Hdbeilion der Gelstlidien Karl Barth und die 2000 Pastoren, die sich nicht gleichschalten lassen! Vieles erleben wir in dieser Zeit, was mit unseren altüberkommenen Vorstel­lungen und Erfahrungen nicht in Ein­klang zu bringen ist. Dazu gehören auch die Wirkungen, die der Sieg der Haken­kreuzler in denchristlichen Kir­chen hervorgerufen hat. Man hatte von der katholischen Kirche erwartet, daß sie eine gewisse Widerstandskraft ent­falten werde das Gegenteil ist einge­treten. Die katholische Kirche hat kampflos ihre politische Vertretung auf­gegeben und sich dem totalen Staat unterworfen. Umgekehrt galt die prote­stantische Kirche uns als sicherste Hoch­burg jeder politischen Reaktion. Gerade aber in ihr hat sich ein Widerstand gel­tend gemacht, der die ganze theologisch interessierte Welt innerhalb und außer­halb Deutschlands in Bewegung hält. Die Kräfte des Widerstandes grup­pieren sich einerseits um den Bonner Theologieprofessor Karl Barth und seine SchriftTheologische Existenz heute!"(Chr. Kaiser-Verlag , München ), die in wenigen Wochen acht Auflagen erlebt hat, anderseits um Dr. von Bo­delschwingh, der in der kirchen­politischen Opposition gegen die Deut­schen Christen die Führung hat. Schon haben nicht weniger als 2000 Pastoren eine Erklärung unterzeichnet, in der sie Dr. von Bodelschwingh als Hüter des echten Glaubensbekenntnisses feierlich anerkennen, sich selber auf dieses ver­pflichten, den Arierparagraphen für unvereinbar mit ihm erklären und ihre Verbundenheit betonen mit allen, die wegen dieses Glaubensbekenntnisses verfolgt werden. Noch weiter als diese Erklärung geht ein Appell, den 22 namentlich unter­zeichnete Führer im Namen der 2000 an die Nationalsynode in Wittenberg ge­richtet haben. Darin werden die Kirchen­behörden beschuldigt, sich einem ge­walttätigen Druck gebeugt zu haben und dadurch mit den Lehren der Heiligen Schrift und der Kirche in Konflikt ge­raten zu sein. Das gelte besonders auch für den Arierparagraphen. Geistliche seien verfolgt worden, weil sie aus Gewissensgründen nicht im­stande seien, der im Augenblick die Kirche beherrschenden Gruppe Gefolg­schaft zu leisten. Von der National­synode in Wittenberg wird gefordert, daß sie die Freiheit der Predigt prokla­mieren solle. Ohne Rücksicht auf be­vorstehende Beschlüsse, wird die Fort­setzung der bisherigen zu den Deutschen Christen oppositionellen Haltung ange­kündigt. Geistiges Haupt der Bewegung ist, wie gesagt, Karl Barth . Der berühmte Bonner Theologe zieht mit kantischer Prägnanz den Grenzstrich, der den gei­stigen Inhalt der Kirche von jeder Art von Politik, selbst auch von der Kirchen­politik scheidet. Er nimmt die politische Führerschaft Hitlers ohne Widerspruch, freilich auch ohne jede Spur von Zustim­mung als vollzogene Tatsache hin, um desto schärfer gegen jedes Uebergreifen des neuen Geistes auf die Kirche Protest zu erheben. Im Gegensatz auch zu der Jung-Reformistischen Bewegung", die trotz aller Bedenken und Vorbehalte einenBurgfrieden" in der Kirche an­strebt, lehnt Barth jedes Kompromiß ab. Er kennt auf seinem Boden, d. h. dem der Lehre, den Deutschen Christen ge­genüber nur den Kampf: Was ich dazu zu sagen habe, ist einfach: ich sage unbedingt und vorbehaltlos Nein zum Geist und zum Buchstaben dieser Lehre. Ich halte dafür, daß diese Lehre in der evan­gelischen Kirche kein Heimatrecht hat. Ich halte dafür, daß das Ende der evangelischen Kirche gekommen wäre, wenn diese Lehre, wie es der Wille derDeutschen Christen " ist, in ihr zur Alleinherrschaft kommen würde. Ich halte dafür, daß die evangelische Kirche lieber zu einem kleinsten Häuflein werden und In die Katakomben gehen sollte, als daß sie mit dieser Lehre auch nur von ferne Frieden schlösse. Ich halte die­lenigen, die sich dieser Lehre angeschlossen haben, entweder für Verführer oder für Ver­führte und kann die Kirche in