Gefängnis für Sozialismus! Kein ZweHel konnte je daran bestehen, daß Hitlers Machteroberung politisch die schlimmste und gefährlichste Gegen* revolution bedeutete. Die unausgesetzte Aufpeitsch ung der schlechtesten Instinkte, der unausgesetzte Appell an den Neid, die Gewalt, die Grausamkeit, die Mordlust: die Verhöhnung der Humanität, des Rechts, der Freiheit und der Menschen­würde mußte zu jener Häufung von viehischen Grausamkeiten führen, die den Weg der nationalsozialistischen Machter­greifung kennzeichnen. Aber es gab naive Leute, die sich auf dem sozialen Felde einigen Erwartun­gen hingaben, die nicht verstanden, daß die politische Unterdrückung der Arbei­terklasse, die zugleich der Todesstoß ge­gen den Sozialismus gewesen ist, dessen einzig richtige Trägerin nur die Arbeiter­klasse in ihrem freien und ungehemmten welbstbestimmungsrecht sein kann. . Hitler hat restlose Klarheit geschaffen. Seit seinen Reden gegen diezweite Re­volution" ist kein Tag vergangen, an dem nicht er selbst, sein Wirtschahsminister Generaldirektor Schmitt , und seine Unterführer, die Frick und Goeb­ bels ein Bekenntnis zur Aufrechterhaltung des Kapitalismus, ein Gelöbnis zu den ab- gestandesten Prinzipien des Wirtschafts­liberalismus abgelegt hätten. Und die Herren Nationalk a p i t a 1 i- sten, die sich so rasch aus Deklassier­ten in die glücklich im Besitz und in der Macht Wohnenden umgewandelt haben, gehen aufs Ganze. In seinem Rundschrei­ben an die Reichsstatthalter verkündet der Reichsinnenminister Frick: Wer letzt noch von der zweiten Revolu­tion redet, muß sich darüber klar ein, daß er »ich damit gegen den Führer selbst auflehnt und dementsprechend behandelt wird. Solche Aeußerungen stellen eine glatte Sabotage der nationalen Revolution dar.., Jeder solche Versuch, wie er namentlich in unbefugten Ein­griffen in die Wirtschaft und in Mißachtimg von Anordnungen der Träger der Staatsauto­rität zu erblicken ist, muß daher auf Grund der Verordnung zum Schutz von Volk..und Staat mit den schärfsten Maßnah­men(mindestens Schutzhaft) gegen wen immer geahndet werden." Ins Konzentratlonslagen mit jedem, der noch nach Sozialismus strebt, ganz gleich, ob es sich ummarxistischen " oder um dendeutschen " Sozialismus handelt! Aber damit nicht genug. Herr Schmitt hat mit einem Federstrich alle national­sozialistischen Kommissare für die Wirt­schaft beseitigt Was Hugenberg vergeb­lich anstrebte, die Wirtschaftsdiktatur, das hat Schmitt Kapitalist von reinstem Wasser, ohne weiteres von Hitler erhal­ten. Und eine seiner ersten Maßnahmen ist von weittragender Bedeutung: Der stän­dische Aufbau wird abgestoppt. Bekanntlich sollten In diesenStänden" alle an der Wirtschaft Beteiligten, Unter­nehmer, Gewerbetreibende, Händler und Arbeiter, vereinigt werden, um gemeinsam und gleichberechtigt die Wirtschaftsfragen zu lösen, denEigennutz",Gemeinnutz" unterzuordnen und die Ausbeutung und Profitgier zu eliminieren. Kurz, dieStän­de" sollten die Träger des wahren, deut­ schen Sozialismus sein. So lächeriich die Illusionen, daß Ausbeuter und Ausgebeu­tete, Kapitalisten und Lohnarbeiter ge­meinsam die wirtschaftliche Harmonie verwirklichen könnten, daß die Nutznie­ßer und die Opfer der kapitalistischen Klassengesellschaft in gleicher Weise Uue Ueberwindung anstreben würden, die Leute von der nationalsozialistischen Betriebs­zellenorganisation oder von dem Kampf­bund des Mittelstandes hofften, in diesen Ständeorganisationen ihre antikapitalisti­schen Ziele verfolgen und durchsetzen zu können. Dieser Hoffnung wird nun radikal der Garaus gemacht Die Unternehmeror- kanisationen, der Reichsverband der Industrie, der Industrle- und Handelstag wollen ihre Selbständigkeit nicht antasten lassen. �nd deshalb verkündet Herr Schmitt mit ausdrücklicher Berufung auf den Willen desFührers", daß auch dieses Kernstück des Programms zurückgestellt