tk wciutioMtes dokmetti Die programmatische Plattform der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Die Kundgebune des Sozialdemokratischen Parteivorstandes hat Qberall die größte Beachtung gefunden. Die„D e n t- sche Freiheit" begrüßt die Kund gebung in dem folgenden Artikel: Die sehr ausführliche programmatische Erklärung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist ein revolutionäres Dokument, wie es In der Geschichte der Sozialdemokratie bisher nicht vorhanden war. Die reformistischen Programme der Nachkriegszeit sind vollkommen verlassen. An Ziel und Willen stoßen die programmatischen Forderungen auch weit über das Programm von Erfurt aus dem Jahre 1891 hinaus. Den Hauptunterschied zwischen jenem klassischen Parteiprogramm des Marxismus und seiner jetzigen Kundgebung erblicken wir in einer viel stärkerenAnspannungderWil- lensfaktoren. Das Erfurter Programm sprach von der„naturnotwendi- gen Entwicklung". Die Kundgebung vonPragruft z u r R e v olu t i o n. Auch dieses Dokument analysiert mit der Tiefe und der Gedankenschärfe marxistischen Denkens die ökonomischen und gesellschaftlichen Zustände, aber es appelliert zugleich ungeduldig und unmittelbar an das ganze unterdrückte Volk zur revolutionären Erhebung gegen die faschistische und kapitalistische Diktatur. Ueberließ man früher in fatalistischer Selbstsicherheit die Geschehnisse nach der Machtergreifung späterer Sorge, so wird nun klar gesagt, was die sozialistische Umwälzung am Tage ihres Sieges zu tun hat. Das ist das eindeutige Bekenntnis zu einer revolutionären sozialistischen Diktatur, deren Dauer sich lediglich nach dem Tempo und den Erfolgen der Umwälzung zu richten hat. Die Zerschlagung des alten politischen Apparates muß gesichert werden gegen seine bisherigen gesellschaftliehen Träger! Daß dies 1918 nicht geschehen ist, bleibt die große unsflhnbare Schuld der für jene Ereignisse Verantwortlichen. Es ist das Größte an dem neuen Kampfprogramm der Sozialdemokratie, daß der größte Fehler des Jahres 1918 offen eingestanden wird. Darauf haben viele im Lande, insbesondere junge Mitkämpfer, seit langem gewartet Es wäre oberflächlich und unrichtig, das Versagen von 1918 lediglich führenden Personen zuzuschieben. Die Ursachen liegen viel tiefer. Wir erblicken sie darin, daß die gel- stige Grundhaltung und die O r- ganisation der Sozialdemokratie aus den langen evolutionären Friedensjahren vor 1914 kriegerischen und revolutionären Ereignissen, wie sie nun seit Jahrzehnten Welt und Menschen erschüttern, nicht gewachsen war. Die so viel gerühmte und in Friedenszeiten mit Recht bewunderte Organisation der Sozialdemokratie war die großartigste Wahlmaschine und die bedeutendste politische Erziehungsschule auf Erden. Das war gewiß viel, aber es genügte bei weitem nicht für die Aufgaben, die ihr seit dem 1. August 1914 gestellt waren. Der gewaltige Apparat erwies sich schon im Kriege als schwerfällig, und er war in den Tagen der Revolution für die aktivistU sehen Aufgaben, die nun in dem neuen Programm aufgestellt werden, unbrauchbar. Viele hochverdiente Organisatoren, deren Stolz auf die Leistung ihres Lebens verständlich und berechtigt ist. hö- fen es noch immer nicht gerne, aber die Zeiten sind zu hart, als daß wir irgendwelchen Illusionen nachhängen könnten. Die riesenhafte Apparatur der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Organisationen des Sozialismus in Deutschland hat hervorragende Verwal- tungsmänner, besorgte, treue Sachwalter der Volksrechte, hochgebildete Volkserzieher und viele, viele warmherzige und lebensgläubige Menschenfreunde geschult. Bei einem friedlichen kultivierten Aufstieg zu sozialistischen Gemeinschaftsformen würde die�e Elite des Arbeitsvolkes die wirtschaftlichen und