Nr. 303.
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Vorwärts
8. Jahrg.
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fern sprech- Anschluk: Amt VI, Nr. 4106.
Redaktion: Beuth- Straße 2.
Friede auf Erden.
Dienstag, den 29. Dezember 1891.
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Expedition: Beuth- Straße 3.
Kriege von ländergierigen, ehrgeizigen Fürsten vom das französische, soweit es politisch denken konnte, symZaun gebrochen zuni Zweck des gemeinsten Länderraubes. pathisirte es mit der französischen Revolution. Keine Angst. Wir wollen das Bibelwort, das in den Wir kommen nun zu den Kriegen der französischen Aus jenem ersten Revolutionskrieg", der im Sommer legten Tagen jedem Bürger und jeder Bürgerin der so- Revolution und des französischen Kaiser- 1792 zum Ausbruch kam, sind aber alle späteren Kriege genannt christlichen Staaten hundert und hundertmal in reichs". der französischen Revolution und des französischen Kaiserdie Ohren geklungen hat, hier nicht post festum auftischen, Das französische Volk, dessen Geduld durch die Kriegs- reichs, bis zur Schlacht von Waterloo , hervorgegangen. das heißt nach dem Fest, zu dem es nun einmal fonven- und Ruhmespolitik sowie sonstige Mißwirthschaft der was speziell England betrifft, das in Bekämpfung tionell gehört wie die Weihnachtsgans, der Christhase oder Bourbonen - Monarchie erschöpft war, entschloß sich vor Frankreichs am zähesten war, so hat auch hier das Volk der Waldteufel. Aber es hat uns an ein anderes, in einem 102 Jahren zu dem großen Kehraus, genannt Französische keine Schuld gehabt. Die aufgeklärten Massen standen mit gewiffen Zusammenhang mit ihm stehendes Wort erinnert, Revolution. Es stürmte die Bastille, fegte den Augiasstall ihren Sympathien auf Seiten des revolutionären Frankdas zwar nicht in der Bibel steht und auch sicher nicht des Junkerthums, verkündete die Menschenrechte, bot reichs, dessen glühender Feind Pitt sich auf den reaktionären christlich ist, aber von sehr hohen Herren herrührt, die sich allen Völkern der Erde die Bruderhand, Adel und die weltmarktslüsterne, in Frankreich ihren gefür bibelfeste Muster- Christen gehalten haben und so und bemühte sich, auf neuer Grundlage, ein freies, ver- fährlichsten Konkurrenten erblickende englische Bourgeoisie weit sie nicht schon todt sind auch wohl noch halten. nünftiges, glückliches Staatswesen zu schaffen. Das paßte ftüßte.
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Wir meinen das Wort: Die Völker sind an der den Edelsten der Nation" nicht sie flohen ins Ausland Der erste große Krieg nach Waterloo war der KrimKriegsgefahr und an den Kriegen schuld. und trieben den Landesverrath so weit, daß sie die krieg, in den Fünfziger Jahren er war notorisch, wie Nach dieser Auffassung wären also die bösen Völker Regierungen des Auslands um Hilfe gegen das eigene in jedem Geschichtsbuch zu lesen, durch den Kaiser von dafür verantwortlich, daß das Bibelwort vom Frieden Vaterland anriefen. Der französische König Ludwig XVI . Rußland entzündet. Das Gleiche gilt von allen übrigen auf Erden durch die Wirklichkeit so grausam Lügen ge- und feine Gemahlin, die thatfzäftige, fluge und ränke- russischen( russisch - türkischen und so weiter) Kriegen. straft wird. füchtige Königin Marie Antoinette waren im Gin- Dieselben sind ausnahmslos auf dynastische Er. Nun das eine Wort ist so wenig wahr wie das verständniß mit den„ Edelsten der Nation" sie unter- oberungswuth das zurückzuführen russische andere. Und während ein Blick in die Wirklichkeit rings handelten mit den fremden Monarchen. Und nicht Bolt hat in der Politik leider noch nichts zu sagen gehabt um uns genügt, um die Unwahrheit des Bibelworts ad erfolglos. Am 27. August 1791 traten in Pillnig um Rußland und Europa stünde es sonst besser. oculos zu demonstriren, genügt ein Blick in die Geschichte, der König König von Preußen, Friedrich Wilhelm II. , Und nun die drei neuesten Kriege, die der Aera Bisdie Unwahrheit jenes anderen Wortes eben so schlagend und der Kaiser von Desterreich, Leopold II. , marck. Was hat das Volk mit ihnen zu thun gehabt? darzulegen. zusammen und verabredeten, im Einverständniß mit dem Wir wissen auf das allergenaueste und persönlich aus der Betrachten wir die Hauptkriege seit dem Ende des König von Frankreich , Maßregeln gegen die französischen denkbar besten Quelle, daß Bismarck , als er im Herbst 1862 17. Jahrhunderts. Wir beginnen deshalb mit dem Zeit Revolution und das französische Volk. Der Handschuh Minister wurde, den dänischen und den deutschalter Ludwigs des Bierzehnten, weil diefer