dieserGlau­bensbewegung" nur so wiedererkennen, wie Ich sie auch im römischen Papsttum wieder­erkennen muß. Ich kann auch meine verschie­denen theologischen Freunde, die sich kraft irgend einer Hypnose oder mittels irgend eines Sophismus in die Lage versetzt fanden, diese Lehre zu bejahen, nur bitten, von mir aus zur Kenntnis zu nehmen, daß ich mich sofern ihnen nicht in glücklicher Inkonsequenz neben dieser Irrlehre auch noch eine anderweitige christ­liche, kirchliche und theologische Substanz er­halten geblieben sein sollte, schlechterdings und endgültig von ihnen geschieden weiß." Höchst interessant weil sich Ver­gleiche mit ähnlichen Vorgängen auf an­deren Gebieten aufdrängen ist die Art, wie sich Barth mit den Gleichgeschalte­ten auseinandersetzt.Was hat sich zu­getragen? fragt er, um zu antworten: Auf der einen Seite das Ereignis einer geradezu verblüffenden Widerstandslosigkeit, in der Pfarrer und Gemeindeglieder und Kir­chenführer, Theologenprofessoren und Theo­logiestudenten, Gebildete und Ungebildete, Alte und Junge, Liberale, Positive, Pietisten, Lutheraner und Reformierte in Scharen dem Ansturm dieser Bewegung erlegen sind, wie man eben einer echten, rechten Psychose erliegt. Erlegen die einen im aufrichtigen Glauben, nun endlich geradezu messianische Botschaft vernommen zu haben, die anderen mit irgend einer sehr tiefen philosophischen Begründung, wie man sie gerade dann am sichersten zu finden pflegt, wenn man sich wieder einmal aufs gründlichste«von der Wirklichkeit" hat überrennen lassen, die Dritten in der simplen Ueberlegung, was auf politischem Gebiet recht, werde gewiß auch auf kirchlichem billig sein, die Vierten in der ängstlichen Klugheit, die nur ja nichtausge­schaltet" sein, ihre wertvolle Kraft nicht müßig gehen lassen wollte, da nun einmal alles in dieser Richtung lief, die Fünften mit weisem Vorbehalt nur dasGute" an der Be­wegung bejahend, die Sechsten in der etwas hinterhältigen Absicht, beizutreten, um alsbald dienötige Opposition" zu machen, dieEin­seitigkeiten" der Bewegungvon innen her­aus zu überwinden" aber alle miteinander erlegen einer Sache, die den Stempel der Ver­kehrtheit so deutlich auf der Stirn trägt, daß in einer gesunden Kirche schon ein Konfirmand hätte merken müssen, daß er da weder mit dem lutherischen noch mit dem Heidelberger Kate­chismus in der Hand nur eine Stunde dabei sein und unter irgend einem Vorwand mittun könne." Nein, von Kompromissen, auch mit Klauseln und Vorbehalten kann bei Karl Barth keine Rede sein. Ihm geht es nicht darum, ob der Wehrkreispfarrer Müller oder ob Bodelschwingh Reichs­bischoff ist, sondern um mehr: Ich brauche nicht zu wiederholen, was ich gegen dieDeutschen Christen " gesagt habe. Ich kann aber an dieser Stelle hinzufügen, daß ich damit rechne(und nach den neuesten Er­eignissen noch mehr als vorher): die Einheit mit einer auf irgend einem Weg doch noch Müller und denDeutschen Christen " ausgelieferten deutschen evangelischen Kirche wird vielleicht nicht aufrecht zu erhalten sein. Den zu erwartenden evangeliumswidrigen Dogmen, Verkündigungen und MaBnabmeu des deutsch -christlichen Reichsbischofs und seiner Domherren wird Renitenz ge­leistet werden müssen. Es werden ihnen gegenüber im Notfall auch die letzten Konsequenzen gezogen werden müssen." Mit Erstaunen hört man von jen­seits der Grenze Worte wieRenitenz", Widerstand",letzte Konsequenzen" herüberschallen. Sicner bedeutet das nicht, daß Barth und seine Pastoren zu Revolver u. Dreschflegel greifen wollen, wohl aber will es besagen, daß sie sich auf einen ideologischen Wider­stand versteifen, der nach ihrem Wil­len auch nicht durch Aushungerung oder Gefangensetzung zu brechen sein soll. Bleiben sie fest, dann verdienen sie den Respekt und die Sympathie aller, denen Mut der Ueberzeugung auf allen Gebieten als Charaktervorzug gilt. Die Herren