sittlichen Werte des deutschen Volkes in wundervoller Weise bereichert haben. In den Blutströmen eines kriegerischen und revolutionärcnZeitalters ohnegleichen mußten diese Organisationen und ihre führenden Menschen aus ihrem Wesen versagen. Die rein demokratische und nur pazifistische Betätigung der deutschen Arbeiterbewegung hielt sich von der realen Einschätzung und dem Gebrauch der Waffengewalt, die sowohl Marx wie Lassalte in ihrer Geschichtsauffas. sung bejahten, in einer wahrhaft religiösen Scheu lern. Die Erfahrung der letzten Jahre wird hier manchen zu den ehernen und heroischen Gedanken des Marxismus zurückgeführt haben. Nur aus solcher Umkehr können dem militanten Sozialismus, der nun seine größte geschichtliche Aufgabe antritt die politischen, ökonomischen und soldatischen Energien erwachsen, die zum Durchkämpfen und Behaupten einer neuen Gesellschaftsordnung gegen eine Welt von inneren und äußeren Feinden notwendig sind. Die programmatische Erklärung der deutschen Sozialdemokratie schließt mit dem Ruf:„Es lebe die Internationale!" Möge die Internationale zu internationaler Kampfkraft für die sozialistische Weltgestaltung emporwachsen. Die Ehrlichkeit aber und die politische Klarheit gebietet hinzuzusetzen, daß die sozialistischen internationalen von einer wirklichen internationalen Schlagkraft weit entfernt sind. Die deutsche Sozialdemokratie hat jedenfalls zunächst und zuerst zum deutschen Volke zu sprechen. Unsere politische Wissenschaft hat zuerst und zunächst die deutschen Verhältnisse zu erforschen und unser litischer Wille hat den deutschen Menschen zum Aufstand zu schulen. Unsere Ziele, unsere Kampfmittel, unsere Sprache müssen das geknechtete Deutsch land wachrufen. Jeder ist uns willkom men, der die faschistische Diktatur stürzen und mit uns ein sozialistisch organisiertes und regiertes Deutschland aufrichten will. Unser Kampfruf ist: Es lebe die deutsche sozialistische Revolution! Glaubt an Hitler und ihr werdet glücklich werden Gauleiter Streicher sprach zu Uber SO.OOO Volksgenossen aller schaffenden Stände Das Frankenland war früher einmal ein Land mit hoher geistiger und politischer Kultur. Es hat im Reichstag Vertreter gehabt wie unseren Hermann Müller , Wilhelm Kahl , den großen Juristen, und den geistreichen Prälaten Leicht. Heute wird es von dem antisemitischen Agitator Julius Streicher terroristisch beherrscht In welchem Geist das neue Regiment geübt wird, zeigen die folgenden Zitate aus Streichers Organ, der„Fränkischen Tageszeitung"— zufällige Stichproben aus den letzten Wochen. Die Theorie. „Wer sind diese Lügenhunde, die bellend und geifernd tollwütig die Länder durchlaufen und allüberall verwunden, verletzen und To- deskeime verbreiten? Wo sind die Lügner, Verleumder und Ehrabschneider? Die Schlangen, die schleichend und schlängelnd und schielend heimtückisch warten, um zur rechten Zeit zuzupacken und Gift einfließen zu lassen? Bei uns sind diese Familien-, Gemeinde- und Volks- verderber erkannt und jeder kleine Hitlerjunge deutet treffsicher dorthin, wo sie als mauschelnde Gestalten sich bewegen; Ewig betrügendes verlogenes Juda!" Ein Fall ans der Praxis. Am Sonntag, 14. Januar, ereignete sich in der Ansbacher Straße in Neustadt a. d. A. folgendes: Der Jude Lehmann mit Frau und Tochter bewegte sich stadtauswärts. Obwohl dort der Gehsteig sehr breit ist, füllten die drei Genannten ihn frech und herausfordernd voll aus. Da war es natürlich, daß der nachkommende SS-Mann Stahl den Juden im Ueberholen streifen mußte. Kaum war der Abstand 15 bis 20 Schritte, so rief der Jude: „Sie LOmmel , ich zeige Sie an!" Begreiflich, daß der SS-Mann kehrt machte und auf den Juden zusprang. Dieser ergriff sofort die Flucht und leider gelang sie ihm, denn Frau und