Kritik der Kritik obA

Ein Beitrag zur Parteidiskussion

Von Oda Olberg  .

das Wort

Mit dem Fusel der revolutionaren Geste ist dem Hunger auch nicht geholfen. Warum sollte überhaupt die Diktatur revolutionärer sein als die Demokratie? Das ist eine ganz unbewiesene Annahme, etwas rein Konventionelles, wie, daß die bill eah Dame auf der Straße rechts geht. In der Politik kann man leider keine Psycho­therapie für Unterernährte treiben, und Fatalismus, vielleicht unter Emigranten, nur mit dem bitteren Die Tagung der Internationale war für Kurzsichtigkeit, man soll nicht aus der krankhaften Sug­viele eine Enttäuschung. Sie hatten etwas auch aus Mangel an heroischem Sinn, ihre Gefühl, daß das vergossene Blut unsere gestionierbarkeit, die durch die Krise ge­Entscheidendes, Neues erwartet, und das höchsten Güter nicht zu verteidigen ver- eigenen Fahnen besudelt. zeitigt wurde, eine Parteispekumlation Genosse Aufhäuser, der den gol- machen, nach dem Muster der Mussolini  ist nicht gekommen. Alles hat wieder mocht, sind Charlatanen auf dem Leim mit einer Resolution geendet, mit der gegangen, haben die illegale gegnerische denen Satz ausgesprochen hat, daß man und Hitler  . Die Tatsache, daß sie Erfolg üblichen Aufforderung, Demokratie und Aufrüstung zum Bürgerkrieg tatenlos ge- politische Macht nur behalten kann, wenn gehabt haben, genügt nicht, uns zur Nach­Frieden zu verteidigen, als ob wir gar duldet. Das Ergebnis war eine Nieder- man entschlossen ist, sie von Anfang an ahmung aufzufordern. Erfolg ist nicht das nicht mitten in einer ungeheuerlichen Ka- lage. Diese Niederlage schafft wohl eine ökonomisch zu fundieren" hat einer letzte Wort für den Sozialisten; seiner tastrophe stünden. neue Machtsituation, aber durchaus kein Erziehungsdiktatur Idee treu bleiben, ist das letzte. geredet, einem Gedanken, dem man gar Nun ist dieser messianische Glaube neues Problem, keine neue Aufgabe. Wir können und dürfen dem messia­Seit es eine organisierte sozialistische nicht energisch genug entgegentreten und seine Enttäuschung selbst schon ein Schatten der Katastrophe. Unser Den- Bewegung gibt, hat sie es als ihre Auf- kann. Man kann die Diktatur als Draht- nischen Bedürfnis der Massen nicht nach­ken und vor allem unsere Nerven sind gabe angesehen, die Massen zu erfassen, verhau gegen einen Angriff gelten lassen, geben, nicht den Glauben an Zauberfor­so aus den Angeln gehoben, daß wir die sie der sozialistischen   Ideenwelt, der so- aber im Bereich der Erziehung ist sie die meln nähren, nicht über die schwere Ver­Hilfe von außen erwarten und bei dem zialistischen Ethik zu erringen. Jetzt sieht Sünde wider den heiligen Geist. Sinn antwortung der Gegenwart hinwegtäu­typischen Erlösungsglauben Zuflucht su- man, daß dies in unzulänglichem Maße und Inhalt der Erziehung ist Selbstbe- schen durch Herstellung von Schuldregi­chen. Das Neue", das Entscheidende", erreicht wurde, in einem Maße, das hin- stimmung. Will man aber nur Diszipli- stern für die Vergangenheit und von Ge­das ,, erlösende Wort", ja sogar die ,, erlö- ter den plötzlich aufgeschnellten Angriffs- nierung der Massen durch Diktatur errei- waltfilmen für die Zukunft. Man mache sende Tat" existieren nur in unserer mitteln des Gegners, wie auch hinter un- chen, so ist das, wie wenn man mit Ka- auch nicht die Führer verantwortlich für Sehnsucht. Der messianischen Seelenver- seren eigenen Erwartungen zurückblieb. nonen auf die Hasenjagd ginge. In Sa- die Masse; die Masse ist ja auch verant­fassung unserer Zeit, wie sie die unerhörte Das Neue an der Situation ist, daß wir chen Disziplin hat die Demokratie viel- wortlich für die selbstgewählten Führer. Not der Krise auslöst, verdankt ja der heute ein Kräfteverhältnis, für das wir leicht mehr erreicht, als sie verantworten Entscheidend Neues haben die in Paris  Beratenden den Sozialisten aller Länder Faschismus der ganzen Welt seine Ge- bisher nur errechnete Ziffern einsetzen kann. Ja, aber die Arbeiter und Deklassier- nicht sagen können. Es ist uns kein Mes­folgschaft. Seine Führer haben alles konnten, auf Grund einer Bestandauf­Mögliche auf Lager, was als neu", ent- nahme genau übersehen, wobei sich eben ten, die so eingeschnürt sind von Sorge sias erstanden. Politik ist eine nüchterne scheidend" ,,, erlösend" usw. etikettiert ist. herausstellt, daß die Gegner stärker sind, und Aussichtslosigkeit, die ihre eigene Sache, keine Gelegenheit, individuelle Sollen wir nun enttäuscht sein darüber, als wir dachten, und wir selbst schwächer. Partei fast passiv sehen, von der Bruta- Spannungen abzureagieren. Wer darum daß die Internationale in Paris   nicht ein Daraus ist natürlich eine Unzahl beach- lität der Gegner bedroht oder auch über- unzufrieden ist mit dem Ergebnis von Pa­tenswerter Schlüsse zu ziehen, so über wältigt, sollen die gar keinen Hoffnungs- ris, der fange mit der Unzufrie­Konkurrenzgeschäft aufgemacht hat?

