Wo wohnt Goring ? Der Luxussarg des Morphinisten In einem Mietshaus, wie einstens die „korrupten Systemminister"? Nein! Das entspräche nicht jener spartanischen Einfachheit, deren die Herren des Dritten Reiches sich zu rühmen pflegen. Also in einem Fliegerzelt mit Feldbett? Auch nicht. Wo wohnt Göring ? Die„Neue Linie", ein mondänes Modenblatt, das in Berlin erscheint und mit Vorliebe aus der Führerschule plaudert, enthüllt der staunenden Mitwelt die spartanische Einfachheit der Goeringschen Häuslichkeit. Ueber vier Seiten hinweg bringt diese Zeitschrift in ihrer Augustnummer Bilder aus dem bescheidenen Heim des Herrn Ministerpräsidenten. Und was für Bilder! Es zeigt sich, daß der ungekrönte Nero von Deutschland sich mit einem unerhörten Luxus umgibt, mit einem Luxus, von dem die geschmähten„Bonzen" des zweiten Reiches sich niemals hätten träumen lassen. Das Palais des Reichstagspräsidenten, das ihm zur Verfügung steht, genügte ihm nicht — er mußte höher hinaus! Eine Architektin erhielt den Auftrag, die„bisher fehlende Amtswohnung" zu schaffen.„Bisher fehlend". Otto Braun begnügte sich mit einem kleinen Siedlungshaus in Zehlendorf , Fürst Goering aber braucht nicht nur e i n Grundstück, er braucht deren zwei. Eine„sehr geräumige" Villa wurde zum Schloß um- und ausgebaut, eine Zwischenmauer wurde niedergelegt, um„das angrenzende Raumgrundstück in einen weiten sonnigen Garten zu verwandeln." Die Räume selbst beweisen zweierlei: erstens, daß der Hausherr ein bedenkenloser Verschwender, zweitens, daß er geistig nicht normal ist. Neben der Kostbarkeit des Mobiliars, neben der Ueberfüllo an teuren Stoffen, Wandbe- je die Behausungen der Tyrannen, der Philipp von Spanien , Torquemada , Scar- pia, ayl die Bühne gestellt, genau so denkt fnan sich das traute Heim eines Großinquisitors, eines bluttriefenden köqiglichen Wüterichs— oder eines gefährlich Verrückten. fcn großen Arbeitszimmer, dessen Wände rings durch dunkle, bewegliche Vorhänge verdeckt sind, hängt ein mächtiger schmiedeeiserner Leuchter mit 66 Wachskerzen— elektrisches Licht wäre zu nüchtern, flackernde Kerzen müssen's schnitt— Spitzbögen überall. Ueber dem Renaissance-Schreibtisch aus Nußbaum mit dem Familienwappen Goerings hängt ein Schwert, daneben ein weibliches Aktbild, das Licht fällt durch verbleite, in kleine Quadrate geteilte Scheiben ein. Und der Hauptschlager— ein„Gc- dächtnisraum für die verstorbene Gattin". Neu eingezogene Gewölbebogen, Kerzen, schwarze Vorhänge. Es gehört wirklich ein für normale Gehirne schwer vorstellbares Maß von Eitelkeit, Geschmacklosigkeit und D u m m- Audienzraum.— Die Inschrift auf der Landkarte ist dem Dritten Reich gewidmet. h e i t dazu, die Photographie eines solchen Raumes in einer mondänen Zeitschrift abdrucken zu lassen, der Welt gleichsam ins Gesicht zu brüllen:„Da, schaut alle her, wie zart ich Edeling im stillen Kämmerlein zu trauern weiß!" Das ist Görings Wohnung— das ist er selber! Ein größenwahnsinniger Narr mit überreizter Phantasie und anormalem Triebleben. Und dem ist im 20. Jahrhundert ein Volk ausgeliefert, das vordem die freie Luft eines demokratischen, modernen Staatswesens atmen durfte! Sein Privatarbeitszimmer. hängen, Teppichen, Kunstwerken. Schnitzereien fällt vor allem eines auf— die gespenstische Düsterkeit der schloßartigen Gebäudes, die mittelalterliche, bedrückende. beinahe drohende Feierlichkeit der Säle und Hallen. Genau so haben geschickte Theaterdekorateure von sein— über dem Kamin der Bibliothek ist ein großes Mosaik-Hakenkreuz eingelassen,„das in seiner erstaunlichen Leuchtkraft an die Gemälde ungegenständlicher Malerei erinnert", der Durchblick aus den Privaträumen in das Arbeitszimmer gleicht einem Kirchenaus- Kerrl dpessiept Rachtep Zum Hittergruß gezwungen! Der Justizobersekretär K e r r 1, der jetzt in Preußen Minister spielt, hat den Richtern befohlen, im Gerichtssaal mit dem Hltlcrgruß zu grüßen. Die deutschen Richter sind zwar zum größeren Teil stark rechts eingestellt, aber doch eher dcutschnational als Nazi, In katholischen Gegenden sind sie vielfach Zentrums- anhänger, in den Großstädten stehen manche wohl auch noch weiter links. Sicher aber hat die große Mehrheit bis zum Staatsstrelch par- teimäßlg-nationalsozlalistischen Bestrebungen ferngestanden. Nun werden alle diese Männer gezwungen, durch Anwendung einer bestimmten Grußforra eine Gesinnung zu äußern, die sie in Wirklichkeit gar nicht haben und die die besseren Elemente unter ihnen aus tiefster Seele verabscheuen. Indes, wenn jetzt