fädlaqe des Thum. Votwäds Tic. 16 Lehren der Niederlage Antwort an Oda Olberg Die Veränderungen in den Voraussetzungen für den Kampf der Arbeiterklasse, die der Sieg des Faschismus verursacht hat, sind so ungeheuer, daß wir bisher noch nicht eine annähernde Vorstellung über ihr Ausmaß haben. So glaubt die Genossin Oda Olberg (in ihrem Beitrag zur Parteidiskussion Kritik der Kritik im „N. V." Nr. 14), unsere Niederlage mit dem Maßstab einer wenn auch vernichtenden Wahlschlappe messen zu können. »Diese Niederlage schafft wohl neue Machtsituationen, aber durchaus kein neues Problem, keine neue Aufgabe." Nichts wäre für die sozialistische Bewegung verhängnisvoller, als sich über den Charakter der erlittenen Niederlage zu täuschen und daraus falsche Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Eine Niederlage der Arbeiterschaft im Rahmen der demokratischen Republik, etwa in der Art der Niederlage vom Mai 1924, schafft nur eine neue Machtsituation, d. h. ein verändertes Kräfteverhältnis. Sie erhält jedoch den Kampfboden, auf dem frühere Siege erkämpft und die augenblickliche Niederlage erlitten Vurden und zerstört nicht die Organisationen der Arbeiterklasse. Die jetzt erlittene Niederlage hat jedoch nicht eine Machtposition geschaffen, sondern den Boden, auf dem der Kampf ausgetragen, samt den Kräften, mit denen er geführt wurde, vernichtet. Das erst macht die erlittene Niederlage zur Katastrophe. Der Kampf um den Sozialismus tritt in eine neue Phase ein, da er in Zukunft auf einer von der bisherigen im Wesen verschiedenen Basis geführt werden wird. Darum wirft diese Niederlage die Problematik des zukünftigen Kampfes grundsätzlich auf. In Deutschland selbst und in weiten Kreisen der sozialistischen Emigration ist nian sich— im Gegensatz zur Genossin Olberg— darüber einig und glaubt, daß nian„neu beginnen" muß. Sowohl die Kielsetzung, wie die Taktik und die Or- ganisationsforraen der sozialistischen Bewegung müssen vom neuen geformt werben. Gewiß, die klassenlose sozialistische Gesellschaftsordnung war und bleibt das Endziel. Entscheidend für den politischen Kampf ist jedoch nicht das Endziel, sondern die unmittelbare politische Kielsetzung. Hier liegt indessen zwischen der Zielsetzung des alten und des neuen„Vorwärts" ein wesentlicher Unterschied. Die bisherige Konzeption der Sozialdemokratie läßt sich in die �orte fassen: Verteidigung der demokra- dschen Republik und ihr Ausbau zum "Sozialen Volksstaat". Sie war politisch konservativ und wirtschaftlich revolutio- när. Die konkrete Zielsetzung der deut schen Arbeiterbewegung kann jetzt nur Machteroberung und soziale Umwälzung heißen; sie ist damit sowohl politisch wie Wirtschaftlich revolutionär. Die veränderte Zielsetzung bringt eine Aenderung der Taktik mit sich; beide sind die notwendige Folge des Sieges des Paschismus. Die Tätigkeit der deutschen Sozialdemokratie erschöpfte sich im wesentlichen im parlamentarischen Tageskampf. ihre Taktik baute sich nicht auf einer bestimmten Perspektive auf und War im wesentlichen von den augenblick- hchen Nöten der Arbeiterschaft bestimmt: 'hre Ergebnisse lagen auf dem Gebiete der Sozialpolitik. Fast alle großen Kämpfe Wurden uns durch den Gegner aufgezwun- �en(Kampf um das Sozialistengesetz, kiottentottenwahlen) oder durch äußere Efeignisse verursacht(Wahlrechtskämpfe 115 Preußen als Folge der russischen Resolution von 1905, Novemberrevolution Folge des militärischen Zusammen- bruchs im Weltkrieg). Diese Taktik war reformistisch, da ihr Sinn Erreichung von Reformen und nicht Vorbereitung eines Eadkampfes war. Es fällt außerhalb des Gahmens dieses Aufsatzes zu untersuchen, '"wieweit diese Taktik von der ökono- ""schen