Das Penken verbotenDer Feierabend wird gleichgeschaltetDer totale Staat— das ist die totaleVergewaltigung des einzelnen. Es ist dieArbeiterklasse, die das Objekt des totalenStaates ist. Ihre Sklaverei ist erschütterndund unvorstellbar für alle, die in Freiheitleben, sie ist um so drückender, als diedeutsche Arbeiterklasse die Erinnerung• der Freiheit hat.Man hat den Arbeitern ihre selbständige Bewegung, ihre Organisation geraubt,man hat ihnen vorgeschrieben, welche politische Ueberzeugung sie nach außen zeigen dürfen, man möchte ihnen diktieren,was sie zu denken haben.Hier hat der totale Staat eine Lücke;er kann noch nicht kontrollieren, waseiner im geheimen denkt, er kann nochnicht mit Sicherheit das Denken des Unterdrückten in bestimmte Richtung lenken.Noch nicht!Aber der AnschlagaufdasDen-ken des Arbeiters ist schon imGange. Kann man ihm das Denken nichtverbieten, so kann man ihm vielleicht dieZeit zum Denken nehmen. Dieser Anschlag gegen die Arbeiterschaft nenntsich Freizeitgestaltung, er solldurchgeführt werden mit Hilfe der sogenannten Arbeitsfront des L e y. Eine neueOrganisation soll gebildet werden, die denNamen„Nach der Arbeit" tragensoll. Man will sie finanzieren aus den Mitteln der Arbeitsfront, das heißt mit Arbeitergroschen. Das Vorbild ist die faschistische Freizeitorganisation„Dopolavoro"(Nach der Arbeit), das Ziel ist die Vervollkommnung der Zähmung und Dressur der Arbeiterschaft.Für den totalen Staat und den Machtwahn der Nationalsozialisten sind die Arbeiter nicht Menschen mit Persönlichkeitsrecht, sondern intelligentedressierbare Tiere. Man hat sie inZwangsversammlungen gepreßt, man führtsie unter terroristischem Zwang zu Demonstrationen und zur Wahlurne, manunterdrückt jede freie Zusammenkunft—aber das alles genügt den Dompteurennoch nichtImmer noch können die Arbeiter undAngestellten nach der Arbeit mit ihrenFamilienangehörigen und Freunden reden,immer noch haben sie Zeit und Gelegenheit, sich selbst Gedanken zu machen.Aber sie sollen nicht denken,denn Nachdenken ist schädlich für dasSystem, Nachdenken kann revolutionäre.Wirkungen haben!Das beste Mittel, säe vom Denken abzuhalten, wäre es, sie arbeiten zu lassenvom Erwachen bis zum Einschlafen—aber die physiologische und arbeitstechnische Unmöglichkeit dieser Methode habendie Kapitalisten allmählich begriffen. DieZeit, die der Arbeiter zum Nachdenkenund zum Kampf für seine Befreiung verwenden könnte, soll deshalb mit einer ArtSchlaf im Wachen ausgefüllt werden. Das ist der Sinn der kapitalistischenFreizeitgestaltung!Dieser Anschlag gegen die Denkfreiheitder Arbeiterschaft will sich eine kulturelleerzieherische Maske vorbinden. Es istblutiger Hohn, daß dieses System der Barbarei und des Rückschritts sich stellt, alsob es der Arbeiterschaft auf kulturellemGebiete etwas zu geben hätte! Es hat dieKunst zur Dirne des faschistischen Machtwahnes gemacht, es hat alle freien undaufrechten Künstler verjagt, es hat dasdeutsche Theater zerstört. Nicht um Kultur geht es dem System, sondern um dieDressur der Arbeiterschaft für faschistische Zwecke.Die Hauptsache ist— so verlautbartder Gefangenenwärter der deutschen Arbeiterschaft Ley— die„körperliche Ertüchtigung". Warum wird nicht gleich gesagt: der Wehrsport? Nach Feierabend soll aus dem arbeitenden Deutschland das Deutschland der Arbeitsdienstlager und der Konzentrationslager werden. In den Lagern hinter dem Stacheldraht sorgen die Gefangenenwärter bereits für die Freizeitgestaltung im Geistedes Systems— künftig soll ihre Praxisauf die gesamte deutsche Arbeiterschaftübertragen werden. Es sind schließlichdieselben Burschen, die die Freizeit derGefangenen des Systems und