in Dcutschlaixi alle Menschen nach Methoden erzogen werden, nach denen man in Kulturländern kaum noch Hunde dressiert, warum sollten allein die Richter frei sein? Ist nicht der Zwang zum Parteigruß Im Gerichtssaal geradezu ein Symbol für die Vernichtung der Rechtspflege? Indem der Richter zum Publikum den rechten Arm erhebt, bekundet er, daß er kein freier Mann Ist, und daß es eine unabhängige Justiz nicht mehr gibt Marxisten, Juden und überhaupt alle, die sich Irgendwie unbeliebt gemacht haben, wissen da gleich, wo sie sind: an einer Stätte, an der nicht mehr das Gesetz gilt sondern der Partelbcfehl und die den Namen eine* Gerichts nur noch mit Unrecht führt Ley an dep Strippe Schmitt zieht sie Jede Rede des Wintschaftsmlnisters Schmitt Ist nicht nur eine Absage an den Schwindelsozialismus der Nazis, sondern auch ein oMenes und unzweideutiges Bekenntnis zu den geheiligten Grundsätzen des K a p i t a- 1 i s ra u s. Und mögen die Hitler , Goebbels , Gö ring und Ley auch ab und zu noch von„Gemeinnutz vor Eigennutz" reden, so wird derweil unter der strengen Führung von Herrn Schmitt an der Restauration des Kapitalismus gearbeitet Daß Herr Schmitt bei seinem Regierungsantritt die Forderung gestellt hatte, daß alle Sozialisierungsabsichten aufgegeben werden und alle Sozialisieningsmaßnahmen unterbleiben, war bereits bekannt Weniger bekannt Ist daß die Deutsche Arbeitsfront dieses angebliche Instrument zur Befreiung des deutschen Arbeiters auch dem kapitalistisch gesinnten Wirtschaftsminlstcr unterstellt wurde. Dem R ei c h s wl r t s c h a f t S- minister ist gegenüber der Arbeitsfront dieselbe autoritäre Führung zugestanden worden, wie sie Hitler gegenüber den militärischen Formationen und der NSDAP . besitzt Herr Ley ist nunmehr nur noch Untergebener des Herrn Schmitt Seit seiner Rückkehr von der Genfer Arbeitskonferenz hat er daher das Haus des ADGB » In dem die Arbeitsfront untergebracht ist, nicht wieder betreten. Das Pikanteste aber Ist daß Herr Dr. Schmitt erst mit seiner Amtsübernahme als Reichswirtschaftsminister die Mitgliedschaft bei den Nazis erworben hat Sehen Sie, das ist ein Geschäft! Die Nazibonzerie hat es verstanden, sich in allen Staatsstellen recht erkleckliche Bezüge zu schaffen, die in vielen Fällen weit über die früheren Sätze hinausgehen. Darob düstere Mißstimmung im proletarischen Lager der Pgs. Eine Musterlelstung ist nun ein Artikel der Nachrichtenstelle der Sächsischen Staatskanzlei, der die hohen Bezüge rechtfertigen soll und von der Nazipresse nachgedruckt wird. Es heißt darin; „.... Bei dem einfachen Leben, das diese Spitzen des Staates führen, würde ihnen natürlich auch ein geringeres Einkommen al* das vorgeschriebene genügen. Es würden dann aber auch viele karitative und kulturelle Aufgaben unerfüllt bleiben, die sie dank ihres Einkommens erfüllen können end jetzt gern erfüllen. Außerdem müssen sie f» einen ganz beträchtlichen Teil Ihres Einkommens dem Staat als Steuern wieder zurückgeben. Im übrigen benutzen sie ihre EinküoH* nicht zur Kapitalaufspeicherung, sondern führen sie in Mieten und sonstigen, die Wirtschaft befruchtenden Ausgabe« dieser w ieder voll zu. So haben r. B. mehrere durch Anschaffung von Kraftwage« aus privaten Miltein dem Staate die öffentliche Verpflichtung abgenoranjen, für ihre Beförderung auf den gerade jetzt unumgänglich notwendigen zahlreichen Dienstreisen aus Staatsmitteln zu sorgen. Ein objektiv denkender Volksgenosse wird- nach alledem eine Kritik der Besoldung der führenden Staatsmänner als kleinlich und unberechtigt weit von sich weise«- Kein echter Nationalsozialist wird begebreib daß seine Führer ein Ihrer Leistung und Ihrer insbesondere nach außen hin zu zeigende« Würde nicht entsprechendes Einkotnoe« haben sollen," Frech, dreist und dumm! Die Nazibonze« sind an die Macht gekommen, nachdem ri® jahrelang gegen die hohen„Bonzengehälter" des Systems, gegen diese„Verschleuderung von Steuergroschen und Staatsgeldern** da» Mau] aufgerissen haben. Die Bezüge sozialdemokratischer Ministerialräte waren für die braunen Demagogen schon Korruption. Und Jetzt? Erhöhte Dotationen für Hitlers Würdenträger wegen Wohltätigkeit. Steuern, Mieten, eigenen Autos,„Würde*" und„Leistung�' Und eigene Villen, Luxuswagen, eigene« Chauffeur, eigene Leibgarde der Oberbooze« zum Schutz gegen die Liebe jener VolksnU*' sen. die dieses korrupte Treiben mit ansehe« müssen. AB OKTOBER ERSCHEINT s SOZIAUSTISCHE REVOLETION!
Ausgabe
1 (20.8.1933) 10
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