Nr. 36 BEILAGE

Neuer Vorwärts

18. Februar 1934

Aufhäuser und H.Mann zue Programmdebatte

Bemerkungen

Massen, deren Vertrauen für eine kom-[ werden dürfen. Es herrscht keine Mei- zuzeigen, deren Ausgangspunkt in den mende Bewegung erst gewonnen werden nungsverschiedenheit, daß in Ländern, die Betrieben liegen muß. Hier hätten manche zum Aufruf des Parteivorstandes muß, in diesem Aufruf zurechtfinden sol- eine vorhandene Demokratie zu verteidi- Gelegenheit, im Rahmen einer Arbeiter­Von S. Aufhäuser

Gäcing erhält das Begnadigungsrecht

tung der neuen Bewegung zur Verfügung stellen. Wir brauchen eine schonungslose Erforschung der Vergangenheit, ein ob­jektives Bild des heutigen Deutschlands und den Willen zur Macht der Arbeit in Staat und Wirtschaft. Nur so kann das deutsche Proletariat das Vertrauen eigenen Kraft zurückgewinnen seine Freiheit kämpfen.

len, dann bedarf es einer objektiven Wür- gen haben, dafür alle Mittel angewandt demokratie ihre demokratischen Leiden­digung der geschichtlichen Vorgänge seit werden müssen und es soll auch nicht be- schaften auszutoben. Nach der Niederlage der deutschen Ar- 1918 und seit 1914. Das Versprechen, zweifelt werden, daß in Deutschland eine Alle diese Probleme müssen diskutiert beiterbewegung zeigte sich alsbald in alles diesmal anders machen zu wollen, brennende Sehnsucht nach Freiheit be- werden, bevor die Zeit für Parteiaufrufe wachsendem Maße das Bedürfnis nach muß von der Erkenntnis getragen sein, steht. Aber ebenso sicher ist, daß die To- gekommen sein kann. Je weniger diese politischer Neuorientierung. Es ist auch warum die reformistische Politik der talität des faschistischen Staates nur vom große historisch bedeutsame Diskussion erklärlich, daß in einer Periode faschisti- Vergangenheit zu Rückschlägen geführt absoluten Willen des arbeitenden Volkes durch Parteigebundenheit belastet wird, scher Diktatur, die Sozialisten von jeder hat. Die Versicherung, daß historische nach der Macht im Staate abgelöst wer- umso ergiebiger wird sie sein. Es geht aktiven Teilnahme am politischen Gesche- Fehler in der neuen Situation nicht wie- den kann. Im heutigen geschichtlichen in den kommenden Entscheidungen nicht hen ausschaltet, das Diskutieren der derholt werden können, ist zu wenig. Die Stadium der Klassenkämpfe in Deutsch - um die Reorganisation einer Partei, son­Genossen einen wesentlichen Bestandteil einleitenden Bemerkungen des Aufrufs, land kann es nicht genügen, alle Demo- dern um das Werden einer einheitlichen thres politischen Lebens von heute bilden die ganze 13 Zeilen umfassen, enthalten kratie unverändert in der Schaffung eines neuen Arbeiterbewegung. Die vorhande­muß. So bemühen sich heute die besten einige Schlagworte von der Knecht- aus gleichen, geheimen direkten und allge- nen Stellen der Arbeiterparteien aus dem erfüllen Teile der deutschen Arbeiterklasse, eine schaft" und der Gesetzlosigkeit" der meinen Wahlen hervorgegangenen Parla- vorfaschistischen Deutschland Analyse der politschen und ökonomischen faschistischen Despotie, ohne auch nur ments sehen zu wollen. Die demokratische ihre Mission, wenn sie sich zur Gestal­Situation zu finden, den Weg zur Macht zu erörtern und eine kongrete Vorstel­lung vom Ziel der kommenden Kämpfe zu gewinnen. Es wäre durchaus verständlich und wünschenswert gewesen, wenn sich auch die Zentrale der SPD in Prag an diesem Suchen nach neuen Wegen betei­ligt hätte. Dagegen muß es als eine völlige Verkennung des Aussprache- Bedürfnisses angesehen werden, wenn der Parteivor­stand geglaubt hat, das geistige Ringen nach Neugestaltung mit einem neuen Par­teiaufruf bereichern zu sollen. Es kommt wohl in diesem Stadium der Selbstkritik, der Selbstverständigung, des Prüfens und Suchens nach dem richtigen Weg nicht so sehr darauf an, den von der deutschen Katastrophe erschütterten Menschen so­fort irgend einen mit Mehrheit beschlosse­nen und geformten fertigen Stand­punkt eines Parteivorstandes zu ser­vieren, als vielmehr darauf, den Prager Apparat in den Dienst des schwierigen Klärungsprozesses zu stellen.