Monarch es war dem französischen Volt son den Fürsten hin österseichischen Krieg fiz und fertig in seinem Begründer und klassischste Repräsentant der modernen geworfen. Weitere Herausforderungen und Thätlichkeiten Programm hatte. Bon Lassalle war es eine merkMonarchie war, der Bewunderte und Nachgeahmte aller folgten. Das französische Volk bewies eine wunderbare würdige Selbsttäuschung, daß er Bismarck zur Annexion anderen europäischen Fürsten , namentlich der deutschen , Langmuth. Die dem Hof und der Dynastie nahe von Schleswig- Holstein " drängen" zu müssen glaubte. Sie der Urheber des programmatischen l'Etat c'est moiber stehenden Personen und Parteien, z. B. die hoffähig ge- war längst beschlossene Sache. Und wir haben außerdem Staat bin ich, das erst jüngst ins Deutsche übersetzt wordenen Girondisten drängten zum Krieg; die das Zeugniß des Kaisers Friedrich, der mit einer, worden ist und in der deutschen Uebersetzung lautet: des Jakobiner, Robespierre voran, mahnten ab, jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit den Fürsten Rönigs Wille ist das oberste Gesey. warnend vor den freiheits- und kulturmörderischen Wir Bismarck als Urheber des deutsch dänischen Nun diefes Ideal eines Monarchen, dieser Sonnen- fungen auch eines gerechten Krieges. Allein die Sturmfluth deutsch österreichischen Krieges bezeichnet hat. Und der könig " oder„ König Sonne"( Roi soleil ), für den sein" der Ereignisse ließ sich nicht mehr zurückhalten. Die deutsch - französische Krieg folgte auf die beiden Bolt nur Kanonenfutter und„ elender steuerzahlender Monarchen schlossen einen förmlichen Bund gegen das vorhergehenden Kriege Bismarck's, wie das C auf das A Pöbel" war, führte mit aller Welt Krieg, und besonders revolutionäre Frankreich , Armeen wurden gerüstet und zu- und B folgt. Bismarck , der seit Anfang der 60er Jahre auch mit seinen„ lieben Brüdern", den deutschen Fürsten; sammengezogen an den Grenzen trieben, unter dem Schute in Biarriz, Plombières und Paris mit dem er war es, der die Pfalz aufs Barbarischste verheeren ließ, der deutschen Fürsten , die französischen Emigrirten ihr Unwesen französischen Kaiser gemogelt und für dessen Duldung des was heute noch von unseren Chauvinisten als unsühnbare und bereiteten, als Vorhut der verbündeten Fürsten- Krieges gegen Desterreich alle möglichen Versprechungen geGreuelthat des französischen Erbfeinds" austrompetet wird. Armeen, den Einbruch in das französische Gebiet macht hatte, mußte Napoleon entweder den ausbedungenen Nun erst, nachdem der Krieg thatsächlich Preis zahlen, oder anderweitig mit ihm abrechnen. Er zog Das deutsche Volk hat unter den Unthaten dieses Muster- vor. fürsten und beiläufig auch Musterchristen schwer zu leiden schon begonnen hatte, erklärte die französische Regierung den das letztere vor: er stellte die Hohenzollern - Kandidatur auf. gehabt, aber am meisten hatte darunter zu leiden das Krieg durch den Mund des Königs Ludwigs des Sechs- fälschte( redigirte") die Emser Depesche und beschenkte französische Volk. zehnten, der, im Einverständniß mit dem König von uns mit dem, Heiligen Krieg", der höchst ruhm
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und
Nach den Kriegen Ludwigs des Vierzehnten sind die Preußen, dem Kaiser von Desterreich und anderen reich" war, aber uns und dem ganzen übrigen Europa bedeutendsten Kriege der österreichische Erbfolge Monarchen diesen Krieg gegen das französische noch heute schwer in den Knochen liegt. frieg und mit ihm zusammenhängend der Schlesische Volk organisirt hatte. Der Eisenschrant" hat die Be- Das Bolt war an diesen drei Bismarck 'schen Kriegen und der Siebenjährige Krieg. Selbst einem weise hierfür in Hülle und Fülle geliefert. Und auch die so unschuldig wie ein neugebornes Kind. Gegen die beiden Treitschke oder einem Sybel ist es bisher noch nicht ein- frechste Geschichtsfälschung tann die Thatsache nicht be- ersten Kriege ft räubten sich Volk und Boltsvertretung gefallen, diese Kriege dem„ Volt" oder den Völkern" in feitigen oder ändern, daß die Fürsten den Krieg an- aus Leibeskräften; und daß der deutsch - französische Krieg die Schuhe zu schieben. Es waren rein dynastische gestiftet haben. Das deutsche Volk war so unschuldig wie dem deutschen Volk aufgezwungen worden ist, das
Feuilleton.
Nachdrud verboten.)
Fé.
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Von Edna Fern.
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Und Emma hatte sich nichts dabei gedacht und beruhigend geantwortet:
Ja, ja, Du sollst auch hierbleiben, mein Küken, und nun schlaf mir aber auch hübsch wieder ein."
