personen, ja auch nur ein Mitglied des VerbandStagS- BnreauS, zur Vertheidiguug einzuladen. DaS thnn dem Anwalt gegenüber sogar die fanatisch- sten Sozialdemokraten; die eigenen Verbandsgeoossen halten eS aber nicht der Mühe werth, dies erste Gebot der Gerechtigkeit und des AnstandeS zu erfüllen l Oder hatte man andere Gründe, die Anwesenheit und daS gerade Wort des Verbands- Anwalte« und des Sachverständige», das Zeugniß des Bureaus zu scheuen? Ja, daS Geheimniß wurde so weit gettieben, daß derPro- test", dieser bedeutungsvollste Schritt, den ein Verein unternehmen kaun, nicht einmal auf der Tagesordnung der VorortSverfamm- lung stand! Man beschuldigt Andere der statutenwidrigen Ueber- rumpelung und begeht in demselben Augenblick selber eine solche! In Folge dessen ist laut geltender Geschäftsordnung derProtest" ungültig. Wenn ich das Schriftstück dennoch einer näheren Prüfung der Hauptpunkte unterziehe, so geschieht eS nur, um die Verbands- genossen auch von dem Fehlen jeder sachlichen Begründung zu überzeugen. Die künstliche Formulirung der Motive, welche nicht von einem Arbeiter, sondern von einem Winkel- Advokaten verfaßt zu sein scheinen, wird vor dem scharfen Schwerte   der Wahrheit zusammenbrechen! Das Hanptfundament des ganzenProtestes" liegt darin, daß die Beschlüsse wegen Erhöhung der Beiträge und(vorläufiger) Beseitigung der anwachsenden Pensionen(nach 10- und 20jähriger Mitgliedschaft) als Statutenänderungen laut§ 11 der Verbands- Statuten durch namentliche Abstimmung und mit Vs-Majorität hätten gefaßt werden müssen, was nicht geschehen sei. Dies letztere ist eine totale Unwahrheit. Sämmtliäic Protokolle, mit Einschloß des stenographischen, ergeben übereinstimmend, daß jene Beschlüsse bei namentlicher Abstimmung mit 17 gegen 5 Stim- wen angenommen worden find, also mit bedeutend mehr als Majorität! Ja, wenn ich nicht sehr irre, wurde die namentliche Abstimmung sogar von den Herren Rohrmann und Sasse, welche denProtest" in erster Linie befürwortet haben, auf dem Ver- bandStage beantragt; und zwar nicht diese beiden, wohl aber die Herren Landgraf, Bober und Klinzmann stimmten für die erwähnten Statutenänderungen. AuSdergänzlicheu und schweren Unwahrheit deS Hauptfundaments mögen die VerbandSgenoffen, insbesondere auch die werthen Mitglieder deS Gewerkvereins der Fabrik- und Handarbeiter, auf das Uebrige schließen! Ich erkläre auf Grund der mir vorliegenden und demnächst zu veröffentlichen- den amtlichen Protokolle in aller Kürze noch Folgendes: 1) Der Beschluß, die vorher gefaßten Statutenänderungen (welche nicht wie die genannten und viele andere schon ursprüng- lich statutengemäß beschlossen waren) nachträglich als korrekt be- schloffen anzuerkennen und zu rectificiren, wurde das Gegen- theil wäre ein Unsinn gewesen ohne Diskusston bei nament- licher Abstimmung fast einstimmig gefaßt. Die gezeotheilige Be- haupwng ist aus der Luft gegriffen. 