Die Veröffentlichung vom 28. Januar 1st vom Parteivorstand unterzeichnet und es heißt dort:

Die Führung ist sich dabel be­wußt, daß sie der ständigen Mitwirkung und Beratung der Leiter der illegalen Gruppen bedarf."

Diese selbst erteilte Legitimation zur Füh­rung der revolutionären Bewegung ist ebenso verfehlt, wie die Form des Mani­fests unangebracht war. Der

Führungsanspruch

des PV. kann weder aus der Vergangen­

Revolution

zur und für

und Einigkeit

Von Heinrich Mann .

Mit dem neuen revolutionären Pro­gramm der Sozialdemokratie bin ich in den meisten Punkten einverstan­den. Als der für die nächste Zeit wich­tigste Satz erscheint mir dieser: Ob Sozialdemokrat, ob Kommunist... der Feind der Diktatur wird im Kampf durch die Bedingungen des Kampfes selbst der gleiche sozialistische Revolutionär." Hier­von dürfen indes nicht nur die Sozial­demokraten überzeugt sein. Auch alle anderen Sozialisten müssen denselben Glauben und festen Willen haben, sonst fände die entscheidende Stunde sie un­vorbereitet.

Ich empfehle vor allem Verhandlungen mit dem Ziel der unbedingten, restlosen Einigung. Das neue revolutionäre Programm Ihrer Partel wäre dabei als Mindestprogramm zu betrachten. Nach meiner Natur und Tätigkeit war

übertreffenden Bedeutung

er

heit, noch aus seiner gegenwärtigen- den Versuch einer Erforschung des Wissens| Selbstbestimmung des Volkes ist vielmehr tigkeit begründet werden. Die Prager des Faschismus zu unternehmen. Die Er- an zwei wesentliche Voraussetzungen ge- ich immer durchdrungen von der alles Zentrale kann weder die Absicht haben, neuerung der Arbeiterbewegung verlangt bunden, einmal daß die Träger des Staa- andere Sein die repräsentativen Aufgaben des frühe- es aber, daß wir uns mit den soziologi- tes die arbeitenden Menschen sind und des geistigen Kampfes. ren Berliner PV. übernehmen zu wollen, schen Antriebskräften des Faschismus ein- zum anderen, daß die Feinde des Sozialis- Ergebnis bestimmt auch die Wirtschaft, noch sollte sie versuchen, mit Aufrufen gehend befassen. mus, das sind auch die Feinde der Kopf- nicht umgekehrt. Denn der Mensch ist die parteimäßige Propaganda erneuern zu Die und Handarbeiter, keine Möglichkeit ha- zum Menschen geworden, nicht, seitdem wollen. Sie sollte vielmehr ihre neue und auch leichte Form des Aufrufs hat es ben dürfen, unter Mißbrauch der parla- er eine Wirtschaft bat, sondern als mit gebracht, daß der PV. auf große Aufgabe darin sehen, eine Willens- jede na sie geht das Kapitalismus mentarischen Demokratie die Existenz zu denken anfing. Das neue revolutionäre zentrale zu werden, um mitzu helfen verzichten se kennen stunt. Kar zusam eines werdenden sozialistischen Gemein- Programm macht mir ganz den Eindruck, und der programmatischen Neugestaltung menhang zwischen dem aufkommenden Fa- wesens zu unterhöhlen. Es muß deshalb als ob es von dieser Voraussetzung aus­schismus und dem verfallenden Kapitalis- nach den Erfahrungen von 1918/19 merk- geht, und das ist mir eine wahre Genug­mus muß in allen Einzelheiten aufgezeigt würdig anmuten, wenn bereits im ersten tuung. Nur im Meinungsaustausch über eine Platt- werden, wenn nicht der rundlegende Manifest für den Kampf um den revolu­form der kommenden Bewegung und in Fehler von 1918 schon am Anfang unse- tionären Sozialismus die Propaganda für nen, daß der Mensch als denkendes der innerdeutschen Bewegung illegal wir- rer Betrachtungen wiederum einreißen soll, die Einberufung einer Volksvertretung Wesen trotz allem noch in den Anfängen kender Kräfte werden sich die zur künf- nämlich daß die ökonomische Fundierung nach allgemeinen gleichen direkten und steht.

