Filme, Bücher, Mode Ton Kahl zn Kerrl Pathologische JustizreSorm Von J u s t i n i a n. gestellt wird. Dann erst werden für die Julius-Streicher-Naturen vom„Stürmer" und„Hakenkreuzbanner" die wahrhaft goldenen Zeiten anbrechen. Natürlich trieft die Denkschrift auch sonst von neudeutscher Sittlichkeit und Moral. Ein weiteres nagelneues Delikt, dessen Erfindung drei Jahrtausenden menschlicher Kultur nicht gelang, bis sie jetzt den Nazis glückte, ist die„Schmähung der Ehe". Niederziehende Angriffe auf„Ehe, Mutterschaft und Familie" sollen Künftig auch einen der vielen Wege bilden, auf denen man die Bekanntschaft neudeutscher Gefängnisse machen kann. Wie viel Jahre Zuchthaus häte sich da wohl der angebliche Lieblingsphilosoph Adolf Hitlers , Friedrich Nietzsche , verdient mit seinem„Du gehst zum Weibe?— Vergiß die Peitsche nicht!", oder Arthur Schopenhauer , der Misanthrop und Weiberfeind?! Dafür aber soll— ein weiterer Kulturfortschritt— der Zweikampf in bestimmten Fällen fortan straflos sein, was er nicht einmal unter den Hohenzol- lern war. Es sei das Duellieren nämlich— so sagt die Denkschrift— ein Recht des „freien Mannes" und es entspreche altdeutscher Rechtsauffassung, sich für die verletzte Ehre im Zweikampf Genugtuung zu verschaffen. Danach läge es auch nahe, bei Mord und Totschlag die altgermanische Blutrache der Sippen wieder herzustellen, da es offenbar in den Augen der Nazis keinen Kulturfortschritt darstellt, daß inzwischen das Strafrecht des Staates die Privatrache des einzelnen abgelöst hat. Es ist immerhin pikant, daß ausgerechnet der „absolute Staat" einer privilegierten Oberschicht das Recht der Privatrache wiedergibt. Oder sollen sich im Dritten Reich auch die Proleten duellieren— etwa als Ersatz für den unterbliebenen Sozialismus?! Damit der Scharfrichter künftig noch mehr Arbeit bekommt, als er jetzt schon hat— durchschnittlich zwei Hinrichtungen pro Woche genügen scheinbar nicht— soll außer auf den Mord auch auf den Landesverrat die Todesstrafe gesetzt werden, wobei der Begriff des Landesverrats noch gewaltig ausgedehnt werden soll, namentlich auf das w i r t s c h a f 1 1 i c h e Gebiet(Verrat von Betriebsgeheimnissen u. dgl.). Es soll überhaupt der Landesverrat als das schwerste Delikt angesehen werden, wobei natürlich auch jeder Angriff auf die Herrschaft der Nazis als Verrat am Vaterlande betrachtet wird. Man denkt zurück an die Zeiten, in denen einmal für eine ernsthafte Reform des Strafrechts gestritten wurde, an jene geistigen Kämpfe, mit denen die Namen großer Rechtslehrer wie K a h 1, v. L i s z t, Radbruch und vieler anderer untrennbar verbunden sind. Von Kahl zu Kerrl welch ein Weg abwärts! Hoffnung auf Hunger Ein Nazi- Journalist über deutsche Emigranten Während der Deutsche Juristentag in Leipzig zusammentrat,— zum erstenmal in seiner Geschichte nicht als eine Elite des Geistes und des unabhängigen For- schertums, sondern als ein gleichgeschaltetes Instrument des neudeutschen Despotismus— währenddessen übergab der preußische Justizminister der Oeffentlichkeit eine Denkschrift, die seine Gedanken zur Strafrechtserneuerung enthält. Auf diese Weise erfährt die Welt wenigstens, daß Minister Kerrl sich überhaupt Gedanken auf dem Gebiet der Rechtspflege macht— falls nämlich der Inhalt der Schrift wirklich von ihm und nicht von dem ihm vorgesetzten Staatssekretär Freisler stammen sollte. Solange Kerrl als Abgeordneter dem Preußi schen Landtag angehörte— immerhin 7 bis 8 Jahre— hat er seine Gedanken zur Rechtspflege sorgfältig geheimzuhalten gewußt. Jetzt aber ist für die Kerrls und ähnliche Hohlköpte das goldene Zeitalter angebrochen. Jetzt können sie jeden Wahnsinn der Oeffentlichkeit vorsetzen, ohne ein anderes