2) Nach dem klaren Wortlaut des Z 4»i. 2 der Statuten der Verbands-Jnvalidenkasse ist der Verbandstag verpflichtet, ge- mäß Berechnung des Verbands-Sachverständigen die laufenden Beittäge entsprechend zu erhöhen. AuS der wissenschaftlichen, unantastbaren, mühevollen Berechnung deS Sachverständigen ergab sich das Facit, daß die Beittäge sofort auf 20 Pfennige(2 Sgr.) erhöht werden müssen, wenn die Leistungen dieselben blieben. Um nun den Mitgliedern in der gegenwärtigen schweren Zeit die Verdoppelung der Beiträge zu ersparen, wurde vom Sachverstän- digen vorgeschlagen und von mir(ich rühme mich dessen!) warm befürwortet, statt dieser drückenden Erhöhung lieber vorläufig die Pensionen gleichmäßig auf 1'/, Thaler zu normiren, weil dieser Beschluß zwar jetzt schon für die Rechnung maßgebend ist, aber seine Wirkung für die Invaliden erst in frühestens 4 Jahren eintteten kann und bis dahin die Kassenverhältnisse möglicher- weife wieder den alten Satz der Pension gestatten. Dieser humane Anttag wurde, hauptsächlich auf Betteiben der Herren Rohrmann und Sasse mit 11 gegen 11 Stimmen Vormittags abgelehnt. Als uun aber Herr Dr. Zillmer in den ca. 2 Stunden der Mittags­pause nochmals ausgerechnet hatte, daß nun der Beitrag nicht, wie er(unvorbereitet ans die Ablehnung) geglaubt, ca. 17, son- dern über 19 Pf. bettagen müsse, beschloß der VerbandStag(was in der Kompetenz jeder souveränen Versammlung liegt), die hoch- wichtige Angelegenheit auf Grund der neuen Information nochmals zu behandeln, worauf dann glücklicherweise die Annahme mit 17 gegen 5 Stimmen erfolgte, und damit die Möglichkeit ge- geben wurde, die Beittäge statt auf 2 Sgr. nur auf 1'/» Sgr. zu erhöhen. Wären diese Beschlüsse nicht gefaßt worden, so wären nicht nur die Statuten(§ 4) sträflich verletzt, sondern die Auf- lösung und der Bankerott der Verbands- Invaliden- lasse erklärt worden, und damit wäre, abgesehen von dem »amenlosen Unglück an fich, auch jede Aussicht abgeschnitten wor- den, daß die freien nationalen GewerkvereinSkassen die gesetzliche Anerkennung erlangen. Hierauf, werthe VerbandSgenoffen, muß ich Sie eben so eindringlich hinweisen, wie ich eS aus dem Ver- bandStage zu thun für meine heilige Pflicht hielt. Was ich hier ausspreche, bin ich bereit mit den theuersten Eiden zu erhärten. Und nun entscheiden Sie sich, ob Sie Denen folgen wollen, die, bewußt oder unbewußt, den Untergang unserer Kassen, ja der ganzen großen Organisation bezwecken! Aber ich zweifle keinen Augenblick: wie die Ehrenmänner, die Sie zu Ihren Abgeordneten gewählt, aus Ueberzeugung und Liebe zur Sache mit so großer Majorität jenen nothwendigen Anttägen zugestimmt haben, so wird eS auch bei Ihnen der Fall sein. Gegen die gehässige Verdächtigung Seitens der Verfasser desProtestes", als sei von uns absichtlich eine Ueber- rumpelung der Abgeordneten versucht worden, lege ich hierdurch entschieden Verwahrung ein, besonders auch im Namen der Herren Abgeordneten, die wohl nicht die Männer sind, sich gleich Un- mündigen überrumpeln zu lassen! Die Anträge konnten einfach nicht früher Angebracht werden, weil dieselben aus der Berechnung hervorgingen, und diese Berechnung in Folge der kolossalen Arbeit erst unmittelbar vor dem VerbandStage fertig wurde.(ES darf wohl daran erinnert werden, daß bei einer Generalversammlung des GewerkoereinS der Fabrik- und Handarbeiter Seitens des Herrn Generalsekretär« noch weit Schlimmere« vorgekommen ist!) UebrigenS kann man nach einer einstündigen Debatte, bei welcher alle Ansichten aufs Freiest- geäußert wurden, von einer Ueber- rumpelung verständiger Männer nicht wohl reden. ES war allein die Macht der wissenschaftlichen Belehrung und Ueberzeugung, die so präcise und einleuchtende Darlegung deS Sachverständigen und anderer geehrten Redner, welche auf die übergroße Mehrzahl der Abgeordneten wirkte; und traurig stände c« um unsere Sache, wenn nicht die Wissenschaft, sondern nur da« Vorurtheil und der blinde Egoismus in so schwierigen Fragen siezen würde. Un» allen wurde eS schwer, in jetziger Zeit die Beittäge, wenn auch nur auf IV, Sgr.