Tli®isias Mann verteidig i sidi Millionen Sklaven— und ein Roman In der vorigen Nummer des„Vorwärts" beschäftigten wir uns mit der zweideutig-passiven Haltung der Schriftsteller Thomas Mann , Döblin und S c h i c k e 1 e, die ihre angekündigte Mitarbeit an der Emigrantenzeitschrift „Die Sammlung" mit der Begründung widerriefen, die antifaschistische Tendenz dieser Zeitschrift sei ihnen nicht bekannt gewesen. Die Drei ernteten daraufhin ein Beinahe-Lob der„Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums", die ihnen attestierte, sie seien„keine geisti gen Landesverräter". Die Wiener Arbeiterzeitung, die gleich uns ihr Erstaunen über die eigenartige Vorsicht der bisher geistig freien Schriftsteller aussprach, erhält nun von Thomas Mann einen Brief, in dem es u. a. heißt: ...Sie erzählen die Geschichte meiner öffentlichen Absage und der einiger andrer Schriftsteller an die von meinem Sohn geleitete Zeitschrift„Die Sammlung" und folgern daraus die Tatsache unseres geistigen Todes. Für meine Person habe ich zu jenem Vorgang folgendes zu bemerken: So lange In Deutschland die Sprache frei war, habe ich als ein Mann, der sein Vaterland liebt und es glücklich und geachtet sehen möchte, mich mit allen meinen Kräften für das eingesetzt, was Ich für wünschenswert und richtig hielt. Sie in Wien haben Proben davon: ich habe vor Wiener Arbeitern nicht, wie Sie sagen, meinem Bekenntnis zur Demokratie„sogar" Zugeständnisse sozialen Verständnisses angefügt, sondern meine Rede von damals war ein offenes Bekenntnis zum Sozialismus, wenn auch nicht die Erklärung einer Parteizugehörigkeit. Seit acht Monaten lebe ich außerhalb der deut schen Reichsgrenzen. Der damit selbstverständlich verbundenen materiellen und ideellen Opfer will ich mich weder rühmen noch darüber klagen— genug, daß sie gebracht werden mußten. Ueber den Wert einer Polemik, die nicht nach Deutschland hineingelangt und dort tonlos bleibt, kann man verschieden urteilen. Sicher ist, daß meiner Natur die rein positive und produktive Art, dem höheren Deutschland zu dienen, in diesem Augenblick näher liegt als die polemische, und damit hängt mein dringlicher Wunsch zusammen, mich, solange es möglich ist, von meinem Innerdeutschen Publikum nicht trennen zu lassen. Das ist ein ideelles Interesse, das, wie leicht zu erweisen wäre, mit grobem Opportunismus nicht das geringste zu tun hat. Es handelt sich tatsächlich und nachweislich nicht um den„Markt", wie eine unfreundlich derbe Psychologie es gern ausdrückt, sondern um geistige und künstlerische Wirkungsmöglichkeit. Für mein gutes Recht, auch unter diesen Umständen, hielt ich es allerdings, einer außerhalb der deutschen Grenzen erscheinenden literarischen Zeitschrift europäischen Charakters, die erste Namen der Welt zu ihren Mitarbeitern zählt, auch meine gelegentliche Mitarbeit in Aussicht zu stellen. Als Ich mich aber Oberzeugen mußte, daß schon die bloße Ankündigung meines Namens, die unter normalen Umständen so unerheblich gewesen wäre, genügen würde, mir jede Wirkungsmöglichkeit in Deutschland abzuschneiden, habe Ich eine Handlung rückgängig gemacht, der ich von Anfang an wenig sachliche Bedeutung zugeschrieben hatte. Sie wissen, daß in diesen Tagen ein neues Buch von mir erschienen ist, der erste Teil eines weitläufigen epischen Werkes, das mich seit einer ganzen Reihe von Jahren beschäftigt. Es erscheint in Deutschland , im S.Fischer-Verlag, mit dem ich seit meinem Eintritt ins literarische Leben verbunden bin... Ich stand also vor der Frage, ob ich das Leben meines Werkes opfern, die Menschen, die in Deutschland auf meine Stimme hören und insbesondere seit Jahren auf diese neue Arbeit von mir mit Anteilnahme warten, enttäuschen diese