�Beiiage des Tleuen Vomäcts" Tic. 19 Wege zur Klarheit Parteikritische Literatur:IVeu beginnen66 Die Sozialistische Revolution66 In allen Kreisen der sozialistischen Be­wegung Deutschlands , im Inlande wie im Auslande, ist der Wille lebendig, durch starke Selbstkritik und Ueberprüfung der bisher gültigen Anschauungen die geistige Krise der Gegenwart zu überwinden und feste Grundlagen zu schaffen für den Auf­stieg unserer Bewegung. Diesem Zweck dienen neben den Tageszeitungen und Zeitschriften die sozialistischen Broschü­ren, die den organisatorischen und takti­schen Problemen des Sozialismus gewid­met sind. In der SchriftenreiheProbleme des Sozialismu s", die im Verlag Graphia, Karlsbad herausgegeben wird, ist jetzt die Schrift von M i I e s,Neu beginnen!" erschienen, die alsDis­kussionsgrundlage der Sozialisten Deutsch­ lands " dienen soll Die Herausgeber be­tonen ausdrücklich, daß sie die Verantwor­tung für die in der Schriftenreihe vorge­tragenen Auffassungen nicht übernehmen, sondern sie den Autoren der einzelnen Hefte überlassen müssen. Auch der Autor der vorliegenden Schrift macht in der Vor­rede den Vorbehalt, daß sie,in Eile und unter dem schweren Druck der faschisti­schen Illegalität geschrieben", ihrer Form und ihrem Umfang nach nur die Resultate von Untersuchungen und Diskussionen ge­ben könne. Dennoch will die Schrift den deutschen kämpferischen Sozialistendie geistige und politische Grundlage für die Neuformierung ihrer Reihen geben; sie will Zeugnis ablegenvon dem ungebro­chenen Geist der deutschen Sozialisten, von ihrer Zuversicht und von ihrem festen Hillen, die große Aufgabe des sozialisti­ schen Freiheitskampfes, die uns von der vergangenen Generation der sozialisti­ schen Bewegung ungelöst hinterlassen �vurde, mit neuen Kräften und auf neuen .�egen anzupacken und zu lösen." Die Absicht ist löblich. Ist sie aber ver­wirklicht? Diese Frage kann nicht be- läht werden. Die Schrift enthält gute Stel- 'en und manche annehmbare Formulierung, sie bleibt aber vielfach in den Anläufen zur Analyse stecken, kommt zu keiner ab­gerundeten Konzeption, gibt Hypothesen als feststehende Theorien aus und verbin­det dies alles mit dem Anspruch auf All­gemeingültigkeit und allgemeine Anerken­nung. Man hat das Gefühl, daß der Ver- msser der Schrift zu viel in die Darle­gungen hineinpressen wollte. Dadurch ent­stand eine klaffende Diskrepanz zwischen der theoretischen Begründung, die stel­lenweise unvollkommen, verworren und widerspruchsvoll ist, und den praktischen Vorschlägen, die, soweit sie sich auf po­litischem Boden bewegen und die Umwelt im faschistischen Deutschland berücksich­tigen, zu einem großen Teil durchaus dis­kutabel wären. Unklar bleibt allerdings, worauf sich die Prätension des Verfassers stützt, daß seine Darlegung als Grundlage für ein neues grundsätzliches und politi­sches Programm der erneuerten soziali­ stischen Bewegung in Deutschland ange­sehen werden soll. Ob und inwieweit dies möglich ist, kann sich nur aus den Er­gebnissen der Diskussion zei­gen. für die die vorliegende Schrift sowohl in ihren positiven, wie in ihren negativen Seiten allerdings eine recht brauchbare Grundlage bilden kann. * Der Diskussion dient auch die Monats­schriftSozialistische Revolu­tion"(Verlag Graphia, Karlsbad ), deren erstes Heft soeben erschienen ist In dem einleitenden programmatischen Artikel Die Zeit und die Aufgabe" wird der Cha­rakter der Zeitschrift umrissen:Sie wird ein Organ freiester Kritik sein, einer Kri­tik, die aus der Bloßlegung der Fehler an der Vergangenheit lernt und durch Ana­lyse der Gegenwart die Gestaltung der Zukunft vorbereitet. Es wird ein revolu­tionäres Organ sein, revolutionär nicht