Drinnen und Draußen Zur Diskussion über die Aufgaben der Partei Ein Genosse, der vor kurzem Deutsch­ land   verlassen hat, schreibt uns: Ais   im Mai d. J. im Anschluß an die Auseinandersetzungen in der sozialdemo­kratischen Reichstagsfraktion einige Wo­chen lang die Spannung zwischen den füh­renden Genossen in Berlin   und im Aus­lande mehr und mehr zunahm, war das nicht nur der Ausdruck verschiedenarti­ger Bewertung der zu erwartenden Ent­wicklung, sondern auch Ausdruck der Tatsache, daß zwischen den aktiven Ge­nossen im Lande und denen, die ihre' tigkeit außerhalb der Grenzen des Drit­ ten Reiches   ausübten, sich eine tiefe Kluft aufgetan hatte. Aus den verschie­densten Gründen, die meistens in der Il­lusion wurzelten, man werde sich auch unter dem Terror Hitlers   ein Minimum von Bewegungsfreiheit sichern können, bestritt man den emigrierten Genossen das Recht, im Namen der Partei zu spre­chen und die Richtlinien ihrer Politik mit zu bestimmen. Das Verbot der Partei am 22. Juni hat diesen Gegensatz aus der Welt ge­schafft und alle Illusionen über die Mög­lichkeit einer Anpassung an das herr sehende System grausam zerstört Trotz­dem wäre es falsch anzunehmen, daß da­mit auch alle jene Ursachen beseitigt sind, die heute noch vielfach zu der Un­terscheidungdrinnen" unddraußen" führen und, nach Lage der Dinge, unaus­bleiblich führen müssen. Eine Partei­politik, die diese Unterscheidung nicht berücksichtigen wollte, würde in die Irre gehen und sich schließlich selbst zur Wir­kungslosigkeit verurteilen. Dieser Gegensatz hat seine Wurzeln in der Verschiedenartigkeit des Stand­ortes und der psychologischen Voraus­setzungen. Wer in der freien Luft eines demokratischen Staates lebt und atmet, kann sich nur schwer eine Vorstellung machen, welche Verwüstungen der lega­lisierte Terror und der entsetzliche gei­stig-moralische Druck der Hitler-Diktatur in der seelischen und geistigen Haltung der Bevölkerung angerichtet haben. Auch die klassenbewußte Arbeiterschaft kann sich naturgemäß der Einwirkung dieser Faktoren nicht entziehen, zumal sie am stärksten vom Terror betroffen ist und am härtesten unter der Diktatur leidet. Ihr Gemütszustand wird geformt von In­grimm und Empörung, von unbändigem Haß und tiefstem Rachegefühl, er wird aber gleichzeitig stark beeinflußt durch das Gefühl der organisatorischen Zerris­senheit und der politischen Ohnmacht einem Feinde gegenüber, der es verstan­den hat, sich nicht nur in den Besitz aller staatlichen Machtmittel und aller von der Arbeiterschaft in Jahrzehnten aufgebauten Organisationen zu setzen, sondern auch den blutigsten Bruderkampf in die Rei­hen des Proletariats selbst hineinzutragen. Ein weiterer Faktor, der den Ueber- gang vom passiven Ingrimm zum aktiven Kampf hemmt, ist das Gefühl tiefster Enttäuschung über den Zusammen­bruch der Arbeiterbewegung, den niemand für möglich gehalten hatte. Das Fehlen jeder freien Presse und sonstigen Aufklä­rungsmöglichkeit erschwert in ungeheu­rem Maße die Herausarbeitung einer kla­ren Linie für die Beurteilung der Ursachen des Zusammenbruches wie aller mit der Faschistenherrschaft verbundenen Pro­bleme. Nur langsam und allmählich voll­zieht sich der geistige Klärungsprozeß in den Massen unserer Anhänger, nur schritt­weise und unter Opfern lernen sie es, von den legalen Formen der Parteitätig­keit, die ihnen durch die Diktatur un­möglich gemacht worden sind, zu den illegalen überzugehen. Das Leben selbst zwingt unsere Ge­nossen, sich aufzuraffen und zusammen­zuschließen, wenn sie nicht der völligen Lähmung des Willens und der stumpfen Gleichgültigkeit des nur an sich selbst denkenden Philisters verfallen wollen. Mag dertotale" Staat Hitlers   noch so sehr die Oeffentlichkeit beherrschen und seine