Der Raubzug gegen die Gewerkschaften Wie wir bereits in unserer letzten Ausgabe ausführlich berichtet haben, ist zwar bei dem Umbau der deutschen Arbeitsfront noch keine formelle Auflösung der einzelnen Berufsverbände vorgenommen worden, doch haben die sogenannten Gewerkschaftsverbände ihre sozialen Aufgaben vollkommen eingebüßt und die neue Organisation zeigt bereits, daß die getroffenen vorbereitenden Maßnahmen einer letzten Etappe vor der Auflösung sehr ähnlich sind. Der letzte Schritt Ist wohl nur deshalb noch nicht getan worden, um der Arbeitsfront die Beitragseinnahmen der Gewerkschaftsmitglieder zu erhalten. Aus dem soeben erschienenen Aufruf des Staatsrates Schuhmann, Leiter des sogenannten Cesamt- verbandes der deutschen Arbeiter, geht bereits unzweideutig hervor, daß die Eintritts- und die Austrittssperre für die einzelnen Verbände in Kraft gesetzt ist Nach der amtlichen Veröffentlichung kennt die deutsche Ar beitsfront zur Zeit dreierlei Arten von Mitgliedern: 1'. die in den Verbänden Organisierten, 2. die Mitglieder der der Arbeitsfront korporativ beigetretenen Organisation, z. B. die Reichskulturkammer , 1 die Einzelmitglieder, deren Karteien von den Dienststellen der NSBO. geführt wer- • den- Es heißt in dem Aufruf: „Die NSBO.-Dienststellcn, die jetzt die Neuaufnahmen für die Arbeitsfront tätigen, haben das Aufsichtsrecht über die Verbandsdienststellen. jegliche Eingriffe dagegen in die Geschäftstätigkeit der Verbände wird (Deutsch können die Leute nicht) ihnen untersagt Weitere Anweisungen ergehen noch." Es besteht also kein Zweifel mehr, daß von jetzt ab Neuaufnahmen nicht mehr in die Verbände, sondern nur noch in die Arbeitsfront erfolgen können und daß dafür nicht mehr die Gewerkschaften, sondern die NSBO. zuständig ist, der auch das Aufsichtsrecht über die Gewerkschaften übertragen worden ist Es ist reichlich naiv, wenn„Der Deutsche Holzarbeiter" beruhigend schreibt: „Damit ist noch lange nicht die Auflösung der Verbände in ihrer jetzigen Form beschlossen. Zu den in der Oeffentlichkeit aufgetauchten Besorgnissen besteht seitens der Verbandsmitglieder keinerlei Anlaß." Wie berechtigt diese Besorgnisse sind, zeigt aber schon folgender Satz: „Um den Blick weiter auf das Ganze richten zu können, in allem den Gedanken wahrer Volksgemeinschaft Rechnung zu tragen, werden künftig Arbeiter, Angestellte und Unternehmer nicht mehr getrennt organisiert, sondern in der deutschen Arbeitsfront als Elnzelraitglleder so zusammengeführt, wie sie im Kampf des Lebens, der Arbeit des Berufes und an der Arbeltsstätte selbst zusammenstehen müssen." Welche Verwirrung die Ankündigung des Umbaues der Arbeitsfront hervorgerufen hat, und wie die NSBO. ihr Aufsichtsrecht ausübt, zeigt sich in den Warnungsrufen, die der „Grundstein" vom 9. Dezember ausstößt; „Leider haben auch einzelne NSBO.-Un- tergliederungen den eigentlichen Sinn der Maßnahmen des Leiters der deutschen Arbeitsfront mißverstanden und in vollkommen einseitiger. Einstellung sich Eingriffe In das Eigenleben der Verbände erlaubt. Es ist dafür gesorgt worden, daß derartige Ueber- grüfe für die Zukunft nicht mehr vorgenommen werden können." Diese Nachrichten bestätigen aber nur, daß die Maßnahmen des Leiters der deutschen Arbeitsfront keineswegs mißverstanden worden sind, sondern, daß tatsächlich das Eigenleben der Gewerkschaftsverbände aufgehört hat. Der sozialistische Wille der denkenden Arbeiter aber lebt! Aastrittssperre für die Verbände in Kraft Stunden zu 63 Pfg.