Der Parteistaat Eine Fehlgeburt der Demokratie- Yom Junkerstaat zum Konzentrationslager Hitler hat den Parteienstaat ver­nichtet und den Parteistaat an seine Stelle gesetzt Urkund dessen hat er ver­ordnet wie folgt: Gesetz gegen die Neubildung von Parteien. Vom 14. Juli 1933. Die Reichsregierung hat das folgende Ge­setz beschlossen, das hiermit verkündet wird; § 1. In Deutschland besteht als einzige politi­sche Partei die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei . § 2. Wer es unternimmt, den organisatorischen Zusammenhalt einer anderen politischen Partei aufrechtzuerhalten oder eine neue politische Partei zu bilden, wird, sofern nicht die Tat nach anderen Vorschriften mit einer höheren Strafe bedroht ist, mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Gefängnis von sechs Monaten bis drei Jahren bestraft. Berlin , den 14. Juli 1933. Der Reichskanzler Adolf Hitler . Der Reichsminister des Innern: F r I c k. Der Reichsministcr der Justiz Dr. G ü r t n e r. Mit diesem staunenswerten Dokument naiver Unverschämtheit schließt sich bis auf weiteres der Kreis einer hundertjähri­gen Entwicklung. Vor hundert Jahren gab es in Deutsch­ land noch keine Parteien, ihre Bildung war streng verboten. In Preußen z. B. war Jeder Versuch einer politischen Parteibil­dung mit Zuchthausstrafe bedroht Es herrschte unumschränkt, durch keine öf­fentliche Kritik gestört, der Krieg mit seinen Generälen, Bürokraten und Jun­kern. Diese Her renklasse bildete in Wlrkfichkeit eine Partei, sie hatte es nur nicht nötig, sich so zu nennen, weil Ja andere Parteien neben ihr nicht existier­ten. Kaum hatte die Revolution das Eis gebrochen und die Bildung auch anderer Parteien möglich gemacht, da konstituierte sich die alte Herrenkaste auch schon als Konservative Partei". Die Konservative Partei war nun frei­lich nicht mehr allein. Sie mußte mit an­deren Parteien, bürgerlichen und später auch proletarischen, um die Macht kämp­fen. Das hat ihr niemals gepaßt, und in­nerlich hat sie den Anspruch auf Allein­herrschaft auch niemals preisgegeben. Das Geschimpfe auf denParteienstaat", das allen Spießbürgern so angenehm in den Ohren klang, war nichts als der Ausdruck der Sehnsucht zurück zurguten alten Zeit". Keine Parteien mehr, sondern nur «ine prlvllegierto Herrenpartei! Fort mit dem liberalen Partelenstaat, her mit dem reaktionären Parteistaat! Dieses Ziel ist jetzt erreicht. Der Kreis hat sich anscheinend wieder geschlossen. Aber zwischen dem Parteistaat von 1833 und dem von 1933 liegt eine stürmische ökonomische und politische Entwicklung, liegen Klassenkämpfe, Revolu­tionen, Putsche, Staatsstrei­che und Kriege. Die soziale Struktur sowohl der herrschenden Klassen wie die der beherrschten, änderte sich gründlich. Und darum ist auch der Parteistaat von 1933 anders als der Parteistaat von 1833. Die alte Herrenkaste sitzt wieder im Sattel, sie genießt mit vollen Zügen ihren Triumph. Aber neben ihr sitzt das Geld- sackbürgertum und manche Figur, die ihr noch weniger behagt Da muß man eben mit den Wölfen heulen, und so ist man heute auch nicht mehrkonservativ", son­dernnationalsozialistisch". In der neuen Führerschicht wimmelt es von Prinzen, Fürsten , Grafen , Baronen und ordinären Landjunkern auf einen bürgerlichen Re­gierungspräsidenten kommen schon wie­der neun Adlige aber man ist doch sehr fürs Volk", und statt vor einer Majestät von Gottesgnaden in Ehrfurcht zu erster­ben, tut man das vor einem Anstrei­chergesellen, den die Vorsehung zum neuen Heiland, Führer und Retter Deutschlands bestellt hat. Der konservative Parteistaat von 1833 war ein organisch gewachsenes Gebilde von unbegrenzter Borniertheit, aber auch von vollkommener innerer Geschlossen­heit. Der nationalsozialistische Parteistaat