an der

Gestaltung einer neuen Führung

Wir haben allerdings damit zu rech­

Sein Denken bleibt meistens

tigen Führung berufenen jungen Kräfte unseres politischen Vorgehens fehlt. Un- geheimen Wahlen einsetzt. Wir sollten schwach und unzuverlässig; wie wären zeigen und bewähren können. Ein Aufruf sere ganze Stellung zur Anwendung demo- den Mut haben, Im Ringen um die soziale sonst Rückfälle in die barbarische Wider­mit für seine Verfasser ungewohnten For- kratischer Mittel steht und fällt mit der Demokratie, auch den Begriff der Demo- vernunft möglich und das wird jetzt er­mulierungen reicht nicht aus, um ein un- Auffassung, die wir von der Struktur des kratie zu definieren, d. h. die formale De- lebt! Man darf daher nach dem Sieg der gewöhnliches Vertrauen zu der sich selbst Spätkapitalismus haben. mokratie durch die Demokratie aller Trä- sozialistischen Revolution nicht tun, als wäre dann plötzlich die ganze Nation präsentierenden Führung zu schaffen. Eine| Die unhistorische Betrachtungsweise in ger der Arbeit zu ersetzen. solche plötzlich gemachte Veröffentlichung dem Manifest und der Verzicht auf einge­In der tm Manifest gegebenen Fassung endgültig gewonnen und auf die höchste ist grundsätzlich gegenüber der. Haltung Stufe gehoben. Das Programm sagt rich­müssen, wenn die übrigen literarischen auch den Wert der brauchbaren Teile des von 1918 kein Unterschied festzustellen, tig: Erst nach der Sicherung der revo­lutionären Macht... beginnt der Aufbau

Elans ermangeln. rigieren sein, wenn man auf propagandi - Nationalversammlung einige Wochen spä­Wenn der Phönix aus der Asche des stische Wirkung eines Aufrufs in diesem ter als damals stattfinden soll.

des freien Staatswesens.

Dringend möchte ich zu bedenken geben, daß die revolutionäre Macht durch Verfassung Im revolutionären Staat. Zerstörung der gegenrevolutionären Während das Manifest bereits die Ein- Machtpositionen noch längst nicht ge­Er­

Reformismus emporsteigt, um sofort ins Augenblick verzichtet und nach einer Dis­Revolutionäre fliegen zu wollen, so mag kussionsgrundlage sucht, die eine erschöp­das interessant sein, aber die Erneuerung, fende Behandlung des Gesamtproblems sm die berufung der parlamentarischen Volks- gesichert sein kan sollte weniger plötzlich und überraschend würde wahrscheinlich auch neben der vertretung nach allgemeinen Wahlen vor- lebnis des Dritten Reiches ist damit aus sein, als vielmehr historisch fundiert. Eine Staatsform der soziale Inhalt des revolu- sieht, fehlt jede demokratische Vorsorge den Menschen nicht ausgetrieben.

historische Betrachtung

aber fehlt in dem Manifest fast gänzlich.

tionären Staates weit mehr, als es geschieht zur Geltung kommen. Demokratie

hier

Neben vielen Einzelheiten, die heute

Vor­

dort, wo es sich um den Aufbau der po- her, unter der Weimarer Republik , wa­litischen und wirtschaftlichen Verfassung ren sie meistens überzeugungslose Mit­im revolutionären Staate handelt. Es ist läufer. Seitdem erlernten sie in der wohl einmal von einer Planstelle die Schule des Nationalsozialismus ein Ueber­Rede, die völlig in der Luft hängt. Die maß an Schändlichkeit. Das geht leider

Es beginnt mit dem 30. Januar 1933 als wenn wir darauf verzichten könnten, die nicht erörtert werden sollen, wird die Erinnerung an 1918 sollte uns veranlas- schnell und verhältnismäßig mühelos, weiter zurückliegenden Ursachen für die Behandlung der parlamentarischen Demo- sen, statt der formalen Parlamentsdemo- während jeder sittliche Erfolg vieler Aufwärtsentwicklung des deutschen Fa- kratie als Gradmesser für die machtpoliti- kratie die Konstruktion einer demo- Mühe und Geduld bedarf. Die revolu­schismus zu untersuchen. Wenn sich die sche Bedeutung dieses Manifests angesehen kratischen Räteverfassung auf- tionäre Macht wird erst dann gesichert