= 30.24 Mk. Lohn für 48 Abzüge: 050 Mk. 1.02 ML 1.24 Mk. 0.75 Mk. 0.60 ML 1.50 Mk. 0.60 Mk. 0.16 Mk. 1.10 Mk. Invalidenversicherung, Arbeitslosenversicherung Krankenversicherung Arbeitslosenhilfe Steuer Bürgerstener Ehestandsbeihilfe Arbeitsbeschaffungsprogramm Verbandsbeitrag 7.87 Mk. Gesamtabzügc= 25.8 Prozent vom Lohn. 7.87 Mk. Ein Lohnzettel im Dritten Reich Während der Führer der„Deutschen Ar beitsfront " mit dem großen„Feierabe ndwerk" ffir die körperliche Ertüchtigung des Arbeiters intensiv beschäftigt ist und sich darüber hinaus entschlossen hat, den Mitgliedern der Arbeitsfront als„Ehrenkleid des schaftenden Menschen" einen besonderen„Festanzug" zu verordnen, dürfte es ganz nützlich sein, einmal ein Bild des grauen Alltags des Arbeiters im Dritten Reich zu geben. Es ist sicherlich für die Erhebung in der Freizeit nicht ganz unwesentlich, welchen Nettolohn der schaffende Mensch für seine Feierstunden mit nach Hause bringt. Eine Lohnverrechnung der Fa. E. in Aachen siebt so aus: Nettolohn. 22.37 Mk. Der Verbandsbeitrag war vor der Gleichschaltung nur 0i60 Mk.. Ehestandsbeihilfe, Arbeitsbeschaffungsprogramm und Arbeitslosenhilfe sind Errungenschaften des Dritten Reiches . Diese Serie von Abzügen nmfaßt aber noch nicht die sog. freiwilligen Sammlungen. So zeichneten die städtischen Arbeiter und Angestellten der Technischen Hochschule Aachen mit durchschnittlich 26 Mk. Wochenlohn bis vor kurzem freiwillig 1.50 Mk. Der Betrag wurde durch gelinden Druck auf 2 Mk. erhöht Diejenigen, die vorher 2 Mk. gezeichnet hatten, wurden verpflichtet nunmehr 3 Mk. zu zahlen. Dazu kommt ein Ersparnisbeitrag vom Eintopfgericht der gestaffelt ist ferner bei Einkommen von 26 Mk. ein Abonnement im Stadttheatcr von mindestens 4 Mk., bei geringeren Einkommen Mitgliedsbeitrag zur Deut schen Bühne mit 2 ML monatlich. Wenn dieser glückhafte Lohnempfänger dann nach der Vorschrift von Dr. Ley seinen dunkelblauen Festanzug mit weißem Oberhemd und Kragen mit schwarzer Binde anlegen kann, um sich nach Feierabend als„vollwertiges Glied der Gesellschaft- zu fühlen, so wird er begeistert rufen: O wie wohl ist mir am Abend. Streik— Hodiverrat! In der Denkschrift des preußischen Justizministerium zur Strafrechstreform wird der Vorschlag gemacht Aussperrung, Stillegung und Streiks bei lebenswichtigen Betrieben als Hochverratsdelikt unter Strafe zu stellen. Im letzten Heft der„Deutschen Justiz", dem amt Hchep Organ des Reichsjustizministers, wird eine�olche Strafbestimmung für nicht weitgehend genug erklärt Es komme nicht aui das Objekt des Streiks oder der Aussperrung, den Betrieb, an, sondern auf die Gesinnung, die sich in solchen Fällen immer gegen die Staatsgewalt und die Volkswirtschaft wendet Für Streiks und Aussperrungen sei daher heute über haupt kein Raum mehr. Jeder Streik und Jede Aussperrung, sowie jede passive Resistenz, auch Aufforderung und Anreizung, sollen als Hochverrat bestraft werden. Todesstrafe für die.