Her größte Sdiidit« wedtsel IVazideutschland als Rechenexempel

In allen Ländern der Welt sind es die quälenden Probleme der Industriekrise, der Arbeitslosigkeit, der Finanz- und Wäh­rungssorgen, die die öffentliche Meinung beschäftigen. Ganz anders in Nazideutsch­land! Dort hat man ganz andere Sorgen. Bücher werden verbrannt oder in Bann getan, andere hingegen zu heiligen Schrif­ten erklärt, als Offenbarung übermensch­licher Fähigkeiten gepriesen. Ein allum­fassendes Rassenprinzip wird mit In­brunst zur Gottheit erhoben. Die ganze öffentliche und private Moral soll umge­modelt werden, ein Zeitalter der Tugend heranbrechen. Eine Neugeburt der Kirche wird ebenso stürmisch verlangt, wie die der Literatur, der Bühne und der Wissen­schaften. Nazideutschland scheint in die­ser Welt des Materialismus, wo von Stunde zu Stunde um Profit- und Lohn­sätze, Zollkontingente und Zinsennachlässe gefeilscht wird, eine Insel der Seligen zu sein; wieder einmal erweist sich das Deutschtum als ein Volk der Dichter und Denker. Versuchen wir nun, diesen Ueber- schwang der Gefühle und Ideen in Sprache und Tatsachen des Alltags zu übersetzen. *»« Die Rassentheorie zeitigt Blü­ten, die Tollkirschen und anderen Gift­pflanzen den Rang ablaufen könnten. Liest man ihre Geistesprodukte, so bekommt man den Eindruck, eine große Zahl von Menschen sei von einer Seuche befallen worden, die ein Gemisch zwischen Raserei und Blödsinn darstellt. Beim Lichte be­sehen, erweist sich aber diese Rassen­raserei als eine nüchterne, rech­nerische Betätigung. Sie richtet sich in erster Reihe gegen die Juden. Es gibt in Deutschland viele Juden, die öffentliche Stellen innehaben. Sie werden wegen Rassenunreinheit davongejagt und ihre Stellen und Arbeitsplätze unter den Par­teigängern des Nationalsozialismus aufge­teilt. Noch größer ist die Anzahl der Juden, die in den freien Berufen als Aerzte, Anwälte, Schriftsteller, Journali­sten, Musiker, Kinofachleute usw. tätig sind. Das Rassenprinzip wirkt wie ein Massenf allbeil. Im Nu werden Tausende und aber Tausende erledigt, die Beute kann unverzüglich aufgeteilt werden. Mas- senhaft richtet man jüdische Gewerbetrei­bende, Industrielle und Kaufleute zugrunde oder zwingt sie zur Verschleuderung ihres Vermögens, die rassenreine Konkurrenz bemächtigt sich wohlfeil ihrer Betriebe, ihrer Geschäftsbeziehungen, Kundschaft und Kreditquellen. Ebenso zahlreich ist die Kategorie der jüdischen Privatange­stellten, auch sie werden auf das Pflaster geworfen und durch Stützen des Regimes ersetzt. Rassenforschungsämter werden errichtet, die die Abstammung selbst sol­cher Leute, die bisher als unverfälschte Arier galten, bis in das zehnte Glied aus­forschen. Hirngespinste und Wahnsinns­anfälle? Nein, eine äußerst praktische Be­tätigung, den Nutzen daraus zieht der nationalsozialistische Parteigenosse, der Pg., für den auf der Suche nach einem Posten eine solche Abstammungsurkunde von unersetzlichem Wert ist, um den Mann, der gegenwärtig den Posten inne­hat, auszumieten. Eine jüdische Ur-Ur- ahne, die vor hundertzwanzng Jahren in eine christliche Familie eingeheiratet hat, welch ein herrlicher Fund! Dutzende und aber Dutzende ihrer Abkömmlinge kön­nen um ihre Stellen gebracht werden. Vorläufig beschränkt sich die Rassen­raserei auf den Kampf gegen die Juden. Erweist sich aber dieses Mittel als nicht genügend, um alle Appetite zu stillen, dann wird man ebenso eifrig nach der slawischen Abstammung fahnden. * Das zweite große Schlagwort dieses Schichtwechsels ist der Kampf gegen den Marxismus. Es mutet manchmal an, als ob wir in das Mittelalter zurückgefal­len wären. Ein Kreuzzug gegen den Teu­fel, den Antichrist, dem der Name(Mar­xist gegeben wurde, wird geführt, gegen die Erbsünde, das Radikalböse, das jetzt Klassenkampf genannt wird. Dieser Feld­zug gegen den T e u f e 1 kann ebenso ge­nau in Zahlen ausgedrückt werden, wie das Toben des Rassenprinzips. Durch jahrzehntelange Arbeit hat siak die

