Sonderausgabe: Pariser KongreD Redukdon und Verlag s Karlsbad , Haus„Graphla" Tel,<081 Prel» der Einzelnummer 1� � j J f\ (!ni Vusland Iii 2�) i\.C Aiulaodspreise Argentinien.. Belgien ..., Bulgarien ... Ranzig.... Deutschland .. Bstl nd.,,, Finnland ... Frankreich .. Großbritannien . Holland .... Italien ..... Jugoslawien .. Lettland ... Nr. 12 Sonntag, 3. Sept. 1933 BeingspreU Im Quartal 1/ � j q (Im inaland kc 21.-) JVC i O." (Im j Aualandspreisc Litauen.... Luxemburg ,. Norwegen ... Oesterreich. , Palästina... Polen ..... Portugal .., Rumänien •• Saargebiet.. Schweden .•• Schweiz ••. Spanien ••• fc:-.: Sozialdemokratisches Wochenblatt Komml neuer Weltkrieg? Wir Vaterlands� losen Der Staatsangehörigkeit verlustig erkilrt Die Hitler -Regierung hat 33 deutsche Reichsangehörige, unter ihnen die Genossen Breitscheid , Grzesinski , Hansmann, Scheidemann , Max Sievers , Stampfer und Wels der deutschen Reichsangehörigkeit für verlustig erklärt und die Beschlagnahme ihres Vermögens angeordnet Die genannten Sozialdemokraten teilen ihr Schicksal mit radikalen Pazifisten, wie Friedrich Wil helm Förster und ultra-radikalen Kommunisten, wie Max Hölz . Schriftsteller von Weltruf, wie Heinrich Mann und Lion Feuchtwanger , vervollständigen das bunte Bild. Was die Sozialdemokraten betrifft, nie zu vaterlandslosen Gesellen erklärt worden sind, so waren sie zum großen Teil im Gegensatz zu zahlreichen Mitgliedern der Hitler -Regierung während des Krieges Soldaten und Im Schützengraben. Sie haben stets nach besten Kräften der Sache des arbeitenden V o!- kes in Deutschland gedient und werden das selbstverständlich auch weiterhin tun. Daran kann kein Beschluß der In Berlin regierenden Verbrechergesellschaft etwas ändern. Von l h r vaterlandslos erklärt zu werden, ist n u r e i n e Ehre. Und die feierlich angekündigte Vermögenskonfiskation spielt gegenüber den furchtbaren Opfern, die die Funktionäre der Arbeiterbewegung drinnen im Dritten Reich zu bringen haben, keine Rolle. Für die Zukunft aber soll es nicht ohne Bedeutung bleiben, daß sich die gegenwärtigen Machthaber in solcher Weise über den bürgerlichen Begriff des heiligen Eigentums hinweggesetzt haben. Sie haben erst das gesan«e Ver- niögen der sozialistischen Arbeiterbewegung gestohlen; sie gehen jetzt dazu über, zur Befriedigung ihrer persönlichen Rachegelüste auch Einzelpersonen„entschädigungslos zu enteignen". Heute kann man sich nicht ohne Schmunzeln daran erinnern, daß Herr von Hindenburg einst seine Unparteilichkeit als Reichspräsident vergaß und Persönlich eingriff, als die e n 1 1 h r o n- ten Dynastien Deutschlands in Gefahr geraten waren, auf verfassungsmäßigem Wege entschädigungslos enteignet zu werden. Gegen die entschädigungslose Enteignung von Sozialdemokraten hat er nichts einzuwenden. Er feiert vielmehr jnR den Enteignern zusammen Freuden- teste und läßt sich von ihnen Millionen Schenken. Aber es wird ganz bestimmt nicht hnmer so bleiben wie es Ist Die anti- kapitalistische Sehnsucht der 95 Prozent aller Deutschen , von der einst Gregor Strasser sprach, wird sich auf die Dauer durch den Lärm der Feste nicht betäuben 'assen. Der Tag der Abrechnung �'■"d kommen. Und dann wird entschädigungslos enteignet werden, nicht aus persönlichem Rachebedürf- uis oder zum Zweck der persönlichen Bereicherung, sondern zum Wohle des Manzen arbeitenden Volkes. . Die entschädigungslose Ent- eisnung ist auf die Tagesord- ""ng der deutschen Politik ge- stellt. Sie wird von ihr nicht wieder verschwinden! Hitler , die Hoffnung aller Feinde Deutsdilands P a r 1 1, Ende Aagust. « Versucht mau, aus den Zeitungen aller Richtungen, aus Gesprächen mit Politikern und Unterhaltungen mit dem Mann auf der Straße ein Bild von dem zu gewinnen, was in Frankreich heute die allgemeine Meinung ist, so ergibt sich ungefähr das folgende: In Frankreich gibt es bestimmt keinen Menschen, der einen neuen Krieg will. Dazu tst die Erinnerung an die vergangenen furchtbaren vier Jahre noch viel zu stark. Widerwille gegen den Krieg war In der ersten Zelt nach der Machtergreifung Hitlers das entscheidendste Gefühl Man empfand:„Hitler ist Krieg!" und lügte sogleich erschrocken hinzu: „Nur das nicht!" Selbst wenn die Regierung