„Anreizung" zum Streik— gibt es etwas, was dem Charakter des Dritten Reiches ähnlicher wäre? Rentenraub im Dritten Reich Beitragserböfaung und Rentenkürzling In der Invalidenversicherung. Vor zwei Wochen hat die Propagandasteße der Arbeitsfront noch triumphierend von den ansteigenden Beitragseinnahmen der Invalidenversicherung berichtet um damit wieder einmal den Sieg in der„Arbeitsschlacht" vorzutäuschen. Jetzt dagegen sieht sich die Reichsregierung gezwungen, ein„Gesetz zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der sozialen Versicherungen- zu verordnen. Es geht nämlich der Sozialversicherung im Dritten Reich derart gut, daß in der Knappschaftsversicherung im Jahre 1933 einer Einnahme von 72.6 Millionen Mk. 163.1 Millionen ML Ausgaben gegenüberstehen, während in der Unfallversicherung die Einnahmen mit 295 Millionen Mk. hinter den Ausgaben von 332 Millionen Mk. zurückbleiben und in der Invalidenversicherung in diesem Jahre nicht weniger als 155 Millionen Mk. Defizit vorhanden ist All die großspurigen Ankündigungen vom Gesamtumbau der Sozialversicherung aber enden In dem neuen Gesetz vom 1. Dezember mit dem alten Scharfmacberrezept des Lei- stungsabbaues! Die neuen Renten der Invalidenversiche- lung sollen„eine mäßige Verminderung" erfahren. Das Ausmaß des Leistungsabbaues wird zunächst verschwiegen. Da die Invalidenrenten heute schon teils unter den Sätzen der Wohlfahrtsunterstützung liegen, so bedeutet die„mäßige Minderung" das Sinken der Invalidenrente auf das Niveau des Almosens . Angesichts des Riesendefizits werden aber gleichzeitig die Beiträge um Prozent erhöht! Da der prozentuale Beitragssatz für jede Lohnklasse jeweils vom Endbetrag jeder Klasse errechnet wird, so beträgt die Beitragserhöhung für die unter dem Höchstlohnsatz der Klasse liegenden Löhne eine Beitragserhöhung von mehr als IH Prozent! Die Lohnklassen der Invalidenversicherung, die heute bei 42 Mk. Wochenlohn abschließen, solien aufgestockt werden. Mit ungewollter Offenheit bemerkt dazu die Nazipresse: „Die Aufstockung bringt für die Wirtschaft zur Zeit keine übergroße Mehrbelastung, weil die Löhne gesunken sind." Der Sozialabbau soll aber nicht nur die neu zu bewilligenden Renten betreffen. Die Hitlerregierung bringt es sogar fertig, den längst aus der Berufstätigkeit ausgeschiedenen Rentenempfängern der Invaliden- und Angeslelltenver- sicherung ihre bisherigen Renten wieder zn rauben. Unter der skandalösen Kennzeichnung „Einziehung zu Unrecht bewillig- ter Renten" wird eine Nachprüfung angeordnet,„in welchem Umfang Renten zu Unrecht bewilligt worden sind." Da in der Angestellten- und Invalidenversicherung die Invaliditäts- und Altersrenten nach absolut eindeutigen zwingenden Versicherungsgrundsätzen erworben werden, so bedeutet die nachträgliche Entziehung wohl erworbener Rentenansprüche einen Rechtsbruch schlimmster Art Oder verbirgt sich etwa auch für die Invaliden- und Altersrentner in dieser Bestimmung die Absicht,„die Marxisten" auszurotten? Beruhigend wird in der Cesetzesbegründung bemerkt:„Allen Beteiligten werden Opfer auferlegt". Man hat nur den Nachsatz vergessen: soweit sie nicht am Naziunternehmen beteiligt sind! Das Armenhaus als Ideal des Dritten Reidies Im kaiserlichen Deutschland hatte ein Hilfsbedürftiger nur Anspruch auf Unterstützung, wTmn er ein Jahr In der Gemeinde, in der er hilfsbedürftig wurde, seinen Wohnsitz hatte. Der Arbeiter, der in die Stadt abwanderte, um sich den drückenden Bedingungen der Landarbeit zu entziehen, wurde auf diese Weise wieder In das Dorf zurückgetrieben. So sicherte man den Junkern billige Arbeitskräfte. Damals beschränkte sich die Unterstützung auch auf das sogenannte„Existenzminiimim'', d. h. nur das zum Leben allernotwendigstc. Die Republik hat sowohl den Unter- stützimgswohnsitz als auch das Existenzminimum abgeschafft