Redaktion and Terlags Karlsbad, Haus.Graphia" TpL 1081 Preis der Einzelnummer t/' v j js\ Im Ausland Kd 2�) J\.C 1 oTrVf Auslandspreise Argentinien, L Belgleo..,. Bulgarien.,, Ranzig.... Deutschland  .. Estl nd..., Finnland.,. Frankreich  .. Großbritannien  Holland  .... Italien  ..... Jugoslawien  .. Lettland  .. Ittltf iM» Nr. IS Sonntag, f 0. Sept. 1933 Bezugspreis im Quartal TZ X't Q (Im Ausland Kd 24�1 J\pC X Oo- Auslandspreise Cinzelmimm. vierteljährl Litauen.,.,. Llt 0.55 Lit. 6.60 Luxemburg,,. B. Frs. 2. B.Fr, 24. Norwegen  ..,. Kr 0.35 Kr. 4.20 Oesterreich.,. Sch. 0.40 Schill. 4,80 Palästina.... Müs 18. Müs 216. Polen  ...... Zloty OJjO Zloty 6. Portugal  ,,. Esc. 2. Esc. 24 Rumänien.,. Lei 10. Lei 120. Saargebiet,. F.Fr. 1.50 F.Fi, 18. Schweden.,,. Kr. 0.35 Kr. 420 Schweiz.... Frs. 0.30 Frs. 3.60 Spanien  . Pes. 0.70 Pes. 8.40 Ungarn  ..... Pengö 0.35 Pengö 4.2o USA  ..... Dollar 0.08 Dollar 0.96 Sozialdemokratisches Wochenblatt SVaiicmdiämlnng im 3. Reidi Frauen und Mäddien müssen Spießruten laufen Nürnberg  . Die junge Nürnbergerin Betty S U B, die wegen Verkehrs mit einem Juden von Hitlerieuten unter Schmähungen und Mißhandlungen durch die Straßen geschleppt wurde, ist gei­stiger Umnachtung verfallen und mußte in eine Irrenanstalt gebracht werden, In Hitlerdeutschland   hat man eine neue Art sadistischerVolksbelustigung" erfunden. In Nazizeitungen werden Namen von Frauen und Mädchenan den Pranger" gehangen, ge- een die welter nichts vorliegt, als daß ihnen Freundschaft mit einem lödischen Volksgenos­sen nachgesagt wird. Durch den Kot deutscher Straßen werden Mädchen geschleift, denen man das Haar abschneidet und ein Schild um­hängt mit Inschriften wie:Ich habe mich mit «nem Juden eingelassen!" An der Spitze dieserAktionen gegen den Rasseverrat" steht das Organ des Dbclberüch- tlgten Gauführers Julius Streicher  ,Der Stür- mw in Nürnberg  . Dieses DreckbLatt bringt die Adressen von Mädchen oder Jüdischen   Män.- nern, die irgend etwas miteinander su tun hat­ten oder von denen Klatschmäuler irgend etwas ähnliches zu tratschen wußten. Andere Hakenkreuz-Reptile, wie das Blatt in Ingol­ stadt   und das in Mannheim  , fordern Adres­sen und Bilder solcher Mädchen oder Jüdi­scher Männer, die gegen dasRassegesetz" Verstießen. Mit schamloser Genugtuung berich­ten Hitlers Schmöcke von den grauenhaften Folgen dieser Denunziationen und Hetzereien. in Nürnberg   wurde einem Mädchen der Kopf kahl geschoren und eine Tafel umgehängt mit der Inschrift;ich habe mich einem Juden angeboten!" So wurde die Mißhandelte durch die Straßen geführt und in mehreren Tingel­tangeln auf der Bühne zur Schau gestellt itieTimes" berichtet dazu: Sturmtruppleute standen neben dem Po­dium, brüllten den Text der Tafel in das Publikum und beschimpften das lunge Mäd­chen in nicht wiederzugebenden Worten. Einige Tage vorher wurden ein Jude und eine Nichtjüdin. angeblich die Geliebte des Juden, in einem offenen Auto durch die Stra­ßen Nürnbergs   geführt Sie hatten Tafeln um den Hals, die die Inschrift trugen:Ich habe eine deutsche   Frau entehrt undIch habe mich einem Juden hingegebe n". Der Polizeibericht von Worms   meldet, daß ein Jude In das Konzentrationslager Ost­ hofen   gebracht wurde, weil er versucht habe, sich einem christlichen Mädchen zu uähern. Das NaziblattHessische Volkswacht" be­richtet ohne Scham und Scheu: Durch die Stra­ßen Kassels sei von SS  -Pionieren ein Mädchen, seine Mutter und ein Jude geschleppt worden. weil das Mädchen mit dem Manne eine Freund­schaft hatte und die Mutter nichts dagegen Unternahm. Dasselbe Schandblatt meldet einen ähnlichen Fall von Marburg   a. L Bei alledem bildet Hakenkreuzmob auf den Straßen ein fohlendes Spalier. Faschistische Halunken dro­hen in den Zeitungen mit Veröffentlichung der Namen und Adressenartvergessener Frauen", mit Enthüllungen aus ihrem Privatleben. Das Niveau dieser Presse Ist unter das der ge­meinsten Revolverblätter gesunken, und man kann sich denken, welches Maß kleinlichster, dreckigster Rachsucht, Denunziantentum. Klat­scherei und Niedertracht sich auf diese Welse austoben darf. Wir wollen hier nicht breit erörtern, wie viel rohe, verkorkste Sexualität sich in diesen irrsinnigen Skandalen auslebt Unter einem Re­gime, an dessen Spitze