Entwicklung bedingt war. . Per totale faschistische Staat raubt er I aktik im alten Sinne überhaupt jeden Boden: gegen den totalen Staat— totale Revolution. An Stelle der Erkämpfung von Tagesforderungen tritt die Vorbereitung des entscheidenden Kampfes. Vor der Arbeiterschaft steht eine reale Perspektive; die Eroberung der politischen Macht, der jede Aktton untergeordnet ist Träger dieser Taktik werden andere Organisationen sein, als die durch jahrzehntelange Arbeit geschmiedeten und in wenigen Wochen vernichteten Organisationsgebilde des deutschen Proletariats. Arbeiterbewegung und Massenorganisationen waren bisher identische Begriffe. Der illegale Kampf schließt Massenorganisationen aus. Im Gegensatz zur jüngsten Vergangenheit werden alle Kampforganisationen in Deutschland auf einen geringen Bruchteil der Arbeiterschaft beschränkt sein. An Stelle des bisherigen Strebens nach der organisatorischen Erfassung möglichst weiter Schichten tritt jetzt die Aufgabe der ideologischen Beeinflussung der durch die faschistische Diktatur revolutionierten Massen. Während bisher die Macht der Arbeiterklasse geradezu eine Funktion ihrer Organisiertheit war, wird im Augenblick. wo die sozialistische Bewegung im entscheidenden Kampfe wieder an die Oberfläche kommen wird, die ideologische Klarheit und moralische Festigkeit der durch den illegalen Kampf geschmiedeten Kaders ihre Stärke entscheiden. Vom Bewußtsein dieses Kernes wird es abhängen, ob die deutsche Arbeiterbewegung in diesem Augenblick ihrer geschichtlichen Aufgabe gerecht werden wird- Diese Faktoren Obersieht Genossin Olberg, wenn sie schreibt:„Dieselbe Aufgabe, vermehrt um all die ungetane Arbeit, wie sie unsere Niederlage enthüllt". Die erlittene Niederlage hat nicht nur unsere Schwächen und Fehler enthüllt sondern auch die Voraussetzungen vernichtet, unter denen sie gemacht wurden und unter denen das Versäumte nachgeholt werden könnte. Die deutsche Arbeiterklasse wird wahrscheinlich nie mehr auf dem Boden einer demokratischen Re publik gegen rebellierende Mittelklassen und Bauernschaft die Staatsform und sozialpolitische Errungenschaften zu verteidigen haben— und auf diesem Gebiete lagen unsere Fehler. Insoweit hat die Kritik der Vergangenheit nur einen relativen Wert; sie kann uns nicht lehren, wie etwas, was„falsch" gemacht werde, in der entsprechenden Lage„richtig" zu machen ist: dieselben Voraussetzungen werden, wie gesagt, in Deutschland nicht mehr eintreten. Lehren dafür, wie im Kampfe mit dem totalen faschistischen Staatsapparat die Macht zu erobern ist und wie, um sie zu sichern, durch die Enteignung bestimmter Teile der kapita listischen Klassen und des Großgrundbesitzes der Weg der sozialen Revolution zu beschreiten ist, werden aus der Praxis der Sozialdemokratie vor 1918 bis 1933 nicht geschöpft werden können. Eine Analyse der Vergangenheit ist mehr als Selbstkritik und ist notwendig. Sie wird uns zeigen, was an der Taktik beider Arbeiterparteien und damit an der Spaltung geschichtlich bedingt war und mit dem Untergang der beiden Parteien in die Vergangenheit übergehen muß. Sie wird damit das größte Werk vorbereiten, das die demoralisierte, hoffnungslose, passive Arbeiterklasse zum Siege befähigen kann: die E i n h e i t G. Peter. Juristen zum Reichstagsbrand Der Internationale Bund sozialistischer Juristen hat zum Leipziger Prozeß einen Aufruf erlassen, in dem es heißt: Der Reichstagsbrand vom 28. Februar 1933 war der unmittelbare Anlaß für die Zerstörung der Kommunisten und der Sozialdemokratischen Partei, der Beginn einer Schreckensherrschaft ohne Vorbild, er brachte die Auflösung des Rechtsstaates, führte schließlich zur Vernichtung aller