der sogenannten freien Arbeiter„gestalten!"Was unterscheidet die sogenanntenfreien Arbeiter noch von ihren Kameradenin den Konzentrationslagern? Nur die Illusion, daß sie noch nicht Gefangene seienund die Tatsache, daß noch nicht die Prügelstrafe für sie eingeführt ist! Deutschland ist ein einziges großes Konzentrationslager für Arbeiter. Mancher sieht denStacheldraht nur nicht, weil er nicht nahe,sondern an der Grenze steht.Diese neue Leysche Organisation istnach dem Herzen der Kapitalisten. Ihr Zielist die Verinstrumentalisäerung der Arbeiter. Die Psychologen und Psychotechni-ker des Großkapitals werden die nationalsozialistischen Dresseure der Arbeiterschaft sachverständig beraten, welcheForm von Sport, von Exerzieren, von läppischer Zerstreuung am sichersten vomDenken abhält, und dafür die Arbeitsleistung für den Profit am günstigsten beeinflußt. Sie werden es schon zuwegebringen, daß die mechanischste und geistloseste Arbeit noch als geistige Erholungnach der Dressur der Freizeitgestaltungerscheint. Um so besser dann für die Kapitalisten!Jetzt wird die freie Zeit der Arbeitergleichgeschaltet— soweit sie es nochKirsdiwasserfahrtBonzenleben im 3. Reich.Vor uns liegt folgendes Dokument, für dessen Echtheit wir uns verbürgen:Verzeichnis der Spendervon Kirschwasser etc. für die Tagung der Amtswalter der NSD�P. in Baden-Badenam 6. Oktober 1933 mit anschließender Rundfahrt durch den Schwarzwald.1. Bad Rippoldsau, Akt.-Ges........2. Bühlertal, Gemeinderat Gegenbach...3. Städtisches Verkehrsamt.......4. Gernsbach Murgtal, Verkehrsverein...5. Gutacb-Schwarzwaldbahn, Verkehrsverein.6. Haslach-Kinzingtal, Stadtgemeinde...7. Hornisgrihde, Rasthaus A. Springmann..8. Hundseck, Kurhaus, Hammer& Maushard.9. Karlsruhe, Kammerkirsch A.-G......10. Karlsruhe-Grönwinkel, Sinner A.-G....11. Konstanz a. B., Stadtverwaltung i...12. Mummelsee, Hotel Mummelsee, K. Bürk.13. Nordrach, Bürgermeisteramt......14. Ottenhöfen, Verkehrs- u. Verschöncrungs-vereln..............15. Plättig, Kurhaus, K. Habich& Söhne..16. Rastatt, Bürgermeisteramt......17. Ruhestein, Hotel u. Kurhaus, Gebr. Klumpp18. Unterstmatt, Kurhaus, Klumpp u. Reymann19. Waldulm, Bürgermeisteramt......1 Flasche Kirschwasser2 Pfund Bauemspeck20 Fläschchen Zwetschgenwasser10 Reiseflaschen Kirschwasser2 Flaschen Kirschwasser2— 3 Flaschen Kirschwasser3 Flaschen Kirschwasser2 Flaschen Himbeergeist2 Flaschen Kirschwasser3 Flaschen Kammerkirsch 550 Vol.%4 Flaschen Kirschwasser400 Weinproben aus der Konstanzer Spitalkellerei2 Flaschen Kirschwasser7/2 Flaschen Kirschwasser5 Flaschen Kirschwasser, bezw. Himbeergeist2 Flaschen Kirschwasser1 Flasche Kirschwasser4 Flaschen Kirschwasser2 Flaschen Kirschwasser2 Flaschen Kirschwasser20. Zell am Harmersbach, Bürgermeisteramt. 2 Flaschen KirschwasserAmtswalter heißen die nationalsozialistischen Parteifunktionäre, die sogenannten„braunenBonzen". Die Sieges- und anderen Räusche, in denen sie schwelgen, lassen einen Katzen-lammer ahnen, der fürchterlich sein wird!nicht ist— außerdem sollen sie noch dafür bezahlen. Wenn das System könnte,würde es noch ihre Träume kontrollierenund gleichschalten.Wozu und für wen„Freizeitgestaltung? Nicht für die Arbeiter,sondern für die Zwecke ihrerSklavenhalter! Das Ziel ist dieZüchtung einer in ihrem Willen gebrochenen, in ihrem Denken abgelenkten undkorrumpierten Arbeitermasse, die in derHand des Systems ein willenloses Instrument sein soll— Kanonenfutter fürden nächsten Krieg!Max Klinger.Der FeslanzugWir haben in unserer letzten Nummer denErlaß der Deutschen Arbeitsfrontveröffentlicht, der es verbietet, über Lohnerhöhungen zu reden. Dieser Erlaß wird wirkungsvoll ergänzt