Echo als das ersterbender Bewunderung für ihre allerhöchste Weisheit befürchten zu müssen. Die ehrlichen Rechtsformer sind in Deutschland aus den Lehrstühlen entfernt und verbannt, die juristische Fachpresse ist gleichgeschaltet, die Kritik mundtot—, der Charlatan hat freie Bahn! Bei der Herrischen Denkschrift wird einem zumute— etwa wie dem normal Veranlagten bei den perversen Schriften des Marquis de Sade . Diese Denkschrift will nämlich nicht mehr und nicht weniger, als die gänzlich unhaltbare und willkürliche Rassendoktrin der Nationalsozialisten zur Grundlage einer neuzuschaffenden Kategorie von Verbrechen machen. Das bisherige Strafrecht sah als die hauptsächlichsten Sexualdelikte an: die Blutschande, die Notzucht, die Verführung Minderjähriger, die widernatürliche Unzucht. Dazu soll nach der Denkschrift ein gänzlich neues Delikt treten: die Rasse- s c h ä n d u n g. Die Vermischung zwischen Deutschen und„Fremdrassigen" soll unter Strafe gestellt werden, und zwar soll dies geschehen im Interesse der „Aüfnordung" des deutschen Volkes. Wer sich— Mann oder Frau— in Verkehr mit „Angehörigen fremder Blutsgemeinschaften" einläßt(als solche werden in prachtvoller Zusammenstellung genannt: Juden, Neger und sonstige Farbige!), der ist ebenso wie sein Partner dem Gefängnis verfallen. Und zwar soll dies ebenso gelten von der ehelichen wie der außerehelichen Vereinigung, vielmehr: eine eheliche Vereinigung soll gar nicht mehr in Frage kommen, weil nach dem Reformgedanken des preußischen Justizministers das Eingehen einer Mischehe die Eheschließung künftig nichtig machen soll! . Dabei muß die Denkschrift selber den ganzen Wirrwarr der Rasseforschung zugestehen, indem sie ausdrücklich davon abrät, den Begriff der Rasse in das künftige Gesetzgebungswerk aufzunehmen, weil— nach der eigenen Ansicht des Verfassers— sowohl die Deutschen wie die Juden zur Zeit keine Rasse, sondern ein Rassengemisch darstellen! Deswegen könne im künftigen Gesetz mir von deutscher, bezw. jüdischer„Blutsgemeinschaft" gesprochen werden.„Wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein!" Man vermißt nur eines; daß jedem Angeber eines solchen„Zersetzungsdelikts" an der nordischen Blutsgemeinschaft eine Belohnung aus der Staatskasse in Aussicht Die Hetze gegen die emigrierten Gegner des Faschismus ist in der Hitlerpresse ein beliebter Sport. Die„Süddeutsche Sonntagspost" läßt sich von Herrn v. Heimburg aus Paris allerhand Schmähliches über die Emigranten berichten. Vier Gruppen von Flüchtlingen müsse man unterscheiden: Sozialdemokraten, Pazifisten, Kommunisten und juden. Das Blatt unterschlägt einiges: es gibt Zentrumsleute, Demokraten, Stahlhelmer und selbst N a- z i s, die sich der hakenkreuzlerischen Barbarei durch die Flucht entzogen, und es werden ihrer täglich mehr. Die österreichischen Nazis müssen in Bayern schon in Arbeitslagern zusammen gepfercht werden, aus denen ab und zu welche entfliehen. Aber der ehrenwerte Berichterstatter vergißt noch viel mehr. Er schreibt lustig drauflos: Breitscheid und Wels, der Reichsbannerführer Stein gehen bei Löon Blum und seinen Freunden aus und ein, schreiben gelegentlich in sozialistischen Zeitungen und werden als Märtyrer ihres Glaubens gebührend gefeiert Sowohl die Redaktion des Blattes wie ihr Pariser Skribent wissen, daß Genosse Wels nicht in Paris , sondern in Prag weilt: es hat mehrfach in deutschen Blättern gestanden und die Hitlerpresse hat Wels' Tätigkeit in Prag mehrfach verleumdet. Schert diese Klopffechter nicht im geringsten, sie brauchen ihn momentan beim„Erbfeind". Aber bald werde, so hofft Herr v. Heimburg , der Hunger mit den antifaschistischen Flüchtlingen aufräumen, die Mittel gingen zu Ende: 1800 