von 1933 ist vulkanisches Pro­dukt, entstanden aus einem geglückten Staatsstreich, den man fälschlich Revolu­tion nennt, und voll innerer Widersprüche. Er ist nicht mehr nur Herrenstaat, er ist auch Karikatur eines Volksstaates, wobei der zum Alleinherrscher emporgestiegene Schwätzer Adolf Hitler eine Karikatur des Aufstiegs der Arbeiterklasse darstellt die hohnvollste, die man sich ungefähr vorstellen kann! Und an die Stelle einer einheitlichen konservativen Weltanschau­ung ist eine gärende Mischung konserva­tiver Ideen, faulender demokratischer oder sozialistischer Gedankenreste und konfu­ser Rassentheorien getreten, deren Ge­ruch Bewußtseinsstörungen und Erbrechen hervorruft. Läßt sich auf solches Gedan­kengut ein neuer Staat gründen? Oft schon ist gesagt worden, daß das Sozialistengesetz im Verhältnis zu den heutigen Verfolgungsmethoden das reine Kinderspiel gewesen ist. So war es in der Tat. An Adolf Hitler gemessen war Bis­ marck ein Liberaler. Bismarck hat das allgemeine Wahlrecht eingeführt, das Hit­ler jetzt wieder beseitigt hat. Bismarck hat den Deutschen Reichstag ge­schaffen, der 66 Jahre lang 51 in der Monarchie, 15 in der Republik bestand, bis Hitler ihn zerstörte. Bismarck regierte abwechselnd mit Konservativen, Zentrum und Liberalen. Hitler gedenkt nur mit einer Partei zu regieren, der Hitlerpartei. Besieht man die Dinge recht, so ist der nationalsozialistische Parteistaat ein Ne­beneinander von alt und neu. Zum einen Teil ist er. wie schon gesagt, Wiederkehr des alten vormärzlichen konservaten Par­teistaats, soweit er aber etwas von jenem Abweichendes, Neues darstellt, ist es eine Fehlgeburt der demokratischen Entwicklung. Er mag sich noch so sehr bemühen, alle Spuren desMärzver­brechens" von 1848 und desNovember­verbrechens" von 1918 zu vertilgen, einige von ihnen haften ihm selber unauslösch­lich an. Der Anstreichergeselle an der Spitze des Staates, die ewigen Berufungen auf einen angeblichen Auftrag des deutschen Volkes, die pseudosozialistische Demago­gie das sind alles Dinge, die der alten Herrenkaste arg wider den Strich gehen, und alles Zeichen dafür, daß selbst die brutalste und dümmste Reaktion auf ge­wisse scheindemokratische und scheinso­zialistische Allüren nicht mehr verzichten kann, Die Welt hat sich in den letzten hun­dert Jahren ganz gewaltig geändert, und es wird bestimmt keine weiteren hundert Jahre dauern, bis sie sich abermals gründ­lich ändern wird. Der Weg der Revolu­tion. 1848 begonnen, 1918 fortgesetzt, ist noch nicht beendet. Er führt über die Trümmer des despotischen Parteistaates, des letzten Herrenstaates der Junker und Kapitalisten zum freien sozialisti- schenVolksstaat! F. St. »Idi großer Lump« Aber es war nur ein kleiner. DieFlensburger Nachrichten" melden aus Itzehoe : Wie dieSchleswig-Holst Tagesztg." meldet, wurde von SA -Männern mit großem Glockengeläut der frühere Hillspolizist Otto L I H e n t h a 1 durch die Straßen von Lock- stedter Lager geführt Er trug ein Schild mit der Aufschrift; Ich großer Lump habe das Eiserne Kreuz 1. und 2. Klasse zu Unrecht getragen." Ebenfalls hatte er sich unberechtigt Titel und Rani- beigelegt und dadurch Behörden-und- Vorgesetzte nicht nur getäuscht sondern so­gar veranlaßt daß ihm etliche Ehrungen er­wiesen wurden. Lilienthal ist eine Reihe von Jahren Mitglied der NSDAP , gewesen. Trotz­dem wird diese gefürchtete Volksiustiz jeden treffen, der sich in so schamloser Weise an der Allgemeinheit vergangen hat Nachdem durch die Polizei die Schwindeleien des L. fest­gestellt waren, wurde er aus der SA ausge­schlossen und ihm die Uniform und die Ab­zeichen abgenommen- So, so, also diese geiürchtcte Volksjustiz(!) wird jeden treffen, der sich in so schamloser Weise usw. Wann ist denn da der Herr Reichsstatthalter Kauilmann in Hamburg an der Reihe? Der hat sich doch ebenfalls un­berechtigter Weise mit dem E.