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lich Teil von Schuld.

Dolchstoflüge auf Vorrat

die politische Bedeutung der Waffentech- strahl haben, nichts Belebensles, nichts, denheit bei sich selber an. Wenn Ja, aber es muß doch für eine grund- nik, über die internationale Solidarität des was sie über den Alltag erhebt? Diese wir die ungetane Arbeit, die nicht voll sätzlich neue Situation eine grundsätzlich| Kapitalismus  , über die numerische Stärke Massen glauben an die Diktatur als letzte bewährte Treue, den zu früh erlahmten neue Abwehrstellung geben! Warum und geistige Anfälligkeit der von uns nicht Zuflucht. Will man ihrem revolutionären revolutionären Willen aufteilen wollten, muß es die geben? Das ist doch nur ein erfaßten Masse, über die ungenügende Hunger nur papierene Resolutionen bie- so käme auf jeden von uns ein beträcht­Hirn- und Wortgespinst. Wenn ein Erd- Breite und Tiefe unserer eigenen Werbe- ten? beben aus einer ganzen Stadt einen Trüm- arbeit, und vieles andere mehr, aber etwas merhaufen macht, dann baut man eine grundsätzlich Neues über das Verhältnis neue Stadt auf, zum großen Teil sogar von Masse und Partei, von politischem aus den Trümmern der alten. Wohl hat Kampf und sozialistischem Endziel folgt man gelernt, wie nicht gebaut werden nicht daraus. darf, hat auch aus den wenigen die Ka­Die Aufgabe ist dieselbe. Nicht in dem Hitler sucht schon Schuldige für seine Niederlagen tastrophe überdauernden Bauten Regeln faden Sinn der Wortrakete, mit der eine erschließen können, wie man erdbeben- Agitationsrede verpufft: ,,, Unentwegt sieg­Am Tage nach der Ermordung Theo-| hineinhetzt, versucht er, die Schuld von fest baut, aber was schließlich anstelle reich voran auf dem Wege des Sozialis- dor Lessings wurde auf dem Nürn  - sich auf seine Gegner abzuwälzen. Für des Zerstörten steht, ist auch wieder eine mus!", während der Faschismus über Ita- berger Parteitag der Nationalsozialisten die Niederlage, in die er Deutschland  Stadt, in der Menschen wohnen, nichts lien und Deutschland   trampelt und an den eine Botschaft Adolf Hitlers   verlesen, treibt, bereitet er jetzt schon die neue grundsätzlich Neues. Das Tragische be- eigenen Türen pocht. Nicht als einlullende in der gesagt wird: Dolchstoẞlüge vor. Treten die unvermeid­stand eben gerade darin, daß etwas ver- Phrase, sondern aufstachelnd, aufschrek- Ob tausend Kritiker leben, ist gleichgül- lichen Folgen seines Handelns ein, dann wüstet worden war, was man braucht kend, wie ein Peitschenhieb. Dieselbe tig, aber nicht gleichgültig ist es, ob ein Volk sollen nicht er und seine Spießgesellen es und darum wieder schaffen muß, Aufgabe, vermehrt um all die besiegt, zugrundegerichtet wird und damit in gewesen sein, sondern Juden und Mar­Nun sind es meist gerade dieselben ungetane Arbeit, wie sie uns seiner Gesamtheit das Leben büßt. Alle die xisten! Genossen, die ihre Nase darüber rümpfen, die Niederlage enthüllt. Wir Männer, die durch ihr wahnsinniges oder ver­

