Beilage des neuen Vorwärts" nr. 17

Zerrspiegel und Irrweg

So urteilt die Wissenschaft über die Rassentheorie

die ,, lateinische Rasse" als die Bringer aller Kultur und lebendig genialer, temperamentvol­ler, künstlerischer Menschlichkeit, der gegen­über diesmal die nordische Rasse, gemeint sind natürlich die Preußen und Engländer, als die schwarze Folie dienen muß. In diesem umge­kehrten Zerrspiegel erscheinen die nordi­

Das nationalsozialistische Denken steht Das Kapitel der Rassenpsychologie ist bis schildert von der eigenen Rasse nur die posi- schen Helden Günthers nun plötzlich

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wie ein ungeheures Heer von langen, lang­und fällt mit der Rassenlehre. Sie heute ein besonders unerfreuliches. tiven Eigenschaften und von der anderen nur wird jetzt bereits den Schulkindern ein- Nicht deshalb, weil die Angaben der Rasse- die negativen, unter flüchtiger Umgehung der köpfigen, semmelblonden Schafs­gepaukt, nach ihren Ergebnissen soll ge- theoretiker... durchweg unrichtig wären; Gegenprobe. So erscheint auch in dem an sich nasen, von steifen englischen Gouvernanten, heiratet, sterilisiert und regiert werden. sondern deshalb, weil sie fast stets so ein- interessanten und kenntnisreichen Rassenbuch vor vermeintlichen preußischen Leutnants und Sie gibt die ideologische Begründung der seitig und tendenziös ausgewählt und von Günther( der von den Nazis zum Pro- Oberlehrern in Witzblattkarikatur, von steifen, brutalen, genielosen Pedanten. Dieser Weg Diktatur vergleiche die Rede Hitlers   in beleuchtet werden, daß der entstehende Ge- fessor an der Universität Jena befördert wur­Nürnberg wonach die dünne Ober- samteindruck ein völliges Zerrbild er- de. Die Red.) die nordische Rasse unter führt nicht zu sachlichen Erkenntnissen, son­schicht der Hochrassigen" dazu berufen gibt. Fast stets sind diese Rassenbücher so ge- Uebergehung grundlegender sta- dern nur zur Schürung der Vorurteile, Eitel­und auserwählt sei, die nur zum Gehor- schrieben, daß der Autor die Verherrlichung tistischer Tatsachen als die im Grund keiten und Gehässigkeiten zwischen den ein­chen geborenen Massen der„, Nichtrassi- seiner eigenen Rasse oder mindestens allein ideale und schöpferische, während die zelnen Volksstämmen und Völkern und zu ganz gen" zu kommandieren. seiner eigenen politischen Tendenzen alpine Rasse( der Hauptbestandteil der süd- verfrühten bevölkerungspolitischen Experimen­Was aber ist an dieser Rassenlehre oder idealistischer Schwärmereien mit schein- deutschen, französischen und Italienischen   Be- ten. Diesen Weg, so haben wir der Er­ernsthaft daran? Tatsache ist, daß die bar wissenschaftlichen Mitteln anstrebt.... völkerung) sich in eine Herde von stumpfsin­wissenschaftliche Erforschung der Rassen Man sucht sich, wie bei jeder chauvinistischen nigen, verspießerten, rundköpfigen, braunen kenntnis eines wirklichen Gelehrten aus die­noch in ihren allerersten Anfän- Psychologie, von der eigenen Rasse die Sklavenseelen verdunkelt. In den begeisterten dem Jahre 1929 nur hinzuzufügen, gen steht und daß gerade diese Wissen- besten und von der anderen die gering- Schilderungen der Franzosen   und Italiener er- sen Weg rast, taumelt, stürzt jetzt das schaft wie kaum eine zweite durch das wertigsten Vertreter aus und stellt scheinen dagegen gerade umgekehrt diese Al- verblendete deutsche Volk unter Führung Eindringen von Dilettanten, die auf vor- sie einander in starken Farben gegenüber. pinen und Mediterraneer( Mittelmeerländler), Adolf Hitlers  .

bestimmte Ergebnisse lossteuern, entwer­tet worden ist. Es ist deshalb sehr beacht­lich zu lesen, was ein ernstzunehmender Forscher wie der Marburger Psychologe Prof. Ernst Kretschmer  , der sel­ber bedeutsame Zusammenhänge zwischen körperlichen und seelischen Konstitutions­typen aufgedeckt hat, hierüber schreibt. Im fünften Kapitel seines i. J. 1927 erschie­nenen Buches„ Geniale Menschen" setzt sich Kretschmer   mit den Rassefanatikern folgendermaßen auseinander:

Unsere modernen europäischen Rassefor­scher sind öfters in Gefahr, unserer europäi­schen Kultur, bezw. irgendeiner Rasse, die sie für ihren Träger halten, einen einzigartigen Wert für die Menschheit beizulegen. Solche Forscher( und es gelingt nur ganz wenigen, sich davon freizuhalten) kommen mir vor wie jener hochgebildete chinesische Herr, der sich darüber wunderte, daß die europäischen Frauen fast alle bäßlich wären, während das bei den Chinesinnen nur selten vor­komme albautogub

Kretschmer setzt dann weiter ausein­ander, daß diese Forscher ihr Vorurteil meist von dem augenblicklichen überlegenen Stande der europäischen Kul­tur aus füllen, aber:

Dieselben europäischen Stämme, die heute die Träger dieser Kultur sind, waren verach­tete Barbaren in früheren Jahrtausenden, als asiatische Kulturen von ganz anderem Blute blühten. Ein Kulturquerschnitt, den man damals gelegt hätte, hätte vielleicht für die nordische Rasse ein Werturteil ergeben. wie wir es heute über die Neger zu fällen pflegen. Es ist unser gutes Recht, unsere eigene Rasse politisch zu propagieren und durchzu­setzen. Dies hat aber mit wissenschaftlicher Wahrheit und Erkenntnis nichts zu tun. Kretschmer fährt dann fort:

Begegnung

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BERT

Die goldene Harfe!

links". Die ,, Weber" fordern Menschlichkeit und Freiheit, Dein„ Florian Geyer  " wirft der Despotie und Unterdrückung den Fehdehand­schuh ins Gesicht und stirbt dafür. 1919 hast

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Italien   gegen Rasse­

wahn

Die italienischen Faschisten schämen sich ihrer braunen Spiegelaffen im Dritten Reiche immer mehr. Vor allem rücken sie bereits mit deutlichen Worten von dem Rasse- Irrsinn des Hitlerstaates ab. Stampa" veröffentlicht einen Artikel ihres Berliner Sonderkorrespon­denten, der sich scharf gegen die Identifizierung von Nation und Rasse wendet. Es heißt da:

,, Der Begriff der Nation ist nicht mit dem der Rasse zu indentifizieren. Die Rasse ist nichts als das Blut; aus ihr kann nur eine materialistisch- zoologische Theorie erwach­sen. Die Nation, zu der sich im Lauf der Jahrhunderte die Rassen verschmolzen haben, ist dagegen Geist. Im Fundament eines modernen Staates hat Rassenpolitik keinerlei Raum."

Der Artikel schließt:„ Es wird Hitler   nicht gelingen, einer Doktrin, die sich vollkommen auf praktische und ideelle Irrtümer stützt, eine wissenschaftliche Basis zu geben."

CIAMAC für Roß­

mann

Der Gefangene als Ehrenpräsident.

In der letzten Septemberwoche hielt der Internationale Bund der Kriegsbeschädigten und Kriegsteilnehmer( CIAMAC) in Genf   seine dies­jährige Tagung ab. Der Kongreß wählte den früheren Berichterstatter des Bundes zur Frie­densfrage, den sozialdemokratischen Reichs­tagsabgeordneten Roßmann zu seinem Ehrenpräsidenten.

Roßmann befindet sich zurzeit im württem­bergischen Konzentrationslager auf dem Heu­berg.

nicht? Was tatest Du für Deine geächteten, ge- ler und sein Werk seien zweierlei. Aber uns, schundenen, verjagten Freunde? der Jugend, will es nicht in den Kopf, daß ein Hauptmann: Meine Freunde?. Werk groß und erhaben und sein Schöpfer klein Gerhardt Hauptmann und der Andere. Der andere: Ah, Du weißt plötzlich auch und erbärmlich werden kann. Wir werden im­Gerhart Hauptmann hat dieser Tage Du in Breslau   eine Rede steigen lassen von ihnen nichts mehr. Demokraten, Soziali- mer wieder richten, wenn der Künstler sein eine seltsame Begegnung erlebt. Er ging in den sten und Juden waren Deine Freunde. Ein Schaffen verrät.( Drückt ihn auf eine Bank, Dünen von Hiddensee   spazieren und strebte träumerisch einer Bank zu, als ein Mensch, wie rungenschaft des November. Hast Du das alles Konrad Hänisch   hat Dir und Deinem Schaffen schiebt den Hut aus dem Gesicht.) Kennst Du

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für Republik und Demokratie, für die Er­

vergessen?