anders gedacht hätte, wäre sie genötigt gewesen, in ihrer Außenpolitik diesem Massenempfinden Rechnung zu tragen. Hitlers Erklärung vom 17. Mal stieß auf allgemeines Mißtrauen. Sie stand zu allem, was sonst als oifizielle Meinung der neuen Machthaber Deutschlands In Erscheinung getreten war, In so schneidendem Gegensatz, daß man sie unmöglich für echt nehmen konnte. Dennoch schul sie eine gewisse Erleichterung. Wenn der deutsche Reichskanzler, so dachte man, beute so warm für den Frieden spricht, kann er morgen doch nicht losschlagen. So war man wenigstens die Sorge um die allernächste Zelt los. Und ähnlich dachte man über den Viermächtepakt Es kam aber der Koullikt mit Oester reich . Es kamen wilde Reden der Unterführer, Zwischenfälle an allen Grenzen, und es kamen die Nachrichten, die meldeten, daß ein ungeheueres Aufrüsten im Gange sei. So konnte man sich nicht mehr damit beruhigen, daß unmittelbar kein Krieg drohe, man begann den Krieg zu fürchten, der sich für eine nähere oder fernere Zukunft vorzubereiten schien. „Deutschland rüstet, nm uns zu über lallen!" das war die Meinung, die sich nun überall verbreitete. Aus ihr ergab sich die Frage, ob mau warten solle, bis Deutsch land Imstande sei, seine kriegerischen Absichten zu verwirklichen. Diese Frage beantwortet man Jetzt allgemein mit Nein. Also Präventivkrieg? Nein, den Präventivkrieg will, vielleicht von ein paar extremen Nationalisten abgesehen, niemand. Aber was man allgemein will, das ist die Präventiv- aktion gegen den Krieg und gegen die deutschen Rüstungen. Deutschand soll gezwungen werden, die bestehenden Verträge zu respektieren. Wie kann ein solcher Zwang wirksam ausgeübt werden? Frankreich hat die Weltmeinung geschlossen für sich. Das gibt ihm aber noch nicht die Sicherheit, daß es nicht bei einer diplomatischen Ollenslve in die Isolierung geraten könnte. Frankreich will nicht allein bleiben. Frankreich will auch nicht vorangehen. Darum blickt alles gespannt auf England. Eine französisch-englische Entente würde mehr bedeuten als eine Verdoppelung des Drucks, denn sie würde auch die Beteiligung aller kleineren Nachbarstaaten Deutschlands zur Folge haben. In England Ist nach der Presse zu urteilen, die Stimmung gegen Hitler-Deutschland viel schärfer als in Frankreich , wo die Presse bisher von der Regierung gezügelt worden Ist. Die englische Regierung hat einen ähnlichen Einfluß auf die Presse ihres Landes nicht ausgeübt. Sie bat der öffentlichen Meinung freien Lauf gelassen. Aber auf dem Parkett der Diplomatie war sie bisher womöglich noch vorsichtiger und zurückhaltender als ihre Kollegen In Paris . Neuerdings Jedoch glaubt man hier, daß die englische Regierung im Begriffe sei, ihre Passivität aufzugeben, und die diplomatische Offensive zu ergreiien. Daß in diesem Fall eine englisch -französische Einheitsfront sofort in Erscheinung treten würde, versteht sich von selbst Man erwartet also, daß England Im Herbst bereit seht wird, gemeinsam mit anderen Mächten von Deutschland die Einstellung des Propagandakriegs gegen Oesterreich und die Wiederabrüstung auf den vertragsmäßigen Stand zu verlangen. Das bedeutet dann Verzicht auf die rapide Militarisierung Deutsch lands , die einzige reale Funktion der NSDAP., und Auflösung aller Wehrverbände der SA. , der SS. , sowie des Stahlhelms. Man weiß natürlich, daß die Annahme solcher Forderungen durch Ireundschaltüchc Ermahnungen nicht zu erreichen ist. Nur wenn die Hitlerregierung fürchten wird, das Reich könnte zu Bruch gehen und sie selbst könnte unter den Trümmern begraben werden, erst dann wird sie sich zur Annahme so schwerer Bedingungen bequemen, deren innerpolitische Folgen gar nicht abzusehen sind. Die Hitler-Regierung wird vor die Entscheidung gestellt sein, ob sie der diplomatischen Niederlage, der sie nicht ausweichen kann, auch noch die militärische hinzufügen will. An einen Sieg Deutschlands glaubt kein Mensch. Man ist vielmehr fast davon überzeugt, daß Frankreichs Ueberlegen- helt durch seinen Rüstungsvorsprung und seine Bündnisse bis auf weiteres vollkommen gesichert Ist. Kommt es zum Krieg, so wird es danach ein deutsches Reich nicht mehr geben. • i Das ungefähr sind die Meinungen, die man in Frankreich jetzt