uf gaben des»Menen Vorwärts«
Ein Begrüßungsschreiben Ton Karl Kautzky Es wird in der ganzen sozialistischen Arbeiter-Internationale niemand geben, der nicht das Erscheinen des„Neuen V o r- w ä r t s" mit lebhafter Freude begrüßt hätte. Besonders frohe Erwartungen mußte er aber bei jenen alten Genossen erwecken, die noch seinen Vorgänger, den Züricher„Sozialdemokrat", gekannt oder gar an ihm gewirkt hatten, wie das dem Schreiber dieser Zeilen vergönnt war. Eine scharfe Waffe des Kampfes gegen die Bedränger unserer Partei, eine Waffe des Sieges war der„Sozialdemokrat" unter dem Sozialistengesetz von 1879 bis 1890 gewesen. Eine ebensolche Waffe wird der„Neue Vorwärts" in der Zeit des Dritten Reiches sein, die hoffentlich weniger lange dauern wird. Hitler ist kein Bismarck! Allerdings ist seit dem Beginn des Sozialistengesetzes mehr als ein halbes Jahrhundert verflossen. Die Aufgaben, die dem „Neuen Vorwärts" gestellt werden, sind weit komplizierter und schwieriger. Dafür wird aber auch ihre Lösung weit gewaltigere Wirkungen nach sich ziehen, als der Sieg der Sozialdemokratie 1890 hervorbrachte. Natürlich muß der„Neue Vorwärts" ebenso wie es der alte„Sozialdemokrat" gewesen, in erster Linie ein Organ des Kampfes sein gegen alle Ausbeuter und Bedränger des arbeitenden Volkes. Aber bereits der Züricher„Sozialdemokrat" war noch mehr und dasselbe gilt für den „Neuen Vorwärts". Jede sozialistische Zeitung hat nicht bloß ein Organ der Anklage zu sein, sondern auch ein Organ der Aufklärung. Es soll die bestehenden gesellschaftlichen Einrichtungen zeigen, wie sie sind, unverzerrt, wahrheitsgemäß. Eine herrschende Minderheit kann ein Interesse daran haben, die Volksmassen zu betrügen. Eine Partei, die das Volk befreien will, wird ihre Zwecke nie durch die Erweckung von Illusionen erreichen. Die Aufgabe genauer und richtiger Informierung ist für jedes sozialistische Blatt gegeben. Sie wird besonders wichtig, aber auch besonders schwierig für ein Blatt von Emigranten, die von einem demokratischen Lande aus auf das eigene Volk wirken wollen, in dem jedes freie Wort geächtet wird. Für einen Bewohner des Deutschen Reiches ist es heute nahezu unmöglich zu erfahren, wie es im eigenen Lande aussieht Nur aus dem Ausland kann er ein Bild der gesamten inneren und äußeren Lage erhalten. Mehr als der normalen Parteipresse des Auslandes wird der Redaktion des„Neuen Vorwärts" die Aufgabe zufallen, die deutschen Arbeiter über die Verhältnisse im Reich zu informieren. Nicht minder wichtig ist das Werk der Organisation. Schon das Sozialistengesetz schloß jede legale Organisation der Arbeiter aus. Noch weit mehr gilt das für das Dritte Reich. Die Erfahrungen des Sozialistengesetzes zeigten, daß eine illegale Organisation zunächst nur im engsten Kreise möglich war. Gerade der Erfolg gefährdet sie. Je mehr sie sich ausdehnt, desto größer ist die Gefahr der Entdek- kung. Unter dem Sozialistengesetz kamen wir über lokale geheime Organisationen nicht heraus. Aber diese bedürfen zentraler Stellen, mit denen sie in dauernder Verbindung stehen, sollen die Aktionen im ganzen Reiche einheitlich sein. Unter dem Sozialistengesetz gab es zwei solche Stellen: Eine im Reich selbst, die Reichstagsfraktion, eine jenseits der Grenze, den„Sozialdemokrat". Noch galt die Immunität der Abgeordneten. Diese bildeten von selbst einen legalen Verein, ohne sich er5t als solcher konstituieren zu müssen. Heute besteht keine Fraktion mehr, die als Parteileitung fungieren könnte. Eine solche kann bis auf weiteres nur im Auslande ihren Sitz haben. Für das zentrale Parteiorgan bestand diese Notwendigkeit schon unter dem Sozialistengesetz. Die Fraktion fühlte mitunter sich und die Partei durch die Sprache des„Sozialdemokrat" bedroht und lehnte jede Verantwortung für ihn ab. Er war kein offizielles Zentralorgan, wirkte aber als solches durch das Vertrauen, das er bei den Arbeitern gewann. Wie der„Sozialdemokrat" verfügte auch die Reichstagsfraktion nur über moralische Mittel zur Wahrung der Einheit der Partei. Trotzdem und trotz mancher Unstimmigkeiten zwischen den beiden
