Braun-blonder Imperialismus Ausdelmimg'sdrangr des Blödsinns—' Schwerindustrie profitiert durch Rassenquatsch dümmsten, hilflosesten Phraseologie aufwartet, die es je gegeben. Da der Weltmarkt enger geworden und die Krise international ist, gebar dieses politische Kurpfuschertum den Schrei nach..Autarkie", nach Absperrung von der Welt.„Die deutsche Wirtschaft den deutschen Menschen!" Hier aber berühren sich wirtschaftliche Rückwärtserci und Rassenniumpitz: der deutsche Markt muß größer sein, wenn er„autark" existieren soll. Und so wird denn frei nach Karlchens und Adolfs Rasselehre für„germanisch" und deutschzugehörig erklärt, was ringsum Irgend einmal germanische Vorzelt hatte. Die Staats- und Wirtschaftseinheit der „nordischen Herrenrasse"— zu der auch die Mischbevölkerung Böhmens und des Donaustaates gehören! Ist es Wahnsinn, so hat es doch die Methode des Wahnsinns. Der wilhelminische Imperialismus ergab innerhalb eines Jahrzehnts eine für Deutschland gefährliche Einkreisung der drei Verbündeten, der neudeutsche Rassenimperialismus aber zeitigte binnen wenigen Monaten nicht nur die völlige Isolierung Deutschlands , sondern sogar Krieg mit Deutsch -Oesterreich. Ein fabelhafter germanischer Einigungsrekord! * Und die deutsche Bourgeoisie? Sie schimpft im stillen Kämmerlein und schweigt im übrigen, denn so sehr ihr Vorkriegsimperialismus den Wünschen des breiten deutschen Bürgertums entgegenkam, so wenig hat es gegenwärtig mitzureden. Eine mächtigere Schicht schwang sich über dieses Bürgertum empor, schmierte den Bandenführer Hitler , brachte ihn zur Herrschaft und zwang ihn in ihren Dienst: die Schwerindustrie. In Nummer 10 unseres Blattes wurde ein Stück Enteignung des Reiches durch das Schwerkapital dargetan: der Stahltrust hat sich der Aktien des Staates bis auf 20 Prozent entledigt. So wurde Thyssens ehemalige Oberherrschaft wie- Blutige Tiej�tÄ— Der mehrfache Raubmörder Steraickel war als Tierfreund bekannt. Im Tauben- züchten bekam er den I. Preis. Als er seine letzten Morde begangen und seinen Dienstherm samt Familie niedergeschlagen hatte, fütterte er das Vieh und molk die Kühe, ehe er flüchtete. Das gibt's also. Und deshalb braucht man sich gar nicht zu verwundem, wenn jetzt plötzlich die Herren des III. Reiches ihre Tier- liebe entdecken. Die Strafen für Tierquälerei sollen verschärft und die Vivisektion, die Zerlegung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken, soll verboten werden. Im„Völkischen Beobachter" begründet das ein Dr. Eckhard, SS.-Ab- schnittsarzt zu Hannover , mit einem längeren Artikel. Er setzt sich da für das „wehrlose Tier" ein und sagt, diese Tierfolter(Vivisektion) könne„in ihrer Furchtbarkeit und Grausamkeit nur verglichen werden mit der Menschenfolterung des Mittelalters..." Diese Tierfolterung richte unendlichen Schaden an„durch Verrohung vieler Menschen..." Und zum Schluß: Tierschutz treiben heißt für uns letzten Endes nichts anderes, als menschliche Selbstsucht und Grausamkeit bekämpfen. Es geht nichts über diese Heuchelei! Wenn es diesem SS. -Arzt um Bekämpfung der menschlichen Grausamkeit zu tun ist, wenn er der Verrohung der Menschheit wehren will, so hätte er ja in seinen Kreisen hinreichend Gelegenheit Als Naziarzt muß er wissen, welche Mißhandlungen, welche Folterungen, welche Grausamkeiten seine Pgs. an wehrlosen Menschen begangen haben. Vor allem der „Völkische Beobachter" muß auch wissen, daß mau im Ausland die Nazi-Bestialitäten mit der„Menschenfolterung des Mittelalters" vergleicht