Redaktion und Terlag: Karlsbad , Haus„Graphia" Tel. I0S1 Preis der Ciozclnummer I/' v j j s\ Ini Ausland Kc 2�) 1A.C 1•4'\J Auslandspreise tinzelnumm. Tierteljährl Argentinien ... Pes. OJO Pcs a.60 Belgien ..... Frs. 2.— Frs. 24.— Bulgarien .... Lew 8.— Lew. 96.— ganz»?..... Guld. 0.30 Guld. 3.60 Deutschland ... Mk. 0.25 Mk. 3.— Bs« nd..... E.Kr 0.22 E. Kr. 2.64 Finnland ..«. Fmk 4.— Fmk 48.— Frankreich ... Frs. 1.50 Frs. 18.— Großbritannien .. d. 4.— sh. 4.— Holland ..... Gld. 0.1« Old. 1.80 Italien...... Lir 1.10 Lir. 13.20 Jugoslawien ... Hin. 4.50 Dln. 54— Utlland..,.Lat 0�0 LaU 3.60 IVr. 21 Sonntag, 5.]VoTemberl933 Bezugspreis im Quartal 17 4 Q (Im Ausland kd 24�-) i\.C 1 O«- Auslandspreise tinzelnumm vierte Ijährl. Litauen ..... LH 0.55 Lit. 6.60 Luxemburg ,,. B. Frs. 2.— B.Fi, 24.— Norwegen. ,.. Kl 0.36 Kr. 4 20 Oesterreich... Sch 0.40 Schill. 4.80 Palästina.... Müs 18.- Müs 216.— Polen ...... Zloty 0.50 Zloty 6.— Portugal .... Esc. 2.— Esc 24— Rumänien ... Lei 10.— Lei 120.— Saargeblet,.. F.Fi. 1.50 F. Fi. 18.— Schweden .... Kr 0.35 Kr. 4 20 Schweiz .... Frs. 0.30 Frs 3.60 Spanien ••.. Pes. 0.70 Pes. 8.40 Ungarn ..... Pengö 0.35 Pengö 4.2o USA ....•.. Dollar 0.08 Dollar 0.90 Sozialdemokratisches Wochenblatt Hov�mbetsQeiiihus Alles für die Revolution! Die vielen Millionen, die am 9. November 1918 der Republik zujubelten, waren gewiß nicht weniger begeistert und nicht weniger zukunftsgläubig als die nicht minder zahlreichen Scharen, die im Zuge der sogenannten„nationalen Revolution" Adolf Hitler folgten. Aber sie waren ganz anders zusammengesetzt. Was damals vor 15 Jahren auf dem Königsplatz, der später Platz der Republik hieß und jetzt wieder Königs- Platz heißt, unter roten Fahnen hin u. her Wogte, war die graue Masse des großstädtischen Fabrikarbeiterproletariats. Angehörige der sogenannten„höheren Stände" war darin selten fielen auf, wie bunte Vögel unter Sperlingen. Wenn heute zu den großen Tagen der„nationalen Revolution" die glänzend lackierten Autos von allen Seiten herbeisaußen, Prinzen und Prinzessinnen, Generäle nnd Inhaber phantasievoller Privatuni- tormen ihnen entsteigen und hurrarufen- des„Volk" aus respektvoller Entfernung die ganz Pracht bestaunen darf, so ist das gewiß ein ganz anderes Bild. Dieses Volk von 1933 ist auch ganz anders zusammengesetzt als das von 1918; es überwiegt der sogenannte ;.Mittelstand", der Akademiker, es ist in Kern und Stern Kleinbürgertum und nur im Schweif, den es hinter sich hergeht, Proletariat. Schon der äußere Vergleich der beiden„Revolutionen" zeigt, daß hier eine Schlacht im Klassenkampf geschlagen wurde und daß die Arbeiterklasse die Besiegte ist. • Man kann über die Ursachen dieser Niederlage Abhandlungen, Broschüren nnd dicke Bücher schreiben, und kann in Hunderten von Fällen nachprüfen, ob die Entscheidungen, die getroffen worden sind, richtig oder falsch waren— �iche Arbeit ist nützlich und notwendig, gewiß! Aber es bedarf in keiner Weise knifflicher Untersuchungen, um zu erkennen, daß sich die Niederlage der Arbeiterklasse zunächst einmal aus ihrer Uneinigkeit erklärt. Unsere Siegeszuversicht beruhte stets auf der Tatsche, daß das Proletariat eine einheit- Üche Masse mit einheitlichen Interessen darstellte, der eine buntzusammenge- Würfelte Menge von sozialen Minderhei- ien mit den allerverschiedensten Internen und Zielsetzungen entgegenstand. Jene Menge— vom pensionierten Feld- Marschall oder kapitalistischen Großverdiener bis zum kleinsten Ladenbesitzer— vorübergehend zusammenzu- Mssen, das war das Kunststück der nationalsozialistischen Krisenspekulation. Aber was hätte schon dieser große, Hau- M bedeutet gegenüber einer Arbeiterklasse, die einig gewesen wäre! Sie J�ar es nicht, und so hatte der Feind Gelegenheit, beide Teile gegeneinander Miszuspielen. Seine— nur vorübergehend mögliche r- Geschlossenheit Wurde für ihn ein entscheidender Vorteil. • . So kam der Feind zur Macht, und seine Macht ist heute unbeschränkt. Sie so groß, daß er im inneren Sprachgebrauch sogar den Worten befehlen kann, welchen Sinn sie haben sollen, und er kann die Kette seiner Schandtaten als eine„Revolution" bezeichnen, ohne auf Widerspruch zu stoßen. Auch Nicht-Nationalsozialisten, sagar im Ausland, sind diesem Druck erlegen ausgenutzt gebliebene Möglichkeit, durch kluge und einheitliche Ausnutzung seiner politischen Rechte zur politischen Macht zu gelangen und zum sozialistischen