Faktoren und trotz rühriger Zersetzungsarbeit von Anarchisten und Lockspitzeln ist es den beiden genannten Faktoren doch gelungen, die Einheit der Partei unter den schwierigsten Verhältnissen zu erhalten. Es muß auch jetzt wieder gelingen, obwohl die Bedingungen heute noch ungünstiger sind als vor einem halben Jahrhundert Die Parteileitung muß im Ausland sitzen, die Verbreitung des Parteiorgans ist weit schwerer als damals, und die Zahl der verschiedensten Bewerber um die Seele des Proletariats ist weit größer. Eng verbunden mit dem Streben nach Einheit ist das nach Klarheit. So wichtig die organisatorische Einheit ist so ist sie doch nicht ausreichend und zu wenig gefestigt, wenn sie nicht Hand in Hand geht mit geistiger Uebereinstimmung. Diese wird aber um so eher erreicht, je größer die Klarheit des Denkens ist. Im Nebel der Konfusion laufen vorwärtsmarschierende Gruppen am leichtesten auseinander. Und dieser Nebel ist augenblicklich sehr dicht. Die letzten Jahrzehnte haben das klare Denken nicht sehr begünstigt Sie haben in der heranwachsenden Jugend im allgemeinen den Tatendrang stärker entwik- kelt als den Wissensdrang. Und doch stiftet jener ohne diesen nur zu leicht Unheil Die Bourgeoisie sieht seit dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts keine großen Ziele mehr vor sich. Sie strebt nur noch nach Augenblicksvorteilen und kennt nur noch Sonderinteressen kleiner, allerdings mächtiger Gruppen. Die Gesetze der Gesellschaft und ihre Entwicklung interessieren sie nicht mehr. Sie überläßt deren Erforschung und Darlegung den Sozialisten. Diese fanden in der Mantschen Gesellschafts- und Geschichtsauffassung eine enorm fruchtbare Methode zur Erkenntnis des sozialen Lebens. Doch dieselbe Methode zeitigte für das kämpfende Proletariat auch reiche praktische Erfolge. Diese waren für die Arbeiter von höchstem Wert, förderten aber nicht ihre und ihrer Freunde theoretische Arbeit Eine rapide Ausdehnung der proletarischen Organisationen und ihrer Tätigkeitsgebiete zwang die Massen der Vertreter des Prolteariats in praktischer Arbeit aufzugehen und hemmte ihre Beschäftigung mit den großen allgemeinen Zusammenhängen der Gesellschaft also mit der sogenannten Theorie. Diese der theoretischen Arbeit und damit der sozialen Klarheit sehr ungünstigen Tendenzen wurden noch bedeutend verstärkt durch den Weltkrieg und seine Birkungen . Um kein klares Ziel wurde er geführt; um so mehr fühlte sich jeder bedroht, wenn er unterlag. Und als die Entente endlich ihren Sieg errungen hatte, diktierte sie in den Friedensverträgen neben ganz vernünftigen Bestimmungen auch ganz ungeheuerliche die nur schlimmster Unwissenheit und Unklarheit entsprangen und wieder nur neue Unklarheit schufen. Vor allem gilt das von den Reparationen. Inflation und Sanktionen vermehrten noch die allgemeine Verwirrung, die jede wissenschaftliche Erforschung ökonomischer und sozialer Gesetze anscheinend aussichtslos machte. Der Gedanke gesetzmäßiger Entwicklung versank immer mehr und der Kultus der Gewalt als Mittel der Formung gesellschaftlichen Produzierens nahm als Fortsetzung der Kriegswirtschaft oft höchst groteske und wüste Formen an. Unter diesen Umständen traten immer mehr gedankenlose Schlagworte an die Stelle klarer Begriffe. Die Unsicherheit der Menschen gegenüber den ungeheueren Vorgängen, die sie weder zu begreifen noch zu meistern verstanden, wuchs immer mehr. Damit wuchs aber auch das Bedürfnis nach einem selbstbewußten Mann, der den Ratlosen versprach, ihr Führer aus dem Labyrint zu werden, aus dem sie keinen Ausweg fanden und als zweiter Alexander den gordischen Knoten zu zerhauen.• Konfusion und Diktatur wachsen auf dem gleichen Holz. Die Nebelhaftigkeit des Denkens bedeutet nicht eine Verdunklung und Ab- schwächung der sozialen und politischen Gegensätze. Mit der steigenden Not der Krisenjahre verschärften sich diese vielmehr in zunehmendem Maße. Die Unklarheit fördert nur die Willkür des Denkens und Handelns, die durch keinerlei Erkenntnisse gezügelt wird und die dann den Eindrücken des Augenblicks überKefert ist