Tochter Lehmann stellten sich in den Weg und Lehmann selbst konnte verschwinden. Die Frechheit des Juden kommt erst voll Ins Licht, wenn man erfährt, daß der SS-Mann in der Uniform eines SS-Scharföhrers ging und daß er seit 1922 Mitglied der NSDAP ist— Hoffentlich findet sich ein Gericht das dem Juden in der deutlichsten Weise beibringt, daß man einen alten Träger der Bewegung nicht ungestraft beleidigen kann! Das Volk In Neustadt ist über diese schamlose Handlung des Vorstehers und Vorbetera der Kultusgemeinde empört und fordert dringend: ..Dachau fßr diesen Judenbengel!" Sollte diese unverschämte Beleidigung nicht gesühnt werden, wird das Volk sicher eines Tages handeln. Heiraten Ist nicht! Kaufhaus„Weißer Turm"--- alias Tletz-Levi! Ein Kapitel fflr»ich... In diesen Tagen mußten in der Spielwarenabteilung dieses Judenladens Kartenbehälter beschlagnahmt werden, die die alten Systemfarben unseligen Angedenkens„Schwarz-rotgelb" stolz zur Schau trugen. Einkäufer und ver-atwortlicher Leiter der betreffenden Abteilung ist der Jude Kurt L ö w e n b e r g, der sich im übrigen auch damit brüstet, daß er heute noch mit einem deutschen Mädchen ginge und dasselbe auch heiraten würde. Schade, daß wir das ehrvergessene Geschöpf nicht kennen. Im übrigen: Heiraten ist nicht! Denn gegen Rassenschande gibt es ja nun Gott sei Dank ein Gesetz. „Wie Hitler sieht er aus— welch ein Idiot r Wir erhalten folgende Zuschrift eines Parteigenossen aus Eibach: „Wiederholt habe ich die Beobachtung gemacht, daß verschiedene Zeitgenossen die Geschmacklosigkeit, besitzen, Aeußeriichkei- ten, die mit denen unseres Führer» und Kanzlers Adolf Hitler etwas übereinstimmen, besonders auszunützen, um die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen auf sich zu lenken und von sich reden machen wollen:„Wie Hit ler sieht er aus!" Wenn man sich derartige Leute aber genauer ansieht, so bekommt man also gleich einen Einblick in Ihr Gehirn, und dann muß man sagen:„Welch ein Idiot!" Unser Pg. meint, ob es nicht möglich sei, gegen solchen Unfug einzuschreiten? Wir glauben, daß das nicht notwendig ist. Denn: Was soll man schon gegen Idioten unternehmen? Warum Dekan Jäger Ins Konzentrationslager kam. Nürnberg . Die Gebietsführung der HJ Franken-Ostmark teilt mit: „Am 10. 12. 1933 fand in Wunsiedel eine Kundgebung der Hitlerjugend statt, wobei auf dem Marktplatz ein riesiges Transparent mit der Aufschrift„Jugend»oll von Jugend geführt werden!" aufgestellt war. Am nächsten Tag äußerte Herr Dekan Jäger im Religionsunterricht der 5. Klasse der Realschule Wun siedel : Jugend soll von Jugend geführt werden, das ist ein S c h m a r r n. wir haben e» eben im Lehrerzimmer besprochen! > Weiß Herr Dekan Jäger nicht, daß unser oberster Führer Adolf Hitler selbst geäußert hat: Jugend soll von Jugend geführt werden! und daß er damit unseren Führer beleidigt hat? Herr Dekan Jäger scheint überhaupt kein Freund der Hitlerjugend zu sein, denn als seine Konfirmanden im Konfirmandenunterricht mit dem Deutschen Gruß grüßten, äußerte er; Ihr seid Konfirmanden und grüßt künftig mit „Grüß Gott!" Wir verwerfen den Gruß„Grüß Gott!" durchaus nicht, aber den Deutschen Gruß zu verbieten, ist ein starkes Stück. Wie wir soeben erfahren, ist der Dekan Jäger in Schutzhaft genommen worden." Leipzig beschwert sich. Neben der„Fränkischen Tageszeitung", der sämtliche oben wiedergegebenen Zitate entstammen, gibt Streicher auch noch den berflehtigten„Stfirmer" heraus, der in jeder Woche mit neuen Lügen zur Judenhetze auffordert Ein Aufsatz seiner ersten Nummer im neuen Jahr, der (sich mit dem Leipziger Pelzhandel beschäftigte, erregte in Leipzig Entsetzen, weil man als Ergebnis eine neue geschäftliche Schädigung der Stadt befürchtete. Ein erregter Protest