Die Fahrt ins Gelbe
Nach der
Arbeitsfront in Uniform ohne Recht
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[ bitten: so hoffnungslos oberflächlich haben selbst sie das soziale Problem nicht gesehen.
Was aber geschieht mit dem Arbeitsverhältnis selber?
bietet, ist eine mehrwöchige KünMachtergreifung Hitlers zug mit Stehkragen und schwarzer Kra-| des werktätigen Menschen ist mehr das Das einzige, was Ley den Arbeitern ansehr digungsfrist, ein zweiglaubten eine nicht geringe Anzahl Ar- vatte soll der Proletarier des Dritten Rei- zentrale Problem, um das die soziale Frasein Feier- schneidiges Geschenk: verhindert es beiter, daß nun die Zeit gekommen sei, um ches sich als ,, besserer Mensch" vorkom- ge kreist, sondern mit Hilfe der NSBO., hinter der ja die men. Man schmeichelt ihm, indem man abend! doch die Arbeiter, bei besserer KonjunkNichts kennzeichnet so sehr die völlige tur die einzige Chance wahrzunehmen, die neue Statsgewalt stand, das Uebergewicht die Unternehmer veranlaßt, den gleichen in den Betrieben zu erobern. Es fehlte Anzug' bei festlichen Anlässen zu tragen. Verwirrung aller Begriffe, die der Na- ihnen selbst das frühkapitalistische Zeitvon Februar bis Mai nicht an Anläufen Genau so wurde ehemals dem Rekruten tionalsozialismus planmäßig betreibt, wie alter bot: nämlich den Versuch, durch hierzu. Triumphierend wußte die Nazi- eingeredet, daß er„ des Königs Rock" die groteske Tatsache, daß dieser So- Wechsel des Betriebes bessere Bedinguner ,, des_ ,, Sopresse zu melden, wie NSBO. und SA. trüge. So nämlich, wie zwischen Wilhelms zialismus" die Lösung der sozialen Frage gen zu erzielen. Bei Zeiten langfristiger bald einen Unternehmer gezwungen hat- Paradeuniform und der speckigen abge- nicht bei der Produktionstätigkeit des Arbeitslosigkeit- wie der jetzigen Krise bedeutet eine Galgenfrist von zwei ten, eine verkündete Lohnsenkung zurück- tragenen Rekrutenmontur, wird der Un- Arbeiters, sondern bei seiner Freizeit zunehmen, bald Entlassungen rückgängig terschied dieser Einheitsanzüge von Un- anfangen will! Nicht auf den Lohn, nicht Wochen für den gekündigten Arbiter auf die Arbeitszeit kommt es an, nein, dar- keinerlei Rettung, bei Zeiten guter KonDem Appell an die kindische Eitelkeit, auf, wie der ausgebeutete Proletarier die junktur wird die Kündigungsfrist zum so recht der Denkart eines Ley entspre- paar freien Stunden verbringt, die sein Hemmschuh. chend, folgt der Appell ans deutsche Ge- Ausbeuter ihm läßt. Hier müssen wir die Hinter all diesen Maßnahmen aber steht müt. Nicht das Arbeitsverhältnis verachteten Gelben um Entschuldigung außerdem ein unsichtbares ,, Dafür
zu machen usw.
Aber sehr rasch zeigte sich,
daß die neue Staatsmacht sehr viel stärker hinter den Unternehmern
stand,
Immer
als hinter ihrer eigenen NSBO. schärfere Dekrete verboten der NSBO.
ternehmer und Proleten sein!
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und SA. derartige Eingriffe in das Wirt- 1929 Hermann Müller
schaftsleben. Als das nicht half, erklärte Hitler offiziell die Revolution für beendet. Oertliche und provinzielle Leiter, die im Lohnkampf die Partei der Arbeiter ergriffen hatten, wurden zurückgepfiffen oder kaltgestelit und schließlich wander
Um den wirtschaftlichen und sozialen Nie-| Dazu
kommen Kinderzuschläge, Frauen
Nämlich:
dafür darf von den Löhnen nicht mehr gesprochen werden.