nicht-nationalsozialistischen Partelen und zur Alleinherrschaft der nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei Noch am Abend des 28. Februar 1933 ver- kündte der amtliche preußische Pressedienst, daß die„Brandstiftung der bisher ungeheuerlichste Terrorakt des Bolschewismus in Deutschland sei" und daß„der Brandstifter aus dem Reichstag in seinem Geständnis die Verbindung mit der sozialdemokratischen Partei Deutschlands zugegeben" habe. Obwohl der Untersuchungsrichter des Reichsgerichtes am 22. März 1933 öfientllch erklärte, daß für die Beteiligung anderer Partelen als der kommunistischen nicht der geringste Anhaltspunkt gegeben sei, ist keine der Maßnahmen, die auf dem angeblichen Geständnis des Angeklagten Van der Lübbe beruhten und die gegen die Sozialdemokratie und ihre Presse gerichtet waren, rückgängig gemacht worden. Am Morgen nach dem 28. Februar 1933 beseitigte die Verordnung des Reichspräsidenten die Grundlagen des Rechtsstaates, die Freiheit der Person, der Presse, der Meinung, des Vereins- und Versammlungsrechtes und des Eigentums- Die Willkür unkontrollierter Staatsorgane verbunden mit dem Terror der braunen Privatarmee wurde an diesem Abend des 28. Februar zum leitenden deutschen Rechtsprinzip erhoben. Eine Fülle von Umständen spricht dafür, daß der Reichstag von Nationalsozialisten unter Billigung maßgeblicher Partei- und Staats- ftihrer angezündet worden Ist, um die Widerstände des Reichspräsidenten und der Reichs wehr gegen die Verleihung der Diktaturgewalt an Hitler zu brechen. Es handelt sich daher in diesem Prozeß nicht allein darum, festzustellen, ob die Ange klagten schuldig sind oder nicht, sondern auch und entscheidend um die Ermittlung der wahren Täter und damit um die Aufklärung über die rechtlichen und moralischen Grundlagen der Hitlerdiktatur, Der Aufruf zeigt weiter, daß die deut sehe Justiz in ihrem gegenwärtigen Bestand zur Lösung dieser Aufgabe ganz unfähig ist und fordert noch einmal die Zulassung ausländischer Rechtsanwälte. Der Aufruf trägt die Unterschriften von Emile Vandervelde (Brüssel), Jean Longuet (Paris ), Löon Blum(Paris ), Mau rice Delepine(Paris ), Dr. Karl Renner (Wien ), Dr. Franz Soukup(Prag ), Dr. Carl Heller(Prag ) und andere bekannter Persönlichkeiten der internationalen Juristenwelt. Kaltgestellte „Führer" Die„Nationalsozialistische Korrespondenz " gibt eine Verfügung wieder, die„der Chef des Stabes" erlassen hat In diesem neuesten Ukas wird eine sorgfältige Unterscheidung zwischen aktiven, zugeteilten, zur Verfügung gestellten und verabschiedeten SA.-Führern getroffen. Die einen dürfen Tressen tragen, die anderen nicht, die einen dürfen ihren Dienstanzug täglich, die anderen dürfen ihn nur„bei festlichen Gelegenheiten" anziehen und was so der Kommlsvorschriften mehr sind. Auf diese Weise erfährt der staunende Nicht- SArier, was es im Bereich des braunen Drills alles gibt.„Verabschiedete SA-Führer sind nicht mehr Angehörige der SA.". Wieviel Kaltgestellte dieser Art muß es geben, wenn sie in eine eigene Gruppe eingereiht werden, wieviel Stunk und Krach mag einer solchen „Verabschiedung" jedesmal vorangehen?! Schon letzt würden die SS. - und SA.