deutsche Arbeiterschaft mit unendlichen Opfern ein mächtiges Netz von politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Organisa­tionen und Genossenschaften ausgebaut. Ihr Vermögen wurde geraubt; an Stelle der durch die Arbeiterschaft eingesetzten Vertrauensleute und Beamten machen sich jetzt die Nazi breit Der Angriff auf das Brot der Arbeiter beschränkt sich nicht allein auf ihre Organisationen, überall zwingt die faschistische Diktatur Privat­betriebe, ihre sozialdemokratisch oder kommunistisch gesinnten Arbeiter und An­gestellten massenhaft zu entlassen und sie durch waschechte und gutgesinnte Pg. zu ersetzen. Auf diese Weise können Hun­derttausende, wenn nicht Millionen um ihr Brot gebracht werden. Der Nazisirius brüstet sich, als neuer Sankt-Georgsritter dem marxistischen Drachen den Todesstoß versetzt und da­durch das ständische Ideal, den Arbeits­frieden, verwirklicht zu haben, wo Ar­beitgeber und Arbeiter sich wie Brüder lieben. Von diesem paradiesähnlichen Zu­stand ist vorläufig noch wenig zu sehen, die Gewerkschaftshäuser aber wurden ge­stohlen und in alle Funktionen Nazis ein­gesetzt. Hier eröffnet sich auch eine Möglichkeit, den katholischen Gewerk­schaften, Genossenschaften und wirt­schaftlichen Organisationen das Lebens­licht auszublasen und die frei gewordenen Stellen unter den selbstlosen Kämpfern des Dritten Reiches aufzuteilen. Der P a r t e i s t a a t ist tot es lebe das einige, zu neuen Leben erwachte deutsche Volk! Die Angehörigen der frü­heren Parteien sollen aus allen öffentli­chen und privaten Anstellungen ver­schwinden, ein glänzendes Schlagwort, um auch sämtliche Katholiken, die früher nicht der nationalsozialistischen Partei angehört haben, zu erledigen und gleich­zeitig mit den früheren Bundesgenossen, mit den Deutschnationalen und mit den Stahlhelmleuten, von denen die meisten fette Pfründen besetzt halten, aufzuräu­men. Die Nazidiktatur erscheint im wei­ßen Gewände der Tugend, sie will die Korruption ausmerzen. Diese Korruptions- riecherei hat auch eine andere, sehr praktische Bedeutung: Wessen Po­sten du einnehmen willst, den klage wegen Korruption an, laß ihn durch die SA.-Leute verhaften und setz dich auf seinem Platz fest. Sollen wir davon sprechen, daß die völkische Erneuerung von Theater, Kino, Literatur, Presse und W i s- senschaft nicht nur die Verödung die­ser Geistesgebiete, sondern einen gewal­tigen Schichtwechsel bedeutet! Und die Beschlagnahme der mächtigen evan­gelischen Kirche? Wieviele fette Pfarrämter können da neu aufgeteilt wer­den! Und dieser ganze militari­stische Taumel, diese unaufhörlichen Soldatenspielereien, die Militarisierung selbst der Schoßkinder entspringt nicht nur einem seelischen Bedürfnis der neuen Herrscher, sondern auch den praktischen Erwägungen, unter dem Schlagworte wehrhafte Erziehung" eine große Reihe von Führern, Unterführern und Afterfüh- rem in wohlbesoldeten Stellen unterzu­bringen und die Massen der kleinen An­hänger inschwarzen" Formationen zu beschäftigen. Nun können wir den wirklichen Sinn der Ueberschwenglichkeit und Raserei des Naziprogramms in Zahlen annähernd aus­drücken: Posten Antisemitismus und Rassen­mystik........ 200.000 Ausmerzung des marxistischen Teufels und des Klassen­kampfes........ 500.000 Antikatholizisraus.»... 400.000 Totalitärer Staat. b. 200.000 Geistige Neugeburt.... 100.000 Herrschaft der Tugend und Korruptionstötung.... 200.000 Wehrhafte Erziehung(Siegreich wollen wir Frankreich schla­gen!)......... 500.000 1,900.000 Diese Zahlen können auf vielen Gebie­ten erheblich erhöht werden. Ideologien, Rassenphantasien und

