Henrath lägt für Hitler Deutschlands Rüstungen und die Welt

Der Außenminister des Dritten Reichs, Herr von Neurath, hat mit seiner Rede vor der ausländischen Presse bewiesen, daß kein Mensch Mitglied der gegenwär­tigen deutschen Regierung sein kann, ohne bis auf den Grund seiner Seele zu ver­schmutzen. Herr von Neurath hat vier­zehn Jahre lang dem System, das er jetzt beschimpft, mit Ergebenheit gedient. Heute besitzt er die Unverfrorenheit, von Leuten zu sprechen,die einem Deutsch­ land nachtrauern, in dem sie sich auf Kosten des Volkswohles zu Ein­fluß bringen konnten." Herr von Neurath hat noch unter den Regierungen Papen und Schleicher im Auswärtigen Ausschuß des Reichs­tags gemeinsam mit uns gegen den verderblichen Wahnsinn der Habicht und Rosenberg gekämpft. Er hat sich dabei in Uebereinstimmung mit allen höheren Beamten seines Amtes befunden. Heute stellt er sich hin und erzählt den Vertretern der ausländischen Presse, daß die nationalsozialistische Be­wegung in Oesterreich für dieGrund­sätze wahrer Demokratie" kämpfe und daß die Reichsregierung die ihre Mör­der in alle benachbarten Länder schickt nicht daran denke, sich in die politi­schen Verhältnisse Oesterreichs einzu­mischen. Ja, er fordert das Ausland auf, einzusehen, daß Volksbewegungen nicht durch polizeiliche Maßnahmen unterdrückt werden können". Die nationalsoziali­stische Bewegung in Oesterreich hat kaum ein Viertel des österreichischen Volkes hinter sich, sie will drei Viertel des Volkes nach den verbrecherischen Methoden des Dritten Reiches unterdrük- ken. Und da spricht Neurath von wahrer Demokratie! Die Selbstbeherrschung der Pressevertreter, die ihm ruhig zuhörten, verdient alle Bewunderung. Neurath sprach weiter von demun­sinnigen Gerede über die sogenannte Judenfrage", das schnell verstummen werde,wenn man erkennt, daß die not­wendige Säuberung des öffentlichen Le­bens wohl vorübergehend in Einzelfällen persönliche Härten mit sich bringen konnte, daß sie aber doch nur dazu diente, um in Deutschland die Herrschaft von Recht und Gesetz um so unerschütter­licher zu festigen." Recht und Gesetz sind also jetzt in Deutschland unerschütterlich gefestigt Die Welt hat es mit Staunen gehört. Und einem Staatsmann, der ihr solche unsinnige, durch tausend Tatsachen jedes Tages widerlegte Unwahrheiten ins Gesicht schleudert soll sie noch ein ein­ziges Wort glauben? Die Weltpresse, ganz besonders die französische, hat sich freilich weniger mit den kleineren Lügen und Unanständigkei­ten dieser Ministerrede beschäftigt als mit seiner ziemlich offenherzigen Ankündi­gung, daß das neue Deutschland den gegenwärtigen Zustand der Rüstungs­ungleichheit nicht länger ertragen, also, falls die anderen nicht abrüsteten, ohne Rücksicht auf die Bestimmungen des Vertrages von Versailles aufrüsten werde. Mit dieser Erklärung des deutschen Außenministers ist eine gewisse Klarheit eingetreten, eine Klar­heit, die es eigentlich unmöglich machen sollte, die Emigranten weiter zu beschul­digen, daß sie es wären, die der Welt den Aufrüstungswillen des Dritten Reiches denunzierten. Dieser Aufrüstungswille ist jetzt von der deutschen Regierung selbst in unverschleierter Form zugegeben wor­den. Er stellt die anderen Staaten Euro­ pas und der Welt vor schwierige Ent­scheidungen. Die Erkenntnis, daß die Abrüstungs­konferenz auch ohne die Erklärung Neu­raths eigentlich schon längst tot war, ist allgemein. Die Abrüstungskonferenz wird, wenn sie wieder eröffnet wird, nur noch das Manöverfeld sein, auf dem die Diplo­maten zu ganz anderen Zwecken als denen einer allgemeinen Abrüstung ma­növrieren. Seit in Deutschland Hitler am Ruder ist, denkt keine Regierung der Welt daran, ihre Rüstungen herabzumin­dern, es geschieht vielmehr überall, besonders in den Nachbarländern Deutschlands , das gerade Gegenteil davon: es wird überall