Demagogie auch in die Arbeiter­schaft hineintragen, unter der Decke der faschistischen Herrschaft bereitet sich doch der Gegenstoß vor, wächst der Geist des Widerstandes gegen alle Aeußerungen der Diktatur. Nament­lich diejenigen, die durch die Schule der sozialistischen   Arbeiterbewegung gegan­gen sind und in der freien Luft der Re­ publik   zu arbeiten und zu kämpfen gelernt haben, schließen sich in instinktivem Selbsterhaltungstrieb gegen die Barbarei des ihnen aufgezwungenen Sklavendaseins zusammen, um die Fun­damente für den Wiederaufstieg der Ar­beiterbewegung vor der Vernichtung zu retten. Hier setzt nun die Hauptarbeit derjenigen Genossen ein, die an Stelle der ausgeschiedenen die Aufgabe übernommen haben, die Idee des Sozialismus über alle Leiden und Prüfungen der Faschisten­herrschaft hinweg zum Siege zu führen. Mögen noch so viele dem Terror zum Opfer gefallen sein oder mutlos den Kampfplatz verlassen haben, an ihre Stelle sind andere getreten, Unbekannte, Na­menlose, einfache Soldaten aus der gro­ßen Kämpferarmee, die die sinkende Fahne fest in die Hand genommen haben. Hier zeigt sich, daß die systematische Aufklärungsarbeit der Partei nicht vergeblich gewesen ist, denn gerade diejenigen, die zur größeren geistigen Klarheit zu gelangen suchten, stellen jetzt ein Großteil der neuen Kräfte, die mutig und opferbereit auf die Schan­zen treten. Es ist nur zu sehr verständlich, daß auch in diesen nach Klarheit ringenden Dreisen   die Meinungen bunt durcheinander quirlen. Zu groß ist noch die Enttäu­schung über das wirkliche oder angeb- iche Versagen der bisher herrschenden �ehrmeinungen, zu verlockend der Wunsch, alles Bisherige in Bausch und Bogen zu verdammen und die Gewalt­ideologie des Nationalsozialismus   ins Russisch-Bolschewistische umgefärbt für die künftigen Kämpfe und Auseinan­dersetzungen zu übernehmen. Doch das sind Wachstumskrankheiten, die um so schneller verschwinden werden, je mehr von innen und von außen her die poli­tische und wirtschaftliche Efkenntnis ge­fördert und im Laufe der Entwicklung - die Fähigkeit der in vorderster Kampf­front stehenden Genossen verstärkt wird, die chaotischen Oppositionsstimmungen bieiter Volkskreise in die Bahn eines bewußten revolutionären Kampfes gegen das Hitler-Regime zu lenken. Hier ersteht nun riesengroß die Auf­gabe des Neuaufbaues einer Be­wegung, die sich stützen muß auf alle lebendigen Kräfte innerhalb wie außerhalb des Landes. Wie die Dinge sich gestal­tet haben, kann man weder die alten Me­thoden der Parteiarbeit und-Werbung anwenden, noch auf dieSelbstzersetzung" des Hitlerismus warten. Wer diesen An­schauungen anhängt, kommt für die neue Bewegung nicht in Betracht Was die Genossen im Lande zunächst brau­chen, ist geistige Orientierung, ist unbarmherzige Kritik an den Taten der Regierung, ist die Herausarbeitung einer klaren Linie, die ihnen einerseits die bisherige Entwicklung mit allen ihren innen- und außenpolitischen Auswirkun­gen verständlich macht, und andererseits den Weg aufzeigt, der aus der Krise der Gegenwart herausführt Hierbei kommt es weniger darauf an, theoretische Be­trachtungen etwa über Demokratie und Diktatur anzustellen, als konkrete Hinweise zu geben auf die Methoden des Kampfes gegen den Faschismus, auf die objektiven Kräfte, die zu seiner Zer­setzung und Sprengung führen, sowie auf die Formen der politischen und wirt­schaftlichen Gestaltung, die bei der prole­tarischen Machteroberung verwirklicht werden müssen. Nur eine solche, aus der Praxis dfer früheren und jetzigen revo­lutionären Bewegungen schöpfende Be- ti achtungsweise, die sorgfältig alle Wand­lungen der Gegenwart verfolgt und bei der Beurteilung dessen, was war und was ist, den Mut zur Selbstkritik hat kann