Redaktion und Verlag: Karlsbad

Haus Graphia- Tel. 1081

Preis der Einzelnummer 1.40

Im Ausland 2-)

vterteljährl.

Guld, 0.30 Guld. 3.60

Mk. 3.­

Neuer

Nr.9- Sonntag den 13. August 1933

Bezugsprels im Quartal 18­

( Im Ausland 24-)

Vorwärts

Auslandspreise

Einzelnumm.

Argentinien Pes. 0.30

Pes. 3.60

Belgien

Frs. 2.­

Frs. 24.­

Bulgarien

Lew. 8.­

Lew 96.­

Dänemark

Kr. 0.40

Kr. 4.80

Danzig

Deutschland

Mk. 0.25 Estland

E. Kr. 0.22 Finnland

Fmk. 4. Frankreich

Frs. 1.50

Holland

Gld. 0.15

Gld. 1.80 Italien

Lir. 1.10

Jugoslawien Din. 4.50 Lettland

Lat. 3.60

Sozialdemokratisches Wochenblatt Großbritannien

d. 4.­

E. Kr. 2.64

Fmk. 48.­

Frs. 18.­

sh. 4.85

Lat. 0.30

Lir 13.20 Din. 54.­

Der Reichstagsbrand

im Kabinett

Deutschnationale Minister

Idol

Auslandspreise Litauen Luxemb. B. Frs. Norwegen Kr.

Einzelnumm. vierteljähr l.

Lit. 0.55 Lit. 6.60 2.- B. Fr. 24.­

Oesterreich Sch. 0.40 Schill. 4.80 Palästina Mils 18.- Mils 216.­Zloty 0.50 Zloty 6.­

0.35 Kr . 4.20

Polen

Portugal Escud. 2.

­

Esc . 24.­

Rumänien Lei 120.­

Lei 10.­

Saargebiet F.Fr.

1.50 F.

Fr. 18.­

Schweden

Kr. 0.35

Kr. 4.20

Schweiz

Frs. 0.30

Frs. 3.60

Spanien

Pes. 0.70

Pes.

8.40

Ungarn Pengö 0. 35 Pengö 4.20

USA.

Dollar 0.08 Dollar 0.96

Frieden durch Wahrheit!

Die Pflicht der Völker und der Regierungen

Es gibt nur ein Mittel, den bedrohten Frie­

klagten Naziminister an den Europas zu retten: man muß dem deut­

schen Volk die Wahrheit sagen! Der Krieg wäre 1914 nicht ausgebrochen,

in der man sich befand. Niemand wußte, wie

witzige Außenpolitik. Volk und Regierung ga­

Die Sensation des Tages ist die Veröffentlichung des Manchester Guardian", daß der wenn man rechtzeitig die Wahrheit gesagt Verfasser der Denkschrift über den Reichstagsbrand der durch Selbstmord geendete Frak- hätte. Niemand in Deutschland wußte damals, tionsführer der Deutschnationalen Dr. Oberfohren war. In einer Kabinettssitzung In einer Kabinettssitzung haben wie vollständig die moralische Isolierung war, - deutschnationale Minister ihren nationalsozialistischen Ministerkollegen glatt den Vorwurf einmütig die ganze Welt war in ihrem Urteil der Brandstiftung gemacht. Am 26. März schrie Hitler in den Reichstag hinein, daß er über den verrückten Kaiser und seine aber­diese Verleumdungen am besten dadurch entkräfte, daß die öffentliche Hinrichtung der ben sich törichten Illusionen hin. Hätten sie Täter in kürzester Zeit vollzogen würde. Mittlerweile ist fast ein halbes Jahr vergangen gewußt, daß England und Italien an Frank­und die Welt wartet immer noch auf die Bereinigung dieses ungeheueren Volksbetruges. reichs Seite fechten würden, sie hätten es mit den Kriegserklärungen weniger eilig gehabt .Wenige Wochen nach dem Reichstags-, tender Menschen vorgenommen worden Die Voruntersuchung hat den Nazis und der Friede wäre erhalten geblieben. Die brand, Ende April, hat der, Manche- sein. Zweitens, sie können auch nur keinen Weg gezeigt, um an diesen beiden verdammte diplomatische Korrektheit hat die ster Guardian" eine aus deutschna- durch den unterirdischen Gang für sie vernichtenden Feststellungen vor- Welt 1914 in die Katastrophe gestürzt. tionalen Kreisen stammende Denkschrift in den Reichstag gelangt sein, der vom beizukommen. Nie ist deshalb Macht- Heute ist es noch schlimmer. Heute lebt veröffentlicht, die den Nachweis erbrach- Gebäude des Reichstagspräsiden- habern ein Prozeß so unbequem ge- das ganze deutsche Volk in einem Keller ohne te, daß das Reichstagsgebäude nicht von ten Göring in das eigentliche Reichs- wesen wie dieser. Findet er statt und wird Licht. Es weiß nicht einmal, wie es im eige­den Kommunisten, sondern auf Befehl tagsgebäude führt. Da das Präsidentenhaus er von der öffentlichen Meinung der gan- nen Lande aussieht, geschweige denn, was führender Nationalsozialisten, wie- dauernd von einer Wache, bestehend aus zen Welt kontrolliert, dann wird die Auf- draußen vorgeht. Alle seine Informationen be­ ring und Goebbels, in Brand gesteckt mehreren Dutzenden SA.- Leuten bewacht fassung, daß der Reichstagsbrand zieht es aus Zeitungen, für die das Wort ge­worden ist. Jetzt teilt der, Manchester war, so ist es völlig ausgeschlossen, daß das schlimmste nationalsozia- schaffen scheint: ,, Gelogen wie gedruckt !" Aus Guardian" mit, daß diese Denkschrift, die nicht mit der SA. im Bunde Befindliche listische Verbrechen ist, eine diesen Zeitungen erfahren die Deutschen, daß bereits damals großes Aufsehen erregte, diesen Zugang haben benutzen können. vieltausendfache Bestätigung finden. auf Weisung des Vorsitzenden der deutschnationalen Reichstagsiraktion, des Abgeordneten Dr. Oberfohren, ver­faßt worden ist. Solange Oberfohren lebte, mußte sein Anteil an der Denkschrift ge­heim gehalten werden. Seit seinem Tode besteht kein Grund mehr, das Geheimnis zu wahren. Es war sein Wunsch, die Denkschrift zu veröffentlichen. Er betrach­tete den Reichstagsbrand und das Einver­ständnis der nationalsozialistischen Füh­ rer Göring und Goebbels als ein Ver­brechen, das nicht ungesühnt bleiben dürfte. Da man bei der Haus­suchung bei Dr. Oberfohren diese Denk­Schrift fand und ihm androhte, er würde die Konsequenzen zu tragen haben, be­ging er Selbstmord.