Leute sind in ehemaligen Kasernen in einem Pariser Vorort und in Fontaine- bleau untergebracht worden. Körperlich be- DaB In Deutschland das Postgeheimnis auch für Auslandsendungen trotz aller gegenteiligen Versicherungen der Amtsstellen gebrochen wird, dafür liegen uns zwei vollgültige Beweise vor. Ein Brie! mit dem Poststempel Saarbrücken , 22. September 1933, nach Prag , ist seitlich aufgeschnitten und mit einem Streifen Pergamentpapier nachträglich wieder verschlossen worden. Wenn auch nicht ersichtlich ist, wo diese Oelfnung des Briefes vor sich gegangen Ist, so ist doch aus der Art der Oeffnung des Briefes, sowie aus dem zum SchlieBen verwendeten Papier deutlich zu tehen, daß es sich um eine Amtsmaßnahme handelt. Noch beweiskräftiger ist der zweite Fall. Hier handelt es sich um ein Schreiben sonders taugliche und rüstige Männer werden zu Trupps von 300— 400 Mann zusammengestellt, in die Provinz befördert und sollen in einer Art landwirtschaftlichem Arbeitsdienst und im Straßenbau verwendet werden. In Toulouse und Marseille sind Arbeitslager eingerichtet worden, in denen es außerordentlich spartanisch zugeht. Die Behandlung ist sehr hart, und man gewinnt den Eindruck, daß die Franzosen die Absicht haben, diese Leute allmählich für den Eintritt in die Fremdenlegion würbe zu machen. Schon jetzt muß man annehmen, daß sich zahlreiche junge Männer aus diesen Lagern freiwillig zur Fremdenlegion gemeldet haben, nur um aus dem Dreck und der schlechten Verpflegung herauszukommen. Wenn dem deutschen Hurrapatrioten nichts Grusliches gegen den„Erbfeind" einfällt, so malt er prompt den Teufel der Fremdenlegion an die Wand. Der Andrang zu dieser Söldnertruppe war jedoch schon vor der Weltkrise stärker als Frankreich benötigte, durch die Arbeitslosigkeit gar ist er ungeheuerlich gestiegen. Frankreich hat nicht nötig, Emigrantenlager dafür„mürbe zu machen". Doch wenn dem so wäre: haben die braunen Soldschreiber kein Gefühl dafür, welche Schmach es für Hitlerdeutschland bedeutete, wenn tausende deutsche Männer vorzögen, im afrikanischen Sand zu verbluten, statt im Dritten Reich zu leben?! Und welche Schande es für die faschistischen„Erneuerer" bleibt, daß Abertausende deutscher Flüchtlinge die„harte Behandlung" in französischen Arbeitslagern den sadistischen Demütigungen in deutschen Konzentrationslagern vorziehen? aus dem polnischen Ort Bydgoszcz (Bromberg ) nach Karlsbad . Dieser Brief ist ebenfalls geöffnet und dann mit dem üblichen Zettel;„Zur Devisenüberwachung zollamtlich geöffnet" versehen worden. Außerdem trägt er den bandschriftlichen Vermerk:„Versehentlich geöffnet, 21. 9, 33." Wie lange werden sich die anderen Staaten eine solche Frechheit gefallen lassen? Aus dem Reidisanzelger t.99 Mk. konfisziert. Eingezogen wurde in Arnsberg am 13. September an Sparkassenbuch, lautend auf Mk. 1.99. Eigentümer; Friedensbund Deutscher Katholiken. Streitzug durch den deutschen Urwald. Der Niedergang des deutschen Films wird durch„Reformatoren" ä la Göring und Göb- bels ebensowenig aufgehalten wie der Niedergang des deutschen Theaters. Es ist charakteristisch, daß die Filme, die unter dem neuen Regime produziert worden sind, im In- wie im Auslände abgelehnt werden. Weder der neue Ufa-Großfilm„Saison in Kairo" noch der mit viel Tamtam angekündigte Film„Morgen beginnt das Leben", haben sich behaupten können. Man spricht selbst in nationalsozialistischen Organen davon, daß den jüngsten deutschen Filmen die letzte Feile fehle, man gesteht, daß der Mangel an Filmtechnikern, vor allem an Filmcuttern, die Schuld daran trägt. Hören wir. was ein gleichgeschaltetes Blatt, wie die„Literarische Welt" unter der Ueberschrift „Filmische Geschmacklosigkeiten" über den Film„Kleiner Mann, was nun?" zu sagen weiß: „Es ist eine Roheit gegenüber dem Millionenheer unserer arbeitslosen Volkgenossen, wenn in diesem Film wieder die Walze abläuft: Es gehört eben ein bißchen Glück dazu und alles geht gut!