werden müßte, weil die Gefahr besteht daß un­berufene Elemente versuchten, auf diesem Gebiet Experimente zu machen." Dieunberufenen Elemente" sind die Ar­beiter und Mittclständlcr. Man hatte sie gerufen, so lange man sie zur Machterobe- j rang brauchte, jetzt werden sie alsUn­berufene" geächtet Während man aber den Unternehmern in Wirklichkeit von Anfang an volle Or­ganisationsfreiheit unter der Führung Ihrer Vertrauensmänner, der Krupp. Thyssen etc. gelassen hat hat man nicht nur die Ge­werkschaften ihrer Vertrauensmänner be­raubt und nationalsozialistische Nichtskön­ner und Wirrköpfe an deren Stelle gesetzt, sondern man beraubt selbst die so umge­schalteten. unter nationalsozialistisches Kommando gestellten Organisationen aller Funktionen. Die Arbeiter werden nicht nur um den Sozialismus geprellt, sie verlieren jede Möglichkeit, in der aufrecht erhalte­nen kapitalistischen Gesellschaft nur eine Verbesserung ihrer Lebenshaltung, ja auch nur um eine Verteidigung der bisherigen Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Das Amt für Sozialpolitik in der Deutschen Arbeits­ front weist darauf hin. daß nur die von Hitler ernannten Treuhänder der Arbeit Tarifverträge abschließen dürfen. Keine andere Stelle darf in die Gestaltung der Arbeitsbedingungen eingreifen, weder die NSBO. noch die Berufsverbände. Der Staatskommissar Engel, Treuhänder für Berlin und Brandenburg , hat bei einem Presseempfang diese völlige Entmachtung der Gewerkschaften noch verdeutlicht: Der Treuhänder habe gewissermaßen den Artikel 48 auf wirtschaftlichem Gebiet für sich. Er sei Diktator. Er werde Streiks oder Aussperrungen auf jeden Fall verlündern. Er werde der Wirtschaft Frie­den gewährleisten. Der Staat schalte durch die Treuhänder die Willkür profit­gieriger Unternehmer aus(in Wirklichkeit wird der ungestärkte Fortgang der kapi- tahstischen Profitwirtschaft durch die Hitlermacht garantiert) und lege denen das Handwerk, die aus eigennützigen Zwecken oder aus politischen Gründen die Belegschaften der Betriebe aufhetzten! Was wird aber aas den Gewerkschaf­ten, die sich nicht mehr um die Ar­beitsbedingungen kümmern dürfen? Auch darüber spricht der Hitler-Engel sehr offen: Es sei ein Mißverständnis an- zu nehmen, daß die Deutsche Arbeitsfront die Aufgaben der alten Gewerkschaften übernehme. Die Deutsche Arbeitsfront habe ihre Aufgabe auf volkserzieherischem Gebiet!! Die Arbeiter sollen also ihre Beiträge zahlen, um sich von den nationalsoziali­stischen Bonzen zwangserziehen zu las­sen! Aus Kampforganisationen für die Lebensinteressen der Arbeiterschaft wer­den die Gewerkschaften in nationalsozia­listische Dressuranstalten mit gut bezahl­ten Posten für sonst unbrauchbare Pg. und Pj. verwandelt! Und dafür raubt man den Arbeitern Ihr Geld! Die fortschreitende Entrechtung der Arbeiter wird von einer lortschrel. tenden Begünstigung des Kapitals begleitet. In einer einzigen Sitzung hat das Reichs- Kabinett einige Dutzend Gesetze erledigt das heißt die Vorschläge der jetzt selbst­herrlicher als je arbeitenden Bürokratie kritiklos akzeptiert und fast alle be­deuten Geschenke an das Kapital. Da sind Steuererleichterungen für Instandsetzung und Erneuerung von Betriebsgebäuden, Sleuerb e f r e i u n g für neue Unterneh­mungen, sowie für neuerrichtete Wohn­gebäude, Zinserleichterung auf Kosten des Reichs für landwirtschaftlichen Auslands­kredit usw. Aber charakteristisch sind na­mentlich zwei Gesetze. Das eine gibt dem Reichswirtschaftsminister das Recht, Un­ternehmungen zu Kartellen zu vereinigen oder bisherige Außenseiter in bestehende Kartelle hlneinzuzwingen. Er kann die Er­richtung neuer Unternehmungen oder die Erweiterung des Geschäftsbetriebes oder der Leistungsfähigkeit bestehender für eine bestimmte Zeit untersagen, kurz zwangsweise das kapitalistische Pri­vatmonopol einführen. Die Ausdehnung und Verewigung