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Hat Ley doch mit offenen Zynismus erklärt: die Gelder, die früher dem deut schen Arbeitsmenschen( welch..ehrenvolle" Bezeichnung!) für Kampf- und Streikzwecke von den Gewerkschaften abgenommen worden seien, sie würden
ten die Führer der nationalsozialistischen dergang im faschistischen Deutschland im vol- zuschlag, usw., auch an manchen Industrie- jetzt für die Ausschmückung seines Feierlen Maße überblicken zu können, genügt es plätzen Ortslohinzu.cnläge. In den folgenden abends verwendet werden. Wie rührend, nicht, die Zahlen der allgemeinen Wirtschafts- Gegenüberstellungen, wie sie auf Grund von wie sinnig! Früher wurden mitunter mit statistik zu verfolgen. Viel deutlicher zeigen Tatsachen im Organ des Schweizerischen Eisen- Hilfe dieser Gelder zehn oder fünfzehn sich die Wirkungen der Hitler- Katastrophe im bahnerverbandes zusammengestellt werden Realeinkommen der breiten Volksschichten. konnten, sind einige Monatslöhne auf Grund Wir sind heute in der Lage, das Absinken der der in der Regel zu leistenden Arbeitstage für einige Arbeiterkategorien Lohngebiete und Löhne und Gehälter der rund 600.000 Arbeiter und Beamten der Deutschen Reichsbahn in ab- Ortsklassen berechnet. Der Vergleich ist politisch besonders lehrreich, denn die letzte Lohn
Betriebszellen, die noch immer an die Realität des Hitlerschen„ Sozialismus glaubten, wie z. B. die Zellenobleute der großen Schiffahrtsgesellschaften in Konzentrationslagern, wodurch sie sich dann hinreichend überzeugen konnten, daß Schacht, Thyssen und Vögler wirklich nicht zum Zwecke der Verstaatlichung privater Trusts an die Macht gekommen
waren.
soluten Zahlen nachzuweisen. Zur Erläuterung
der Zahlen sel vorausgeschickt, daß die Reichs
Die letzte Zeit hat nun die Entmach- bahnarbeiter in drei Lohngebiete eingegliedert erhöhung war im Mai 1929 unter der Regiesind, von denen jedes fünf Ortsklassen hat. Für rung Hermann Müller erfolgt. Es wird tung der Arbeitslosen durch den Nationalsozialismus zu einem gewissen Abschluß jedes Lohngebiet und jede Ortsklasse ist ein gegenübergestellt das Bruttoeinkommen gebracht. Die Quintessenz aller von der Tariflohn festgesetzt, der für die männlichen von Arbeitern in der höchsten Lohnstufe ,, Arbeitsfront " und ihrem Leiter, dem Che- Arbeiter in sieben Lohngruppen eingeteilt ist. ohne Kinderzuschlag.
miker Dr. Ley, mit großem Gepränge verkündeten Maßnahmen läuft darauf hinaus. daß der Arbeiterschaft jeder Einfluß auf die Gestaltung der grundlegenden Arbeitsbedingungen, nämlich auf Arbeitslohn und Arbeitszeit entzogen wird. Beides wird wieder
unumschränkt in die Hände der Un
ternehmer gelegt,
Lohngebiet 3, Ortski. A
Heuer
Vorwärts
Ich bestelle den Neuen Vorwärts" und erwarte regelmäßige Lieferung von nächster Nummer an.
bro
Handwerker Rangierab. Streckenarb. RM RM
RM
Name und Vorname
. Oktober 1929
318.25
247.
262.10
. Oktober 1933
207.35
202.50
170.80
. Oktober 1929 .. Oktober 1933
259.70
202.80
205.30
165.10
.160.60.
