Nr.4

Redaktion und Verlag:

Karlsbad , Haus, Graphia" Fernsprecher Nr. 1081.

Herausgeber: Ernst Sattler, Karlsbad . Verantwortlicher Redakteur: Wenzel Horn, Karlsbad .

Druck: Graphia", Karlsbad .

119

Neuer

Vorwärts

Sozialdemokratisches Wochenblatt

Hitler hat Angst

SONNTAG

9. Juli 1933

Bezugspreis für die CSR.:

Einzel- Nummer: 1.40

Monatlich Vierteljährlich

Bezugspreis für das Ausland

Einzel- Nummer 2.­Monatlich Vierteljährlich

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vor der Revolution

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Adolf Hitler , der Alleinherrscher, hat kämpften und Hochburgen des re- noch nicht gedeckt und er muß den Riemen Wo ist Stelling?

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Angst. Er hat Angst von der Revolution. aktionären Klassengedankens noch immer eng ziehen. In Reichenhall hat er zu seinen Unter- bildeten."

Das alles aber sind die Schichten, mit

explosive gefährliche Mischungen. Revolution. Adolf Hitler graut es vor der zweiten

richt.

Verwundet und verschollen führern gesagt: Rücksichtslos werde er So erfährt man aus berufenem Munde, denen Hitler die erste Revolution" ge- Angehörige und Freunde sind in höch­sich der sogenannten ,, z weiten Revo- daß es bis vor wenigen Tagen noch in- macht hat. ster Sorge um das Schicksal Johannes lution entgegenstellen, denn diese könne nerhalb der Regierung Adolf nur ein Chaos zur Folge haben. Die Meutereien reißen nicht ab. Zu den Stellings. Hitlers Hochburgen des reaktionären Marxisten und Stahlhelmern in den Kon­Stelling wurde am 21. Juni von SA. Die sogenannte erste Revolution be- Klassengedankens, Hochburgen des Groß- zentrationslagern gesellen sich immer aus seiner Wohnung geholt und schwer stand in der Ermordung der politischen kapitals und der Großgrundbesitzer gege- mehr Leute von der SA. Das gibt dann verletzt. Seitdem fehlt von ihm jede Nach­Gegner, ihrer Gefangensetzung und im ben hat. Raub ihres Eigentums. Sie bestand in der Der 21. Juni ist bekanntlich der Tag der Verwandlung einer Demokratie in einen Schmitt, Feder und Darré sich in Sind sie verschwunden, seit die Kurt Massenverhaftung sozialdemokratischer Sklavenstaat. Funktionäre in ganz Deutschland . Es ist Am 5. März stimmten trotz Brand- Hugenbergs Erbe teilten? Ach nein! Die schwindel und Unterdrückung der Arbei- dankens bestehen in der Regierung weiter, wirkliche sein und nicht bloß, wie die ,, Hochburgen des reaktionären Klassenge­Diese zweite Revolution muß aber eine auch der Tag, an dem sich in Köpenick die Tragödie Schmaus abgespielt terpresse die Mehrheit des deutschen und Adolf Hitler schützt sie vor der zwei- erste, eine in ihr Gegenteil umgelogene hat. Volkes, 56 Prozent oder 22 Millionen Män­An diesem Tage wurden in Köpenick ner und Frauen, nicht nationalsoziali­stisch. Diese 22 Milionen Deutsche sind Wer spricht noch von Sozialisierung, Die Revolution wird nur dann wirklich etwa 40 Personen aus ihren Wohnungen heute ohne jede Vertretung, ohne Presse, von Verstaatlichung des Großgrundbesit- sein, wenn sie mit den Verbrechen der geholt und zum Teil schwer mißhandelt. ohne Organisation. Ihnen fehlt jede Mög- zes? Hände weg, heilig ist das Eigentum- Konterrevolution und den Verbrechern zu denen, die am schlimmsten zugerichtet lichkeit, mit einander in Verbindung zu ausgenommen das Eigentum der Arbei- selbst schonungslos aufräumt, dem arbei- wurden, gehörte Johannes Stelling.