daß in Paris  , nur eine Resolution" heraus- sind weniger stark, als wir uns glaubten, brecherisches Verhalten seit dem November Judenkinder können

verrecken

gekommen ist, die von der Konferenz als der Weg ist weiter. Die Massen müssen 1918 unser Volk in das heutige Unglück stürz­,, neu" und, erlösend" die Parole der erfaßt werden, sie müssen zum Bewußt- ten und die Phrasen der Freiheit", Es gehört zum Programm der Wehrhaft­Diktatur erwartet haben. Denen sollte sein ihrer Christophorus- Sendung kom- Brüderlichkeit" und Gleichheit" vor allem gesagt werden, daß sich etwas men, sie müssen Gerechtigkeit und Frei- als Leitmotiv ihres Handelns ausgaben, teilen machung, daß in den Schulen auch Unterricht mehr Papierenes als diese Parole in der heit als die höchsten Güter erkennen. heute nicht Schicksal und Leid mit den Opfern im Gasschutz erteilt wird. Es wird Alarm­heutigen Situation überhaupt nicht den- Eine Masse, die zu dieser Erkenntnis nicht ihrer Politik! Die Verführer genießen im bereitschaft, Handhabung der Gasmaske und ken läßt. Als ob wir nur deshalb keine gelangt, ist vielleicht unzufrieden und Diktatur des Proletariats  , sondern eine rebellisch, aber nicht revolutionär. Ihr solche des Großkapitals hätten, weil die ist mit Halfter und Krippe im Stall des Internationale es verboten hat! Heute Staatssozialismus   genug getan.

Auslande die Freiheit, für fremden Sold Sicherung in bombensicheren Kellern geübt. das eigene Volk zu verleumden, dem Haß der Eine neue Verfügung bestimmt nunmehr, daß Umwelt auszuliefern, ja wollen es, wenn alle Jüdischen   Schulkinder von den Uebungen möglich, auf den Schlachtfeldern zur Verteidigung gegen den Gaskrieg auszu­als wehrlos Angegriffene nieder- schließen seien. Diese Verfügung wird damit

kartätschen lassen!"

begründet, daß es sich bei diesen Uebungen nicht um einen einfachen Zeitvertreib handele, sondern um eine Vorbereitung auf eine viel­leicht nahe Zukunft,

Herausgeber: Ernst Sattler, Karlsbad  . Verant wortlicher Redakteur: Wenzel Horn, Karlsbad  . Druck: Graphia". Karlsbad  . Zeitungstarif bew. m. P. D. ZI. 159.334/ VII- 1933.

neu beginnen!"

9012.. das ist der Titel der neuen Streitschrift, die als zweites Heft der sozialdemokratischen Schriftenreihe in wenigen Tagen erscheinen wird.