verlorenen Güter. Verfolgungen wehrlos preisgegeben, der Meinungsfreiheit beraubt, vor körperlichen Mißhandlungen nicht geschützt, warten sie„mit Anteilnahme", nein, mit brennendem Verlangen— nicht auf einen Roman von Thomas Mann , sondern auf ein offenes Wort im Namen der Menschlichkeit, auf ein offenes, scharfes Wort, das aus seinem Munde kommend, im Ausland weithin gehört würde und durch tausend Kanäle auch ins deutsche Gefängnis dränge. Die deutsche Tragödie, mit Gummiknüppel, Re'tpeitsche und Schießprügel geschrieben, wird durch feingeistige Literatur weder gemildert noch abgekürzt. Darum bleibt es dabei: Thomas Mann handelt unrecht! TreugeloSmlsse im Dutzend billiger. Achtundachtzig deutsche Schriftsteller haben durch ihre Unterschrift dem Blutkanz'er Adolf Hitler das„Gelöbnis t r e u e s t e r Gefolgschaft" abgelegt. 8S deutsche £o4idon Der„Neue Vorwärts" ist in allen Verkaufsstellen der Fa. W. H. Smith Ltd. London, Strand House erhältlich, Bestellungen bitten wir direkt an diese Firma zu richten. und verlassen wollte, nur damit mein Name auf der Mitarbeiterliste einer Zeitschrift figuriere, deren erste Nummer gerade, wie ich wahrheitsgemäß erklären konnte, tatsächlich in ihrer Zusammenstellung taktische Fehler aufwies und nicht dem Bilde entsprach, das ich mir von ihr gemacht hatte. Diese Frage habe ich in der Ihnen bekannten Weise entschieden... Daß Thomas Mann für sein sozialistisches Bekenntnis in diesen Tagen deut scher Sozialistenverfolgung noch einmal ausdrücklich einsteht, gereicht ihm zur Ehre. Ueber die„Wirkungsmöglichkeit" in Deutschland dürfte er sich jedoch gründlich täuschen. So kunstlästerlich das klingen mag: ein„weitläufiges episches Werk" mehr oder minder— kommt es darauf im Dritten Reiche an? Und wenn die Veröffentlichung eines solchen Werkes durch schweigende Duldung schändlichster Barbarei erkauft werden muß— bliebe es dann nicht besser in der Schublade? Den Millionen, die im demokratischsozialistischen Lager mit Thomas Mann für Freiheit, Menschenrecht und Menschenwürde fochten, geht es heute noch und heute mehr denn je um Schriftsteller! Man zählt die Namen— aber man kennt die wenigsten. Wer weiß etwas von Gustav Kohne (wo hat er das E her?), von Richard Schneider-Ebenkoben, Schüssen (Wilhelm), Karl Heini, Ilse Hamel ? Wer kennt Herrn Hofrat Rehbein, wer Herrn von Haso? Aus solchen und ähnlichen„Berühmtheiten" rekrutiert sich aber zu drei Viertelteilen die ganze Liste. Und sonst? Von den seit alters Hakenkreuzbraven, von den Blunck, Beumel- burg, Otto Flacke, Schauwecker, nicht mal von dem blutbesudelten Mordhetzer Leers sei hier gesprochen. Die Rudolf Herzog , Presber und Jungnickel seien Herrn Hitler , in Schafsleder gebunden, überlassen, und daß Bronnen ein schmutziger Lump ist, hat sich nachgerade selbst im Dritten Reich herumgesprochen. Bin- ding, der Brauereisohn, und Höcker, der Gutsbesitzer, werden sich hüten, den Ast abzusägen, der die goldenen Eier legt Aber Hein rich Lersch , der einstige Arbeiterdichter, Gottfried B e n n, der Arzt und Vordem-Sozia- Iist, Alfred Brust , der sich dereinst ohne jeden Widerspruch von jüdischen Regisseuren und linksstehenden Mäzenen emportragen ließ, B u I k e, der in den Spalten der demokratischen Vossischen Zeitung graste, Gerhard Menzel , entdeckt und gefördert von dem Juden Monty Jacobs , ungezählte Male Gast fn jüdischen Häusern, der Bohemien Alfred Ri chard Meyer , der sich einst als„Munke- punke" nicht radikal-sozialistisch genug gebärden konnte, Johann Schlaf, Walter von M o- 1 o, Josef Ponten — wie kommen die auf jene Schandliste der Inkompetenzen? Mit dem Treugelöbnis für Hitler unterzeichneten sie gleichzeitig ihr eigenes Urteil, das auf lebenslänglichen