durch eine neue Anschauung des Ley über den Festanzug desdeutschen Arbeiters. Jedes Mitgliedder Arbeitsfront muß sich für deren Veranstaltungen einen Festanzug anschaffen: blauer,zweireihiger Rock, blaue lange Hose, blaueTellermütze mit Schirm mit eingestickter Kokarde der Arbeitsfront, weißes Oberhemd undKragen, schwarzer Selbstbinder und schwarzeSchuhe.Statt der versprochenen Lohnerhöhungen gibt es einen Festanzug! Natürlichnicht geschenkt: die Arbeiter müssen ihn selber bezahlen, so wie sie ihre Beiträgezur Arbeitsfront, ihre Winterhilfsspenden bezahlen müssen.Die Herren erfinden, und die Arbeiter haben zu bezahlen. Der„Festanzug" wird dasZuchthauskleid des Arbeiters im Dritten Reichwerden. Er bedeutet einen schweren Angriffauf die Taschen der Arbeiter; denn die Mitglieder der Arbeitsfront werden insgesamtüber eine Viertelmilliarde dafür zuzahlen haben!Ueber Lohnerhöhungen zu reden ist verboten— statt dessen müssen die Arbeiter eineViertelmilliarde für den Festanzug ausgeben!Das ist Sozialpolitik, Modell Drittes Reich!Ley entfettetDer Sklavenhalter für die deutsche Arbeitsfront, Ley, will die deutschen Arbeiter erziehen. Er will die Vierzig- und Fünfzigjährigenexerzieren lassen: denn, so sagt er:„Wir müssen das überflüssige Fett inunserem Volke beseitigen, damit der Körperwieder die nötige Spannkraft erhält."Deutsche Arbeiter von vierzig und fünfzigJahren pflegen nicht auszusehen wie Ley:vollgefressen und vom Alkohol aufgeschwemmt. Sie haben lange Krisenjahre hinter sich und den Hunger kennen gelernt.Für Ley sind sie noch nicht ausgeraergeßgenug. Deshalb wird ihnen verboten, vonLohnerhöhungen zu reden, deshalb sollen sienach Feierabend gedrillt werden. Sie könntensonst unter den Segnungen des Dritten Reiches— fett werden.HeimatVon Gregor.Er aaß tn einem kleinen Cafd und starrte inden grauen Rauch einer billigen Zigarre. Umdie Tische hockten Leute, die sich zu Hausefühlten. An den gleichmäßigen Mienen, mitdenen alle ringsum in ihren Zeltungen versanken, merkte er, wie fremd er hier war.Schaute er in die Blätter, so suchte er Deutschland, las einige Berichte und schob das Papierwieder zur Seite. Immer kam dasselbe Gefühlvon Schmerz und Sehnsucht hoch. Was sollteer hier im fremden Land? Warten auf irgendetwas, das nicht kam?Als er vor Monaten über die Grenze ging,weil ihn daheim braune Horden mißhandelthatten, atmete er auf. Frei! Endlich einmalkeine Landsknechtsuniüormen mehr ringsum,kein Abzeichenrummel— richtige normaleMenschen auf der Straße... Nichts von diesem Neugefühl war geblieben, nichts alsdumpfe Sehnsucht Da im Norden waren Wälder, die er kannte, Flüsse, In denen er geschwommen, Menschen, die er Hebte, die seineSprache verstanden, Häuser, in deinen er gelebt Heimat...Er griff zum Hut und ging. Draußen umspielte ihn lautes, abendliches Großstadt-gewühle. Harte, fremde Sprache schlug an seinOhr. Das hatte ihm einmal wohlgetan— jetztschien es ihm ferner denn je. Was sollte erhier? Worauf wartete er? Alles schien ihm soleer, so zwecklos, so einsam, trotz des Getriebes ringsum. In der Seele, oder wir mandies unbestimmbare Stück Leben in der Brustnennt, spürte er ein feines klingendes, schmerzendes Nagen, wie er es bisher so nur zweimalin seinem Leben empfunden.Damals, In seiner Jugend, als er die Weltdurchstreifte. Jahrelang. Ein deutscher Handwerksbursche. Maschinenbauer. Schweiz, dieMosel, den Rhein herauf, Norddeutschland,Dänemark... Dann war es über ihn gekommen. Er wanderte heim, fand die Wälder wieder, wie ehedem, den Strom seiner Kindheit,die Freunde. Manch Gesicht hatte sich verändert, die Heimat war geblieben. Er lerntezeichnen, wurde Techniker.Und dann im Kriege. An