nur in der Bekämpfung des Gegners, son­dern revolutionär auch in der Rücksichts­losigkeit gegen die eigene Bewegung, ihre Mängel und Rückständigkeit In freier Diskussion sollen die großen Probleme des Sozialismus und seiner Verwirklichung erörtert, die Konsequenzen gezogen wer­den." Wie weit entspricht das erste Heft der Zeitschrift diesem Programm? In dem AufsatzEin Wort der Mahnung" von H. J. L a s k i-London wird zunächst auf das Versagen der sozialistischen Par­lamentarier hingewiesen, die die feind­lichen Kräfte nicht richtig eingeschätzt und keine entsprechenden Maßnahmen ge­gen sie ergriffen haben. Die Führer der deutschen Sozialdemokratie und der Ge­werkschaften hätten noch immer nicht zu erklären vermocht,wie es möglich war, daß sie sich ohne den geringsten Wider­stand ergaben und daß sie so gar kein Verständnis für das schöne Wort von Pe- rikles bewiesen, das Geheimnis der Frei­heit sei der Mut." Daran anschließend weist Laski auf eine Reihe fundamentaler Tatsachen der politischen Taktik hin. die in den nächsten Jahren berücksichtigt werden müßten. Die wichtigsten von ihnen sind: Stärkere Berücksichtigung der For­derungen der Jugend, keine Anbetung der Legalität, stärkere Herausarbeitung des Machtwillens der Sozialisten. Umfassend und ungemein lehrreich ist die Konzeption der gegenwärtigen macht­politischen Probleme in der Abhandlung von M. Klinger,Der Rückfall in den Machtstaat". Wir kennen in der bis­her erschienenen kritischen Literatur über den Aufstieg des Hitlerismus und den Zu­sammenbruch der Arbeiterbewegung keine Schrift, die in so eindringlicher Weise die Wurzeln des nationalsozialistischen Auf­stieges in der deutschen politischen Ge­schichte seit 1918 bloßgelegt hätte, wie es in der Abhandlung von Klinger geschieht, Dabei bleibt seine Kritik keineswegs im Negativen stecken, sondern weist Wege, um aus der Niederlage zu lernen. Von ainem anderen Gesichtspunkte geht G. Decker in seinem Aufsatz Nicht radikal genug!" an die Kri­tik der Vergangenheit heran. Er sieht un­seren grundlegenden methodologischen Fehler darin, daß unsere Analyse viel zu abstrakt war, und daß wir uns die Men­schen, mit denen wir zu tun hatten, sel­ber oft aus unseren Wünschen konstru­ierten, wodurch uns die konkrete Wirk­lichkeit häufig verschlossen wurde. Der zweite Fehler war der, daß es uns arji täglichen kompromißlosen Kampf um die Werte fehlte,die als höhere Werte empfunden werden müssen, damit ein Volk sich zu einem freiheitlichen, ja sogar Ober- haupt zu einem politischen Volke entwik- Tim ßeqiimett!" ... das ist der Titel der neuen Streitschrift, die als zweites Heft der sozialdemokratischen Schriftenreihe soeben erschienen ist. kein könnte." Das Schwergewicht unserer Arbeit müsse deshalb darin liegen, die ma­terielle Unzufriedenheit in einenrevolu­tionären, politischen Willen" umzugestal­ten. Eine umfassende Darstellung der außen­politischen Lage Deutschlands gibt A. S c h i f r i n in seinem AufsatzHitler- Deutschland und Europ a".Der deutsch -faschistische Imperialismus", schreibt er,ist ein entstellter und ent­arteter Imperialismus, in dem die Hülle des schmarotzenden Machtapparates sich über die eigene Oekonomie hinwegzuset­zen versucht Es ist ein Imperialismus, der wirtschaftlich auf tönernen Füßen steht, und politisch nicht in Kontinenten und Exportzahlen denkt, sondern in der Mythologie der Blutgemeinschaft, 4er trotz seiner sterbenden Wirtschaft nach Oester­ reich , nach dem Baltikum, und noch nach vielen anderen Richtungen hin greifen will." Gegenüber diesem neudeutschen Im­perialismus, der jetzt den Kampf um die Aufrüstung führt und die Welt vor neue Kriegsgefaliren stellt, müßten die Mittel und Methoden