aufgerüstet. Die Frage ist nur noch, ob ein allgemeines Wettrüsten der Sieger wie der Besiegten des Weltkrieges statt­finden soll, bis als seine unvermeidliche Folge ein neuer Weltbrand ausbricht, oder ob versucht werden wird, unter Berufung auf die bestehenden Verträge diese un­heilvolle Bewegung abzustoppen. Frankreich fühlt sich durch die deutschen Rüstungen am stärksten be­droht. Es bemüht sich, eine möglichst breite Basis zustande zu bringen für eine Aktion, die die deutschen Rüstungen un­terbinden soll. Es versucht durch Son­dierungen festzustellen, bis zu welchem Grade von Energie eine solche Aktion gesteigert werden kann, ohne daß die Einigkeit derer, die sie unternehmen, ge­fährdet wird. Dabei denkt es an die an­deren Nachbarstaaten Deutschlands , die sich gleichfalls bedroht fühlen, dann ganz besonders an England und die V e r- einigtenStaaten, seine großen Ver­bündeten aus dem Weltkrieg, aber auch an Sowjetrußland und sogar an Italien . Es rechnet damit, daß das heutige Deutschland keinen einzigen Freund in der Welt hat aber eine an­dere Frage ist, ob alle in Betracht kom­menden Regierungen bereit sind, die Ak­tion gegen die deutschen Rüstungen bis zu einem Punkte zu treiben, an dem der Bestand des nationalsozialistischen Re­gimes selbst bedroht wäre. Dieser Punkt würde wahrscheinlich dann erreicht sein. wenn die Auflösung der SA., der SS. und des Stahlhelms gefordert werden würde. Einstweilen bemüht sich Frankreich durchzusetzen, daß die Rüstungsbeschrän­kungen für einige Jahre vertagt werden und zuvor schon eine allgemeine

Rüstungskontrolle eingeführt wird. Diese Rüstungskontrolle hätte dann den eigentlichen Zweck, festzustellen, daß Deutschland durch seine Rüstungen den Vertrag von Versailles verletzt hat Aber es ist wiederum nicht anzunehmen, daß sich die deutsche Regierung ohne den stärksten Druck von außen verstehen könnte, eine solche Kontrolle hinzuneh­men. Die deutsche Sozialdemokratie hat stets die Gleichberechtigung Deutschlands auf allen Gebieten gefordert, und sie hat stets gefordert daß kein Staat aufrüsten, sondern daß alle abrüsten

sollen. Sie hat für diese Ihre Politik nicht nur die Unterstützung der Sozialistischen Internationale, sondern auch das Ver­ständnis weitester bürgerlicher Kreise in den ehemaligen Siegerländern gefunden. Eine für Deutschland günstige Entwick­lung ist durch das sinnlos herausfordernde Treiben der Hitlerregierung jäh unterbro­chen worden. Deutschland befindet sich in der denkbar schwierigsten außenpoli­tischen Lage, und die Schuld daran trägt einzig und allein jene Verbrechergesell­schaft, die jetzt vor der Welt für das ge­knebelte deutsche Volk das Wort führt. Was aber den Herrn von Neurath betrifft, so mag er sich vielleicht mit Tayllerand trösten, der gleichfalls als Diplomat und Außenminister den ver­schiedensten Regierungen in Frankreich gedient hat. Tayllerand hatte keinen Cha­rakter, aber Geist. Herr von Neurath hat keinen Charakter und sonst nichts!

Schamloser Gewissenszwang Spende oder Erpressung? Wer bisher geglaubt hat, die deutsche Sprache einigermaßen zu beherrschen, war in einem unverzeihlichen Irrtum befangen und muß sich von den braunen Reinigern eines Besseren belehren lassen. Setzten wir nicht bisher Spende" mit Schenkung gleich? Meinten wir nicht, nur eine freiwillige Gabe sei als Spende zu bezeichnen? Der gleichgeschaltete Sprachgebrauch hat mit dieser Vorstellung auf­geräumt Eine Meldung der gleichgeschalteten Presse ist überschriebenSpende der Gast­wirte" und lautet: Die Reichsleitung des Reichseinheitsver­bandes des deutschen Gaststättengewer­bes hat, wie einem Schreiben des Be­zirksverbandes Erfurt zu entnehmen ist, die Verfügung getroffen, daß sämt­liche deutschen Gastwirte, auch die nlchtorganlsierten, ein Prozent ihres Umsatzes vom 1. bis 31. August an die Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirt­schaft abzuführen haben. Auf Anordnung

Was fcihdezum Scheitern detsafüaÜsUschm AdeUedewegmy Ut tDeutschCand?