Ehrverlust lautet. Zum Glück faucht neben dieser Liste eine andre, ungeschriebene auf. Sie ist länger und trägt weit gewichtigere Namen, die Namen all der bedeutenden deutschen Schriftsteller, all der Vertreter wahren deutschen Geistes, die von der Hitlerbarbarei schaudernd abrücken, die ihr Kampf angesagt haben, die unter Opfern und Gefahr wider sie streiten. Hklers Gegenieüe In Hitlerdeutschland wird jetzt offiziell soviel von Heldentum geredet und gekraftmriert, daß es Leute von auch nur mittlerem Geschmack längst speiübel geworden ist. Jenen zum Trost soll eine Broschüre für„Nationale Dramaturgie" zitiert werden, die jüngst im Verlag Theater-Tageblatt(Berlin ) erschien und in der ein Herr Paul Beyer demonstriert, wie der neue nationale Held auf der Bühne av'-n sollte; „Der stille Held, dem man's ansieht, wird wiederkommen... Der lächelnde Held, der seine Wunde nicht zeigt, kurz all die Gegenteile von Maulheld, die sich denken lassen." Gegenteile von Maulheld— die Ihre Wunden nicht zeigen, Mag sich der Nazi-Dramaturg darüber mit seinen Pgs. auseinandersetzen. Da hat man jüngst Röhms brauner Garde ein Denkmal errichtet. In der Hitler-Presse ist das zu sehen mit dem Text;„Im Schloßpark von Oranienburg wurde ein aus Holz geschnitztes Denkmal für die gefallenen SA.- Leute eingeweiht, welches einen verwundeten Kämpfer darstellt." Auf dem Sok- kel steht einer in SA.-Uniform mit verbundenem Kopf. Der Mann kommt uns bekannt vor. Man sah solche Leute ehedem oft an der Spitze von Naziumzügen Reklame laufen. In mehreren Fällen wurde festgestellt, daß die Verbände einen Schwindel verdeckten. Sie rochen nach Karbol, aber die Wunden fehlten. Wenn die Verteidiger des Sozialismus und der deutschen Demokratie mit Verwundeten hätten protzen wollen— zu Hunderten konnten sie damit aufwarten! Aber Hunderte fielen im Kampfe gegen die braune Pest, abef Hunderte wanderten in die Gefängnisse. Jedoch sie machten kein Theater aus alldem. Einfach, in grauen, abgetragenen Windjacken, traten die sozialistischen Formationen an, so oft sie zum Schutze der Freiheit gerufen wurden. Viele ermangelten der notdürftigsten Ausrüstung, mit durchlöcherten Stiefelsohlen marschierten sie für ihre Sache durch Eis, Schnee und Schlamm, schlecht genährt, arbeitslos die Hälfte, eine graue Masse der Not: Gegenteile von Maulhelden! t Die Geschichte wird diesen unbekannten Soldaten der Freiheit ein Denkmal setzen, und von ihrem einfachen, selbstverständlichen Opfermut werden kommende Geschlechter noch künden, wenn braune Denkmäler und verlogene faschistische Heldenbilder längst im Panoptikum als letzte Reste deutschen Mittelalters vermodern. Sdrwejk Im III. Reich Aus seinen Geiängniserlebnissen... Schwejk, der unsterbliche Held der k. k. Weltkriegsarmee feiert im III. Reich „fröhliche Urständ". Augenblicklich verbüßt er gerade eine Gefängnisstrafe. Was er dabei erlebt, läßt eine Meldung der„Vossischen Zeitung" erahnen, die wir nachstehend wörtlich wiedergeben: „Kein Hitlergruß in Gefängnissen. Ein Rundschreiben des Mecklenburgischen Justizministeriums an die zuständigen Behörden hebt hervor, daß in Gefangenenanstalten der Hitlergruß weder als Gruß der Gefangenen den Beamten gegenüber noch als Gruß der Gefangenen untereinander zugelassen werden dürfe. Der Hitlergruß, so betont diese Anweisung des Ministeriums, ist der Gruß des freien deutschen Mannes. Ueber den Gruß der Gefangenen bleiben die bisherigen Vorschriften in Kraft. Die Gefangenen haben also weiterhin die Beamten durch Abnahme der Kopfbedek- kung zu grüßen bezw. durch Vorbeigehen in straffer Haltung." Aufseher: Schwejk, vortreten! Schwejk: Herr Inspektor? Aufseher: Sie haben mich heute morgen auf dem Weg zum Kaffeefassen mit