der sozialistischen Frie­denspolitik revidiert werden.Wer heute die vormärzlichen Parolen der Frie­denspolitik mechanisch wiederholt, läuft Gefahr, nicht pazifistisch, sondern pro­faschistisch zu handeln." Den Abschluß der politischen Artikel in der Zeitschrift bildet der Aufsatz eines führenden katholischen PublizistenEnde des politischen Katholizis- m u s", der außerordentlich interessantes Material über die Strömungen in führen­den katholischen Kreisen Deutschlands vor und nach der Machtergreifung Hitlers enthält Auch auf.die Haltung der obersten Leitung der katholischen Kirche , die ihren Frieden mit Hitler gemacht hat, fallen grelle Schlaglichter. Die Schlußfolgerungen des Verfassers bewegen sich in der Rich­tung zu einem kämpferischen Sozialismus, der auch die wertvollsten Elemente der Zentrumsparteü der katholischen Vereine und der christlichen Gewerkschaften auf­fangen könnte.Es wird so schließt der anonyme Verfasser die Zeit kommen, da man in katholischen Kreisen Deutsch­ lands von einer Selbstbesinnung reden wird. Für den Sozialisten ergibt sich die Aufgabe, dieser Stunde nicht teil­nahmslos und nicht ohne eine Parole ent­gegenzusehen, die auch bei enttäuschten Katholiken Verständnis finden kann." V i a t o r. AUSLIEFERUNG durchGraphia", Karlsbad , Kantstraße. Preis: 4. bezw. österr. Schilling.85, Schweizer Franken .60, Holl. Gulden30, Französ . Francs 3, Dollar20, engl. Pfund.10. Umfang 64 Seiten und kartonierter Umschlag. Völkerbund als Mausefalle Der Eintritt Deutschlands in den Völker­bund ist von uns von der ersten bis zur letzten Sekunde bekämpft worden. Er war der Einlriti in eine M aase lalle. Lokalanzeiger, 14. Oktober. Deutsches Drama Tod an der Schwelle. Das folgende Drama wird gegenwärtig in Deutschland in verschiedenen Variationen ge­spielt Handlung und Hintergrund spiegeln e'n typisches, entsetzlich typisches Stück A 1 1 ta g aus dem Dritten Reiche wieder. Das Pfama ist allen jenen gewidmet, die noch "nmer an diemoralische Erneuerung" Hit- '«rdeutschlands glauben. Im Mittelpunkt der Handlung steht ein Re­dakteur. Nach dem 5. März wird er verhaftet Und ins Gefängnis geschleppt Grund: er ist Marxist Auch er war an seinem Platze ge- hlieben, wollte nicht fliehen. War sein Ge- w'ssen nicht rein? Nichts hatte er getan, das m't den Gesetzen in Widerspruch stand. Nichts, dessen er sich zu schämen hätte. Er j�Üe für Menschenrecht, Freiheit Brüderlicb- eit, Frieden gekämpft die höchsten christ- ''chen Gebote standen auch ihm am höchsten. D'e ihn jetzt bewachten, die ihn beleidigten und demütigten auch für deren Freiheit und fechte war er eingetreten. Dieses Bewußt- stein macht ihn stark, läßt ihn die Peinigungen der braunen Gefängnisse aufrecht ertragen. Nt manchmal, in dunkler Einsamkeit nach "nden hundsföttischer Quälereien. um- �leicht ihn die Melancholie, zweifelt er am pinn dieses Daseins und fühlt, daß der Tod "icht das Schlimmste wäre. Aber er hat eine rau, die auf ihn wartet es gibt Menschen, die ihm hängen, seine Befreiung fordern. Der a2 muß ja kommen! Ausharren! Daheim wartet seine Frau. Grau in grau verrinnen die Tage zwischen Hoffen und Ver­zweifeln. Von einem Morgen zum andern lauert sie au! den Brief, der seine Befreiung kündet Sie ist Sozialistin; sie weiß und hat es von ihrem Manne oft gehört, welche ge­schichtliche Bedeutung dieser Zeit sozialisti­schen Martyriums zukommt, aber es ist schwer, historisch zu denken, wenn man rings­um barbarischen Wahnsinn siegen sieht Und es ist schwer, daheim zu sitzen, wenn über den Mann im Kerker dunkle Quälereien ver­hängt sind. Sie schreibt an die Mächtigen des Dritten Reichs, sie klagt an, sie rennt von Pontius zu Pilatus, sie fordert Freilassung