(vom Oktober an!) zu erhöhen; aber wenn es sich um die Existenz der Jnvalidenkasse, um die Sicherung der Mitglieder handelte, wenn unwiderlegbar nachgewiesen wurde, daß in Folge der großen Zahl alter Mitglieder die Kasse vorläufig weit mehr leisten muß, al« vorausgesehen war(was der einfachste Verstand einsteht!) wenn wir bedachten, daß alle Sachverstän- digen eine Erhöhung für nöthig halten, und daß z. B. die Ber  - liner Buchdrucker und Schriftgießer bei ISjähriger Karrenzzeit seit lange 2 Sgr. Wochenbeittaz zahlen, so mußten wir als Männer in das Unvermeidliche willigen! Und so denkt auch der bei weitem größte Theil der VerbaudSgenossen. Der Delegirtentag der Tisch- ler auch Arbeiter!, der 14 Tage nach dem VerbandStage stattgefunden, hat keine Beschwerde, geschweige denn einenPro- test" erhoben. Im Uebrigen(ich möchte sonst noch Bozen  voll schreiben) verweise ich auf die Artikel im Organ und auf daS VerbandStagS- Protokoll, daS vollständige Aufklärung geben wird. Ich schließe mit der dringende» und freundschaftlichen Bitte insbesondere an Sie, Berbandszenossen vom Gewerkverein der Fabrik- und Handarbeiter, daß Sie als gerechte und besonnene Männer erst die authentischen Berichte abwarten, ehe Sie Ihr Urtheil aussprechen. Ich erkläre feierlich: Niemand tritt Jh- rem Gewerkvereine entgegen, welche vielmehr von uns Allen als ebenbürtiger Bruder geehrt und geachtet wird. Lassen Sie sich nicht beirren durch die Verdächtigungen Einzelner: die nächste Zukunft wird Ihnen klar zeigen, wer Ihr Vertrauen verdient, und wer nicht! In Liebe zu den Arbeitern, im Glauben an die gerechte Sache mit treuem Gruß! Ihr Freund und Anwalt Berlin  , 21. April 1S7S. Dr. Max Hirsch.  " Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Punktum! Zum Schluß noch wenige Zeilen. Der�Gewerkverein" vom 11. Juni hält sich darübet auf, daß die beiden sozialdemokratische» Fraktionen mit einer Gesammt- mitgliederzahl von 24,728 in Gotha   durch 129 Delegirte ver- tteten wareu. DiesenLuxuS" könnten sich die Sozialisten schon erlauben,wird doch die Steuerschraube da« ganze Jahr hindurch zum Besten der Arbeiter" in Bewegung gesetzt." Die Gewerk- vereine seien bescheidener; sieschicken statutengemäß einen Ver- bandStazS- Abgeordneten bei 500 1100 Mitgliedern". Diese Ironie steht demGewerkverein" schlecht an. WaS sagen die GewerkvereinS-Mitglieder z. B. dazu, daß Herr Dr. Zillmer für sein Gutachten über die Verbands-Jnvalidenkasse(welches Gut- achten übrigens jeder Arbeiter, sobald er daS erforderliche Material zu seiner Verfügung hat, in 8 Tagen abgeben könnte) 900 Mark, schreibe neunhundert Mark, erhalten hat? Ist daS nicht bis an Verschwendung grenzender LuxuS» und verdiente die Verbands- Verwaltung nicht, unter Curatel gestellt zu werden? Nicht auf die Taschen der Arbeiter berechneter LuxuS war eS, der in Gotha  129 Delegirte zusammenbrachte nein, die rege Theilnahme, welche die Arbeiter an der sozialistischen   Bewegung nehmen, hat die re- spektable Zahl von Vertretern aufgebracht. Aber freilich, mit 