Redaktion und Verlag: Karlsbad , Haus.Graphia" Tel.«Kl Preis der üinzelnummer IT" v j A (Im Ausland Kd 2*) JA-C 14\/ Auslandspreise tinzelnuinm Argentinien .. Belgien .... Bulgarien ... Danzig .... Deutschland .. Estl nd.... Finnland ... Frankreich .. Großbritannien . Holland .... Italien ..... Jugoslawien. ,. Lettland ... Ufr. 17 Sonntag, S. Oktober 1933 BezuKiprei, Im Quarta) 1/ v j q (Im Totiaad Kf 24�1 J\.C XO.- Aaslandspreise Linzelnumni vierteljährl. Litauen .... Luxemburg ,. Norwegen.,. Oesterreich.. Palästina.., Polen ..... Portugal ... Rumänien ,. Saargebiet.. Schweden ... Schweiz ... Spanien ... , Lit 055 . B. Frs. 2.- , Ki 0,35 Sh Mus 0.40 18.- , Zloty 050 Span Unga . Esc. , Lei F.Fi. . Kr . Frs. Pes. 2.- 10.- 1.5« 0.85 0.30 0.70 Ungarn , USA ... . Peng8 0.35 . Dollar 0.03 Lit. 6.60 B.Fi. 24.- Kr. 4 20 Schill. 4.80 Müs 216. Zloty 6. Esc. 24- Lei 120. F. Fi 18.- Kr 4 20 Frs 3,60 Pes. 8.4« PengO 4.20 Dollar 0.90 Sozialdemokratisches Wochenblatt Göbbels , der SlrcsemaiBia Worte in Genf Schüsse in Wien Liest man die gleichgeschaltete Presse von Berlin und München , Köln und Breslau über den Erfolg, den Göbbels in Genf bei der ausländischen Presse erzielt hat, dann kann man kaum daran zweifeln, daß dem Reich in seinem erstenPropaganda- minister" ein neuer Stresemann entstanden ist Wie verstand er doch, sei­ne Worte klüglich zu setzen, um den auf­horchenden Journalisten zu beweisen, daß die Regierung Hitler Tag und Nacht an nichts anderes denkt, als daran, wie der Frieden Europas am besten behütet werden kann.Es war ein starker Ein­druck", sagt derLokalanzeiger",ein Kroßes Ereignis".Ein ragendes Doku­ment deutschen Wollens und Fühlens" heißt es in denBreslauer Neuesten Nach­richten". Und weiter wörtlich; Der Friedenswille des deutschen Vol­kes und seiner Regierung ist über jeden Zwei­fel erhaben. Mit dem energischen Hervorheben dieser Tatsache erklomm der Reichspropa- Kaadaminister unstreitig den Höhepunkt s einer rhetorischen Leistung. Dieser Friedenswille zeigt sich nicht nur im Verzicht aui jede aggressive militärische Haadhuig, auf leden Eroberungs willen, sondern aöch in der weisen Beschränkung auf kultur Politische Gegebenheiten. Ja selbst der berech- ügte und verständliche Wunsch, das Deutsch- him so weif als möglich in einem Vaterlande 2u wissen, findet dort seine Schranke, wo das berechtigte Interesse anderer Völker und Län­der entgegensteht Das aus englischer �Peile stammende irrsinnige Ge- Tede von deutschen Ambitionen auf fremde Gebiete hat damit eine eindeutige, absolut autoritative Widerlegung erfahren. Stresemann verzichtete immerhin nur am Elsaß-Lothringen und Eupen-Malmedy . Röbbels verzichtet auf alles. Was in *7' 1 1 e r sKampf steht, was in hun oerltausend Reden und Artikeln gesagt Jurde über Deutschlands Anspruch auf deutsche Sprachgebiete rundum, ist heute "ur nochirrsinniges Gerede." Ist Göbbels also wirklich ein zweiter �fresemann? Ganz gewiß nicht! Von den fielen Unterschieden, die es zwischen bei- c'en gibt, springt einer ins Auge: Strese­ mann hat man geglaubt, und Göb- e's glaubt man nicht Stresemann war während des Krieges jjoch ein fanatischer Nationalist Später hat er begriffen, daß man, um seinem Vol- ke zu dienen, auch der Klugheit be­darf. Zur Klugheit gehört daß man zwi­schen seinem Reden und seinem Handeln keinen