�Beilage des Stimm Votwäds Tic. 6 Revolution gegen Hitler- und was dann? Dieser Diskussionsbeitrag ist eine Fortsetzung des ArtikelsDer Apparat ist tot es lebe die Bewegung" und behandelt die zukünftige Taktik der Par­tei. Nein, es ist keine überflüssige Frage, die hier aufgeworfen wird, wie jene behaupten, die zwar gewillt sind, re­volutionär zu kämpfen, weil das auf bar­barischer Gewalt aufgebaute Hitlerregi­ment nicht anders als in revolutionärer Aktion zu werfen ist, die aber den Kon­sequenzen dieser Revolution nach dem Sieg aus dem Wege gehen möchten. Es ist auch keine unzeitgemäße Frage, wie die Taktiker sagen, die noch im Rah­men des von Hitler gesprengten demokra­tischen Staates denken und Rücksicht neh­men wollen auf etwaige bürgerliche Bun­desgenossen im Kampf gegen Hitler , wo­bei sie bedeutungsvoll hinzufügen, wenn man erst wieder an der Macht sei, werde sich das alles schon finden und die Fehler von 1918 würden gewiß nicht noch einmal gemacht. Man täusche sich doch nicht Die Fra­ge, was am Tag nach dem Sturz Hitlers geschehen muß, ist nicht nur hochaktuell, weil ihre Lösung uns ein ganzes Arsenal von Waffen zum Sturz Hitlers verschafft, sie ist auch das K e r n p r o b 1 e m, das uns über den Sturz Hitlers hinausführt und das Fundament baut, auf dem der neue Staat aufgerichtet werden muß. Und schließlich noch eine kleine, aber bedeut­same Tatsache; wir mögen aus taktischen Gründen die Auseinandersetzung über die­ses Thema hinausschieben, weil wir uns scheuen, das heiße Eisen anzufassen, in D e u t s c.h fa n d schmiedet man es schon, wenn auch in ungefüger Form. Die, Dis­kussionen, die jetzt noch mit äußerster Vorsicht geführt werden, aber bei dem katastrophalen Versagen des Faschismus bald das gesamte Denken und Fühlen der Massen m ihren Bann zwingen werden, stehen von Anfang bis Ende unter dieser Schicksalsfrage: Was tun wir, wenn der Faschismus gestürzt ist, wassetzenwiran seine Stelle? Gewiß: Revolutionen können ohne den großen heiligen Haß der Unterdrückten ge­gen ihre Unterdrücker nicht zum Sieg ge­langen. Der Zorn gegen das Unrecht ist der unentbehrlichste Antriebsfaktor der menschlichen Entwicklung. Diesen Haß zu schüren, ihm immer wieder Nahrung zu geben durch die Anprangerung des faschi­stischen Systems, die Menschheit mit Ekel zu erfüllen vor der Scheußlichkeit dieses Regimes, ist eine wichtige Aufgabe in der 'ersten Phase der revolutionären Vorbe­reitung. So nur wird die kompakte Masse geschaffen, die eines Tages zum Sturz der Bastille ansetzt, vor diesem primitiv- revolutionären Instinkt haben alle Mäch­tigen der Erde gezittert, aber mit die­sem Haß allein, sofern er sich nicht mit dem Geist paarte und also blind blieb, sind auch alle Revolutionen nach dem er­sten siegreichen Anlauf verloren wor­den. Aufstände macht man allenfalls mit dem Haß, Revolutionen entstehen aus dem Bewußtsein. Nur die Spannung zwi­schen dem revolutionären Massenbewußt­sein und den bestehenden gesellschaft­lichen Verhältnissen erzeugt jenen dau­ernden, sich immer mehr verschärfenden Druck, der schließlich den Rahmen der unhaltbar gewordenen Verhältnisse sprengt und Raum schafft für den Durchbruch neuer Ideen. Die revolutionäre Vorbereitung kann also nicht stehen bleiben bei dem Appell an den Haß, so sehr sie auch diesen Haß nötig hat Der Revolutionierung der Her­zen muß die Revolutionierung der Köpfe unmittelbar folgen. Das