des Mo­nopolkapitalismus in seiner gefährlichsten, volkswirtschaftlich schädlichsten und aus­beuterischsten Form enveist sich so wie­der als letztes Wort des angeblichen Na­tionalsozialismus. Und das andere Gesetz setzt die Auf­bringungsanlage der Industrie mit 100 Millionen jährlich fest, wovon 80 Mil­lionen zur Entschuldung Ostpreußens die­nen. Das heißt, daß die Erhaltung und Ent­schuldung des adeligen Großgrandbesit­zes in der gleichen Weise fortgesetzt, daß jeder Kampf gegen den Großgrundbesitz eingestellt, daß eine schnelle und wirk­same Siedlung gar nicht in Angriff genom­men wird. Dafür hat allerdings Herr Dr. Darre ein eigenes Kommissariat für bäuerliches Brauchtum, für Sitte und Ge- sittung" geschaffen. Außer den Arbeitern. müssen eben auch die Bauernerzogen" werden. Das Tüpfelchen auf dem I aber würde fehlen, wäre die Nachricht nicht da, daß die Akzeptbank, die ganz unter Reichs- l�mfluß steht, dem-------- Warenhauskonzern Hermann Uetz tV/z Millionen gemeinsam mit den anderen Reichsban­ken als neue Betriebsmittel zur Verfügung stellt! Den Kampf gegen den Kapitalismus schließt Hitler ab mit der Aechtung des Sozialismus und der Verhinderung jedes Versuches, die Arbeitsbedingungen zu ver­bessern; den Kampf gegen den Großgrund­besitz mit der Verewigung des Osthilfe- skandals und der Sabotage der Siedlung und den Kampf gegen die Warenhäuser mit der Bereitstellung neuen Kapitals durch die dem Reich gehörenden Banken. Das ist derSozialismus" der national­sozialistischen Partei! Dem Kapital gute Unterstützung. Und Gelächter über alle Betrogenen, die an den Sozialismus des Hakenkreuzes glaubten! Torgier ohne Anwalt! Alto wissen, dal er aaschaidlg tot keiner wagt, Mm za vertehügea! Die Frau des kommunistischen Reichs­tagsabgeordneten Ernst Torgier. Marga­rete Torgier, hat aus Karlshorst bei Beriin an denManchester Guardian" einen Brief gerichtet, in dem sie schreibt: Ich habe nüt einer großen Anzahl von Rechtsanwälten Ober die Verteidigung meines Mannes verhandelt. Sie waren zumeist zwei­fellos von seiner Unschuld vollkommen über­zeugt, aber sie weigerten sich, seine Vertei­digung zu übernehmen. Einige schienen bereit zusein, nachdem sie verschiedene Bedingun- gen gestellt hatten. Schließlich lehnten aber auch sie ab. Die letzte Ablehnung, die ich erhielt, kam von einem hervorragenden Ber­ liner Anwalt, der mir am 19. Juni folgendes schrieb:.Was die Rechtsangelegenheit Ihres Gatten betrifft, so bedaure ich. nicht in der Lage zu sein, seine Verteidigung übernehmen zu können.' Es scheint also, das ist die ein­zige Erklärung, daß In ganz Deutschland kein Rechtsanwalt übrig geblieben ist, der bereit Ist, seine Pflicht zu erfüllen, Indem er ein mensch liches Wesen rettet, von dessen Unschuld die ganze Welt Oberzeugt ist. Meine Erfahrung beweist, daß es einfach ganz unmög- \ich ist, einen Rechtsbeistand nach eigener Wahl zu erhalten und daß mein Mann auf diese Weise seines elementaren Rechtes be­raubt ist" Das englische liberale Blatt behandelt den Brief der Margarete Torgier in einem besonderen Artikel, in dem es ausführt Warum will die Dlktetorregierung Hitlers eine Verteidigung nicht gestatten. Der Grund ist ganz klar. Die Diktaturregierung weiß, daß Torgier unschuldig Ist und sie weiß, daß jeder Anwalt, der nur eine Spur von Intelligenz und rechtlichen Sinn besitzt die ganze Anklage in Stocke schlagen und der Verachtung Obcrlie- fern würde." Manchester Guardian" beschäftigt sich dann weiter mit dem Schicksal der drei unglücklichen Bulgaren , die rein zu­fällig willkürlicherweise mit Torgier zu­sammen auf die Anklagebank kommen sol­len. Er stellt fest, daß die Behauptung der Göring-Pollzel, die drei Bulgaren hät­ten etwas mit dem Attentat in der Kathe­drale von Sofia zu tun gehabt, von den bulgarischen Behörden selbst wider­legt worden ist, und er fordert die bul­garische Regierung