norgelt man an den Männern herum, die Warum soll auf einmal die Demokratie das deutsche Proletariat in leitende Stel- versagt haben? Weil Hitler   mit demo­lungen gestellt hat, und beklagt in dem- kratischen Methoden zur Macht gekom- Hier spricht ein Verbrecher von Ver­selben Atem, nicht einen von ihnen mit men ist? Das kann nicht das Ausschlag- brechen, ein Wahnsinniger von Wahnsinn, diktatorialer Gewalt ausgestattet zu ha- gebende sein: Mussolini   ist ja mit unde- ein Phraseur von Phrasen, und hier zeiht ben. Hieraus sieht man deutlich, daß der mokratischen zur Regierung gelangt. Weil der niederträchtigste aller Verleumder Diktaturgedanke gar nichts Festumrisse- im Zeitalter der Demokratie der Faschis  - andere der Verleumdung. Während er nes ist, sondern nur ein Tummelplatz für mus ausgebrütet wurde? Natürlich setzt selbst das deutsche   Volk in einen aus­das Bedürfnis, sich wenigstens in Gedan- der Widerpart einer Sache diese Sache sichtslosen Konflikt mit der ganzen Welt ken auszutoben. Es ist nämlich gar nicht voraus. Es konnte beim besten Willen der Diktator, dem man schöpferische keine Christenverfolgungen geben, ohne Kraft zuspricht, sondern es sind nur die Christentum. Faschisten in der Zeit des diktatorialen Methoden, die Rückkehr zum Feudalismus kann man sich so wenig vor­Faustrecht, das Zerfasern des Rechtsge- stellen, wie schwarze Punkte auf schwar­webes, an dem Jahrtausende gewoben zem Grunde. Bliebe also nur die An­haben. Man nennt es Diktatur und meint nahme, daß die Demokratie uns verhindert die Gesetzlosigkeit. Es ist das, womit hätte, uns gegen den Faschismus zu weh­der Faschismus gesiegt hat. ren, auch eine verzwickte Annahme, bei Auf der Konferenz hat einer der Red- der man sich die Demokratie nur als eine ner eine Methode, mit der wir Wegstrecke vorstellen muß, auf der die siegen" gefordert und hat damit die dem Sozialismus zustrebende Masse über­Methode, unter der man in Deutschland   fallen und zurückgeworfen werden konnte. und Italien   besiegt wurde, die des Rechts- Ja, wenn wir die Diktatur des Proleta­staates, die der freilich erst rudimen- riats gehabt hätten! Gewiß, es ist anzu­tären Demokratie, ablehnen wollen. nehmen, daß eine Diktatur sich gegen das Es gibt aber keine ,, Methode des Sieges", Heranwachsen der anderen hätte wehren es gibt nur Menschen und Fähigkeiten, können sie kannte ja deren Schliche. denen eine Methode bessere, die andere Aber erstens hatten wir die Diktatur nicht schlechtere Behauptungs- und Entfal- und zwar und zwar sowohl in Italien   als in tungsmöglichkeiten bieten. Mit jeder Me- Deutschland nicht deshalb, weil eine sich thode kann man unterliegen, wenn es an bietende Gelegenheit verpaẞt worden den Menschen fehlt; vielleicht kann man wäre, und zweitens würde eine prole­sogar mit jeder Methode siegen, wenn ein tarische Diktatur in beiden Ländern( von solcher Ueberfluß an Menschenwert da ihrer internationalen Unmöglichkeit wol­ist, daß er die Kraftvergeudung durch len wir absehen) ungefähr dieselben Me­Um- und Irrwege ausgleichen kann. An thoden zu ihrer Behauptung erfordert den Menschen hat es gefehlt, in haben, wie sie Rußland  , Italien   und Hit­Italien wie in Deutschland  . Die soziali- lerdeutschland anwenden. Dann würde stischen Massen haben nicht verstanden, man die Frage Diktatur oder Demo­was auf dem Spiele stand, haben aus kratie  " auch diskutieren, wieder zum Teil

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AUS DEM INHALT:

Die Widersprüche des kapitalistischen   Systems Ursachen, Wesen und Bedeutung des Faschismus Die historische Perspektive des Weltkapitalismus/ Der sozialistische Ausweg/ Bürgerliche   und prole­tarische Revolution/ Was führte zum Scheitern der sozialistischen  Arbeiterbewegung in Deutschland? Hat der Marxismus versagt?! Unsere Stellung zu den Bolschewiki/ Die politischen Ziele unserer antifaschistischen Arbeit Ziele und Wege/ Das Schicksal der deut­ schen   Sozialdemokratie/ Die internationale Politik der deutschen  Sozialisten.

AUSLIEFERUNG:

durch Graphia", Karlsbad  , Kantstraße. 64 Seiten und kartonierter Umschlag.

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Preis: 4.- Umfang