23 Delegirte», die auf dem Leipziger VerbandStage erschiene» waren, läßt sich besser auskommen als mit 129. Hier liegt der Hase im Pfeffer. Herr Hirsch, steigen Sie bei Zeiten herab von Ihrem Thron, Ihre Uhr ist abgelaufen! Politische Uedersicht. Zum Hastpslichtgesetz und zu den Fabrikanten lassen. Manschreibt uns aus LudwigShafeu, ä. ä. 16. Juni: Wie die Herren Fabrikanten oder Fabrikdirektoren das Haft- Pflichtgesetz zu umgehen und die Haftpflicht bei einem Unfall von sich weg auf die Schultern der Mitarbeiter des Verunglückten zu wälzen suchen, davon hat man bis jetzt noch nichts(?) gehört, und es wird auch Manchem als eine Unmöglichkeit vorkommen. Aber dennoch ist eS den Herren Direktoren derWaggon-Fabrik" in Ludwigshafen   gelungen, einen solchen Plan auszudenken und in Szene zu setzen. Man höre und staune: Vergangene Woche wurden die Arbeiter besagter Fabrik 10 Minuten vor der Mit- tagSpause in eine Waggonhallc berufen und hier den NichtSahnen- den eröffnet, daß die Fabrik sich in die Unfallversicherung auf- nehmen lassen will. ES wurde den Arbeitern daSPraktische" dieses Unternehmens auseinandergesetzt und ihnen erzählt, daß jeder Verunglückte 62 Kreuzer per Tag erhalte ic.; der Beitrag aber müsse au« der FabrikS-Krankenkasse bezahlt wer- den, worüber zu sofortiger Abstimmung durch Acclamation die Ueberraschte» aufgefordert wurden, waS natürlich die einstimmige Annahme zur Folge hatte, besonders da noch ein Arbeiter, der sonst recht vernünftige Ansichten hat, sich(ob aus Unkenntniß der Sache oder aus Ueberraschung, ist mir nicht bekannt) dafür aussprach. Zur Illustration besagter Krankenkasse ist noch Folgendes bei- zufügen: Dieselbe besteht: 1) auS dem EinttittSgeld(48 Kreuzer), welches jedem Arbeiter- am zweiten Zahltage abgezogen wird; 2) auS der monatlichen Beisteuer von 24 Krenzern, und 3) aus den Strafen, welche so gehandhabt werden, daß das Etablissement sprüchwörtlich hier Zuchthaus genannt wird. Sie rubriziren sich wie folgt. Wer fünf Minuten bis eine Stunde zu spät kommt, wird um 6 Kreuzer, wer Uber   eine Stunde, um 12 Kr., und für jede weitere Stunde um 6 Kr. mehr bestraft; fehlt ein Arbeiter einen ganzen Tag, wird er um den Bettag eines halben Taglohnes, fehlt er einen halben Tag, um den eines Viertcl-TagelohneS bestrast; an Montagen aber sind fämmtliche Sttafsätze verdoppelt. Verliert ein Arbeiter einen Brenner seiner Gasflamme(Werth 6 Kreuzer), so wird derselbe um einen Gul- den gestraft:c. Daß eine Kasse mit solchen Einnahme-Quellen viel Geld besitzt, untersteht keinem Zweifel; könnte man aber in diesem Falle nicht daS EinttittSgeld oder die Beisteuer redu- ciren oder auch einem Arbeiter in Krankheitsfällen, statt täglich 30 Kreuzer, einen Gulden Unterstützung geben? Nein, das geht nicht; wenn die Arbeiter ihre kranken College» unterstützen, sollen sie auch ihre verunglückten College« erhalten, so steht eS einmal im Rathe der Herren. ApropoS: 62 Kreuzer per Tag haben die Herren gesagt meine« Wissens zahlen die V-rsichcrungSgesellschaftea den Betrag de« ganze» Tagelohnes. WaS geschieht mit dem anderen Gelbe? fließt da» etwa auch in die kranken Taschen, wollte sagen Krankenkassen der Herren Fabrikdirektoren?" Unzweifelhaft! Unser Correspondent ist aber im Jcrthum, wenn er glaubt, daß die Praxis der LadwigShafenrr Waggon- Fabrik vereinzelt dastehe. Daß