-K. I. Klasse geschmückt und sich durch eine kleine Urkun­denfälschung älter gemacht als er wirklich war, um so verschiedene Ehrungen entgegen­zunehmen. Diese Verfehlungen Kaulfmanns sind nicht nur durch die Polizei, sondern durch die Gerichte, ja sogar durch den Untersuchungs- und Schlichtungsausschuß der Nationalsoziali­sten selber festgestellt worden. Nach der Machtübernahme aber bekam Herr Kauffmann nicht ein Schild mit einer bösartigen Aufschrift umgehängt, sondern einen sehr fetten Reichs­statthalterposten. Der Hilfspolizist Lilienthal in Itzehoe war ja doch nur ein kleiner Lump. Wäre er wirklich ein großer gewesen,, wäre er längst Minister, Statthalter oder wer weiß was sonst! Mensdiemsdimder als J us tizm inisier Unter dem TitelHakenkreuz- Terror in Braunschweig " ver- öffentlicht dieKommission zur Untersu­chung der Lage der politischen Gefange­nen", die von der Sozialistischen Arbeiter-Internationale in Zü­ rich eingesetzt ist, eine Broschüre, der wir das folgende grausige Kapitel über den Fall Theissen entnehmen: Matthias Theissen, ein alter Front­soldat, ein überaus kräftiger und tatfreudi- Wunscb aussprechen, daß nichts geschehen möge, was die Schlagkraft des französischen Sozialismus In dieser gefahrenschwangeren Zeit vermindern könnte. Und daß Mißverständ­nisse vermieden werden, die sich der Feind zu Nutze machen kann. Mag Leon Blum hundertmal Recht haben, wenn er davor warnt, dem Teufel des Faschismus auch nur den klei­nen Finger zu reichen, Renandel hat nicht weniger recht, wenn er sich und seine Freunde dagegen verwahrt, mit den Faschisten aui eine Stufe gestellt zu werden, wie das Jetzt in der bürgerlichen Presse täglich geschieht, Untersuchungen begangener Fehler, Erörte- nmgen Innerer Streitfragen, haben nur dann «Inen Sinn, wenn sie geeignet sind, unsere Rü­stungen im Kampfe gegen den Feind zu verstärken und unsere Pläne zu verbessern. Die Sozialistische Arbeiter-Internationale wird, des sind wir gewiß, den deutschen So­zialdemokraten, die noch kämpfen wol­len und kämpien können, auch künitig jede mögliche HUfe zuteil werden lassen. Es handelt sich dabei nicht um das Schicksal dieser oder Jener Ffihrergaruitur, sondern es handelt sich um die taptern Genossendrinnen im Lande, die unter Lebensgelahr den Kampf aufgenommen haben, und von deren Erlolg oder Nichterlolg das Schicksal der ganzen zivilisierten Welt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten abhängt Es Ist die wichtigste Anigabe dar Pariser Sozialisten-Konferenz, Klarheit darüber zu schalten, wie bei sorg- filtlger Abgrenzung von allen kricgrlschen, mi­litaristischen und kapitalistischen Tendenzen die sozialistisch und Irelbeitlicb gesinnten Men­schen der ganzen Welt, zu einer einheitlichen Aktion zusammengefaßt werden können, deren Ziel es sein muß: Sturz des Verbrecherregimes In Deutschland ! Rettnng des Weltfrledens! Vormarsch des Soziallsmus in Deutschland und überall! ger Mann, war Geschäftsführer der Zahlstelle Braunschweig des Baugewerkbundes. Nachts drangen SA -Leute in seine Wohnung in der Schubertstraße ein. Sie fielen über ihn her. Seine Frau sprang hinzu und erhielt gleichfalls Schläge. Dann wurde der halbbe­wußtlose Theissen in dasVolksfreund"-Gebäu- de geschleppt. Man schlug ihn mit Knüppeln und Stahlruten in das Gesicht, auf den Kopf, auf den Mund und in die Augen. Dann zog man ihn über den Tisch und bearbeitete ihn stun­denlang mit Fahrerpeitschen. Als die Schläger, von ihrer Arbeit ermüdet, eine Pause mach­ten, fragten sie Theissen, ob er seinen Austritt aus der Partei und seinen Mandatsverzicht er- klären wolle. Er antwortete:Nein!" Nun rissen die