Diese Frage entzündet seit Monaten wie­der und wieder die Diskussionen in Deutschland und der Welt. Es ist keine müßige Debatte, r sie soll den Aus­gangspunkt für den jetzigen Kampf und den künftigen Sieg bilden. Diese Frage ist auch eines der Hauptthe­men der Broschüre:Neu beginnen!", die als Heft II der sozialdemokratischen Schrif­tenreihe in der nächsten Woche erscheinen wird. Neu beginnen!"-- das ist der Sinn die­ser revolutionierenden Schrift, die nicht scheut, herbe Kritik am Vergangenen zu üben, und auszusprechen, was viele den­ken. Die aber aus Kritik und Ablehnung zu neuen Forderungen kommt, neue Wege weist und neue Ziele aufstellt. Neu beginnen!" ist keine Propaganda­schrift im Agitationssinne, sie ist eine Streitschrift, sie faßt die tausend neu auf­tauchenden Probleme herzhaft an, ringt mit ihnen und tut nichtabgeklärt". Sie wollen doch nicht abseits stehen? Sie wollen doch auch die Auffassungen ande­rer hören? Bitte-- dann bestellen Sie diese Diskussionsschrift Schreiben Sie, am besten jetzt gleich, eine Postkarte anGraphia", Karlsbad , Kant­straße(das genügt), und fordern SieNeu beginnen" von Miles. Der Preis beträgt K5 4., der Umfang 64 Seiten.

der Reichsleitung müssen diejenigen Gast­wirte gemeldet werden, die sich weigern, die Spende zu zahlen. Waren wir nicht überzeugt, bei einer Kundgebung" werde durch die Teilnehmer ein WUle kundgegeben? Das ist anders ge­worden, jetzt wird den Teilnehmern etwas kundgetan, und webe dem, der mit der Ver­sammlungsleitung nicht einer Meinung ist! Unter der SpitzmarkeMassenkundgebung der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe" verfügt der schlesische Verbandsbezirksleiter des deutschen Arbeiterverbandes in der Prese: Es hat jeder Arbeitnehmer bei den Gemeindebetrieben, Reichs- und Staatsbe­trieben, Reichsbahn und Privateisenbahnen, Reichspost, Straßenbahnen, Verkehrs- und Handelsbetrieben sowie von der Schifl- fahrt und dem Wasserstraßenbau die Pflicht, zu erscheinen." Wenn der Rummel vorbei ist, können die Zel­tungen wieder von derungeheuren Teilnehmer- Zahl" auf die Begeisterung der Massen schließen. Glaubten wir nicht bisher, eine Erpressung sei eine Erpressung, eine Schamlosigkeit sei eine Schamlosigkeit, wer immer sie begeht? So einfach ist die Sache nicht mehr. Deutsche Zeitungen melden: In dem kleinen Bergmannsdorfe May­bach(Saargebiet) wird zur Zeit die Propa­ganda für den autonom istischenGeneral­anzeiger" mit geradezu zynischer Schamlosigkeit betrieben. Wer das Autonomistenblatt nicht bestellt, erlebt bin­nen kurzem eine Maßregelung und wird aus der Grube entlassen. Der Gewissens­zwang nahm derartige Formen an, daß sich Ende August der katholische Pfarrer des Ortes veranlaßt sah, von der Kanzel her­ab gegen die Zustände Stellung zu nehmen.. Darauf hat die Grubenverwaltung mitgeteilt, daß dem Pfarrer die Verfügung über die Kirche entzogen werde... Sie hat mit die­sem unerhörten Vorgehen gezeigt, daß sie offen das erpresserische Vor­gehen der Separatisten unterstützt." Also: bei einer saarländischen Grubenver­waltung ist's Erpressung, wenn die deutsche Regierung täglich, stündlich zu hunderten Malen das gleiche tut, Zwangsabonnenten für Zeitungen anwerben läßt und jeden, der es wagt, Kritik zu üben, nicht nur aus dem Amt. sondern auch ins Konzentrationslager jagt, so heißt dasGleichschaltung" undnationale Er­neuerung". Wer je deutsch gekonnt hat kennt sich in diesem babylonischen Sprachwirrwarr nicht aus. Aber die gleichgeschaltete Presse hat erstaunlich schnell begriffen, worauf es an­ankommt die braunen Zeitungslakaicn drehen sich selber das Wort im Munde um.

Es wird viel gebetet In Berlin Der.JBerliner Herold" stellt fest: Wenn man abends durch die Straßen von Berlin geht, entdeckt man, daß in feder fünf­ten, sechsten Seitenstraße eine fromme Ge­meinde ihren Altar hat. Viel Sekten blähen, viel Laienprediger reden gehobene Worte, viel Harmoniumspiel and Choralgesang. Es wird viel gebetet in Berlin ". Berlin , Berlin wie haste dir verändert!

»Blut und Geist« .Wenn man übrigens, was jetzt in Deutsch­ land geschieht, wirklich der./irischen Rasse" ankreiden müßte, so könnte man ihr nur wün­schen, daß sie sich schleimigst mit einer an­deren mischt(sofern sich noch eine andere "dt ihr mischen willir'(Konrad Folke Ober Jllut und Geist" in der ,Jleaen Züricher Zei­tung.")

Herausgeber; Ernst Sattler . Karlsbad . Verant­wortlicher Redakteur; Wenzel Horn. Karlsbad . Druck;Graphia" Karlsbad . Zeitungstarif bew. m. P.D. ZI, 159.334/ VII- 1933.