der Welt Von Paul Szende. Schlagwörter der Nazis waren schon frü­her bekannt, sie erschienen aber dem ge­sunden Verstand als wahnhafte Gebilde, als Ausgeburten krankhafter Entstellung. Seit dem Anbruch des dritten Reiches ent­puppen sich diese Ideologien als Anwei­sungen und Schecks auf Stellen und Pfrün­den. Daß sie solche Massen an die natio­nalsozialistische Partei zu ketten vermoch­ten, zeigt darauf hin, daß diese Leute eine bessere Spürnase hatten, als ihre Gegner, denn sie ahnten, daß eine Neuverteilung, ein Schichtwechsel bevorsteht und sie wollten sich ihre Vorrechte sichern. Man sagt oft, daß der Nationalsozialismus, da er kein Brot zu geben vermag, immer Zirkusspiele veranstaltet. Zirkusspiele schon, aber nur für das Volk! Die Präto- rianertruppen kriegen wirklich Brot, sogar Zuckerbrot! Kriegt ein Anhänger nicht sofort einen

Die Konsum� genossensdiaften Der Bestand gefährdet trotf Sdiwenkung der IVazis Wie in den Gewerkschaiten, so herrschen auch in den Konsumgenossenschaften die Nazis. Sie begnügen sich aber nicht damit, die ieiten- tfen Posten zu besetzen, überall erfolgen mas­senweise Kündigungen des gewerblichen und des kaufmännischen Personals, nur um Nationalsozialisten Platz zu machen. Selbstverständlich hat das zu einer schweren Erschütterung des Vertrauens der bisherigen Mitgliedschaft geführt Die Konsum­genossenschaften verwalten noch heute rund 225 Millionen Spargelder und etwa 160 MilHo - neo Geschäftsguthaben und Reserven. Die ge­nossenschaftlichen Warenzentralen verfügen über Werte von rund 180 Millionen Mark. Diese gewaltigen Kapitalien sind so schwer gefährdet daß die Nationalsozialisten jetzt die Konsum­vereine stützen, während sie sie bisher zer­schlagen wollten. Der Reichswirt­schaftsminister hat deshalb im Einver­ständnis mit Hitler in einem Rundschreiben an die Landesregierungen hingewiesen, daß es ausschließlich Aufgabe der Reichsregierung sei, Entscheidungen in den Fragen des Konsumge- nosssenschaftswesens zu treffen. Seit der Ein­flußnahme der Nationalsozialisten auf die Kon­sumvereine ständen dem Erwerb der Mitglied­schaft keine Bedenken mehr entgegen. Innerhalb der deutschen Arbeitsfront ist ein Wirtschaftsausschuß zur Regelung der Kon­sumgenossenschaftsfragen gebildet worden. Ihm gehören nur Nationalsozialisten an. Die bis­herigen Leiter der deutschen Konsumgenossen­schaftsbewegung, auch soweit sie sich noch im Amt befinden und gleichgeschaltet haben, sind von jeder Einflußnahme ausgeschaltet worden.

entsprechenden Posten, so liefert Ihm das Nazikochbuch ein bewährtes und unfehl­bares Rezept Nimm eine große Dosis von Rassen­phantasie, gib einige nationale Phrasen und ein großes Maß von moralischer Em­pörung dazu, schütte sie in die kochende Volksseele, verschlucke sie und schreie sie laut aus, eine Woche lang, wenn notwen­dig unter den Fenstern deiner eigenen Führer, gib noch einige Leute von der SA. oder SS. mit Handgranaten dazu und du kriegst eine glänzende Stellung, womög­lich mit einer Fünfzimmerwohnung und einem Dienstautomobil." Was ist das dritte Reich? Eine riesenhafte, noch nie dagewesene Aufteilung der Beute, der Pfründen und der Futterplätze. Geht uns aus dem Wege! sagte Herr Goebbels neulich. Ja! Gehet ihm aus dem Wege, störet nicht diese Aufteilung! Die ganze Bestialität, alle Mordtaten, Fol­terkammern und Konzentrationslager des Systems haben nur einen einzigen Zweck, die Leute, die diesen Verdauungsprozeß stören, aus dem Wege zu schaffen. So vollzieht sich der größte Schicht­wechsel, den die Weltgeschichte je gese­hen hat