Folterknechte ihm das Zeug vom Leibe und peitschten ihn, bis ihm das Fleisch in Fetzen vom Leibe hing. Sie fragten ihn wieder, ob er die Erklärung abgeben wolle. Wieder antwortete er:Nein!" Sie gössen Salzwasser aufden zer- schundenen Körper, in das blutige Fleisch. Darauf peitschten sie weiter. Theis­sen schrie auf:Ihr Hunde, wenn Ihr mich totschlagen wollt, so gebt mir eine Pistole, damit Ich mich selber erschießen kann." Wieherndes Gelächter antwortete. Dann brachte man einen Revolver. Theissen setzte ihn an die Stirn und drückte ab. Die Waffe knackte. Sie war leer. Unter viehischem Ge­johle geht nach diesem Zwischenspiel die Aus­peitschung weiter. Nur aus der ungewöhnlich kräftigen Konstitution Theissens erklärt sich, daß er nicht das Bewußtsein verlor. Plötzlich erschien der SS -Führer und Landtagsabgeordnete Rechtsanwalt Alpers aus Braunschweig . Er war mit Theissen aus gelegentlichen Verhandlungen bekannt und sprach ihn an;Mensch, Matthies, was machst Du denn hier? Hast Du ein bißchen Schläge bekommen?" Darauf sagte Theissen:Können Sie das verantworten, daß man hier totge­schlagen wird?" Alpers antwortete;Na, Mat­thies, Du kannst aber ruhig Du zu mir sagen, wir sind doch Volksgenossen!" Schließlich fuhr Alpers den Schwerverletz­ten in die Nähe seiner Wohnung, warf ihn dort heraus und sagte:So, Matthies, diesmal bist Du noch davongekommen. Sagst Du je­mand, daß Du geschlagen worden bist, gehst Du zum Arzt oder in das Krankenhaus, so holen wir Dich wieder! Also hüte Dich!" Am 8. Mai wurde dieser Alpers braun- schwelgsicher Finanz- und Justizminister. Am anderen Tage war Theissens Körper eine einzige schwarz­braune, zerschundene, auf­gedunsene, klebrige, blutige-« Masse. Er wurde in das Katholische Krankenhaus zu Braunschweig gebracht Als er sein Ende nahen fühlte, gab er seinen Angehörigen und Freunden die vorstehende Schilderung. Und er fügte hinzu:Ich habe imVolks- freund"-Hause die Genossen Wilhelm Ricke, Heinrich Simon. Fritz Trute, Wilhelm War­necke und andere auf Strohhaufen liegen sehen. Nur an ihrem Stöhnen konnte ich erkennen, daß noch Leben In ihnen war." Zwei Wochen lang wälzte sich Matthias Theissen auf dem Krankenlager. Dann starb er. Frau Theissen und der Zentralvorstand des Baugewerkbundes in Berlin erstattete Straf­anzeige. Daraufhin beschlagnahmte der Staats­anwalt die Leiche. Nun mußte ein seltener Fall doch amtlich zugegeben werden, daß der Tod infolge von Mißhandlungen eingetreten war. Einen Tag vor der Bestattung ihres Mannes wurde Frau Theissen verhaftet. Sie sollte die Photographien herausgeben, die angeblich von ihrem Manne hergestellt waren und den Her­steller nennen... Als der Fall Theissen bekannt geworden war, flüchtete der Rest der sozialdemokrati­schen Stadtverordneten und Stadträte. Alpers aber ist Justizminister in Braun­ schweig ! England urteilt nüchtern Die Londoner FinanzrevueThe Econo- misf veröffentlicht folgende Charakteristik des Hitlerregimes:Der Hitlerismus besitzt viele Masken und Mundstücke: in einerund derselben Woche predigt der Führer selbst internationalen Frieden, während Herr Heines erklärt, daß der Krieg noch nicht beendet sei, und Herr Papen einen Berserker-Militarismus an den Tag legt. Man katin gleichzeitig von Herrn Hitler hören, daß die Revolution abgeschlossen ist, während ein Parteirandschreiben erklärt, daß unsere Feinde nicht ruhen etc. In diesem Stimmenbabel können wir nicht angeben, welche Stimme die wirkliche Nazi-Politik verkündet soferne eine solche Oberhaupt existiert und inmitten dieser widersprechenden Drohungen der Aktio­nen. die bloß das Crescendo der Grausamkeit gemeinsam haben, können wir nicht erkennen, welchen Kars der Steuermann soferne ein solcher überhaupt vorhanden ist 2« nehmen beabsichtigt.