und daß es die Nazibonzerie seit Jahren als ihre Aufgabe ansieht, zu Brutalität und Roheit aufzureizen. Hier ein neues Beispiel. Der Nürn berger Nazioberbürgermeister Liebel sagte kürzlich im Stadtrat von Nürnberg : Zur Durchführung dieses Gesetzes(zwecks Hinauswurf nichthakenkreuzlerischer Beamten. Die Red.) gehört auch eine gute Portion von Brutalität und an dieser mangelt es nicht. Wenn einer oder der andere der von der Aktion Betroffenen sich aufhängt, oder sich eine Kugel durch den Kopf schießt, so geschieht dies, weil er zehn Jahre hindurch ein Schweinehund gewesen ist Dieses blutgierige Gesindel trieft von „Tierliebe"! Der Mörder Stemickel hatte eins für sich: Er sabberte nicht von Liebe zur Kreatur, vom Kampf gegen„Verrohung und Grausamkeit" Er wußte über sich recht gut Bescheid; er war ehrlich und heuchelte nicht Und dabei konnte er für sich immer noch in Anspruch nehmen, daß er seine Opfer nicht quälte und folterte, ehe er sie tötete. Endlieh wieder lustik! Es gibt keine Konzentrationslager••• Auch die Parolen des Imperialismus, des nationalen Ausdehnungsdranges, unterliegen dem Wechsel der Zeiten, und an den außenpolitischen Parolen erkennt man den Charakter einer politischen Umwälzung. Nach der bolschewistischen Revolution schrieb Rußland die Befreiung der Völker vom Kapitalismus auf seine außenpolitische Fahne. Der italienische Faschismus versprach eine neurömischc Renaissance, verstand darunter die Wiederherstellung der ehemaligen römischen Herrschaft über Adria und Mittelmeer und begründete das nicht mit der Zukunft, sondern mit der Vergangenheit. Der braune Faschismus, dümmer als der schwarz- behemdete, geht darüber hinaus: Alles muß deutsch werden, was einmal irgendwie„germanisch" besiedelt war. Von England abgesehen— vor den Großen macht man demütig Halt Aber die Kleinen! Wehe ihnen, wenn--! Und so werden In Skandinavien , In Holland , Im flämischen Gebiet, in der Schweiz , in Nordböhmen nationalsozialistische Gruppen mit Hitlergeld geschmiert; sie sollen den Tag des Anschlusses an Deutschland vorbereiten! Von Oesterreich nicht zu reden. Dieser Hltlersche Rassen-Mumpitz liefert die Parolen für den n e u d e u t- schen Imperialismus. Mögen auch die Kraut- und Schlotjunker über den braunen Rassenwahn mitunter lächeln, und das ganze lediglich als eine willkommene Abwechslung in den Methoden der nationalen Aufputschung betrachten, so ist dieser rassische Imperialismus "�hfsdestoweniger heute in Deutschland offiziell und entspricht teils dem Wirtschaftsblödsinn des Ha- �enkreuzes. teils— so verrückt das ?Uc" klingt— gewissen Interessen der errschenden Schwerindustrie 1- en Gruppe und teils der politischen effeneration und Hilflosigkeit der deutschen Bourgeoisie. '--r Mit der neudeutschen Ausdehnungs- Dhrassologie verglichen, erscheint der yilhelminische Imperialismus immer noch logischer und gesünder, als er je gewesen. Er entsprach den Wünschen eines Kapitalismus, der noch in der Entwicklung und darum zielklar war, dem es auf die Eroberung neuer Absatzplätze und Kapitalisierungsmöglichkeiten ankam. In wilhelminischen Schlagworten vom ..Platz an der Sonne", den es zu erobern ?elte, und von der Zukunft, die auf dem Wasser liege, drückte sich der Kampf um Welthandel, Kolonien und Märkte In erwachenden Gebieten aus. Die deutsche ßourgeoisie wußte damals besser, was s'e wollte, und dem entsprach auch— trotz aller Fahrigkeit Wilhelm II. — die �ündnispolitik vom Dreibund bis zum Bündnis mit der Türkei . Das war die Straße nach Asien , der Weg zur ßngdadbahn und in Rohstoffgebiete, es entsprach dem Denken eines entwicklungsfähigen Kapitalismus mit robusten 'mperialistischen Appetiten; das führte schließlich zum Kriege und zum deutschen Zusammenbruch. Heute ist der Kapitalismus In Trust- Monopolherrschaft erstarrt, ist ge- nemmt durch den Versailler Vertrag, ist verdrängt von der erwachenden Industrie erwachter Völker, kann seine Menschenmassen nicht mehr im Produktions- Prozeß unterbringen und stand darum vor der Frage; europäisch-sozialistische Planwirtschaft für den europäischen Großwirtschaftsraum oder faschistische Wktatur. Er stürzte sich in die Arme eines Hakenkreuzdilettantismus, der wirtschaftlich und außenpolitisch mit der Friedliche Reden Oberpräsident Freiherr von Ducnlnck eit bei der Einweihung des Aachener Ehren- ti 3 u e'ne Pede.'n welcher er das außenpoll- sche Programm des Dritten Reiches folgen- aerniaßen darlegte: ..Noch ist das Werk nicht vollendet, daß 'm Dritten Reich ein Adler seine Schwingen spannt von Aachen nach Wien , von ?.s' Hnrcnndisüicn Pforte bis zum deutschen Meer im Ferner Osten , von den A I p t n zur K ü s t e. Ahei das Werk wird vollendet." Hitler aber versichert der Entente:„Wir kn den Frieden!" Hitler hat am Niederwalddenkmal eine Rede gehalten. Es sollte eine Kundgebung für das Saargebiet sein und wurde für Frankreich ein Beweis, daß man weiter rüsten müsse. In dieser Rede versucht der braune Bandenführer wieder einmal, die Greuel und Bestialitäten seiner Garden hinwegzuiügen. Dabei pumpt er sich also auf; Ich bin Jederzeit bereit, wieder an die deutsche Nation zu«ppeiiieren und mich ihrem Votum zu stelUn, denn ich weiß, heute würden es mehr a<U fünf Sechstel sein, die bedingungslos hinter uns stehen. Sie werden in wenigen Stunden zurückkehren In Ihre Heimat und werden die große Wahrheit mitnehmen, daß Deutschland nicht das ist, was ehrlose und gewissenlose Gesellen der Welt vorlügeu wollen, nicht ein Land der Trauer, des Schmerzes, des Unglücks, der U n- terdrücker, sondern ein Land, in dem seit IS Jahren zum ersten Male wieder ein fröhliches Lachen ertönt, in dem wieder ein Glaube an die deutsche Zukunft das Leben lebenswerter erscheinen läßt. Hört Ihr's, ihr Abertausende in den Konzentrationslagern, in den Gefängnissen und Kerkern, ihr Gefolterten und Mißhandelten, ihr Abermillionen, die ihr den Mund nicht aufmachen dürft, wenn ihr nicht eins mit dem Gummiknüppel haben wollt, hört ihr's, was der braune Sadist sagt: In Deutschland ist man endlich wieder lustig! Fröhliches Lachen, jawohl: bei der Nazibonzerie, bei den braunen Karrieremachern, die sich in Pöstchen und Aemter geschwungen haben! Aehnlich wie jener Hannoveranerfürst darf Hitler von jetzt an heißen: „Endlich wieder lustik!" Und die Bereitschaft dieses lustigen Osafs, sich dem„Votum der deutschen Nation" zu stellen, zeigt sich in der wütenden Verfolgung jeder anderen Meinung, in der Angst vor den oppositionellen Druckschriften, die über die Grenzen des gepeinigten Landes dringen. Unter Wahlen würden diese braunen Betrüger nichts weiter verstehen, als das Kommando an ihre Horden:„Antreten zum Wahlsieg! Wer falsch wählt, wird erschossen!" Denn andere Parteien, als die braune sind ja nicht gestattet. Wozu also das Gerede, wozu der Quatsch? der hergestellt und 125 Millionen des Reiches als Sanierungskapital annektiert! Deshalb mußten die sozialistischen Arbeiterorganisationen zerschlagen und verschiedene unbequeme Gegenspieler beseitigt werden— und dazu brauchte die Schwerindustrie