die Herren Bourgeois in der er- wähnten Weise die Last der EntschädigungSzahlunz von sich aus die Arbeiter abwälzen, ist etwaS ganz Gewöhnliches. Und solche Fabritkassen, wie die beschriebene�, sind ebenfalls nicht AuSnahm-n, sondern Regel. Der Giftbaum de« Kapitalismus ttäzt überall dieselben Früchte. Unsere sozialen Zustände; ein fürstlicher Fürst. Man schreibt un« auS Waldenburg   in Sachsen  : Unser Städt- che» ist klein und seine Bewohner leben meist von Handweberei und Sttumpswirkerei. Die rasch emporkommende Maschinen- Weberei in unser» Nachbarstädten Glauchau   und Meerane   macht die Arbeit für den hiesigen Ort rarer und billiger. Die Löhne sind so niedrig, daß man nicht begreift, wie die Menschen davon »och zu existiren vermögen. Die Lage der Weber und Strumpf- wirkcr drückt auch auf die der andern Kleingewerbtreibenden, deren Lage fich ebenfalls meist erheblich verschlechtert hat. Früher suchte der Kleinmeister sich noch dadurch etwas Hülfe zu schaffea, daß er ein Aeckerchen, das er befaß, mit dem Nöthigsteu bebaute oder ein vlcheS. pachtete. Aber auch das hat aufgehört. Die kleineren Grundstücke mußten aus Roth verkauft werden, es schluckte sie der große Grundbesitzer, al« welcher bei uns der Fürst von Schön- burg-Waldeuburg auftritt. So weit das Auge reicht, erblickt eS fürstlichen Grund und Boden. Wo ein Acker oder ein Gut in der Gegend unter den Hammer kommt, ist der Fürst der Käufer. Wer ein Gärtchen oder einen Acker pachten will, muß ihn vom Fürsten   nehmen, der schwere» ZinS dafür erhält. Ein guter Theil der auf den Häusern in der Stadt lastenden Hypotheken gehört dem Fürsten  . Ziegeleien, Brauereien, Brennereien in der Gegend gehören dem Fürsten  . Bei ihm kauft man die Butter und die Milch. Der Fürst hat in Folge dessen die Preise als Käufer und Verkäufer in seiner Hand, er ist die ökonomische Allmacht, und man muß einräumen, er versteht auS seiner allmächtigen socialen Stellung Vortheil zu ziehen. Obgleich vom ältesten Adel, wissen auch der durchlauchtigste Herr und die durchlauchtigste Herrin ihre Stellungen auszunutzen, gleich den besten Bourgeois. Wehe, wenn die Durchlauchten einen Arbeiter ertappen, der nach ihrer Meinung nicht im richtigen Tempo arbeitet, seine Entlassung ist sicher. Dabei sind die Löhne keineswegs sürstlich; eine Tagelöhnerin, die Mor- gen» um 6 Uhr anfängt und Abends 7 Uhr Feierabend hat, er- hält 8 Ngr. 80 Pfennige pro Tag Lohn; vermuthlich soll die Ehre, für einen Fürsten zu arbeiten, durch niedrigeren Lohn bezahlt werden. Die fürstlichen Lohnsätze gelten als die niedrigsten in der ganzen Gegend. Auch über die bürgerlich sparsame Wirthschaft der fürstlichen Familie cursiren allerhand Anecdoten. So wird z. B. erzählt, daß einmal die Fürstin einem im Schlosse beschäs- tigten Arbeiter im Vorüberrauschen zurief:er solle seine Arbeit ja recht billig machen und nicht glauben, daß er für einen Fürsten arbeite." Schwerlich ist die Frau Fürstin bereit, diese Bescheiden- heit, keine Fürstin sein zu wollen, auch bei gewissen andern Ge- legenheiten gelten zu lassen. Die Entwicklung der hiesigen Zustände hat natürlich für die Bevölkerung ihr sehr Unangenehmes, sie hat aber' auch da? Gute, daß sie Jene immer mehr in unsere Reihen drängt, die noch vor wenig Jahren mit Achselzucken auf uns herabsahen, weil sie durch ein kleines Besitzthum