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ten Revolution".

ter.

treten und ihre Meinung zu sagen. Zehntausende sind aus ihren Aemtern Den Arbeitern darf man ihre Presse, gejagt, jeder Existenzmöglichkeit beraubt, ihre Kampffonds, ihre Vereinshäuser, ihre in Konzentrationslagern eingepfercht. An- Einrichtungen stehlen. Expropriation der dere Zehntausende sind mit dem national- Expropriateure, Enteignung der Enteigner, sozialistischen Parteibuch in die leerge- war eine Forderung des verruchten Mar­wordenen Posten eingerückt und fühlen xismus. sich als Herren.

Das war die erste Revolution. Nun warten die Massen auf die zweite, die ihnen die Erfüllung der gegebenen Ver­

Konterrevolution.

Man transportierte ihn dann ab- an­tenden Volke die geraubten Rechte wieder­bringt und die Hochburgen des Großkapi- geblich in ein Krankenhaus. Aber niemand tals wie des Großgrundbesitzes dem Erd- ist imstande, oder bereit, Auskunft zu boden gleichmacht. Das ist dann keine geben, wo sich Stelling befindet. nationale" Revolution mehr, sondern eine sozialistische!

Ungezählte Gänge zur Polizei blieben erfolglos. Offenbar wußte die Polizei sel­ber nichts und hatte sie auch nicht die Möglichkeit, sich zu unterrichten.

Träger dieser Revolution kann nur die Der Hitlerismus expropriiert nur die Arbeiterklasse sein. Ein Wort von Man entschloß sich also, zum Führer Exproprierten. Karl Marx, das zeitweilig außer Kurs der SA zu gehen. Dieser erklärte: Herr war, hat heute für Deutschland wieder Stelling ist verletzt worden und wurde volle Geltung: dann entlassen." Auf die Frage, ob Stel­Antwort als ein verlegenes Achsel­flucht, was nützen behördliche Preistreibe- Das ganze deutsche Volk, von dem zucken. reien, wenn kein Mensch zu erhöhten regierenden Verbrechertum abgesehen, hat Stelling war Reichstagsabgeordneter, Preisen kaufen kann. Der anständige Be- heute nichts mehr zu verlieren als seine Mitglied des Parteivorstandes und des amte schämt sich, Verbrechern gehorchen Ketten. Das ganze deutsche Volk aber hat Exekutivkomitees der Sozialistischen Ar­wegene Hoffnungen. zu müssen und ersehnt eine neue Aende- heute vor sich selber und der Menschheit beiterinternationale. Er war früher zwei­ Der groteske Zustand", schreibt er, rung der Dinge. Der SA.- Mann aber nur die eine große Pflicht, sich von einem mal Ministerpräsident von Mecklenburg . muß jetzt endlich ein Ende nehmen, daß murrt. Er sieht seine Führer fressen, Regime zu befreien, das für Jahrtausende In seiner politischen Laufbahn hatte er die Ministerien Hugenbergs für Groß- daß ihnen das Fett rechts und links aus der schlimmste Schandfleck seiner Ge- sich viele Gegner, aber keine persönlichen grundbesitz und Großkapital dem Maul rinnt, aber für ihn ist die Tafel schichte bleiben wird!

Keine zweite Revolution! Der Ge­sprechungen bringen soll. Und das nun ist schäftsmann ringt die Hände, noch ,, Die Proletarier haben nichts ling noch am Leben sei, gab er keine die zweite Revolution", der sich Adolf nie war sein Laden so leer. Der Bauer zu verlieren als ihre Ketten." Hitler entgegenstellt.

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Im ,, Reichswart" knüpft Graf Reven­kow an den Sturz Hugenbergs ver­

Die schwarze Front muckt auf

Feinde geschaffen. Auch bei politischen Gegnern ist er wegen seiner unantast­baren Lauterkeit, seiner unbestechlichen seines Wesens geschätzt.