Das gilt natürlich am meisten für die neue Partei, die erst nach dem Kriege entstand und die durch keinerlei Tradition mit den Erkenntnissen verbunden ist, die in der Zeit vor dem Kriege erstanden waren. Was die Nationalsozialisten von dieser Zeit übernahmen, sind nur lächerliche Fantastereien namentlich in der Rassenfrage. Diese machen sie zur Grundlage ihres ganzen Tuns, ihrer einschneidenden und grausamsten Maßregeln. Und doch käme Hitler in die größte Verlegenheit, sollte er einmal dartun, welches die Rassenmerkmale der sogenannten arischen Rasse sind. Bisher haben die Nazis bloß ein einziges, allerdings untrügliches Kennzeichen der arischen Rasse mitgeteilt: die Taufscheine der arischen Individuen, sowie die ihrer Eltern und Großeltern. Der Mißachtung klaren systematischen Denkens und seiner Ersetzung durch leere Schlagworte hatte schon vor dem Weltkriege die Verkümmerung des sozialen Denkens in der bürgerlichen Welt vorgearbeitet, aber auch die Arbeiter blieben von dieser Entwicklung nicht unberührt Wohl wird die Sozialdemokratie, geleitet von dem Drang, die gesamte Gesellschaft systematisch zu erfassen, und sie gründlich umzugestalten, und sie wird dabei unterstützt von der bisher unübertroffenen marxistischen Methode zur Aufdeckung weit umfassender gesellschaftlicher Zusammenhänge. Aber während vor dem Kriege die Sozialdemokratie aller Länder fast identisch war mit dem an den politischen und sozialen Kämpfen der Zeit teilnehmendem Teil des Proletariats, haben sich seitdem eine Menge Proletarier, teils jugendlicher Nachwuchs, teils Zustrom aus neuproletarisierten Mittelschichten, anderen Parteien zugewendet. Wenigstens in den Großstaaten ist seit dem Weltkrieg die Signatur des Proletariats seine Zersplitterung in verschiedene einander wütend bekämpfende Parteien, während es bis 1914 fast überall nur eine einzige Arbeiterpartei gegeben hatte. In Deutschland war bei Hitlers Einbruch das Proletariat in vier verschiedenen Lagern zu finden: In der Sozialdemokratie, beim Zentrum, bei den Kommunisten und den Nazis. Sonderbar, daß gerade bei diesem Zustand des Proletariats mancher unserer Parteigenossen von Kommunisten oder Nazis die Idee einer Diktatur des Proletariats übernimmt! Wie immer man dieses Wort deuten mag, es wird zu einej Phrase überall dort, wo das Proletariat nicht eine geschlossene einheitlich denkende und handelnde Masse darstellt, sondern in sich tief zerklüftet ist Diese Zerklüftung ist eine der wichtigsten Ursachen seiner augenblicklichen Schwäche. Sie aufzuheben ist eine der unerläßlichsten Bedingungen seines Sieges. Es ist schwer zu erreichen, daß verhungernde, verzweifelte Menschen die Gemütsruhe und das Interesse finden, sich Wissen anzueignen und Erkenntnissen nachzuspüren, die nicht unmittelbar mit dem täglichen Brot zusamenhängen. Es gehört aber noch eine besonders große Willenskraft dazu, in dieser Weise tätig zu
sein im heutigen Hitlerdeutschland, in dem jede Aeußerung selbständigen Denkens als todeswürdiges Verbrechen aufs grausamste bestraft wird. Trotzdem müssen unsere Genossen versuchen, in dieser Hinsicht auch auf das arbeitende Volk Deutschlands zu wirken. Die Verhältnisse schaffen gerade jetzt in mancher Beziehung einen günstigen Boden dafür. Die Diktatur in Rußland hat mit ihren Methoden die Landwirtschaft ruiniert. Sie fühlt sich jetzt dem kapitalistischen Europa gegenüber schwach, bietet ihm ihre Freundschaft an, und das Ausland gewährt sie ihm gern, weil es den Bolschewismus nicht mehr fürchtet Dieser überläßt