Ausgemeckert! Als derAngriff des großen Reklame- fachmannes Joseph Goebbels noch ein Organ für unwissende, verärgerte Proleten war, hatte er eine großartige Spalte;Der Meckerer." Darin konnte jeder unzufriedene SA.-Prolet über die Mängel seines Betriebes sein Herz entladen. Jetzt hat es sich ausgemeckertl In der UUstempresse lesen wir den Bericht über eine Betriebsversammlung der NSBO.-Ullstein. Hö­ren wir, was der Zellenleiter, Herr Pg. Herter, zu sagen hatte: Mit großem Nachdruck wandte er (Herter) sich wiederholt gegen die Kritiker um jeden Preis, erklärte er, daß fürdieMeckerer" von Be­ruf in der Zelle nunmehr kein Plajz mehr sei." Hier wird nicht gemeckert, hier hat man sich unterzuordnen! So weht jetzt der Wind, nach der Machtergreifung. Und wer trotzdem noch in der Betriebszelle meckert, für den Ist Raum in einer anderen Zelle. Und so etwas hat Jahrelang gegen denVer­rat" derroten Bonzen" gehetzt! Die ergreifende Uniform An diesem hohen Tage wurde in Essen nicht gearbeitet, die ganze Bevölkerung leierte ein Fest, nämlich das Fest des Besuches des ersten und beliebtesten Mannes in ganz Preußen. Ne­ben Gauleiter Terboven saß er, dem heute die Herzen ganz Essens In heller Begeisterung ent­gegenschlagen. Hermann Göring , Preußens oberster Beamter. Und als er sich dann er­hob in seiner prächtigen neuen Pour le merite geschmückten Fliegeruniform, da be­mächtigte sich aller Anwesenden eine feier­liche Ergriffenheit.... (Aus dem Dortmunder Generalanzeiger" J

Eine halbe Million mehr Arbeitslose Wenn ich an der Macht bin, gibt es in 4 Wochen keine Arbeitslosigkeit mehr!" (Aus Hitlers Reden.)

Im Sommer 1932 ist die Zahl der unter­stützten Arbeitslosen um 1 Million zurück­gegangen, im Sommer 1933 um 1.2 Millio­nen. So sieht äußerlich betrachtet das Ergebnis von 6 Monaten Hitler-Regierung aus. Von einer Verminderung um 2 Millionen Ar­beitslose, wie Goebbels und andere Schwindler behaupten, ist schon gar keine Rede. Weit zutreffender aber ist ein Vergleich der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer. Ende Juni 1932 waren 1 2.8 Millionen Ar­beitnehmer beschäftigt, Ende Juni 1933 1 3.1 Millionen, also nur 3 0 0.0 0 0 m e h f als zu der gleichen Zeit der Vorjahres. Dabei sind aber alle diejenigen Arbeitnehmer mitgezählt, die durch die Arbeitsbeschaffung mit öffent­lichen Mitteln untergebracht worden sind. Und zwar sind das: 300.000 Jugendliche Im Freiwilligen Ar­beitsdienst, 200.000 durch öffentliche Arbeits­beschaffung von Reich, Län­dern, Gemeinden, Reichsbahn und Reichspost, 200.000 die als sogenannte Landhelfer an die Landwirtschaft abgegeben worden sind, 20.000 Hausgehilfinnen durch Steu­ervergünstigung und Hinauswuri aus der Arbeitslosenunterstützung.

Zieht man diese 700.000 verschleierten Ar­beitslosen von der Gesamtzahl der In der Privatwirtschaft Beschäftigten ab, so ergibt sich, daß in diesem Jahre mindestens 4 0 0.0 0 0 Menschen weniger beschäftigt sind, als im vergangenen Jahre. In Wirklichkeit ist die Zahl noch wesentlich größer. Inhaf­tierte in Gefängnissen und in Konzentrations­lagern erhalten keine Unterstützung. Entlas­sene Arbeitnehmer müssen viele Wo­chen auf Unterstützung warten. Sie werden also noch nicht in der Statistik gezählt, während die in Arbeit gekommenen als Unterstützungs­empfänger nicht mehr gezählt werden. Auch das sind mehr als 100.000 Menschen. Die angebliche allgemeine Verminderung der Arbeitslosigkeit für ganz Deutschland ist also ein genau so dummer Schwindel wie die Mitteilung, daß ein Landkreis nach dem ande­re« 1« Ostpreußen die Arbeitslosigkeit be­seitigt habe. Die arbeitslosen ostpreußischen Landarbeiter werden ohne Lohn zum Groß­grundbesitzer gesteckt, der für Ihre Beschäfti­gung sogar noch einen Zuschuß aus der Reichskasse erhält Schade, daß Hitler noch nicht auf die Idee gekommen Ist so etwas in Berlin zu versuchen. Berlin von der Arbeits­losigkeit zu befreien, das wäre doch eigentlich ein viel erstrebenswerteres Ziel. Anscheinend gibt dafür aber Herr Schacht die Noten­presse noch nicht her.