Der Inhalt der Denkschrift hat dadurch nur an Bedeutung gewonnen. Sie sprach aus, was die damaligen deutsch­nationalen Teilhaber an der Regierung über die Vorgänge des Reichstagsbrandes wissen. Die Denkschrift beschreibt z. B. eine Kabinettssitzung, in der die deutschnationalen Minister den national­Sozialistischen Ministern Vorwürfe mach­ten, weil sie ein Verbrechen wie die Brandstiftung des Reichstags begangen und Deutschland in den Augen der ganzen Welt in Verruf gebracht hätten. Der ,, Manchester Guardian" schließt seinen Artikel vom 2. August mit dem Satz: Wenn auch gewisse Einzel­heiten geheimnisvoll bleiben z. B. die Rolle, die der Agent der Nazis, van der Lubbe, spielte - so ist doch die Mitwirkung

99

in der Welt die größten Sympathien für Hitler bestehen, außer bei den Marxisten und bei den Juden, die gegen Deutschland hetzen. Kommt es zu Verwicklungen, so hat nicht die brutale Dummheit der Berliner Regierung die Schuld, sondern eben die jüdisch- marxistische Hetze", Der ehemalige Redakteur des Volksblatt " in Detmold und frühere Privat- die man bekämpft, indem man Juden und Mar­sekretär des im Jahre 1919 in München erschossenen bayrischen Ministerpräsiden- xisten in Konzentrationslager steckt oder an ten Kurt Eisner, Felix Fechenbach, sollte in einem Kraftwagen nach einem die Wand stellt. bayrischen Konzentrationslager gebracht werden. Unterwegs unternahm Fechen- Die Denkweise des deutschen Volkes, zum bach angeblich, wie die amtliche Korrespondenz behauptet, einen Fluchtversuch. mindesten seiner führenden Schichten, entfernt Als er auf mehrmaligen Halt- Ruf nicht stehen blieb, feuerte die Begleitung hin- sich mit zunehmender Geschwindigkeit von ter dem Fliehenden her. Eine Kugel traf Fechenbach tödlich .

Fechenbach ermordet

Die Mörder sagen: Auf der Flucht erschossen! 99 Mit

Felix Fechenbach ist wieder einer un­der Hitlerregierung an der An- serer Besten der braunen Mordbestie zum zündung ihres eigenen Parla- Opfer gefallen. Er stand seit 1918 in der Be­mentsgebäudes als eine bewie- wegung und trat besonders bei dem Umsturz sene Tatsache zu verzeich - in Bayern im November 1918 hervor. Der da­nen." malige Ministerpräsident Kurt Elsner machte

nommen hätte, ist ganz ausgeschlossen. Er kannte die Methode der Konterrevolution viel zu gut, um sich auf diese billige Art abschie­Ben zu lassen.