des Oberbürgermeisters G ö r d e 1 e r hatte die Wirkung, daß die beanstandete Nummer aus dem Handel gezogen wurde. Aber, soweit das Geschäft nicht dadurch gestört wird, geht die Pogromhetze weiter. Maikowski Deutschland im Zeichen des Mordsturms 33. In den ersten Februartagen des Jahres 1933 wurde In Berlin -Charlotlenburg der Führer einer der berüchtigsten nationalsozialistischen Mord- und Terrorkolonnen, des sogenannten Mordsturms 33 erschossen. Dieser Mann— Maikowski— war ein berüchtigtes Subjekt. Seine Bande war zu Terrorakten in verschiedenen Landesteilen verwendet worden. Maikowski hatte Neigung zum Meutern gezeigt, er hatte Feinde in seiner Bande, die ihn auf den Tod haßten. Als diese Bande im Siegesrausch in einer Arbeiferstraße einen Feuerflberfall auf Kommunisten übernahm, wurde er aus den eigenen Reihen erschossen, neben ihm ein Polizeibeamter. Die Propaganda der Hitlerregierung bemächtigte sich dieses Falles. Sie beschuldigte die Kommunisten des Mordes an Maikowski. Sie bemächtigte sich der Leichen und veranstaltete für beide ein feierliches Staatsbegräbnis vom Berliner Dom aus, in der ganz offenkundigen Absicht, den Massenrausch aufrecht zu erhalten. Mit barbarisch-militärischem Gepränge in der Kirche und blutrünstigen Reden wurden die Leichen zu Grabe getragen. Dies Staatsbegräbnis war von symbolischer Bedeutung; d i e Terrorbanden wurden damit legalisiert, das Staatsinteresse mit ihren Interessen gleichgestellt, über ihre blutigen Taten die Hülle der Staatsraison gezogen. Von den Stufen des Berliner Doms verkündete der Rundfunksprecher: „H a, j e t z t kommt er, der g e- fürchtete Mordsturm 33...." Damit wurde die wilde"terroristische Lust und der Haß weiter aufgepeitscht. Ende Januar 1934 standen 53 Kommunisten in Berlin vor Gericht unter der Anklage, Maikowski erschossen zu haben- Der Staatsanwalt bedauerte, daß er nicht 53 Todesurteile beantragen könnte. Wäre der Mord eine halbe Stunde später erfolgt, so wäre es ihm möglich gewesen! Das Gericht verhängte über die Angeklagten insgesamt 38 Jahre Zuchthaus und 95 Jahre Gefängnis. Diese drakonischen Strafen genügten den im Zuschauerraum anwesenden Mordgesellen vom Sturm 33 nicht Es kam zu wilden Szenen. Zum zweiten Mal wurde der Fall Maikowski zum Symbol. Die SA -Leute schrien den Gerichtsvorsitzenden nieder, weil er kein Todesurteil verkündete. Sie wollten Köpf« haben. Inmitten wildester Szenen wurde die Sitzung des Gerichts um ein« Stunde vertagt Die SA-Leute schickten einen Protest an das Preußische Justizministerium, das seinen Staatssekretär Freisler in den Gerichtssaal entsandte. Unter völliger Mißachtung des Gerichts sprach Freisler zu den braunen Banden: „Kameraden! Wir haben Schulter an Schulter zehn Jahre hindurch gekämpft wir können offen sprechen. Wir bauen einen nationalsozia* listischen Staat auf, aber das Ziel ist noch nicht vollständig erreicht Deshalb wollen wir das Urteil anhören, das dieser Gerichtshof de» nationalsozialistischen Staates gefällt hat Was wir über die» Urtel' zu tagen haben, wird von denen ausgesprochen werden, die das Vertrauen unsere» Führers genießen. Dieser Fall wird von de"1 Minister sehr sorgfältig geprüft werden und auf Grund seiner Entscheidung werden kB"'* tige Schritte ergriffen werden." Das ist ein Versprechen, daß gemof* det werden soll auch ohne Urteil! Def berüchtigte Mordsturm 33 pfeift auf das Gericht auf Kommando des Mordsturms pfeift das Justizministerium auf das Urteil Die Richter schlottern. Deutsch « Justiz im Zeichen Maikowski s* Der Mord, da Sakrileg, der Rechts- Jruch und wieder der Mord! Dieser„ße* fürchtete Mordsturm 33"— das ist der innerste Kern und das Wesen des Hitlerregimes!
Ausgabe
2 (4.2.1934) 34
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