Paradoxe des politischen Umstur­zes in Deutschland ist ja, daß eine Kon­terrevolution gesiegt hat mit re­volutionären Vorzeichen. Der Hit­lerfaschismus hat bis zur Machtergreifung den Mantel eines primitiven Sozialismus getragen, hat sich als Feind des großkapi­talistischen Systems gebärdet, hat den feinen Leuten" den Kampf angesagt und in dieser Maskierung große Massen des indilferenien Proletariats in seine Kaders gelo'ckt-Den Millionen deklassierter Klein­bürger, in deren Unterbewußtsein die Angst vor der mit rasender Eile vor sich gehenden Konzentration der Großbetriebe saß, versprach er die Niederlegung der monopolisierten und vertrusteten Zwing­burgen und Wiederherstellung der frühe­ren Zustände eines freien Ständewesens, wo der Innungsminister das tragende Glied der Gesellschaft war und Millio­nen dieser Kleinbürger, deren Weltbild in Stücke gegangen war, ohne daß sie Zeit hatten, zur Erkenntnis eines neuen Welt­bildes zu kommen, liefen ihm in hysteri­scher Existenzangst nach. Einer verelen­deten Jugend, die sich sowohl zusammen­setzte aus proletarischen Elementen wie aus den erwerblosen Söhnen des Bürger­tums, spiegelt er die Fata Morgana einer baldigen nationalen Erhebung vor, die Deutschland an die Spitze aller Völker bringen würde. In den braunen Unifor­men der SA. vergaß diese proletarische Jugend ihre Klassenlage und machte sich zum Büttel des Faschismus. Die Kleinbau­ern hypnotisierte er mit der Losung der Aufteilung des Großgrundbesitzes und brachte sie so hinter seine Fahnen. Nichts verschmähte er, was gegen die bestehen­den Verhältnisse revoltierte, selbst die asozialen Elemente des Verbrechertums, die bereits in den Untiefen der kapitalisti­ schen Gesellschaft untergegangen waren, zog er an die Oberfläche, von der an sich richtigen Erkenntnis ausgehend, daß das Lumpenproletariat bei jedem Umsturz eine wichtige Rolle spielt, weil es am wenig­sten zu verlieren hat Und mit dieser bunt gemischten Gesellschaft machte Hitler dann seine Konterrevolution. Aber indem Hitler den Ausbruch einer Rebellion, die sich im Unterbewußtsein gegen die kapitalistische Ordnung selbst wendete, umfälschte in eine Bewegung zur Verewigung der kapitalistischen Ver­hältnisse, ist er die Rebellion dieser Schich­ten nicht losgeworden. Er mag den Klein­bürgern die Juden zum Fraß vorschmei­ßen, er mag die blinden Massen mitBon­zen" füttern, er mag den Hunger der Ju­gend nach Romantik mit Nachtfelddienst­übungen und Festen befriedigen, er mag eine Schutzfrist verordnen, die auf einige Monate den Gerichtsvollzieher vom Stall des Kleinbauern abhält, ja, er mag sogar Verbrechern, die früher Freiwild für die Polizei waren, den amtlichen Gummiknüp­pel in die Hand geben er wird nie und nimmer die jetzt folgende Entwicklung unterbinden können, die einen Klassen­scheidungsprozeß riesigsten Ausmaßes in sich birgt Die scheinsozialistischen Konzessionen Hitlers an die revolutierenden Lager der Kleinbürger, Bauern, Arbeitslosen und Ju­gendlichen waren ja im Grunde doch Kon­zessionen an den erwachenden Geist des Sozialismus. Wäre er den aufgewühlten Massen als der Fronvogt des Hochkapita­lismus erschienen, nie hätte er sie lünter seine Fahne bekommen. Deshalb ging er jenes politische Mimikry ein, stahl er die rote Farbe des Sozialismus, ließ er seine gemischte Garde revolutionäre Melodien mit konterrevolutionärem Text singen, übernahm er das