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in Freundschaft ein Buch gewidmet. Alfred mich jetzt? Wie konntest Du wagen, mich so aus dem seewärts treibenden Nebel gewachsen, Hauptmann: Inzwischen sind 13 Jahre Kerr hat in guten und bösen Tagen Dein Werk zu schänden? vor ihm stand. Ein breiter Hut saß dem anderen vergangen. Ist's meine Schuld, wenn die De- gefördert und verteidigt. S. Fischer hat Dir Hauptmann: Starrt mit aufgerissenen tief im Gesicht, die beginnende Dämmerung mokratie nicht hielt, was sie versprach? Auch den Weg bereitet. Arno Holz   lehrte Dich einst Augen zu dem anderen, Jungen, empor, sieht hüllte ihn in Grau. So ragte er stumm und das Hakenkreuz will die Welt erlösen war- literarisch laufen, schenkte Dir Geist von seinem eine hohe Stirn, einen geraden, unverkniffenen schlank aus den Dünen und versperrte den ten wir ab... Der Dichter steht über den Geiste! Er hungerte, Du aber wurdest reich und Blick und schließt betroffen, verwirrt, beschämt Weg. ,, Wer sind Sie? Was wollen Sie? fragte Zinnen der Partei... hattest nichts für ihn! Reichtum und Erfolg die Lider: seine Jugend steht drohend vor der greise Dichter verdutzt. Der andere: Aber er steht nicht über haben Deine Seele verödet. Du hieltest, Millio- ihm... Der andere( mit unheimlichem Lachen): den Zinnen der Menschlichkeit! Glatt när geworden, auf einen hohen Tarif; jedes Als der alte Dichter die Augen wieder auf­Wer ich bin, müßtest Du eigentlich wissen. Ich bist Du wie ein Aal, doch jetzt habe ich Dich Auftreten, jedes Wort ließest Du Dir buch- schlägt, ist der andere verschwunden. Nur bin derselbe wie früher. Aber Du, zu welcher und keine philosophische Dialektik rettet Dich. stäblich mit Gold aufwiegen, auch von den von weither noch hört der Verstörte ein un­Mumie bist Du vertrocknet? Einst hast Du die Du warst im Ausland, hast ausländische Zei- Aermsten heimliches Echo: ,, Du bist in Schande gestor­Hauptmann: Wer sind Sie, daß Sie so ben, ich aber werde weiter leben!" " Weber" gedichtet, hast den„ ,, Florian Geyer  " tungen gelesen. Weißt Du nichts von den Kon­jetzt huldigst Du Mussolini  , zentrationslagern, von den sinnlosen, sadisti  - von meinem Leben sprechen dürfen?! Der andere: Du kennst mich nur zu gut, schreibst Prologe für faschistische Feiern, ver- schen Demütigungen jener, die einer friedlichen

geschrieben

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B. Brandy.

brüderst Dich auf Hiddensee   mit Hitlers   brau- Gesinnung lebten, von erschlagenen Männern alter Egoist und Geschäftemacher. Du bist tot, Sogar im Kabarett!

nen Sadisten, stimmt das?

Hauptmann( betroffen): Wie kommen Sie zu dieser Fragerei? Die Leute waren sehr

nett zu mir

warum sollte ich ihnen feind

Greuelsumpi der Hitler- Göring? Hauptmann( stammelnd):

und Frauen, von den Mädchen, die einer jüdi- ich aber werde ewig sein und ich hätte Dich wegen durch deutsche erwürgen sollen, damals vor dreißig Jahren! schen Freundschaft dem Aber, da wußte ich noch nicht, daß man Straßen Spießruten laufen mußten, von Menschenliebe in ein Dutzend rührender Gestal­zum elenden Wichte ten bannen und dann werden kann!( Packt ihn, schüttelt ihn). Hauptmann( ächzend): Lassen Sie los! Ich bin der anerkannteste deutsche Dichter. Der andere: Gewesen, mein Lieber, ge­

Unseliger

sein? Der Dichter umfaßt alle mit der gleichen Liebe, ob sie rechts stehen oder links. Gottes Blutwahn gepeinigter, leidender Kreatur. Sonne scheint ja auch über Gerechte und Un­

gerechte...

Der andere: Laẞ Deine abgedroschene Philosophie, alter Heuchler! Was tatest Du Der andere: Du salbaderst wie ein gegen den Blutwahn? Nichts! Hast Du nicht Pfaffe, ich aber spreche von dem, was Du einst gelesen, wie hämisch die Nazipresse über Dei- wesen, und ich bin Dein Richter... Ihr habt Deiner Werke„ stehen nen Selbstmord berichtete? Schämst Du Dich Euch das bequeme Wort erfunden, der Künst­

gelehrt. Die besten

Kein Programm ist die Hauptsache. Der„ Berliner Herold" schreibt anerken­

nend:

,, Als das Kabarett der Komiker cinst be­gründet wurde, hatte sein Gründer ein Programm und Künstler, die es ausführten. Die derzeitigen Lenker des Kabaretts der Komiker haben vor allen Dingen den Pachtvertrag und zerbrechen sich nun erst den Kopf, was sie eigentlich machen wol­len."