Und Fé hatte sie mitleidig- verwundert angesehen, aber nichts erwidert, und Emma ging nun auch zur Ruhe, und
Männe" meinte, die Sache würde sich schon machen.
„ Ernst,"
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stand auf dem kleinen, weißen Zettel, die Wellen der Nordsee gegen seine Planken, und ein " Ihr bedürft meiner nicht, und die Mutter will schwerer, frostiger Nebel läßt bald das Festland vers da gehe ich zu Günther. Verzeiht schwinden.
mich nicht
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ist sie fort- Niemand weiß, wohin?
den augenblicklichen Kummer, den ich Euch bereite, und Letztes Grüßen, wehende Tücher, hinüber und herüber vergeßt auch Du, liebe, gute Emma." Und jetzt vielleicht ein lustiges Lachen, eine heimliche, bittere Thräne- Lebe wohl, heimathliche Erde, liebes, schönes Vaterland- schneller durchschneidet der dampfende Koloß die Wogen, und bald nur Wasser und Nebel überall!-
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Ernst zürnt ihr, Gertrud ist erbittert über alle Maßen, doch nur gegen Günther Dämonengewalt muß er haben, Frei! Frei! Hinaus in die schöne, große, weite Welt! ihre Fé zu bethören und Emma? Sie sitzt in ihrem Wohnzimmer neben ihrem Männe" Keine Launische Stimme, kein verdrießliches Gesicht mehr, " Gott schütze die beiden thörichten Menschen- das ihm das Leben, die Freude am Leben vergällt, nur die und weintfinder." Liebe, die wonnige, süße, an seiner Seite.- Angegriffen, etwas blaß und hohläugig, in" Du, Fé, meine Königin, mein Leben," sagt Günther raffinirt nachlässigem Negligée, ruht Frau Ella Norberg und beugt sich nieder, um in Fé's Augen zu schauen, wie auf der Chaiselongue, und vor ihr kauert auf einem niedrigen sie über die Brüstung gelehnt, in den Nebel hinüberblicken, Am andern Morgen, die Sonne guckt neugierig durch Schemel der Baron Ülmen und versucht, seine schöne Freundin dorthin, wo noch vor Kurzem das Festland sichtbar war. das dunkle Gewölt, als wolle sie sehen, ob ihre schöne zu beruhigen. Aber sie will nicht beruhigt sein. Sie weint, sie ringt Welt auch keinen Schaden erlitten durch die bösen Wolken und ihre Regengüsse, da öffnete Emma vorsichtig die die Hände, sie ist der vollständigsten Verzweiflung nahe Fé, glaubst Du, daß ich noch die Kraft habe, zu denken, zu Thür zu Fé's Zimmer, aber Fé war nicht darin, war aber alles mit tadelloser Grazie, mit hinreißender Anmuth, Und dann dachte und Baron Ulmen will schier vor Wehmuth zergehen, und nirgends, und das Pferdchen fort. die Frau Bornstedt badet die Schläfe ihrer Tochter mit Emma: Sicher sie muß in Werdern sein," und da mußte an Eau de Cologne , und diese unschuldig mißhandelte Frau gespannt werden, so schnell wie möglich, und nun hinaus fuirscht plötzlich die Zähne aufeinander: nach Werdern, was die Pferde laufen konnten.- Aber da war keine Fé, nur ganz bestürzte Leute und eine todtfranke Mutter. Und nun? Was nun?
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Da tam das Braunchen auf den Hof getrabt, ganz müde, und ein kleiner Schlingel pon einem Bauernbuben hing auf dem Damensattel und grinste fidel:
" Ja, det Frölen het meck' nen Breim gäben, den soll eck den Herrn hinbringen und det lütte, geude Bird ock."
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" Und sie soll seine Maitresse bleiben, bis der Tod sie oder mich davonruft. Ich verweigere die Scheidung! Und Fé? Und Günther?-
XV.
Langsam, ächzend, als würde es ihm schwer zu scheiden, setzt sich das mächtige Schiff in Bewegung unter dem trüben, unfreundlichen Winterhimmel. Müde, verdrossen schlagen
Nur die Liebe noch in meinem Herzen, und die Seele frei von dem Druck, der jahrelang schwer auf ihr geruht. arbeiten, etwas Großes zu schaffen?"
" Ja, Günther, alles ist unser," sagt Fé, die Kunst, das Leben, die Liebe- nur keine Heimath mehr, Günther."
„ Kind, unsere Heimath ist überall, wohin wir unsere Liebe tragen: Auf wogender See im Sturmgebraus, unter grünen Bäumen im goldenen Sonnenschein, wenn des Mondes licht die Nachtigall weckt, wenn die klaren Sterne flimmern und der Wind den Schnee von dunklen Tannen schüttelt - nicht unter Deutschlands Eichen ist die Heimath, in unseren Herzen, all überall, wo wir beis ammen sind, meine Fé!"
Und unbekümmert der anderen Menschen zieht Günther sein Weib in seine Arme, und sie schmiegt das Köpfchen