Nr. 7 Redaktion und Verlag: Karlsbad , Haus„Graphia" Fernsprecher Nr. 1081. Herausgeber: Ernst Sattler, Karlsbad . Verantwortlicher Redakteur; Wenzel Horn, Karlsbad . Druck:„Graphia-. Karlsbad . Itetr Sozialdemokratisches Wochenblatt SONNTAG 30. Juli 1933 Bezugspreis für die CSR.t Einzel-Nummer. Kc 1.40 Monatlich..„ 6.— Vierteljährlich.„ 18.— Bezugspreis für das Ausland Einzel-Nummer. K5 2.— Monatlich...» 8.— Vierteljährlich. n 24.— Aniwovt Rh Croring Mörder werden geriditet werden! Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands , Sitz Prag , veröffentlicht folgenden Aufruf: Das Preußenkabinett G ö r 1 n g fordert vom Reich�kabinett Hitler den Erlaß eines„Gesetzes zur Gewährleistung des Rechtsfriedens". Es kündigt zugleich eine neue Amnestie an, die zweifellos die an Johannes Stelling und hundert anderen Unschuldigen verübten Morde umfassen wird. Das neue Gesetz soll jeden Angriff auf Mitglieder der Nationalsoziaiistischen Partei, ja sogar jede Einfuhr mißliebiger Druckschriften aus dem Aus- land mit dem Tode bestrafen. Der Vorschlag Görings erstrebt die Vollendung eines Systems, das den Mord zum eigenen Vorteil verherrlicht und begünstigt, jeden Angriff aber auf die eigene Machtstellung, auch den mit gästigen Waffen, mit dem Tode bedroht. Das ist nicht Gewährleistung des Rechtsfriedens, sondern Zerstörung des Rechtsstaates und BürgerkrieginPer- manenz. Hermann Görtng zittert vor der Wahrheit Er weiß warum. Aber vergeblich ruft er den Henker gegen sie zur Hilfe. Vergeblich sucht die nationalsozialistische Partei die Anklage wegen ihres hundertfachen Verrats an allen nationalen und sozialen Forderungen ihres Programms im Blut der Ankläger zu ersticken. Wir erklären hiermit: Die von Goring geforderte Tötung politisdier Gegner bleibt Hlorcl, audi wenn sie mit dem durdividitigen Mantel eines angeblichen Gesetzes umkleidet wird. Minister, die ein solches Ge- seb bescfaliefien, Richter, die es anwenden, und Vollzugsorgane, die es ausführen, machen sim des Mordes schuldig. Sie haben am Tage der Abrechnung, der kommen wird, die verdiente Strafe zu erwarten. Das Urteil eines abhängigen Gerichts in Köln hat die lex Göring vorweg genommen und über sechs Arbeiter die Todesstrafe verhängt weil sie an einem Zusammenstoß mit zweifelhaften Elementen in brauner Uniform beteiligt waren. Die Vollstreckung dieses Urteils in einem Lande, in dem der Mord zu nationalsozialistischen Parteizwecken grundsätzlich straffrei bleibt, müßte von der ganzen Welt mit einem Schrei der Empörung beantwortet werden. Ein System, das solcher Taten fähig ist, ein System, das sich nicht anders zuj helfen weiß als damit, daß es für die Verbreiter lästiger Wahrheiten das Schafott verlangt, hat sich selbst das Urteil gesprochen. Die Kulturmenschheit darf vor ihm nicht kapitulieren, wenn sie nicht untergehen will. Kirchen und bürgerliche Parteien, Wirtschaftsorganisationen und Standes. Vertretungen aller Art haben sich unterworfen. Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands ruft zumKampf! Gegenüber einer Weit der Sklaverei ist er jetzt für Deutschland das einzig sichtbare und wirksame Zentrum des Widerstands und Angriffs. Deutsche diesseits und jenseits der Grenzen, Arbeiter, freiheitliebende Men sehen der ganzen Welt, erhebt Euch! Die Entscheidung steht zwischen Kultur und Barbare), vielleicht für Jahrhunderte! Nur der Sieg der Freiheit und des Sozia- llsmus kann die Menschheit vor dem Ua tergang bewahren. Zu uns muß stehen, wer kämpfen will! Prag , 25. Juli 1933. Der Vorstand der Sozialdemo' kratischen Partei Deutsch - lands. Arzte protestieren •. und kommen in Haft i Im Verlaufe der Aktion der SA.-Leute gegen Köpenick wurden eine Reihe von Aerzten von» den durch SA.-Leute verwundete Personen aufgesucht und um ärztliche Hilfe gebeten. Die festgestellten Verletzungen haben zu einem gemeinsamen Schritt von acht„arischen" Aerzten, davon zwei Nationalsozialisten, geführt, die sich an das preußische Innenministerium wandten mit dem Hinweis, daß sie nicht glauben könnten, die führenden Persönlichkeiten des Staates könnten derartige Mißhandlungen decken.