des Schuld­losen. Man schickt sie mit beleidigenden oder leeren Redensarten nach Hause. Rechtsan­wälte zucken die Achseln. Das Recht gilt in aiesem Staate derneuen nationalen Ord­nung" nicht mehr. Wer wagt es da, die Rechte eines Marxisten wahrzunehmen? Der Trübsinn greift nach ihr; den Gashahn auf­drehen und alles ist aus, Sie hört dunkle Gerüchte von ermordeten Führern der Frei­heit; sie sträubt sich, daran zu glauben und liest in gleichgeschalteten Blättern, daß alle solche Nachrichten gewissenlose Greuelmärchen seien. Keine zwanzig seien bei dernationa­len Revolution" ums Leben gekommen ver­sichert des Reiches Kanzler dem Ausland. Kann so etwas, darf so etwas gelogen sein? Vor aller Welt? Sie klammert sich mit aller Kraft an den Glauben, daß es ein Weltgewis­en geben müsse, das Rechenschaft heischt Nur die Nächte... die Nächte sind schwer und quälend. Bangnis läßt sie nicht schlafen, und wenn die Augen schon einmal vor Ueber- müdung zufallen, schrickt sie auf, weil ihr ist, als stürzte sie ins Bodenlose. Dann starrt sie ins Dunkle und denkt mit aller Kraft an das eine; Es muß der Tag kommen, da dieser Angsttraum vorüber ist... Und der Tag kommt. Monatelang hat sie ihn ersehnt Nun liegt der Brief, der die Frei­lassung kündet, in ihren zitternden Händen. Schon morgen soll er kommen! Immer wieder starrt sie auf die Schrift, denn nichts ist schwerer zu erfassen als das, was man am in­brünstigsten ersehnt hat Dann stürzt eine fiebernde Geschäftigkeit über die Frau. Sie muß, was sie kann, zur Heimkehr des monatelang Gequälten rüsten, muß Eltern, muß seine Freunde benachrichti­gen. So viele warten auf ihn und andre Mär­tyrer der Freiheit Auch seine Seele hat Flügel, seitdem er weiß, daß er wieder hinaus ins Leben darf. Das Graue liegt hinter ihm, und er weiß jetzt erst daß er nur gelebt hat, um die Seinen wiederzusehen. Die letzte Nacht geht er vor seinem Lager auf und ab, fiebernd nach dem Licht da draußen... Die letzte Nacht... In dieser Nacht Hegt der Mordwahn Hitler'scher Prätorianer auf der Lauer. Hat man sie nicht jahrelang gelehrt, daß alle Marxisten rote Verbrecher, Schäd­linge und Volksverderber seien? Haben die Hitler und Göring nicht ewigen Haß gegen die Andersdenkenden gepredigt und die Ausrot­tung derroten Untermenschen" gefordert? Und dieser Wortführerdemokratischer Volks- verwirrung" soll frei kommen?! Oh, sie ver­stehen den obersten Führer richtig, er hat die Mörder von Potempa seine Freunde genannt. Was gibt's da noch zu fackeln? Die Behör­den? Du lieber Himmel, genug rote Hunde wurdenauf der Flucht erschossen" oder endeten durchSelbstmord" weshalb aus­gerechnet dieser Bonze nicht?? Sobald der Morgen graut... Als das Tageslicht dämmert, wandelt die Frau des Gefangenen schon draußen unter der jungen Sonne. Blumen will sie haben, viel Blumen. Das Zimmer schmückt sie wie zu einem Fest. Bebende Erwartung, freudevolle Unruhe treiben sie ans Fenster, zur Tür, ans Fenster... Wann wird er kommen? Vormit­tag oder nachmittag? Wenn draußen Schritte gehen, öffnet sie die Tür. Der Nachmittag sinkt Ihre Hände beginnen zu zittern. Und dann jener Bote mit dem ent­setzlichen, trockenen Bescheid der Gefängnis- Verwaltung: ihr Mann... ihr Mann habe Selbstmord verübt.,. Erst dreht sich das Zimmer. Dann lächelt sie irr. Nein, nein, unmöglich. Am letzten Tage Selbstmord... Ausgeschlossen... Das tut er schon ihretwegen nicht, das haben sie ein­ander geschworen... Es muß ein Irrtum sein... es muß eine Verwechslung vorlie­gen... Sie wartet, wartet, wartet Ihr Lä­cheln erstarrt... Wie Solvejg, die ein Le­ben lang des Geliebten harrte, sitzt sie und starrt zur Tür, immer zur Tür... Die Blumen leuchten ringsum, verströmen