136.30
und 50% Ortsiohnzulage Lohngebiet 2, Ortskl. B
und 28% Ortslohnzulage
Bei den Rangierarbeitern ist in den Löhnen| zehn Monaten nur allzu deutlich kenntlich genoch die neunstündige Arbeitszeit inbegriffen. macht hat. An Abzügen für Sozialversicherung müssen Im
Dritten Reich 12 Prozent gerechnet werden. wobei den Arbeitern bestenfalls der Weg Die Gegenüberstellung zeigt, daß Adolf Hitler einer Beschwerde an die staatlichen, na- seinen Vierjahresplan, der das große Geheimnis tionalsozialistischen Aufsichtsorgane offen bleibt. Kollektive Arbeitsniederlegung dieses Arbeiterbefreiers sein sollte, bereits in zum Zwecke der Erzielung besserer Arbeitsbedingungen wird verboten, sogar unter Strafe gestellt, ganz abgesehen davon, daß irgendwelche Streikkassen nicht mehr existieren.
terklasse
Oktober 1929 Oktober 1933
Bei den Reichsbahnbeamten wird zum Grundgehalt ein Wohnungsgeldzuschuß abgestuft nach 6 Tarifklassen und Ortsklassen, bezahlt. Die folgende Gegenüberstellung ist aus der mittleren Ortsklasse B ohne Kinderzuschlag entnommen:
Weichenw. Schaffner
Min.
162.
129.60
Höchst 246.33 197.06
Min. 225.50 180.40
Zugmeister
Sekretäre Lockführer Min. Höchst 246.33 342.17 272.81
Höchst 283.83 226.73
197.06
Wohnort und Postanstalt
Straße und Hausnummer
Diesen Bestellschein bitte ausfüllen, ausschneiden und an: Verwaltung Neuer Vorwärts", Karlsbad , CČSR., Haus Graphia", senden.
Prozent Lohnerhöhung erzielt. Damit ist es nun aus: statt der Lohnerhöhung gibt Und es vielleicht ein Blasorchester.
Es ist von den Nazis nicht etwa nur
Davon gehen durch freiwilligen Zwang" Die gleichgeschaltete Eisenbahnerorgani- eine deutsche Jungfrau wird dem Arbeiter Denn die gleichgeschalteten, früheren erhebliche Summen für Haus- und Straßen- sation ist von jeder Einflußnahme auf die Verse deklamieren:„ Was frag ich viel Gewerkschaften, die innerhalb der„ Ar- sammlungen, bei denen kein Sonntag ausgelas- Lohngestaltung ausgeschaltet, um sich restlos nach Geld und Gut, wenn ich zufrieden beitsfront" nur noch ein Scheindasein füh- sen wird. Will der Reichsbahnbeamte oder Ar- der großen nationalsozialistischen Erziehung bin....?" ren, werden wie die Arbeitsfront" sel- beiter nicht vorgeladen" werden, so muß er hingeben zu können. Das sollte eigentlich über- bernur noch die Rolle spielen dürfen, spenden für SA , Stahlhelm, Hitlerjugend, Rodie früher den mit Recht von der Arbei- tes Kreuz, Mittelstandshilfe, Bauernhilfe, Aus- flüssig sein. Wir glauben dieser lebendige An- der Klassenkampf eingestellt, wie ihn die landsdeutsche, Giftgas- und Fliegerabwehr usw. schauungsunterricht des skrupellosen Lohn- Sozialdemokratie den Arbeitern als NotAuch der Auslandszuschlag ist abgebaut wor- abbaues dürfte den Eisenbahnern bereits genü- wendigkeit unter dem kapitalistischen Syüberlassen blieb: harmlose Geseligkeit, den, dagegen ist der Reichsindex für Lebens- gend Aufklärung über das Wesen des Nationaleine larmlose ,, Bildung" und gewisse Un- haltungskosten ständig angestiegen. terstützungsleistungen werden das einzige Feld ihrer Tätigkeit bilden, wenn man etwa noch praktische Vorschläge an die Werksleitung", die diese in den Papierkorb wirft. hinzurechnet.