zu auffälligen Gegensatz bestehen 'aßt. War Stresemann vielleicht nicht für :e Gleichberechtigung Deutschlands ? Er jyar es so sehr, daß er trotz der scharfen VPPosition der Sozialdemokratie auch f ü r das Aufrüsten war nur wollte er es nicht, wie das jetzt geschieht, mit Trora- fieln und Trompeten vor sich gehen las- Sen- Er ein Volksparteiler und beileibe Kfc"i Pazifist wollte in zehn Jahren und ,rn Stillen erreichen, was die Nationalso- Risten jetzt mit größtem Lärm in einem ;'r schaffen möchten. Im Ziel bestand *ein großer Unterschied, ein desto größe- in der Taktik. Hätte Stresemann ge- flaubt, Deutschlands Wiederaufrüstung in V'rzer Frist den Westmächten gegenüber ."rchsetzen zu können, dann hätte er� es stimmt getan. Aber wahrscheinlich hätte ' dazu eine bessere rhetorische Begleit­musik dazu gefunden als das schlecht nach­gemachte Friedensgestöhn und Völkerver­ständigungsgewinsel, das Josef Göbbels vor den staunenden Auslandsjournalisten von sich gegeben hat Nicht genug, daß das Dritte Reich für den Frieden ist, es ist auch, laut Göbbels in Genf , für die Demokratie, aller­dings für dieveredelte Demokratie", als welche der Reichspropagandaminister den gegenwärtigen Zustand in Deutsch­ land betrachtet. EineDemokratie", die so edel ist, wie der im Dritten Reich herr­schendeS o z i a 1 i s m u s", woran be­kanntlich dort auch kein Mangel ist. So wie die Herrschaft der Thyssen und Krupp, die Knechtung der Arbeiter, der Abbau der Arbeitslosenfürsorge und die ganze Eintopf-Heucheleiveredel­ter" Sozialismus ist, so ist das System der Konzentrationslager und des Meuchel­mords an politischen Gegnernveredelte" Demokratie undveredelter" Pazifismus. Eine Illustration zu den Worten des Göbbels m Genf bilden die Schüsse auf Dollfuß in Wien . ImDortmunder Generalanzeiger" sah man am 20. September den österreichi­schen Bundeskanzler abgebildet mit einem klaffenden Loch in der Stirn. Es war die Photographie eines Plakats mit dem Bild des verhaßten Gegners, auf das ein Tintenfaß geworfen worden war. Der erste Eindruck aber, den das Bild hervorrief, war:Da ist geschossen wor­den, da läuft Blut von der Stirne." Daß kaum zwei Wochen später auf Dollfuß wirklich geschossen wurde, ist na­türlich nur ein Zufall! Es gibt so viele Zufälle im menschlichen Leben! Da erschien z. B. ein Buch des großen Nationalsozialisten Dr. von L e e r s Juden sehen dich an" mit einem Bild Erz- bergers und der BemerkungGerichtet", ferner mit einem Bild des Professors Theodor Lessing und der Bemerkung: Noch u n g e h ä n g t". Ein paar Wochen später wurde Lessing in Marienbad zwar nicht gehängt, wohl aber erschossen. Wer da behaupten wollte, zwischen der nationalsozialistischen Literatur und den gleichfalls nationalsozialistischen Meu­chelmorden bestehe ein innerer Zusam­menhang, käme in Deutschland bestimmt in ein Konzentrationslager. « Außerhalb Deutschlands jedoch wird man finden, daß das Spiel der Hitlerre­gierung allzu plump ist. Sie läuft, sichtbar für alle Welt, mit der Brandfackel in der Hand herum und versichert, sie wolle löschen. Sie schwärmt für Frieden Demokratie und Sozialismus Jn veredelter Gestalt", sie läßt ihren Geb bels reden wie Stresemann, während ihr Göring sich in der Pose eines neuen Nero paradiert. Sie erklärt ihre Revolution für abgeschlossen, und gibt damit selber