drei Fronten hatteer gestanden. Zweimal verwundet Zuletzt dasSchwerste, in Frankredch. Immer dünner wurden Linien. Was noch stand, war grau, mfide.verfallen. Man blieb stehen, weil es wohl so seinmußte. Aber jede Nacht kehrte dieses schmerzende Nagen stärker und stärker wieder. NachHause. Der Friede kam wie ein dumpfes Wunder, das keiner ganz fassen konnte... Wieder nahm ihn die Heimat auf. Menschen warengestorben, verdorben, aber man war daheim,kannte die Straßen, atmete die Luft der Kindheit Langsam fielen milde Schleier über dieSchwere des Gewesenen.,.Helm! Was sollte ihn hindern? Nichts hatteer verbrochen. Er war Sozialist, wie Millionendrüben. Man konnte Ihn nicht fressen. Die braunen Aufzüge, den Hakenkreuzklamauk— daranwürde man sich gewöhnen. Millionen mußten esaushalten. Dort grünten Wiesen, die er kannte,mit Teichen, in denen er als Knabe gewatet.Dort waren Kameraden von ehedem. Er hieltdieses Herumhocken im fremden Lande nichtmehr aus. Ein paar hundert Mark waren ihmgeblieben— er brauchte daheim noch nicht zubetteln.Noch am selben Abend packte er seineSachen.*Als er gen Norden fuhr, war ihm leichter,freier, das hinerc Nagen verschwand. Vor derGrenze stieg er aus, wartete die Dunkelheit ab,ging dann auf Wiesen, die er im Mai schoneinmal über<luert hatte, hinüber ins Deutsche,lief bis zur nächsten Bahnstation und fuhrnachtschlafend in bekanntes Land. Wohin?Ach, es kam nicht darauf an. Seine Frau wargestorben, die Tochter lebte im Rheinland.Warum sollte er sie behelligen, beunruhigen,mit seiner Vergangenheit geiährden?In der Stadt, da er zuletzt gearbeitet hatte.stieg er aus.Eine Woche später hockte er in der Mansarde des alten Schuhmachers, seines früherenLogiswirtes, starrte wiederum in die Ringeleiner billigen Zigarre und frag sich, was erhier woHte. Der Direktor jener Werkzeugfabrik, in der er zwei Jahre gearbeitet, erklärteihm: er bedaure sehr... Aufträge lägen zwarvor.,. tüchtig sei er auch in seinem Fach... aber Marxisten einzustellen sei verboten er bedauere sehr... Alte Kollegen, dieer aufsuchte, waren merkwürdig einsilbig geworden, keiner wollte recht mit der Spracheheraus. Politischen Fragen wichen sie mitscheuen Andeutungen aus. Er griff nach Zeitungen, legte sie wütend zur Seite. Eine sah socharakterlos aus wie die andere, nirgends s0etwas wie eine eigene Meinung. Die politischenArtikel pfiffen alle auf dem gleichen Hurraton.Durch die Straßen rannten braune Uniformen.einzeln und truppweise. Lastautos sah tuvon bewaffneten SA.-Leuten besetzt In<lerMitte bleiche Gef.angene, die irgendwohin Se'schleppt wurden. In einer Seitenstraße auieinem Wagen eine alte Frau, neben Ihr SA--Wache. Feiner kalter Regen rieselte hernieder:die alte Frau zog das Umschlagtuch enger umdie frierenden Schultern und sah an dem Hau5hinauf. Dort oben wurde gehaussucht;'�rSohn war nicht daheim; man hatte einige Bii'eher gefunden, drum wurde sie mit zur Wach*geschleppt.Er ging zu seinem Sportplatz; der wargeschlossen, beschlagnahmt Ueberall starrt*ihn freindHche Fremdheft an. Selbst im nahenWalde mit seinen Birken und Kiefern strömt*Ihm das lähmende Gefühl von Leere und Unbehagen entgegen. Braune Trupps zogen durc'1Schneisen, imitierte Handgranaten im Gär!*''Kriegsübnng im bunt gefleckten Herbstwald*-Alte moosweiche Plätze, auf denen er noch i111Frühling mit Freunden gelagert dünkten i1"11leblos, unwirklich, fern. Traurige Bilder d�5braunen Alltags folgten ihm auf Schritt undTritt. Er suchte die Heimat und fand sfe nichhAls er einst von der Wanderschaft kam, oahn1sie ihn auf. wie eine Muffer. Nach dem Kri*?eerwachte er daheim aus einer blutigen Krankheit. Diesmal war das anders. Er suchte