sozialistische Ehrenwort Parteigenosse", kurz, stellte er sich mit dem Habitus der Bewegung auf die erwachende sozialistische Umwelt ein. Aber indem er nun den dumpfen Wil­len dieser Massen schroff mißachtet, die erste Revolution für vollendet und die zweite Revolution für Hochverrat erklärt, hat er die Millionen seiner Anhänger auf die Suche nach neuen Erkenntnissen ge­trieben. Und hier liegt jetzt der psycholo­gische Moment, wo in jedem einzelnen dieser Menschen unter Schmerz, Wut, Enttäuschung und Haß eine Welt zusam­menbricht und neue Dinge geboren wer- den. Dieser schwierige Prozeß der qual­vollen Loslösung von alten Vorstellungen, an dessen Ende das Erwachen des proletarischen Klassenbe­wußtseins stehen wird, kann wesent­lich beschleunigt werden durch die ab­solute Zielklarheit der sozia­ listischen Bewegung. Nur wenn hier schon die geistige Aufnahmestellung für die in Bewegung geratenen, von furcht­barer Enttäuschung vorwärts getriebenen Massen geschaffen ist, können die oppo­sitionellen Kräfte bis zur revolutionären Aktion gesteigert werden. Den negativen Haßtrieb dieser Massen zu befriedigen, wäre leicht. So unerbittlich streng die Abrechnung auch einmal.sein wird, mit Ausweisungen, Konzentrationsla­gern und Hinrichtungen ist Positives noch nicht geschaffen. Wir können nicht Hitler mit Hitler erschlagen, wir müssen mehr tun. Wir müssen mit Hitler die gesellschaft­lichen Zustände erschlagen, die ihn auf den Schild erhoben. Um diese gewaltige Aufgabe aber vollbringen zu können, muß sie im Bewußtsein der in der Revolution stehenden Massen bereits geklärt sein. Nur Hitler mit dem Revanche- und Haß­bedürfnis verzweifelter Menschen zu schlagen, ohne den Boden zu verändern, auf dem der Faschismus gewachsen ist, den Boden der wirtschaftlichen Anarchie, der permanenten Krise, der kapitalisti­ schen Ausbeutung, hieße morgen einem zweiten Hitler zum Opfer fallen. *** Wenn 1918 die Revolution in Watte stieß, weil kein Gegner vorhanden war, nun, der Kampf gegen den braunen Fa­schismus wird schreckliche Blutopfer for­dern. Jetzt schon reiht sich Grab an Grab, tragen zehntausende Arbeiter die Narben körperlicher Mißhandlung, sind hunderttausende durch den Massenterror der Hitlerumzüge seelisch geschändet worden. Und immer härter wird die Dik­tatur, immer brutaler der Terror, je mehr unten im Volk die Basis zusammen­schmilzt, auf der das Regiment steht. Die revolutionäre Explosion wird dementspre- Nein, wenn ins Exil auch die Eldlesten schritten, Wenn müde der Willkür, die end­los sie Utten, Sich andre im Kerker die Adern aufschnitten Doch lebt noch die Freiheit und mit Ihr das Recht, Die Freiheit, das Recht! F r e 1 1 i g r at h. Das mlßbraudite Lied Von Agnes Abel Herr Dr. Josef Goebbels , Propagandamini­ster des dritten Reiches, lag im Bett und schickte sich soeben an, die Mitternacht zu verschlafen, als es zaghaft an seine Tür klopfte. Der Propagandaminister hatte kaum Zeit, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben, da stand der nächtliche Ruhestörer schon neben ihm, schmächtig, blaß, in die Tracht eines Theolo­giestudenten aus dem 18. Jahrhundert geklei­det. Bescheiden und sanft hub er also an: Entschuldigen Sie gütigst, daß ich zu so ungewöhnlicher Stunde.. Was ist los? Sind Sie verrückt?" Dr. Goebbels schnarrte die Frage ägerlich zwi­schen Kopfkissen und Steppdecke hervor. «Nein. Eben weil ichs nicht bin, möchte