— Die acht Aerzte wurden daraufhin selber gefangen gesetzt und geschlagen! deutschen Flugzeugen über österreichischen Städten. Und dieselbe deutsche Regierung, die selbst die Kritik an ihrer Tätigkeit mit dem Tode bestrafen will, sendet Mörder über die deutsche Grenze, um die Gegner der Gleichschaltung Oesterreichs , wie einst Rathenau und Erzberger , zu„beseitigen". Der Bursche von A 1 v e n s 1 e b e n, der ein Attentat auf den Tiroler Sicherheitsdirektor verübt hat, und die Abschießung einiger österreichischer Minister plante, hatte einen von der Münchner Polizeibehörde ausgestellten, auf den Namen Fritz Steiger lautenden, falschenPaß. Mit der Ausstellung falscher Pässe an nationalistische Mörder hat bekanntlich gleichfalls in München der derzeitige Reichsinnenminister F r i c k seine Karriere begonnen. Alvensleben hatte das Pech, in einem Bordell, in dem er mit nationalistischen Phrasen schwadronierte, verhaftet zu werden. Wäre er nach Ausführung der erteilten Aufträge glücklich nach dem Dritten Reich entkommen, ein Posten vom Polizeipräsidenten aufwärts wäre ihm sicher gewesen. Die zwei Gesichter des dritten Reichs Sprudhe von Rudolf Hess Der Stellvertreter des„Führers" Ru dolf Heß hat einen Erlaß herausgegeben, in dem er die Mißhandlung politischer Gegner auf— Spitzel zurückführt Solche Mißhandlung entspringt„bolschewistischer Gesinnung" und sei„der Nationalsozialisten unwürdig." So deklamiert Heß, so hört man es seit Monaten immer wieder. Und immer wird weitergemordet und immer wird weiter amnestiert I Mörder mit deutschem Paß! Der Krieg mit Oesterreidi Das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und seinem Bruderstaat Deutsch-Oesterreich verschärft sich von Woche zu Woche, von Tag zu Tag und nimmt immer mehr kriegsähnliche Formen an. Dieselbe deutsche Regie- "mg, die Flugzeuge mit feindlichen Propagandaschriften über Berlin erfunden hat, treibt echte Feindpropaganda gegen die österreichische Regierung mit relchs- Nach außen und— nach innen! Görings Blutgese� Göring schreit nach Blut. Es genügt ihm nicht, daß tausende unschuldiger Menschen zu Tode mlBbandelt, auf der Flucht erschossen oder sonst in grausamster Weise in den Tod gehetzt worden sind. Es genügt ihm nicht, daß im vierten Monat seiner glorreichen Revolution in Köpenick eine Schlächterei veranstaltet wurde, die jahrhundertelang unvergessen bleiben wird. Es genügt ihm nicht, daß Frauen des Nachts aus den Betten geholt und gepeitscht werden. Göring schreit nach mehr Blut! Jeder, der sich an einem SA.-Mann vergreift, soll des Todes sein! Ist das genug? Nein, auch das ist noch nicht genug! Auch die Einfuhr politischer Literatur aus dem Ausland, die sich kritisch mit dem Nationalsozialismus befaßt, soll mit dem Tode bestraft werden! Man kann sich die Sitzung der sogenannten preußischen Staatsregierung, In der diese Scheußlichkeiten beschlossen wurden, vorstellen. Da sitzt der blutgierige Morphinist, Schaum vor dem Munde. Um Ihn herum aber sitzen Männer, die nicht Irrsinnig sind, die weniger blutdürstig sind, die zum Teil sogar gelehrte Juristen sind. Sie hören das Gebrüll des Wahnsinnigen, sie nicken mit den Köpfen, sie wagen nicht zu widersprechen. Diese, nach außen hin so großmäebtigen Männer, in deren Hand das Leben von Millionen schutzloser Staatsbürger liegt, haben selber Angst um ihr Leben. Widerspruchslos stimmen sie den Forderungen des Tobsüchtigen zu. Ist es schon„Gesetz"? Oder ist es nur ein Antrag? Aus dem Geschwätz des Ministerpräsidenten vor der Presse geht das keineswegs klar hervor. Nachher aber wurde doch offiziös gemeldet, daß der Entwurf, der die Anschläge auf die SA. und die Einführung mißliebiger Literatur mit dem Tode bestrafen will, der Reichsregierung zugegangen Ist, damit diese Ihn zum Gesetz erheben soll. Einst hatte sich Adolf Hitler gebrüstet, die Relcbselnbelt hergestellt zu haben. Jetzt stellt sich der Ministerpräsident Preußens breit vor ihn hin und diktiert Ihm, was er im Reiche als Gesetz zu verkünden hat Das bedeutet staatsrechtlich die völlige Sprengung des von Hitler angeblich geschaffenen deutschen Einheitsstaates. Aber was Einheitsstaat! Was staatsrechtliche Grundsätze, wo alle Gesetze der Menschheit mit Füßen getreten werden! Was Göring in seinem Blutrausch vorgeschlagen bat, ist in der Geschichte ohne Beispiel. Im alten Preuße» vor 1848 wurde der Versuch, politische Parteien zu bilden, mit langjähriger Freiheitsstrafe geahndet. Darum galt Preußen damals nächst Rußland als das reaktionärste Land der Weit. Auf den Gedanken, einen derartigen Versuch mit der Todesstrafe zu bedrohen, ist kein preußischer Reaktionsminister und kein nissischer Zar gekommen. Im Entwurf Görings aber heißt es: „Mit dem Tode... wird bestraft, wer vorsätzlich Druckschriften politischen Inhalts aus dem Auslände einführt oder einzuführen unternimmt, wenn durch die Schrift... ein Verbrechen gegen§ 2 des Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien begründet wird." Nach dem Wortlaut dieses Antrages wäre es also möglich, einen Menschen vom Leben zum Tode zu befördern, weil er eine Zeltung nach Deutschland gebracht hat. In der zur Wiederbelebung— der deutschnationalen Partei aufgefordert wird!
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1 (30.7.1933) 7
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