— Wenn der Arbeitslose sich diesen Schmarren ansieht, dann kiampft sich ihm das Herz zusammen, weil er sich sagen muß, so betrachtet die Filmindustrie unser Dasein!... Und das ailer- geföhrlichste: daß der Film die Idee der Arbeitsbeschaffung ins T riviale umbiegt,— Wenn die Filmindustrie nicht in der Lage ist die Frage der Arbeitslosigkeit und ihrer Behebung von dem gioßen nationalen und sittlichen Gedanken der Tat zu erfassen--, dann soll sie die Finger von solchen großen Problemen lassen. Das Volk verbittet sich. sich von einer Filmindustrie ein Scheinleben vorgaukeln zu lassen."--- • Das Konfiszieren und Verbieten von Büchern geht in Deutschland lustig weiter. Ist es nicht grotesk, daß man neuerdings in Preußen die deutsche Ausgabe der Erzählungen von Bal zac verboten hat! Herr Dr. Haupt der neue Kulturministerialrat, behält Recht wenn er in Harzburg vor 4000 deutschen Lehrern erklärt indem er sich mit einem Artikel eines„Emigranten" auseinandersetzt: „Jawohl, der Urwald ist das Symbol unseres Volkes, das aus Natur und Wald kommt - Unser Volk hat seme Ursprönglichkeit wiedergefunden!"--- Demnächst wird als Zeichen der deutschen Kultur das Laufen auf allen Vieren anbefohlen weiden. Das wird dann das positive Ergebnis der nationalsozialistischen Kulturpropaganda sein. O, nein, es gibt noch ein anderes Ergebnis. Frau G ö b b e I s hat zwar auf dem Gebiete der Mode Schiffbruch erlitten, aber die urdeutsche Firma Karstädt hat nunmehr den gegen sie noch neulich verhängten Judenboykott durch ihre wahre deutsche Gesinnung abgegolten. Wir lesen im„Berliner Lokalan- zeiger" vom 12. September folgende Großanzeige; Parole: Deutsche Mode. In 30 Schaufenstern und in den Spezialabteilungen zeigen wir, was die künftige deutsche Mode erstrebt Nicht Luxusmodelle, nicht Auswüchse wesensirem- d e r Kleiderkflnstler, sondern Den H u t— Den Mantel, Das Kleid für die Deut sche Frau. ---- Unterzeichnet: Das deutsche Großkaufhaus Karstädt . Merkwürdig ist nur, daß diese„deutsche Mode" In den Schaufenstern aller europäischen Konfektionshäuser als„neueste Pariser Mode" ausgestellt wird. Herausgeber: Ernst Sattler . Karlsbad . Verantwortlicher Redakteur: Wenzel Horn, Karlsbad . Druck:„Graphia" Karlsbad . Zeitungstarif bew. m. P�D. ZL159.334Ani-19� Aus der GesdmftsweU Tiefenbacher radioaktives Spezial-Helibad in Schlackenwerth bei Karlsbad . An beiden Ufern der Wistritz, einem Zufluß der Eget zwischen den Weltkurorten Karlsbad u. SL Joachimsthal liegt das anmutige Städtchen Schlak- kenwerth. Tiefenbach-Schlackenwerth eilt mit Riesenschritten von Erfolg zu Erfolg und wird sich bald seinen Platz unter den in der CSR * berühmten Bädern erworben haben. Die Tiefenbacher Spezial-Kuren In Schlak- kenwerth, bei denen es sich um eine Behandlung mit reinen radioaktiven Naturprodukten 1° Form vou Erdkompressen und Heilwasser, Bädern etc. handelt, wirken geradezu sensationell in ihren Erfolgen. Fälle von chronisch-gicbti- schen Muskelleiden, chron. arthritis deformans. Phlebitis, Nervenentzündungen, chron. gichtischen Gelenksleiden etc. wurden vollkommco wieder hergestellt Ueber Kurmöglichkeiten unter ärztl. Leitung etc. berichtet ein Prospekt, der kostenlos Interessenten von der Verwaltung der Tiefenbacher Quelle in Schlackenwerth zugesendet wird,—(Siehe heutiges Inserat) Audi Durdigangspost uird erb ro di en Beweis erbracht für Brudi des Internat* Postgeheimnisses
Ausgabe
1 (8.10.1933) 17
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