allenthalben aussprechen hört. Der Herbst droht mit Stürmen. Ob sie sich bald wieder in ein sanftes Säuseln verwandeln, oder ob sie sich zu einem Orkan steigern werden, der vernichtend über Europa hinwegfegen wird, vermag keiner vorauszusagen. Man sieht hier In Hitler den Mann, der die ganze Welt gegen Deutschland geeinigt hat, und man fühlt sich stark gegen ihn. Auch die extremsten Nationalisten blicken hoffnungsvoll In die Zukunft. Ihr Ziel Ist Deutsch lands Untergang und Ihre Hoffnung heißt Hitler . Leasings Ermordung Der faschistisdier Terror In der(SR. Wieder knallte in der Tschechoslowa kei der Revolver eines hakenkreuzleri- schen Halunken, wieder wurde ein Vertreter der Menschlichkeit das Opfer vertierter, antisemitischer Meuchelmörder. Wieder fiel einer, dessen Name als Schriftsteller und Forscher in der Kulturwelt hohen Klang hat. Mit Professor Lessing ist ein Mann von hoher Begabung und reinem Idealismus gemeuchelt worden. Die Universität Hannover verlies er, weil ihm die Nazimeute das Bleiben unmöglich machte. Dieser Mann war ihnen zu aufrecht, zu demokratisch-republikanisch. Die akademischen Hakenkreuzbengel demonstrierten gegen ihn mit allen bei ihnen üblichen Mitteln. Nach dem Siege der braunen Betrüger ging er ins Ausland, ohne sich politisch zu betätigen, ja er war sogar der allzu sachlichen Meinung und sprach sie öffentlich aus: es sei nicht zweckmäßig, wenn reichs- deutsche Verjagte das deutsche Hunnenregime vom Ausland her bekämpften. Jedoch der braunen Mordkanaille ließ es keine Ruhe, daß dieser reine Denker, dieser Mensch idealistischen Wollens noch lebte. Noch ist der Mörder nicht gefaßt, aber man weiß, in welchen Kreisen er zu suchen ist Nach den bisherigen Meldungen können keine Zweifel darüber bestehen, daß die Hintermänner der Mörder in Deutsch land sitzen. Für Ergreifung des Prof. Les sing war seit Wochen eine größere Belohnung ausgesetzt So wie im Saargebiet schon mehrmals Verfolger oppositioneller Flüchtlinge gefaßt werden konnten, häufen sich in der CSR. die Beweise, daß Naziinstanzen der CSR. ganz planmäßig mit deutschen Hitlerorganen an der Verfolgung von Emigranten arbeiten. Hier einige Fälle aus jüngster Zeit: In wenigen Tagen findet in Pilsen der Prozeß gegen den SS -Führer Leonhardt aus Markneukirchen statt, der überführt wurde, den Kommunisten Lippert über die Grenze gelockt zu haben, um ihn, wie L. jetzt selbst zugibt, Lippert beim geringsten Widerstand zu erschießen. Seine Kumpane lagen schußbereit im Walde dicht an der Grenze. SA -Leute aus Oberwiesenthal rückten bewaffnet gegen die Hütte der Naturfreunde in Wlcsenthal vor und griffen dabei tschechoslowakische Grenzer an. Dieser Tage wurde die Wirtin des Nachbargebäudes verhaftet, weil Beweise vorliegen, daß die Frau den Oberwlesentbaler SA-Leuten Hille geleistet hatte. Der SA-Führer Richter, Oberwiesenthal , fuhr eines Tages einem reichsdeutschen Juden im Auto nach Karlsbad nach, um seine 'Entführung durchzuführen. Richter ging mit seinen Kumpanen eine Wette ein, daß er unbemerkt zurückkommen könne, well ihn die Bevölkerung jede Hilfe biete. Der Versuch, ein Attentat gegen S c h e I- d e m a n n durchzuführen, als er In Karls bad war, ist noch In frischer Erinnerung. In Karlsbad kann fortgesetzt beobachtet werden, wie Nazi versuchen. Quartiere der Emigranten zu erlorscben. Die Nebenabsichten: siehe die Ermordung Lessings. Einem Nazi In Joacblmstbal konnte ein Brief abgenommen werden, als er die Chemnitzer Krimlnalpolltlzei darüber verständigte, wo sie Emigranten finden kann. In Katharinaberg hatten die Hak- kinger alle Vorbereitungen getroffen, um einen sächsischen Parteisekretär zurückzu- belördero. In Asch rühmen sich die Nazi, daß im Ort deshalb kein Emigrant Zuflucht suche, weil sie Ihn schnell nach Bayern melden könnten. In der Nähe von R u m b u r g lockten die Hakenkreuzler ebenfalls einen Kommunisten über die Grenze. Es häufen sich die Fälle, in denen Briefe von Verwandten der Emigranten eintreffen— in Wirklichkeit sind es Briefe der Nazis, die Flüchtlinge an die Grenze zu locken suchen. Einzelheiten zeigen, wie
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1 (3.9.1933) 12
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