Wie sagen die Naziminister: Noch nie ist eine Revolution so unblutig verlaufen...!

jener der übrigen Welt. Daraus ergibt sich nicht bloß eine Kriegsgefahr, die zur Not mit den normalen Mitteln der Diplomatie bekämpft werden könnte, sondern eine Entwicklung, an deren Ende mit mathematischer Gewißheit der Krieg steht. Ihr begegnen und damit den Frie­den retten, kann man nur, wenn man die aus­gefahrenen Gleise der üblichen Diplomaten­kunst entschlossen verläßt und dem Deutsch­Regierung und Regierten - - Wollte

man Fechenbach ungefährdet von land von heute Detmold in das Konzentrationslager von Da- die Wahrheit sagt. chau bringen, dann wäre der Transport mit Reichsdeutsche Flieger haben über österrei­der Eisenbahn, begleitet von Gefängnisbeam- chischen Städten Schimpfblätter gegen Doll­ten, der einfachste und sicherste Weg gewe- fuß abgeworfen. Deswegen haben Italien, sen. Man hat statt dessen auf der 600 km wei- Frankreich und England in Berlin ,, freund­ten Entfernung den Transport in Kraftwagen schaftliche Vorstellungen" erhoben. Nach be­mit SA- Begleitmannschaften gewählt. Wer währter Methode hat die Hitlerreglerung zwar diese Anordnung traf, trägt die in rüdem Ton geantwortet, von der wichtigen volle Verantwortung für die Er- Voraussetzung ausgehend, daß ihre deutsche mordung Fechenbachs. Anhängerschaft Kraftmelerei mit Kraft ver­Wer das ist, geht aus dem folgenden wechseln würde, in der Sache aber hat sie Briefe hervor, den Fechenbach Mitte Juli sei- gekuscht. Sie hat Mussolini Ihre Unterwerfung ner Frau schrieb: angeboten, weil sie sich diesmal in völlige ,, Heute wurde ich dem Herrn Staats- Isolierung befand. Aber glaubt jemand, daß minister vorgeführt. Ich wurde an Eisner damit die internationale Atmosphäre gereinigt und an meinen Prozeß erinnert und habe und der Frieden gesichert sein wird? manches hören müssen, was mir nicht ange- Hinter der österreichischen Frage lauern nehm war. Aber ich dachte an Dich| unzählige andere. Aber keine einzige von ihnen und an die Kinder und habe ge- selbst die der Abrüstung nicht ist so schwiegen. Das Entscheidende, was Dich wichtig, daß mit ihr zugleich auch das Ge­besonders interessiert und weshalb ich Dir samtproblem gelöst werden könnte. Das heute schreibe, ist dies: Der Herr Gesamtproblem, das ist der Bestand Staatsminister hat mir eröffnet, eines faschistischen Deutsch­ er habe in Bayern den Antrag gestellt, mich lands und sein Verhältnis zu der übrigen in ein bayrisches Konzentrationslager zu Welt. Nur wenn dieses Gesamtproblem inter­übernehmen." national mit aller Aufrichtigkeit und Klarheit

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Dieses Urtell wird auch durch das den jungen, mutigen Kämpfer zu seinem poli­bisherige Ergebnis der Vor- tischen Sekretär und vertraute ihm wichtigste untersuchung bestätigt. Besonders Aufgaben an. Später wurde Fechenbach zu 10 die Tatsache, daß man offiziell trotz mo- Jahren Zuchthaus verurteilt, well er einen natelanger fieberhafter Arbeit von meh- Papstbrief, der sich über den Kriegsausbruch reren Dutzenden Kriminalbeamten, die zu zugunsten Deutschlands äußerte und der Seine Frau, Mutter von drei kleinen Kin- zur Diskussion gestellt wird, kann der Zusam­einer besonderen Reichstagsbrandkom- selt langem der ganzen Welt bekannt war, dern, versuchte alles, um Fechenbach vor der menstoß vermieden werden, der sonst unver­mission" zusammengefaßt waren, nichts Inhaltlich einem französischen Journalisten mit- Auslieferung an Bayern zu bewahren. Da jede meldlich ist. Belastendes gegen die Angeklagten teilte. Von dieser ungeheuerlichen Strafe hat Veröffentlichung aber das Schicksal ihres Wer den Frieden retten will, der muß die veröffentlicht hat, spricht für dle Dürftig- Fechenbach 5 Jahre abgesessen, bis ihn die Mannes noch verschlechtern könnte, sah sie Mauer durchstoßen, hinter der die Hitlerregie­kelt der Anklage selbst. Zwelerlei aber Reichsamnestie befreite. davon ab, der Weltöffentlichkeit ihre Befürch- rung das ganze deutsche Volk gefangen hält.

ist sicher: Erstens, die Brandstiftung Am 5. März wurde er von SA.- Leuten über- tung zu unterbreiten, daß ihr Mann auf dem Er muß diesem Volk sagen, daß es in der gan­kann nur in einem Zeitraum von höch- tallen und schwer mißhandelt. Jetzt hat ihn Wege oder in Dachau ein furchtbares Schick- zen Welt keinen ehrenhaften Menschen gibt, stens einer Viertelstunde von einer Grup- die tödliche Kugel getroffen. Daß Fechenbach sal bereitet werden sollte. Nun ist es trotzdem der sich nicht von seiner jetzigen Regierung voller Abscheu abwendet. Er muß ihm sagen, pe von mindestens 12 gut zusammenarbel- beim Transport einen Fluchtversuch unter- geschehen.