Generalangriff auf das kapitalistische System überzugehen. Das alles waren Revolutionen, große Des Reldies Ehre ist wieder hergestellt Die NoTcmbcrTerbredier sind besiegt! oder von dieser Seuche angesteckt worden, und sie reden von einer„nationalen Revolution". Wie denn? Gehört es nicht zum Wesen einer Revolution, daß durch sie etwas, was dem Volke und der Menschheit wertvoll ist, vorwärts gebracht wird? Und was hat die Hitlerei sonst vorwärts gebracht als die Dummheit, den Stumpfsinn, den Aberglauben, die Gewalttätigkeit, die Barbarei in jeglicher Gestalt? Die englischen Revolutionen des 17. Jahrhunderts waren Durchbruchsschlachten des Bürgerrechts und des Parlaments. Die große französische Revolution proklamierte die Menschenrechte, die von 1848 das allgemeine gleiche Wahlrecht und die Souveränität des Volkes. Die November-Revolution von 1918 schuf aus zwei Dutzend Gottesgnadentümern die demokratische Republik, das moderne Arbeitsrecht, die Demokratie in der Gemeinde, sie gab dem Proletariat die un- und kleine, heroische und unblutige, aber allen ist ein gemeinsamer Zug eigen, sie alle weisen und reissen nach vorne. Solange in Deutschland Worte noch einen Sinn hatten, war es unmöglich, Bewegungen, die nach dem Mittelalter, dem Absolutismus, den brutalsten Formen der Klassenherrschaft tendierten, als„Revolutionen" zu bezeichnen. Erst seit durch den totalen Staat der totale Unsinn regiert, konnte befohlen werden, von einer nationalen Revolution zu reden. Eine exzellente Revolution, fürwahr! Revolution der Exzellenzen! * Wir anderen sehen dieses schmutzige Schauspiel mit Hohn auf den Lippen, Haß und Wut im Herzen, denken an die verspielte Novemberrevolution, die verlorene Freiheit, wissen, daß Streit um Worte und Haarspalterei zwecklos ist, daß überhaupt alles Gerede und Geschreibe zwecklos bleibt, wenn es nicht die Einigkeit und die Tat vorbereitet, und wir haben nur einen brennenden Wunsch auf der Seele: Nicht durch Worte, sondern durch Handlungen dem Feinde zu zeigen, was eine wirkliche Revolution ist. Alles für diese Revolution— das ist unser Gelöbnis zum neunten November! Keine Wahl Nur Kontrollyersammlung der Untertanen Eine amtliche Veröffentlichung der Reichsregierung teilt triumphierend mit, daß außer dem Reichswahlvorschlag der NSDAP keine weitere Liste eingereicht worden ist. Die Wahl werde($Jch also zu einer gewaltigen Kundgebung des gesamten Volkswillens gestalten. Ist das schon eine in jeder Beziehung unberechtigte Schlußfolgerung, so ist eine weitere Bemerkung eine bewußte Irreführung der öffentlichen Meinung. So wird gesagt: „Von keiner Seite ist jedoch der Versuch unternommen worden, die Einheitsfront des deutschen Volkes zu durchbrechen und eine Gegenliste aufzustellen." Von einer Einheitsfront des deutschen Volkes kann gar keine Rede sein. Durch Terror und Gewalt läßt sich zwar jede andere Meinung als die des herrschenden Regimes unterdrücken. Niemals aber wird dadurch eine Einheitsfront des Volkes hergestellt. Durch Gesetz vom 14. Juli ist die Neugründung von politischen Parteien b e i Zuchthausstrafe verboten. Mit drakonischen Strafen wird jede Zuwiderhandlung, ja schon jede Zusammenkunft mehrerer Personen unterdrückt. Die Aufstellung einer Liste zur Reichstagswahl, für die 60.000 Unterschriften erforderlich sind, ist daher schon durch das Gesetz unmöglich gemacht. Daß die Nazis trotzdem über diesen Scheinerfolg triumphieren, zeigt, daß ihnen wirkliche Erfolge fehlen. Am 12. November findet in Deutsch land keine Wahl statt, sondern durch ein Kommando werden die Wähler zur Wahlurne befohlen und jeder, der nicht gehorcht, wird mit brutalster Verfolgung bedroht. Trotzdem werden sich aufrechte Männer und Frauen das Recht nicht nehmen lassen, bei der Reichsta'gswahl den Stimmzettel ungültig zu machen und bei der Volksabstimmung Hitler ihr „N e i n" entgegenzuschleudern. Blinde marsdileren... „Der Montag"(Berlin , 30. Oktober), läßt sich aus Essen melden: Nach der Kundgebung am Sonnabend in den Essener Ausstellungshallen begab sich Ministerpräsident Göring zum Städtischen Saalbau, wo eine Speisung von 1000 bedürftigen Volksgenossen stattfand... Erschütternd wirkte der Einmarsch einer Gruppe von Blinden. Dieser„Einmarsch" mußte In der Tat erschüttern— er war ein deutsches Symbol.
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1 (5.11.1933) 21
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