tiefverachteten gelben Werkvereinen
Diese Fahrt ins Gelbe ist in den acht Monaten der Hitlerregierung ganz systematisch vorbereitet worden. Zunächst haben die Ley und ähnliche Schwätzer den Arbeitern erzählt, daß man sie von dem..Minderwertigkeitskomplex erlösen müsse, den die bösen Marxisten ihnen eingeimpft hätten. Lassalle nannte in seimer ersten programmatischen Rede die Arbeiterklasse„ den Fels, auf dem die Kirche der Zukunft gebaut werden würde" das ist wahrscheinlich der Quell der Minderwertigkeitsgefühle. Nach Ley und Konsorten aber gilt es nur, die., Ehre" des Arbeiters wieder herzustellen. Wäre das geschehen, dann ließe es sich ertragen", daß der Arbeiter weniger als andere verdiene.
So geschah es. Man stellte die ,, Ehre" des Arbeiters in derselben Weise her, wie man in Vorkriegszeiten vom Staate sagte, daß er seine Beamten zur Hälfte statt mit Geld mit der Ehre bezahle, nämlich mit Orden und Titeln.
Man gab den Arbeitern- eine Uniform!
Nicht etwa die Uniform selber, sondern die Erlaubnis, sich eine auf eigene Kosten anzuschaffen. Im zweireihigen blauen An
sozialismus gebracht haben.
Der Prozeß um den Reichstagsbrand hinterläßt ungelöste Rätsel. Welches sind die wirklichen politischen Hintergründe dieser Brandstiftung? Wer hat den Wirrkopf aus Holland die Hand geführt? Ist eine Aufklärung noch möglich? Welche politischen Wirkungen sind von ihr zu erwarten?
Diese Fragen, die während des Prozesses überall diskutiert wurden, werden nach Prozeßschluß nicht aufhören, die Welt zu beschäftigen.
Jostinian behauptet nichts, was er nicht beweisen kann. Auf unwiderlegliche Tatsachen stützen sich seine Feststellungen. Wer über den Prozeß ernstlich mitreden will, muß zuvor diese Schrift lesen! Sie erscheint Anfang Januar.
stem predigte. Das wäre viel zu wenig gesagt. Eingestellt ist vielmehr unter der Herrschaft Hitlers jene bescheidene Interessenvertretung der Arsie beitnehmer, wie sogar die Christlichen Gewerkschaften, die der
ja,
Hirsch- Dunkerschen, Deutschnationale Handlungsgehilfenverband sich zum Ziele gesetzt hatten. Selbst diese, die bürgerliche Gesellschaftsordnung bejahenden Verbände hatten doch auf Grund ihrer Arbeit einsehen müssen, daß sie nicht gemeinsam mit den Unternehmern, sondern nur getrennt von diesen und gegen sie ihre Interessen wahrnehmen könnten, Was aber tut der Nazi- Ley? Er bringt die Gewerkschaften, in denen Arbeiter und Angestellte unter sich sind, zum Absterben, indem er ihnen die Aufnahme neuer Mitglieder untersagt. Statt dessen trifft sich alles, Unterneh mer, leitender Angestellter, unterer Angestellter und Arbeiter in der... Arbeitsfront". Und über dem schwebt das gelbe Bekenntnis Leys, schöner als es je ein Harmonieapostel des Manchester - Liberalismus vor drei Menschenalter geprägt hat: ,, Die Arbeiter können nur glücklich sein. wenn es ihrem Unternehmer gut geht
Womit man von 1933 etwa bis 1833 zurückgelangt ist.
Herausgeber: Ernst Sattler. Karlsbad . Verantwortlicher Redakteur: Wenzel Horn, Karlsbad . Druck: Graphia" Karlsbad Zeltungstarif bew. m. P. D. Zl. 159.334/ VII- 1933.