wegweisend sein für die jetzt kämp­fende Generation. In zweiter Linie kommt der organi­satorische Aufbau in Frage. Hier muß wesentlich Neues geschaffen werden, unter Ausnutzung der Erfahrun­gen, die bei der jahrzehntelangem illegalen Arbeit in Rußland   und Italien   gesammelt worden sind. Es geht nicht an, unter völlig veränderten Verhältnissen auch nur Reste der bisherigen organisatorischen Formen zu konservieren. Es ist aber andererseits eine Illusion, zu glauben, daß ohne Anwendung besonderer technischer Hilfsmittel und ohne Aneignung der be­sonderen Methoden der illegalen Arbeit eine machtvolle Bewegung in Gang ge­bracht werden kann. Bei dieser Arbeit, zu der in starkem Maße auch die zahl­reicheninneren Emigranten", die durch den Terror von ihren Heimatsorten Ver­triebenen, herangezogen werden müssen, können wir noch sehr viel von den N a- tionalsozialisten lernen, die frü­her in Deutschland   und jetzt in Oester­ reich   gezeigt haben, daß sie die Tee h- nik des illegalen Kampfes mei­sterhaft beherrschen. Die Durchführung der beiden hier skizzierten Aufgaben setzt voraus, daß der unter den obwaltenden Verhältnissen un­vermeidliche Gegensatz zwischendrin­nen" unddraußen" überbrückt wird durch eine planvolle Zusammen­arbeit der im Inlande wie im Auslande tätigen Genossen. Eine Arbeitsteilung zwischen ihnen ergibt sich schon aus der verschiedenen Art der von ihnen zu be­wältigenden Aufgaben, und die Frage der Führung löst sich von selbst, wenn über die Kompetenzfrage das Prinzip gestellt wird, daß hier nur die Fä­higkeit und der Wille, der Re­volution zu dienen, ausschlag­gebendsind. Der weitere Gang der Entwicklung wird notwendigerweise dahin führen, daß dieses Prinzip maßgebend sein wird bei der Führerauslese im Lande selbst Alles Untüchtige, Bequeme, Anpassungs- ünd Kompromißwillige wird fortgefegt und ersetzt werden durch harte, entschlossene Kämpfernaturen. Aber auch außerhalb Deutschlands  , in der Emigration, muß dieses Prinzip sich durchsetzen. Dies gilt sowohl für diejenigen Genossen, die in enger Verbundenheit mit den im In­lande Kämpfenden die ihnen zugewiese­nen literarischen, organisatorischen und sonstigen Aufgaben erfüllen, wie auch für die große Armee der aus der Heimat Ver­triebenen, die in fremdem Lande eine neue Existenz, einen neuen Wirkungskreis su­chen müssen. Für sie alle kann es nur e i n Ziel, nur eine Aufgabe geben: Ueberall, wo sie auch wirken mögen, die Idee der Befreiung Deutsch­ lands   über alles Persönliche zu stellen, den versklavten, gepeinigten Genossen im lande materielle und moralische Hilfe zu bringen und nicht zu ruhen und zu rasten, bis der Boden der Heimat von der Schmach der Hitler  -Herrschaft befreit ist! Der neue Code Schulz hört, daß Scholz sich umgeschaltet hat und telegraphiert höhnisch:.JISDAP", was, wie ledermann weiß, bedeutet: ,Jla, suchst Du auch'n Posten?" Scholz, ein Zyniker, depe­schiert triumphierend zurück:Pg" und Schulz versteht sofort; J'osten gefunden!" Herauszeber; Ernst Sattler  , Karlsbad  . Verant­wortlicher Redakteur: Wenzel Horn, Karlsbad  . Druck:Graphia". Karlsbad  . Zeitungstarif bew. m. P. D. ZI. 159J3WII-J933. An die Stelle der kritischen Anschauung setzt die Minderheit(des Bundes der Kommu­nisten) eine dogmatische, an die Steile der materialistischen eine Idealistische, Statt der wirklichen Verhältnisse wird ihr der bloBe Wille zum Triebrad der Revolution. Wäh­rend wir den Arbeitern sagen: Ihr habt 15, 20, 50 Jahre Bürgerkriege und Vöikerkämpie durchzumachen, nicht nur um die Verhältnisse zu ändern, sondern um Euch selbst zu ändern und zur politischen Herrschaft zu befähigen, sagt Ihr im Gegenteil:Wir müssen gleich zur Herrschaft kommen oder wir können uns schla­fen legen." (Karl Marx   gegen