-Af{ären ganze Bände füllen. Wie wird das erst in Zukunft werden, wenn die Enttäuschung wächst und die Begeisterung weiter sinkt? Einstein gegen Diktatur Ein Brief und eine Unterredung. Professor Albert Einstein , der sich zur Zeit als Gast des englischen Abgeordneten Locker Lampson in dessen Blockhaus an der englischen Westküste befindet, hat von dort an die Redaktion des„Manchester Guardian" am 15. September folgenden Brief gerichtet: „Die von der Labour Party veröffentlichte Enthüllungsschrift:„Das kommunistische Sonnensystem" habe ich erhalten und mit Interesse gelesen. Wie andere Intellektuelle, die es als ihre Pflicht empfinden, nach besten Kräften der Sache der Humanität zu dienen, bin auch ich ein Opfer eines Mißverständnisses geworden über die wahren Ziele gewisser Organisationen, die in Wirklichkeit nichts anderes als getarnte Propagandaorganisationen des russischen Despotismus sind. In Unkenntnis ihrer wirklichen Absichten habe ich nichts getan, um den Gebrauch meines Namens durch die „Internationale Arbeiterhilfe" und die„Anti- kriegsbewegung" oder ähnliche Organisationen zu verhindern; doch möchte ich jetzt feststellen, daß ich niemals den Kommunismus begünstigt habe und dies auch jetzt nicht tue. Die Gefährlichkeit dieser Organisationen liegt darin, daß sie aufrichtige Freunde des menschlichen Fortschritts und der wirklichen Freiheit irreführen. Nach meiner Ueberzeugung ist jede Macht, die das menschliche Individuum durch Terror und Gewalt versklavt, eine Feindin der Menschheit— gleichviel, ob sie unter faschistischen oder kommunistischen Fahnen marschiert. Alles, was wertvoll ist in der menschlichen Gesellschaft hängt von den Möglichkeiten ab, die dem Individuum für seine Entwicklung gegeben sind. Ich habe die Ehre, zu bleiben Ihr ergebener Albert Einstei n." Die scharfe Wendung des berühmten Gelehrten gegen den Bolschewismus hat allenthalben das größte Aufsehen hervorgerufen. Nicht minder interessant als der Brief an den„Manchester Guardian" ist ein Gespräch Einsteins mit einem Mitarbeiter des„Daily Herald", dem wir folgende Stellen entnehmen; Als ich über die etwas schäbige Summe von 20.000 Mark sprach, die von den Nazis auf seinen Kopf gesetzt wurde— vielleicht einen der wertvollsten Köpfe der Welt— lachte Einstein . „Diese Leute sind wirklich sehr dumm", sagte er,„ich glaube nicht, daß sie ihre Drohung wirklich ernst meinen. Aber der Mord an Lessing zeigt, daß es immer fanatische junge Leute gibt, die ihre Führer ernst nehmen. Sie möchten Helden werden; und sie wissen, daß der Mörder der wahre Held des Dritten Reiches ist Jeden Tag ereignen sich Gewalttaten in Oesterreich , Luxemburg und anderwärts, und sie benützen die Gelegenheit, ohne viel Risiko große Helden zu werden. Ganz Deutschland ist heute in einem Zustand barbarischer Hysterie, der grausamste Abscheulichkeiten erzeugt. Die Nazis respektieren nur ein Land— England. Sie glauben noch immer, daß in naher Zukunft die britische öffentliche Meinung sich wandeln werde. Rosenberg und Hitler vertrauen darauf, daß England Deutschlands Bundesgenosse werden müsse, deshalb beachten die Nazis die öffentliche Meinung Großbritanniens mehr als die irgend eines anderen Landes. Eine Gewalttat, in England verübt, würde die Hitler -Regierung sehr in Verlegenheit setzen. Sie würde nie einen Streit mit Großbritannien riskieren." Einstein ist ein überzeugter Demokrat. «i „Deshalb war ich trotz dringlicher Einladungen nicht In Rußland ", erklärte er,„mein Besuch in Moskau wäre sicher von der Sowjetregierung zu ihrem eigenen politischen Vorteil ausgenützt worden. Ich bin ebenso gegen den Bolschewismus wie gegen den Faschismus. Ich bin gegen jede Diktatur. Ich könnte weder in dem vom Faschismus überschatteten Italien leben noch in Rußland unter' r Aegide der GPU ; und noch weniger natürlich in Deutschland , auch wenn es mir möglich wäre, mich dort aufzuhalten. Mit Deutschland m seinem gegenwärtigen Zustand habe Ich keinerlei Sympathie." „Hitlers Aussichten? Es gibt etwas, das mir den nahen und unvermeidlichen FaH des Hitler -
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1 (1.10.1933) 16
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