zu, daß alles, was heute noch täglich an blu­tigen Gewalttaten geschieht, nur noch ge­meines Verbrechen ist. Mit Meuchelmorden, Sprengstoffatten­taten und Brandstiftungen ist der Natio­nalsozialismus in Deutschland zur Macht gelangt, mit den gleichen Mitteln versucht er es in Oesterreich . Kennzeichnend für sein ganzes Wesen sind nicht die Worte von Genf , sondern die Schüsse von Wien ! Frankreich amüsiert sich Gübbelsgarde in Genf Die Hand am Revolver." Die BaselerN a t i o n a I z e i t u n g" schreibt: Die Nazi finden sich schon ganz gut in das Aeußerliche von Genf . Vielleicht wird nach einiger Zeit die Leibgarde, welche der Pro­pagandaminister mit sich führte, es auch nicht mehr für notwendig halten, immerzu die Hand am Revolver in der Tasche zu halten. Auf den aufgenommenen Bildern ist dies ge­nau zu erkennen, und es kann nachdenklich stimmen. Denn es zeigt, wie sicher die Füh­rer sich im Dritten Reich wohl fühlen, und ein Blick auf solche Momentaufnahmen und. auf die aus Unterweltfilmen aufgestiegenen Ge­stalten erschwert wohl die Propaganda des Propagandaministers." Göbbels blitzt Deutsche Journalisten schwitzen. Bevor Göbbels in Genf vor ausländi­schen Presseleuten in der Rolle Strese- raanns paradierte, ließ er seine deutschen Pressekosaken kommen, um mit ihnen gründlich zu exerzieren. Wie es dabei zu­ging, schildert anschaulich Herr R. Kir­cher in derFrankfurter Zeitung ": Seine Augen schleuderten Blitze, als er auseinandersetzte, warum der Anspruch auf Pressefreiheit" in seinen Oh­ren geradezu komisch klinge, wenn er von Leuten erhoben werde, die die liberale Vergangenheit mitzuverantworten hätten. Diese gleichen Augen schienen erst verächt­lich, dann beinahe etwas mitleidsvoll, als er nicht ganz mit Unrecht von dem gerin­gen Eifer sprach, mit dem gerade manche jener Blätter, die früher am lautesten waren, in den letzten Monaten bemüht gewesen seien, sich eine geistige Selbständigkeit zu bewahren. Die Nationalsozialisten seien oft genug angewidert von den Lobeshymnen, mit denen sie geradezu von dieser Seite über­schüttet worden seien. Dr. Göbbels verschmähte bei dieser Szene die Ironie so wenig wie einen stechen­den Angriff. Deutschland befindet sich in einer Schwitzkur, so ist seine Dia­gnose, das Schwitzen ist unangenehm, aber wir werden kuriert werden, prophezeit er uns. Ueber das Maß der Unannehmlichkei­ten sind wir uns im klaren. Daß aber Deutschland gesunde, ist auch unser leiden­schaftlicher Wunsch. Inzwischen müs­sen wir weiferschwitzen. Der blitzende Göbbels und die angst­schwitzenden deutschen Journalisten ein schönes Schauspiel vor den Augen der ganzen Welt! HMit* Schau, ein Neuer! Wer Ist denn das?" Der? Das Ist doch der Delegierte der äugigen Arier." hochgewachsenen blonden und blau- (Franz. Zeitungskarikatur.) Achtung! Gastod! DieBayrische Zeitung" vom 30. Sep­tember enthält folgende Aufforderung: Wer in den letzten Tagen bei der Firma Sauer-Augsburg Gastodpatro- nen gekauft hat, wird dringend aufgefor­dert, diese nicht abzubrennen, da eine Verwechslung vorliegt" Oh ihr alle, die ihr im Zeitalter der Maschine lebt, vom Jahrmarkt zum Kriege, vom Krieg zum Jahrmarkt hin- und her geworfen, unter dem Gesetz von Gold und Eisen, seid ihr nicht der An­sicht, man sollte den Dingen wieder ihren richtigen Platz anweisen? Henri Gh6on.