u. a. auch den Rassenschwindel. Da die deutsche Presse zu kuschen hat, spricht die ausländische um so deutlicher. Dieser Tage ging durch einen Teil der Auslandspresse ein Artikel über den Thyssen- Skandal, in dem betont wurde, daß die Thyssengruppe gerade Hitlers Rassenpolitik zur Ausschaltung der Konkurrenz brauchte. Der Boykott gegen die Juden und die Verfolgung der Katholiken im 3. Reich sei nichts anderes, als eine große Enteignung des jüdischen und katholischen Kapitals durch die 0 1 1- garchie des Thyssenkreises, Juden und Katholiken wurden aus ihren Stellen in den Verwaltungsräten der großen und kleinen Gesellschaften verjagt und an ihre Stelle traten alte Reaktionäre der Schwerindustrie oder neue nationalsozialistische Kostgänger. Kein Thyssen und kein Vogler glaubt an den Schwatz von Hitlers und Göbbels „nordischer Edelrasse", aber bequem läßt sich damit unbequeme Konkurrenz beseitigen. Und treibt dieser verquollene Rassen-Imperialismus zum Kriege, so drängt er vorerst zu Rüstungen. Wo aber ist der Schwerindustrielle, der am Wettrüsten kein Interesse hätte? Ein schwarzhaariger Mischling aus dem Süden verkündet das Evangelium von der Auserwähltheit der blonden, nordischen Herrenrasse, der Stahltrust macht damit Milliardengeschäfte, und die Ausfuhrindustrie wird immer autarker und blutleerer— das ist der neudeutsche braun-blonde Imperialismus, dessen Rassequatsch per Rundfunk auf ein staunendes, verwirrtes, verzweifeltes Volk losgelassen wird. Ein Bild des Jammers und des Wahnsinns! B. Br. Nazi'Spitzel in Paris Das nationalsozialistische Zentralorgan, der„Völkische Beobacher", brachte über die Pariser Sozialistenkonferenz allerlei unsinnige Lügen und überschrieb seine Berichte stolz mit der Formel:„Von unserem nach Paris entsandten Sonderberichterstatter". Was dieser Sonderberichterstatter in Paris erlebte, darüber berichtet jedoch der„Völkische Beobachter" nichts. Am vorletzten Tag der Konferenz machte sich in einem Kaffeehaus nächts dem Kongreß- lokal ein Subjekt verdächtig, das sich als österreichischer Sozialdemokrat ausgab und von Konferenzteilnehmern Berichte aus den ver- trauiiehen Sitzungen und Photographien erbat. Dieses Subjekt wurde von einem deutschen Genossen ab der bisherige Genfer Berichterstatter dar„Völkischen Beobachters" erkannt und mit folgenden Worten apostrophiert:„Sie Schwein, wenn Ich nicht wüßte, daß Sie kriegsbeschädigt sind, so würden Sie Jetzt eine Tracht Prügel beziehen, die Sie niemals in Ihrem Leben vergessen würden!" Worauf das besagte Subjekt eiligst verschwand. Das war der vom„Völkischen Beobachter" eigens nach Paris zur Sozialistenkonferenz entsandte Sonderberichterstatter. Selbstverständlich hat die Konferenz keinen Augenblick durch seine Anwesenheit beschmutzen dürfen. Und was er von ihr erzählt, ist erlogen. Amputation Im Konzentrationslager Nur Uebelwollende können das deut sche Volk glauben machen, es brauchten nur Hitlerlahnen Ober allen Straßen zu flattern und alles wäre gesund, was ein Menschenalter lang vergiftet, verpestet und verfault war. Der Heilungsprozeß wird Oberaus langwierig und oft auch schmerzhaft sein müssen; noch manche Operation und vielleicht auch manche Amputation in Gestalt von Konzentrationslagern wird notwendig werden, ehe das Gilt aus dem Körper des deutschen Volkes entlernt und der deutsche Mensch völlig gesund sein wird.(Gesundes Volk, Nr. 2.) Zeltungstarif bew. m. P. D. ZI. 159.33WI1-1933,
Ausgabe
1 (3.9.1933) 12
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