ich Sie ergebenst darauf aufmerksam machen, daß ich es anders gemeint habe!" W a s haben Sie anders gemeint, Herr... Herr wie war der Name?" Hölty! Ludwig, Heinrich, Christof Hölty! Mitglied des Göttinger Dichterbundes und Ver­fasser des Liedes Hier unterbrach ein hei­serer Husten die Vorstellung. Der Minister setzte sich auf und rieb sich ärgerlich den Kopf. Hölty er erinnerte sich dunkel seiner Schulzeit. Der Kerl mußte lange tot sein.Hören Sie auf zu husten und reden Sie endlich! Was haben Sie nicht so gemeint und was geht mich Ihr albernes Lied an?" Der Gast besiegte den Anfall und erwiderte traurigen Tones:Verzeihen Sie, das macht die Schwindsucht Ja, was sagte ich gerade? Ich habe es nicht so gemeint das Lied." Welches Lied, zum Teufel?" Sie sind doch für den deutschen Rundfunk verantwortlich?" Ja, Na und? Herr, kommen Sie zur Sache!" Nur noch eine Frage:Ihre SA. hat doch Menschen gemeuchelt Volkshäuser besetzt, Volksbuchhandlungen in Brand gesteckt die Zeitungen und Sportplätze der Arbeiterschaft an sich gerissen, das ganze Vermögen der So­zialdemokraten und Kommunisten gestohlen.." Gestohlen? Was erlauben Sie sich?" Na ja, jetzt heißt das wohl gleichgeschal­tet oder so ähnlich aber es stimmt doch, nicht wahr?" Hhnmel ja", der Minister wurde immer nervöser,hören Sie auf, in Rätseln zu spre­chen! Was hat das alles mit dem Liede zu tun und was für ein Lied haben Sic über­haupt verfaßt?" Ueb immer Treu und Redlichkeit" so heißt mein Lied!" erwiderte voll bescheidenen Stolzes der Dichter. Dr. Goebbels kratzte sich hinter dem Ohr, ihm war etwas dösig zumute so mitten in der Nacht.Treu und Redlichkeit? Mann, Sie waren sicher ein Romantiker!" Mit herabge­zogenen Mundwinkeln warf er die Worte ge­ringschätzig hin,und was geht u n s Ihr kin­disches Lied an?" Ja, sehen Sie", der Gast richtete sich em­por,das wollte ich eben Sie fragen. Wenn Sie schon morden, stehlen und brandschatzen, wie kommen Sie dazu, auch noch mein Lied zu mißbrauchen, es über die Maßen lächerlich zu machen? Lächerlich vor der ganzen Welt?" In diesem Augenblick klingelte es verschla­fen vom Lautsprecher herüber:Ueb immer Treu und Red-Llchkeit!" ,.Donnerwetter!" der Minister besann sich, das ist doch unser Pausenzeichen!" Jetzt war der Gast sehr zornig geworden. Zitternd schrie er:Ihr Pausenzeichen! Mein Lied! Sic haben mein Lied gestohlen und die ganze Welt hält sich, wenn es ertönt, den Bauch vor Lachen! Herr Doktor, wie konnten Sie es wagen?" Plötzlich gab es eraen\ Knall und der Mi­nister erwachte. Er sann lange nach und mußte sich endlich gestehen, daß dieses Erwachen ein großes Glück für ihn war. Denn er hätte zum ersten Mal in seinem Leben auf eine unangenehme Frage keine Antwort gewußt. Neudeutsdie Sprichworte Alter schützt vor Schutzhaft nicht. Wenns dem Esel zu wohl wird, geht er ins Dritte Reich tanzen. Was ein Häkchen werden will, denunziert bei Zeiten. Kein Feuer, keine Kohle, kann brennen so beiß, wie ein Reichstagsbrand, von dem Göring nur weiß. Willst Du den Dichter ganz verstehen, mußt Do sein Buch erst brennen sehen. Selbst die Blinden ! Der Reichsverband deutscher Blinden hat sich gleichgeschaltet; nur noch Blinde mit arischen Großeltern und nationaler U eher Zeu­gung werden offiziell als Blinde deutscher Zunge anerkannt. Nur sie werden in die Insti­tute aufgenommen, nur sie werden von Staats wegen in der Blindenschrift unterrichtet.