auf, sich der unschul­dig verfolgten Landsleute anzunehmen. Generaldirektoren des Dritten Reidies Jeder Tag liefert neue Beweise, daß Hitlers Kurs rein kapitalistisch Ist. Zur Unterstützung der Reichsregierung in al­len wirtschaftlichen Fragen hat Hitler einenGencralrat der Wirt- schaft" berufen. Seine Zusammenset­zung zeigt, daß im Dritten Reiche mir noch Großkapitalisten etwas zu sagen haben. Dem Generalrat gehören an; Herbert Backe (Domänenpachter), Dr. Carl Bosch , Ing. Eugen Böhringer(Direk­tor der Maximlllanbü(te), Generaldirektor Aug. Die hm,(Kalisyndikat), Bankier August von Finck , Dr. Otto Chr. Fischer(Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bank- und Banklergewerbes), Dr. Albert H a c h e 1 s- b erger(Fabriksbesitzer), Bürgermeister Krogmann(Hamburg ), Dr. G. Krupp von Bohlen und Halbach, Dr. Robert L e y (Führer der Deutschen Arbeitsfront ), Dr. Carl Euer(Handelskammerpräsident, Treuhänder der Arbeit), Friedrich R e i n h a r t(Bankdirek­tor), Dr. Hermann Reisctale(Führer des Landhandels und der landwirtschaftlichen Ge- nossensebaiten), Karl Freiherr von S c b r o e- der(Handelskammerpräsident), Karl Fried­rich von Siemens, Dr. Fritz T y s s c n, Ge­neraldirektor Dr. Albert Vogler. Weder ein Arbeiter noch ein Angestell­ter ist Mitglied dieses Generalrats. Nicht einmal ein Gewerbetreibender oder ein Kleinkaufmann oder ein Angehöriger des Bauernstandes. Hitler hat die Maske fal­len gelassen, er regiert nur noch mit und von der Gnade der oberen Zehntausend. Als Nachfolger für den bisherigen Reichswirtschaftskommissar Dr. Wage­ner. den Hitler wegen seiner angeblich so­zialistischen Gesinnung abgesetzt und auch aus dem Wirtschaftspolitischen Amt der NSDAP , hinausgeworfen hat, ist der Reichstagsabgeordnetc Wilhelm K e p p- 1 e r berufen worden. Der Oeftentlichkeit ist Keppler völlig unbekannt, bekannt ist er nur den Unternehmern, in deren Dien­sten er bisher ärgste Scharfmacherei be­trieben hat. Kampf um Sdiadit SA. wollte ihn fangen! Hitlers wiederholte Reden gegen die Fort­setzung der Revolution und gegen jede Art von Sozialismus bilden nach einem Bericht des Daily Herald" nur einen Teil eines erbitterten Kampfes, der hinter den Kulissen um die Per­son des Relchsbankpräsldenten Dr. Schacht geführt wird. Revolutionär gesinnte Elemente in der SA hatten bereits beschlossen, Schacht, in dem sie den Hauptschuldigen des Verrats am Sozialis­mus erblicken, gefangen zu nehmen. Schacht ist ein Gegner der Inflation. Gottfried Feder aber als Apostel der Binnenmark, Ist Ihr Vorkämpfer. Er wird auch von dem neuen Landwirtschaftsminister D a r r< unterstützt, der die Inflation will, damit die Grundbesitzer wieder, wie vor 10 Jahren, ihre Schulden billig los werden können. In enger Verbindung mit Feder und Darrä hatten die Extremen die Fest­nahm« Schachts beschlossen. Ihr Plan ist aber gerade noch rechtzeitig entdeckt worden, daraufhin hat Hitler gegen die Fortsetzung der Revolution seine bekannten Drohreden gehalten und Frick seinen Droherlaß herausgegeben. So das englische Arbeiterblatt. Aul alle Fälle Ist Herr Schacht In Sicherheit. Als der Repräsentant des Hochkapitalismus ist er im Dritten Reich unverletzlich. Lassalle's Grab gesdiandet! Das Grab Lassalle's ist nun auch geschän­det worden! Die Reste des großen sozialisti­ schen Kämpfers ruhen, wie man weiß, auf dem Jüdischen Friedhof in Breslau unter einem Stein, der diese Inschrift trägt: Hier ruhen die sterblichen Reste Fer­ dinand Lassalle's , des Denkers, des Kamp- lere". Die Nazi haben diese Inschrift ausmeißeln lassen, ebenso wie diejenige, die sich am Ge­burtshaus des Begründers der deutschen so­ zialistischen Bewegung befand. Paris AbonnementsbesteUungen In Paris für den Neuen Vorwärts" werden durch die Re­daktionConrrier Sooiallste", 12, rue Feydeau, Paris 2, entgegengenommen. Sprechstunden von 10 bis 12 Uhr.