die Minderheit des Londoner   Kommunistenbundes I. J. 1850.) Audi Gerhart Hauptmann   Der deutsche Dichter Gerhart Hauptmann  hat zu einer Horst-Wesselfeier einen Prolog gedichtet... Kein Zweifel: derselbe Gerhart Haupt­ mann  , derDie Weber  ", das große Drama des sozialen Elends, denFlorian Geyer  ", das Drama der deutschen   Bauernnot und Empö­rung, geschrieben hat. Kein Zweifel: derselbe Gerhart Haupt­ mann  , der im Jahre 1913 bei der Breslauer Jahrhundertfeier zum Aerger des offiziellen wilhelminischen Deutschlands   dasFestspiel in deutschen Reimen" verfaßt hat, zum Geden­ken an die preußischen Freiheitskriege ein pa- clfistisches, die Segnungen des Friedens prei­sendes Stück und nicht, wie bestellt, ein mili­tärisches, hurrapatriotisches. Kein Zweifel: derselbe Gerhart Haupt­ mann  , der in den letzten Jahren keine Gele­genheit vorübergehen ließ, sich zum Staat von Weimar   und seinen Führern zu bekennen. Kein Zweifel: derselbe Gerhart Haupt­ mann  , der sich vor einem Jahr, als er seinen 70. Geburtstag feierte, von der deutschen Ar­beiterschaft bejubeln ließ, offiziell und Inoffi­ziell: bei der Festveranstaltung in Breslau  standen Gerhart Hauptmann   und der Reichs­tagspräsident Löbe, wie Jener ein Sohn des Volkes und ein Kind Schlesiens, Arm in Arm. Löbe sitzt mit zehntausenden anderen im Gefängnis.... und Gerhart Hauptmann  schwelgt dazu. Gerhart Hauptmann   hat zu allem geschwie­gen. Er schwieg, als man in Breslau  im Zuge der nationalen Revolution" die Cerhart- Hauptmann-Straße nach einem Fememörder umbenannte.(Die neuen Machthaber wußten Ja noch nicht, daß der Dichter sich so rasch gleichschalten lassen werde.) Er schwieg, als die sozialistische Ar­beiterschaft von deren Organisationen er sich hatte preisen, von deren Zeitungen er sich hatte hundertfach analysieren und von deren Volksbühnen er sich hatte tausend- und aber- tausendmal spielen lassen, verfolgt und ge­peinigt wurde. Er schwieg zu den deutschen Judenver­folgungen, obwohl jüdische Regisseure sich zu­erst für ihn eingesetzt haben(Max Reinhardt  und Otto Brahm  ), ein Jüdischer Verleger sein gesamtes dichterisches Werk publizierte(Sa­ muel Fischer  ) und ein Jüdischer Kritiker sich in einem leidenschaftlichen Kampfe für ihn ein­setzte(Alfred Kerr  ). Er schwieg als in Jener denkwürdigen Berliner   Mainacht die beste deutsche   Literatur auf dem Platz vor der Universität auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Er schwieg, als ihn mehrere seiner frü­heren Freunde inOffenen Briefen", die in der österreichischen   und tschechisch-deutschen Presse abgedruckt wurden, beschworen, nur ein einziges Mal seine Immerhin gewichtige Stimme gegen die brutale Nazibarbarel zu er­heben, Er schwieg, obwohl er lange Zeit selbst im sichern Ausland saß und sich unter der Sonne des Südens wärmte. Er schwieg und schrieb dann einen Prolog zu einer Horst-Wesselfeier! Wird es ihm nützen? Wie sprach Hitler   auf der nationalsoziali­stischen Kulturtagung in Nürnberg  : Aber das eine wissen wir, daß unter kei­nen Umständen die Repräsentanten des Ver­falls, die hinter uns liegt, plötzlich die Fah­nenträger der Zukunft sein dürfen. Entweder waren die Schöpfungen ihrer damaligen Pro­duktion ein wirklich inneres Erlebnis, dann gehören sie als Gefahr für den gesunden Sinn unseres Volkes in ärztliche Ver­wahrung, oder es war dies nur eine Spe­kulation. dann gehörten sie wegen Be­trugs in eine dafür geeignete An­stalt Es ist der einzige beinahe sympathische Zug an diesem nationalsozialistischen Großverbre­chertum, daß es seine tiefe Verachtung für die geistige Prostitution der sich freiwillig Gleichschaltenden nicht verhehlt Und so endet Gerhart Hauptmann   tragisch. Er war einmal ein Dichter, aber kein Held. Ego.