Ministerpräsidenten abgelehnt mit der Er- Sachlichkeit und der Umgänglichkeit klärung, daß

dieser Befehl im unlösbaren Gegensatz stehe zu dem nationalsozialistischen Parteiprogramm,

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Dieser Mann ist nun aus keinem anderen Grunde, als weil er ein, Marxist" ist wie ein Hund niedergeschlagen und verschleppt worden niemand weiß dem er, Brückner, genau in demselben Um­fange verpflichtet sei, wie der preußische Mi- wohin. Wochenlang können seine Ange­nisterpräsident und wie der Reichskanzler hörigen nicht erfahren, wo er sich befin­Bei der Hitlerwahl sind schätzungsweise 3 Hingabe von Stücken einer aufzulegenden un- selbst. Im übrigen ersuchte Brückner um die det, ob er tot ist oder ob er noch lebt. bis 4 Millionen kleiner und mittlerer Bauern verzinslichen und mit jährlich 1.5 Prozent zu definitive Entscheidung des Reichsstatthalters Das ist die Ordnung, die Adolf Hit­ ler geschaffen hat!

Aufteilung des Großgrundbesitzes

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die härteste NuB!

unter ihrer schwarzen Fahne in der Nazifront amortisierenden Anleihe. aufmarschiert. Jetzt fordern sie die Einlösung

der Ihnen tausendmal versprochenen Grund­Wegen dieser Ausführungen, die in Schle­reform und es entspinnen sich an dieser Frage sien stärksten Widerhall fanden, haben einige die schwersten Kämpfe. So hat am 28. Juni Großgrundbesitzer, deren Namen vorerst un­der Oberpräsident der Provinz bekannt sind, eine Beschwerde an den Schlesien , Brückner, in einer Fuktionär- preußischen Ministerpräsidenten Göring , an Konferenz der schlesischen Bauern- Organisatio- den Reichskanzler Hitler und an den Reichs­nen, die sämtliche unter nationalsoziali- präsidenten von Hindenburg gerichtet. Herr stischer Leitung stehen, gefordert, daß Göring , als die vorgesetzte Stelle des schle­sischen Oberpräsidenten, hat hierauf Herrn der gesamte Grundbesitz über eintau- Brückner telegraphisch ersucht, die send Morgen und aller Boden, der nicht unter eigener Bewirtschaftung steht, zwangsweise enteignet wird.

,, Propagierung solcher bolschewisti­scher Pläne unverzüglich einzustellen".

Für die Berechnung des Wertes des zu ent- Ob und wieweit Herr Goering hierbei im Ein­eignenden Bodens sollte die letzte Vermögens- verständnis mit Hitler oder auf Druck Hinden­steuererklärung des seitherigen Eigentümers als burgs gehandelt hat, ist unersichtlich. Jeden­Grundlage dienen; dieser Wert solle jedoch| falls aber hat Herr Brückner die Befolgung nicht in bar erstattet werden, sondern durch des an ihn ergangenen Befehls des preußischen

für Preußen, das heißt des Reichskanzlers Hit­ ler, der ,, allein für die Regelung dieser für den Bestand der nationalsozialistischen Revolution lebenswichtigen Frage kompetent" sei.

Der Fall steht nicht allein. Täglich ver­Schwinden Menschen, täglich werden in Wäldern und Flüssen Leichen gefunden. Bei Berlin allein in den letzten Tagen eine in der Zerpenschleuße, zwei in der Dahme Woist Johannes Stelling ?

Reventlow klagt an! bei Grünau , also in der Nähe von Köpenick !

Graf Reventlow, der seit zehn Jahren eine führende Rolle in der nationalsozia­listischen Bewegung innehat und heute zu dem oberen Führerkreis der Nazi­bewegung gehört, hat einen aufsehen­erregenden Brief an Hitler geschrieben, in dem er zwar vorsichtig, aber in sach­lich durchaus klarer Form, die Greuel­taten der SA. zugibt und auf den ,, wahn­sinnigen Haẞ" hinweist, der infolge die­ser Bestialitäten in der Arbeiterschaft entstanden ist. Wir bringen den Brief auf der vierten Hauptblattseite. Johannes Stelling

ermordet

Während des Druckes dieser Ausgabe erfahren wir aus zu­verlässiger Quelle, daß Johannes Stelling nicht mehr unter den Lebenden weilt