dem Hitlergruß gegrüßt... Schwejk: Indem daß wir jetzt alle eine einzige große Volksgemeinschaft sind, wie ich in der Zeltung gelesen hab. Aufseher: Gefangene, Juden und Marxisten gehören nicht zur Volksgemeinschaft Der Hitlergruß ist nur für freie Menschen bestimmt. Schwejk: Das möchte aber zu Komplikationen führen, Herr.Direktor. Wie ist denn das mit denen, die wo schon in den Gefängnissen gesessen haben? Wie ich das letztemal Knast schob, hatten wir allerhand Nazis unter uns: sogar ein richtiger Fememörder war dabei, der jetzt herich Polizeipräsident sein soll. Das muß ein sehr sauberer Posten sein, sich mit all den schlechten Charakteren abzugeben-- Aufseher:— wie mit solchen, wie du einer bist du Schwein. Mau! halten, jetzt! Schwejk: Melde gehorsamst, daß ich ein Schwein bin. Warum nicht, Herr Gefangenengeneral? Aber eigentlich ist das nicht sehr menschenfreundlich, daß Sie uns den Hitlergruß verbieten, indem daß Freiübungen sehr gesund sein sollen für den menschlichen Körper. In Poppowitz, da hatten wir einen Mann, der... Aufseher Schnauze! Drei Tage Dunkelarrest! Schwejk: Der Dunkelarrest ist keine schlechte Erfindung: da kann man seine Augen ausruhen und mit Fleiß über den Führer nachdenken, denn das Denken verstößt herich nicht gegen die Anstaltsbestimmungen Aber wirklich, Herr Gefangenenminister,.es tut mir von ganzem Herzen leid, daß Sie uns Herren Verbrechern nicht erlauben wollen unsere treue Verbundenheit mit dem Führer zu bezeugen. Von ganzem Herzen, Herr Präsident____ Aufseher Abführen! 'Schwejk; Heil Hitler, Herr Abkanzlerl Habe die Ehre... Darschan. Familie Eintopf Eine Szene, die der gleichgeschaltete Hans Reimann nicht geschrieben hat... Ort der Handlung: Eine spießbürgerlich eingerichtete Wohnung irgendwo in Sachsen . Das Eintopfgericht dampft auf dem Tisch. Der Vater:'choffe, ihr seid euch alle der Bedeidung der Schdunde bewußd: nicht alle Dache haramir das Glück, midn Oeberschden der Nadssion aus een' Dobb ze essn. Bau), schürf nich so. Die Mutter; Nu, de dusdje gerade, als ob mir an den annern Dachn aus zaehn Debbn essn dädn. Der Vater: Das is egal. Feierdach is Feierdach. Der Führer wills eso un damit basda. Baul, mach nich son Grach bein Essn. Die Mutter: Nu, wenn Feierdach is, da freßd ihr immer zeviel. Fordn Garl muß ooch noch ewas iwrich bleim. Paul: Wo issn der heide? Der Vater; Der had heide Dienst beidr. SA. Der had schon gesdm ahmd gesachd, daßr heid's E.K. kriecht. Paul: Was meendn der drmit? Der Vater: E.K., das heeßd Essenkontrollc. Der muß heide den Leidn indn Dobb guckn, obse ooch bloß alle een' Gang ham. Die Mutter: Nu, da wird der awr der- wechn hibschn Hunger ham , wenn der von der Essensgondrolle heemgommd. Und Ihr, Ihr freßdn alles weg! Der Vater: Nu, warum machsdn nich maehr von den Gelumbe? Die Mutter: Nu, warum gibsdn mir nich mehr Wirdschafdsgeld? Der Vater: Nu, wer hadmr denne's Gehald abgebaut? Die Mutter: Nu, wer wardn der greeßde Nazi indr Familche un had immer gesachd, wenndr Hidler gommd, wird alles besser? Nu mußde de Suppe ooch ausleffln. Paul:'s Is doch gar keene mehr da! Die Mutter: Nu, du maderiallsdcher BriezI, das middr Suppe, das meen'ch doch bloß simbolisch--. Ergo- UnauHälli (TT gesdiminki Die deutsche Firma Leichner erinnert 1° ihren Reklamenotizen daran, daß die braune Regierung auffällig geschminkte und gepuderte Frauen nicht verputzen kann und fü®1 hinzu:„Leichners Puder und Schminken wirken unauffällig, dezent und erfüllen dennoch ihren Zweck, nach dem bewährten Wort:„Was die Natur nicht gibt, gibt Lefchner". Also das Schminken ist in Deutschland erlaubt, nur„unauffällig" hat es zu geschehen-
Ausgabe
1 (5.11.1933) 21
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