allenthalben außerhalb Rußlands die Kommunisten immer mehr ihrem Schicksal. Je mehr das zutrifft, desto leichter wird die Zusammenarbeit von Kommunisten und Sozialdemokraten, d. h„ desto eher werden jene zu der sozialdemokratischen Gedankenwelt zurückkehren, in der Lenin noch 1917 gelebt hat Andererseits nützt sich die Hitlerdiktatur in Deutschland rasch ab, ökonomisch und moralisch, was allerdings noch nicht bedeutet daß ihr Herrschaftsapparat versagt. Immerhin, die Proletarier, die an der Sozialdemokratie verzweifelnd bei Hitler Rettung suchten, müssen bald von ihm enttäuscht werden, soweit sie es nicht schon sind. Je mehr das eintritt, desto empfänglicher werden sie für sozialdemokratische Gedankengänge, namentlich, wenn sich gleichzeitig neben dem bisherigen Glauben an Hitlers Diktatur auch der Glaube an die Sowjetdiktatur als leere Illusion erweist. Und dazu gesellt sich die Erkenntnis, daß auch die katholische Kir che ihre Gläubigen nicht stützt. Das sind Bedingungen, die eine erfolgreiche sozialdemokratische Propaganda ermöglichen— nur vorausgesetzt, daß wir uns selbst treu bleiben. Die Verbreitung klaren sozialdemokratischen Denkens ist eine wichtige Aufgabe eines jeden der Organe unserer Partei. Die Verbreitung solchen Denkens innerhalb des deutschen Reichs von außen her ist wohl aber besonders eine Aufgabe'des „Neuen Vorwärts", soweit es ihm gelingt, Eingang in dieses Reich zu finden. Gewaltig sind die Aufgaben, die ihm zufallen als Organ des Kampfes, der Information, der Organisation, der theoretischen Klärung. Ungeheuer sind die Schwierigkeiten. die sich der Lösung entgegenstellen. Aber wir dürfen das festeste Vertrauen hegen, zum Enthuisiasmus der Energie, der Klugheit, dem Wissen der Herausgeber des„Neuen Vorwärts", daß es ihnen gelingen wird, alles zu leisten, was menschenmöglich ist, so daß schließlich der 1933 begründete„Neue Vorwärts" in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie ebenso ruhmvoll und ebenso erfolgreich dastehen wird wie der 1879 in Zürich begründete„Sozialdemokrat". Als der vielleicht einzige noch lebende Mitarbeiter des alten„Sozialdemokrat" wünsche ich dem„Neuen Vorwärts" besten Erfolg. Karl Kantsky.
Stechschritt— Professoren Im Berliner Grunewald veranstalteten die Universitätsprofessoren, gemeinsam mit den Studenten, einen Gepäckmarsch in Uniform. • Und wenn der ganze Erdball lacht: Das Hakenkreuze durchgedrückt, Marschiert der Vollbart in die Schlacht, Und seht, wie es vortrefflich glückt! • So wird die Sehnsucht doch gestillt, Die stumm in seinem Herzen ruht, Der Untertan sitzt ungeklllt In seinem rassereinen Blut. • Was stört ihn Geist und was Kultur? Die Brust heraus, den Bauch herein, Der Stechschritt wird zur Badekur Für so ein Stubenhockerschwein! # Gepäckmarsch, durchgedrückter Schritt— Die Professoren sind„erwacht", Sie schleppen ihre Schande mit— Gepäck, das niemand Ehre macht! Feg.
Im Verlage der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der CSR. , Prag II, Nekazanka 18 sind erschienen;
Spielbank In Baden-Baden Die Hitler -Regierung beschloß ein Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken. Eine solche ist zunächst nur für Baden-Baden vorgesehen.
Deutschland am Hakenkreuz, Dokumente des Himnenfaschismus, 64 Seiten, illustriert.... Otto Friedrich, Selbstmord einer Demokratie.......
Kö Mk. 2.50 0.35
2.50 0.35
Im Verlage der Zentralestelle für das Bildungswesen, Prag II, Nekazanka 18 sind erschienen: Für die Einheit der Arbelferklasse, 40 Seiten...... Emil Strauß , SowjetruBIand und die Arbeiterklasse..... Franz Rehwald, Kapitalistische WahnwIrtschaH ...... Fianz Mehring, Karl Marx (in Leinen geb.)....... Frz. Mehring , Gesammelte Schriften, 6 Bände, geb...... Jeder Band einzeln..... Anfang September erscheint: Arbeiter-Jahrbuch 1934, geb„ 200 Seiten, illustr........ io._ L.30
150.— 28.—
20.- 3.60
Zeitungstarif bew. m. P. D. ZI. 159.334/V1I-1933.