Jeder wurde in der Gemeinde unterstützt m der er bei Hilfsbedürftigkeit seinen gewöhnlichen AufenN halt hatte. Die Wohlfahrtspflege gab ihm über das zum Leben Notwendige hinaus die Mittel, wieder wirtschaftlich selbständig zu werden. bei Kranken Heilung, bei Jugendlichen Berufsschule. So hafte auch der Arme Freizügigkeit so trat an die Stelle der Armenpflege die Fürsorge. Das Dritte Reich hat jetzt Unterstützungswohnsitz und Existenzminimum wieder eingeführt Wer unerlaubt m eine Stadt zieht wird mit Unterstützungsverringerung bestraft In den„Notstandsgemeinden" kann der Unterstützungswohnsitz überhaupt nicht mehr erworben werden. Der PG.-Landjunker soll wieder billige Arbeitskräfte bekommen. Wer durch die famose Arbeitsbeschaffung in eine andere Stadt verpflanzt wird und diese Arbeit verliert kommt ins Armenhaus. Die Freizügigkeit der Armen Ist eben ein liberalistisch- marxistisches Uebel. So wird ein Stück sozialer Fürsorge nach dem anderen geraubt Ganz Deutschland ist eine Anstalt in der die Einwohner verwahrt werden. Zwischen denen, die in ihrer Wohnung bewacht werden und den Insassen der Konzentrationshäuser gibt es Jetzt noch eine neue Gruppe Gefangene, die Armenhäusler. Künstliche Belebung Erpressung an der Arbeiterschaft Dr. Ley, der Kommandant der Deutschen Arbeitsfront hat mangels anderer Leistungsmöglichkeiten dekretiert, daß sämtliche Angegehörigen der Deutschen Arbeitsfront sich einen vorschriftsmäßigen Festanzug anschaffen müssen, in dem der Träger überall „gesellschaftsfähig" sein würde. Triumphierend verkündet nun„Der Deutsohe", da« Organ Leys: „Es stellt sieh nun heraus daß, durch diese Einführung des Feferabend-Anzugs eine fast unglaublich anmutende Arbeitsbelcbung m den beteiligten Industrien einzusetzen beginnt die in den nächsten Wochen erst zur vollen Geltung kommen wird. Wie wir von der Reichszeug- meisterei der NSDAP erfahren, schätzt man dort daß vorläufig die gesamte Textilindustrie und das Sehne idergewerbe auf ein ganzes Jahr voll beschäftigt sein werden." Diese neue Art der„Arbeitsbeschaffung" ist eine kaum zu überbietende Erpressung an der Arbeiterschaft, die diese Festanzttge selbst bezahlen muß. Zu den Lohnsenkungen und ständigen Abzügen für Sammlungen kommen nun diese recht erheb iichen Aufwendungen hinzu, die den Etat der Arbeiterhaushalte völlig über den Haufen werfen müssen! „Jeden Tag was IVeues!" Der Führer der Deutschen Arbeitsfront Dr. Ley hat eine Reise durch Deutschlands Fabriken getan. Ober die er im.Arbeiterlum" zusammenfassend berichtet: ,Das sind alles Gedanken, die einem kommen, meine Mitarbeiter. Ich sage Urnen, was mir auf dieser Reise für Ideen gekommen sind, immer wieder, jede Tag was Neues. Es ist ungeheuer, ich behaupte, wir brauchen 50 bis 100 Jahre, am das alles durchzuführen, was durchgeführt werden muß." Herausgeber: Ernst Sattler. Karlsbad . Verantwortlicher Redakteur: Wenzel Horn, Karlsbad . Druck:„Graphla" Karlsbad . Zcitungstarii bew. ra. P.D. ZI. 159.334�11-1933. Zohnorzt S. APATCH EWSKT Erstklassige Ausführung— Spricht deutso» und englisch 24. Av. Fricdeland Pari«(8e) Fernsprecher: Carnot 58-13— Metro: Etoil« ZaiiniiHt Erstklassige Ausführun# Sprechstunde nachm. Spricht deutsch %. nie Doudeauvilie Paria(I8e) Mötro(Unlergrundbalin': Chäteau- Rouge Werbet für den \euen Vorwärts!
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1 (17.12.1933) 27
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