oder ein leidlich gehendes Geschäft sich ge- sichert wähnten. Die Gewißheit, daß dieser Auflösungsprozeß der alten Gesellschaft überall der gleiche ist, giebt unS die Zuversicht de« endlichen SiegS. Ich bin der Fürst von Thoren, zum Saufen auS« erkoren" wer kennt nicht daS famose Studentenlied? Und wer nicht den famosen Held desselben, denKönig im soziale» Reich?" Wo aber kann der Fürst von Thoren sein edlcS Hand­oder Gurgelwerk(auchArbeit") besser ausüben als in RüdeS- heim am Rhein  , wo der famose RüdeSheimer wächst? Und zum famosen RüdeSheimer ttieb eS vor einigen Tagen mit unwider- stehlicher Gewalt den Fürsten von Thoren. Er ttank, ttank, ttank, kluck, kluck, kluck, und als er deS famosen RüdeSheimerS voll war, da ging fei» Mund über und vor versammeltem Volt redete der König im sozialen Reich eine Rede. Und alle Versammelten, die da gleichfalls voll waren des famosen Radesheimers, sie höreteo andächtiglich zu oder schnarcheten; Die, so aber nicht voll waren deS famosen RüdeSheimerS, höreten entsetzt der lallenden Majestät zu, oder kicherten unehrerbietig. Einer der Letzteren hat die selt« same Szene zu Nutz und Frommen unserer Leser wie folgt be- schrieben: Schulze-Delitzsch   in Rüdesheim  , im Himmel und aus Erden. Als die Reklame deutscher   Buchhändler den Ar- beiterkatechiSmuS deS Herrn Schulze-Delitzsch   zur bahnbrechende« Erscheinung i» der Sozialwissenschafr herausgeschraubt hatte, er« hielt ein Kauflustiger auf die Frage an einen Colporteur, ob er jenes Schriftchen feil hielt, die drastische, zugleich negireude Ant- wort:Na, da könnte ich die besten Kelle besehen". Schulze wird am besten selbst den fliegenden Buchhändler für seine neueste GeisteSthat machen und zu derselben könnte er die Rede des ReichSoberhandelsgerichtSrath Dr. Goldschmidt als zwiitea Col- portageartikel schlagen mit der Garantie für diese beiden Produkte, in deren besten Theilen sich ei« unfreiwilliger Humor tummelt, weites Absatzgebiet zu finden. Ob er bei diesem Geschäft nach Verdienst behandelt wird und vor Schlägen sicher ist, kann man nach der Launenhaftigkeit de» Publikums nicht bestimmen. Schulze, ReichStagSabgeordneter für den zweiten nassauische« Wahlkreis, erstattete den 11. d. M. feinen Wählern über die Großthaten unseres hohen Parlaments Bericht und beleuchtete dieselbe« in ganz naturgemäßer Weise vom nationalliberal- fortschrittliche« Schaukelstandpunkte auS. Hierbei schrieb er in angeborener Bescheiden- heit der Fortschrittspartei und dem Nationalliberalismus,jener wackeren Fraktion, die dieselben Ziele aber nicht überall dieselbe« Mittel wolle", die Vertretung einer patriotischen Opposition zu. Die Leser werden eS mir nicht verargen, wenn ich da« Stecke«- pserd diesesVolksboten", die Diätenfrage, bei Seite schiebe, die Auseinandersetzungen über da» Bankgesetz, ArbeiterhilfSkaffe«, criminelle Bestrafung des ConttattbruchS:c. unbeachtet lasse und nur hervorhebe die Kritik des Programm» der Arbeiterpartei uad die rhetorischen Leistungen, welche den Cutturkampf zum Inhalt haben.Sie diktireu die Genüsse", sagt«chulze von den So- zialiste»,sie diktireu die Leistungen, sie machen Durchschnitt«- existenzen, wo die Natur Individualitäten will. DaS ist U« sinn, daS ist verrückt; ma» macht das ganze reiche LebenSgebiet zu einem Arbeitshaus, z» einer ArbeitScaserne". Mit jenemUa-I