Perverse und erotisch Anormale wie Göring  , Röhm und Heines ste­hen, müssen Weib und Weibesehre tief im Preise sinken. Aber man stelle sich vor, wie verheerend solche öffentliche Gemeinheiten nicht nur aufs breite Publikum, sondern vor allem auf Kinder nnd junge Menschen wir­ken muß! Zu den Phrasen der braunen Dema­gogen gehört auch derSchutz der Jugend vor sexueller Verderbnis und Pornographie." Jetzt werden deutschen Kindern auf den Straßen lebende Bilder gezeigt die an Zotigkeit und Gemeinheit einen Rekord darstellen. Englische und französische Blätter haben diese Schandmethoden empört kritisiert und barbarischstes Mittelalter genannt Sie Irren, das gabs nicht einmal fn jenen finste­ren Zeiten. Die sadistischen, dreckigen Erzie­hungsmethoden des 3. Reiches sind ohne Bei­spiel, sie bedeuten die grauenhafteste Verir- rung. die je über ein zivilisiertes Volk kommen konnte. Tanzt nidht mit Juden! ,J)ie Verwaltung des Nordseebades Norder ney hat im Gesellschaftssalon des Kurhauses ein Schild mit folgender Inschrift anbringen lassen: ,J)eutsche Frauen, tanzt nicht mit einem Jadenr Ausrotten! BERT Nor   so wird es getlngen, das von den Führern der nationalsozialistischen Revolu­tion gesteckte Ziel zn erreichen, den Bolschewismus mit Stumpf und Stiel auszu­rotten, bis schließlich, wie Ministerpräsident Göring   einmal ausführte, in Deutsch  iand keine einzige Schrift mehr davon kündet, daß es überhaupt einen Marxismus gibt"VöiklscherBeobachter." Taumel zum Abgrund! Nürnberg   erzittert unter den Kanonen­schlägen des größten Feuerwerks, das die Welt jemals gesehen hat. In Marienbad  liegt am gleichen Tage ein deutscher Philosoph auf der Bahre. Tot, mit zer­schossenem Hirn. Ob tausend Kritiker leben, ist gleich­gültig", dröhnt die Proklamation Hitlers  an dem Nürnberger   Parteitag. Theo­ dor Lessing   war einer von den Tau­send. Daß e r nicht mehr lebt, ist gleich­gültig. Daß Adolf Hitler   lebt, das ist wichtig! Theodor Lessing   war einer der geist­vollsten Schriftsteller deutscher Sprache. Adolf Hitler   ist einer der erbärmlichsten Schwätzer, die jemals von der wandel­baren Volksgunst in die Höhe getragen wurden. Adolf Hitler   hat keine Beziehun­gen zu deutschen Philosophen, aber die Würger von Potemba hat er mit Recht seine Kameraden genannt Sie waren es, und die Schützen von Marienbad   sind es auch! Deutschland   ist das Land der Dichter und Denker gewesen. Es ist heute das Land der Mörder und der Henker, das Land des Blutwahnsinns, des irren Fana­tismus, des Massenrausches, das Land, in dem Jedermann den letzten Rest von Be­sinnung verloren zu haben scheint aus­genommen diejenigen, die sich kaltblütig bereichern. * Hermann Göring   prangt im Glanz seiner neuen Generalsuniform. Er hat Hindenburg   etwas geschenkt, was ihm selber nicht gehörte, dafür hat Hinden­ burg   ihn zum General ernannt. Der Reichspräsident hat jetzt auch nach an­fänglichem Widerstreben zugelassen, daß die Berliner   Friedrich-Ebertstraße in Her- mann-Göringstraße umgetauft wurde. So strahlt der Mann, den einige der berühm­testen Rechtsanwälte der Welt öffentlich als den eigentlichen Reichstags­brandstifter bezeichnen, in Ehren und Würden. Doch was wären Titel, wenn die Mittel fehlten? Hermann Gö­ ring   ist nicht nur seit langem Bezieher von märchenhaften Gehältern und Inhaber mehrerer Paläste, sondern neuerdings auch Besitzer eines Grundstücks von 10.000 Quadratmetern in bester Gegend, das ihm seine bayrischen Kumpane ge­stiftet haben. Die G e s c h e n k a n- nahme im Amt gehört zu den selbst­verständlichsten Gepflogenhelten der Spit­zen des Dritten Reiches  . Friedrich Ebert   und Hermann Müller   gingen aus ihren Aemtern ge­nau so arm, wie sie hineingegangen wa­ren. Sie waren sauber bis in die Finger­spitzen. Aber wenn damals irgend ein sozialdemokratischer Landbürgermeister sich in nicht ganz zweifelsfreie Geschäfte eingelassen hatte, brüllte man über mar­xistische Korruption. Heute liegt das Volk stumm, gefesselt zu den Füßen seiner Eroberer. Die nehmen sich, was ihnen ge­fällt, und die gleichgeschaltete Presse lobt liebedienernd ihre Bescheidenheit und Un- eigennützigkeit Ueber die Staatsmänner der Republik  tonnten die schamlosesten Lügen verbrei­tet werden, ohne daß die Verleumder be­straft wurden.