des Dritten Reichs aber wer­den dann vor die Alternative gestellt sein, entweder vor einer geistigen Bewe­gung zurückzuweichen, oder aber ein neues Martyrium schaffen zu müssen, daß vor aller Welt gegen sie zeugen wird. Karl Barth bleibt aber auf alle Fälle das Verdienst, daß er das Haken­kreuzchristentum als einen barbarischen Schwindel entlarvt hat, der weder deutsch noch christlich ist. Grelbe Germanen Mongolische Arier Die Wissenschaft im Dritten Reich schreitet von Entdeckung zu Entdeckung. Sie hat nicht nur herausgefunden, daß Mischvölker an der Donau zur nordischen Edelrasse zählen, son­dern es gibt noch ganz andere Dinge, von denen die Anthropologen sich bisher nichts träumen ließen. Der japanische Bot­schafter in Berlin hat energisch in Neu­raths Amt hineingeleuchtet, weil in Deutsch­ land lebende Japaner und ihre Kinder mehr­fach vom braunen Mob angepöbelt und miß­handelt wurden. Darauf hat Hitlers Außenminister jetzt die Versicherung ab­gegeben, daß sich die deutsche Regierung ent­schlossen habe, auf Grund neu er rasse­theoretischer Untersuchun'gen der japanischen Rasse grundsätzlich die Gleichwertigkeit mit der nordisch-germa- schen Rasse zuzusprechen. Deutsch -japa­nische Mischehen sind gestattet Der nationalsozialistische Rassebonze Dr. Jo­hann v. Leers hat schon einen entsprechenden Vortrag gehalten, in dem er den staunenden Zuhörern erklärte, daß bei den Japanern arische Blutbeimischung" festzustellen sei. Dagegen sind sich Leers wie das deutsche Außenministerium darüber einig, daß andere asiatische Völker, vor allem die Chinesen. weiter als minderwertige Rasse zu gelten ha­ben. Wenn es strittig sein mag, welche europäi­schen Nationen den indogermanischen Völker­gruppen zuzurechnen sind, so ist sich die ernste Wissenschaft darüber einig, daß die Mongolen einen ausgesprochenen nicht- arischen Typus darstellen. Und wenn jetzt der braune Rassenfatzke Leers bei den Reiben Japanern plötzlich arische Blutbei­mischung entdeckt, so hängt das wohl mit der völligen außenpolitischen Isolierung Deutsch­ lands zusammen. Man sieht sich verzweifelt nach Bundesgenossen um, und sucht Hilfe bei denen, die von deutscher Nationaillc mit Vor­liebegelbe Affen" geschimpft wurden. Da China gegenwärtig noch schwach und außer­dem im Völkerbund vertreten ist, gehören seine Landeskinder zu den Minderwertigen. So verschachern die braunen Demagogen ihre Auffassung, wie es ihr jeweiliges Bedürfnis gerade verlangt. Tatsachen, Grundsätze, Treue oder Ehre sind ihnen dabei ebensowenig im Wege wie irgendwelcher Sinn für Lächer­lichkeit. Aber warum bei den gelben Kindern Nip- pons Halt machen? Wenn sogar Göbbels und Hitler sich als Vertreter nordischer Edelrasse aufspielen dürfen, warum dann nicht die E s- k i m o s oder die Indianer im Gran- Chaco ? Geflüstertes Interview Ein Agrarier schüttet sein Herz aus. Ein üranzösicher Korrespondent hatte jüngst Gelegenheit, einen ostpreußischen Gutsbesitzer zu interviewen, und er entdeckte, daß selbst in den junkerlichen Kreisen bereits Gegner des Hitler-Systems sich zu melden beginnen. Aller­dings sie melden sich sehr leise, denn es ist nicht ratsam, den Mund weit aufzutun, es sei denn beimHeil-Hitler"-Rufen. Dem In­terview, das imPetit Parisien" veröffentlicht wurde, entnehmen wir einige interessante Ab­schnitte: Ich habe meine Söhne in die Fremde geschickt", sagte er;sie werden sich helfen, so gut sie können; aber ich konnte den An­blick der beiden großen, unternehmungslusti­gen und aller Hoffnung beraubten Burschen beinahe nicht mehr ertragen... Die Regierung hat mir ein Halbdutzend Hitlerianer geschickt, die ich während des ganzen Win­ters beherbergen und ernähren muß. Ich höre wohl, daß diese feiernden Arbeiter mir zur Verfügung stehen, aber, ich weiß nicht, was ich ihnen zu tun geben soll; sie werden Alleen har­ken, werden Blätterhaufen anbrennen: das dürfte der Arbeitslosigkeit nur in sehr gerin­gem Ausmaße steuern. Alle meine Nachbarn und die meisten deutschen Grundbesitzer sind so mit Pensionären versorgt worden. Aber, wie meinen Sie, sollen wir diese starken Kerle unterhalten, von denen einige auch noch zu tauchen verlangen?..." Zahlreiche Kapitalisten, angefangen bei Hugenberg, leisten Widerstand gegen die Par­tei, wir Cutsbesitzer nehmen dieselbe Haltung an. Was die Finanzgruppen anbelangt, aui die Sie anspielten(die Zufriedenen. D. Uebers.), so dürfen Sie nicht vergessen, daß die teilweise aus Lieferanten von Kriegsmaterial be­stehen, deren Fabriken heute mit vollem Er­trag arbeiten... Hitler und seine Ratgeber sind entschlossen, gleichzeitig gegen die Groß­industrie und gegen die Gewerkschaften zu kämpfen. Meiner Meinung nach hat Hitler ein Programm, dessen Verwirklichung ohne Zwei­fel durch alle möglichen schwierigen und not­wendigen Ueberlegungen verzögert wird, aber das uns im Endeffekt alle ruinieren und in die Revolution treiben wird. Wir sind weder Italien noch Rußland , wir sind Deutschland , und die Hitlerpartei repräsentiert bei uns nur eine Minorität ohne wirklichen Wert, ohne Kultur und ohne Seele." Also rechtsstehende, stramm nationale Leute kommen sachte dahinter, daß der eingeschla­gene' WegDeutscher Erneuerung" nicht etwa von derbolschewistischen Gefahr" weg-, son­dern in eine Revolution hineinführt, wie sie Deutschland , wie sie die Welt noch nicht er­lebt hat. Wegen der Aufnahme von Inseraten und der Annahme von Abonnements in Belgien wende man sich schrift­lich an den Tleum Vamäds" BRUXELLES XL 38, Rue d'Edimbourg Deutsche Bücher werden schnell­stens zu Orlginalpreisen geliefert! Redakteur und Setzer im Konzentrationslager Der in Eddingen in Württemberg erschei­nendeNeue Albbote" ist verboten worden. Das Verbot erfolgte, weil dieses Blättchen eine fehlerhafte Fassung des amtlichen Textes zum Volkbegehren veröffentlicht und eine Berichtigung unterlassen hatte. Die Re­daktionsräume wurden nach einer Durchsu­chung von einer SS-Abteilung besetzt. Der verantwortliche Schriftleiter und der Setzer wurden ins Konzentrationslager am HeuberR überführt. Theaterkatastrophe DerBerliner Herold" verzeichnet in einer einzigen Nummer(42) folgende Tatsachen aus dem braunen Kunstleben: Der Dichter Forster, dessen schönes StückRobinson soll nicht sterben" leider im Komödienhaus abgesetzt werden mußte.. Inzwischen hat sich dasTheater am Nollendorfplatz" genötigt gesehen, die Auf­führungen von RuederersFahnenweihe" abzubrechen... Der Deutsche Bühnenverein wird nun endgültig in den ersten November­tagen In Berlin zusammentreten, und das Hauptthema seiner Beratungen wird der katastrophal schlechte Theater­besuch sein, der in allen Städten Deutschla nds und besonders in Ber­lind unerhört negative Dimensionen ange­nommen hat Man denke; Theater am Nollendorfplatz und Komödienhaus nach kurzer Spielzeit gerade als die Saison richtig beginnen sollte, wieder geschlossen. DasDeutsche Theater", die Kammerspiele, das Große Schauspielhaus, der Admiralpalast, das Berliner Theater" sind in dieser Spielzeit noch gar nicht eröffnet dasTheater am Schiffbauerdamm" ist ganz außer Kurs, manche In Betrieb befindliche Theater haben schwer zu kämpfen. Aus anderen Städten kommen ähnliche Be­richte. Zum Beispiel aus Dresden . Dort wissen die Staatstheater nicht wie sie über den Winter kommen sollen, man denkt schon an eine Zusammenlegung von Schauspiel und Oper. Kein Wunder! Die einstigen Stammgäste, die Kunstsachverständigen, pfeifen auf den Besuch des Opernhauses, wenn es immer wie­der geschieht daß vor der Ouvertüre das Deutschland - oder das Horst-Wessel-Lied er­dröhnt und alle Besucher zunächst einmal Männchen machen müssen, wenn sie nicht hinausfliegen wollen. Die deutsche Theaterkultur hatte vor der nationalem Erneuerung" Weltruf.