Nr. 37 BEILAGE

Neuer Vorwärts

Der Weg zur revolutionären Politik

Eine Anti- Kritik

25. Februar 1934

Von Max Klinger

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Kundgebung Die Bedingungen des revo-| Linien zu der jetzigen Kundgebung. Dar- 1 bewegung. Es genügt dann nicht, bis lutionären Kampfes" niedergelegt. Auch nach aber hat in den übrigen literari- 1914 zurückzugehen das würde nur dies ist nicht irgend ein Standpunkt", schen Erzeugnissen" eine breite Dis- von einer sehr oberflächlichen Auffassung Genosse Aufhäuser lehnt die Kund- der mit Mehrheit beschlossen worden ist, kussion über Vergangenheit, des Problems zeugen dann müßte viel­gebung des Prager Parteivorstandes ab. das ist das Ergebnis und zum größten Gegenwart und Zukunft inge- mehr zurückgegriffen werden bis auf die Er hat als Mitglied des Parteivorstandes Teil- Schilderung wirklich gesetzt, ein Versuch, ökonomischer und ersten Anfänge, bis zur Entstehung des dagegen gestimmt. Die Gründe für seine leisteter Arbeit! historischer Analysen, der Ueberprüfung legalen Kurses nach dem Sozialistenge­Ablehnung liegen in der Person der Ver­Die Zentrale in Prag hat bereits zwei- der Politik der Sozialdemokratischen Par- setz und dem Anteil, den Friedrich Engels fasser, in der Form wie im Inhalt. Seine mal durch ihre praktische politische Stel- tei im Staate von Weimar , kurzum eine daran hatte, und vielleicht noch weiter Kritik fordert eine Anti- Kritik heraus. Die Zentrale der Sozialdemokratischen Grundhaltung bekräftigt, von lungnahme die gegen früher veränderte Selbstkritik, der praktisch keine zurück! Da müßte man das große Problem der die Grenzen gesetzt gewesen sind. Die Ver- aufrollen, warum die deutsche Arbeiter­Partei in Prag so sagt Genosse Auf- Kundgebung ausging. Am 17. Mai 1933 öffentlichung der Schrift von Miles hat klasse bisher nicht das richtige revolu­häuser- darf mit nach neuen Wegen des hat die sozialdemokratische Reichstags- gezeigt, wie dem Klärungsprozeß freie tionäre Bewußtsein entwickelt hat. Da Erkennens und des Kampfes um die fraktion für die Außenpolitik Hitlers ge- Bahn gegeben worden ist. Auch ist. Auch das gibt es gar keine erschöpfende Behand­Macht suchen. Sie darf ihren Apparat in stimmt. Die Zentrale hat- damals noch Aktionsprogramm, das in dieser Schrift lung des Gesamtproblems"! Im übrigen den Dienst des Klärungsprozesses stellen, von Saarbrücken aus- von der Reichs- aus Kritik und Analyse abgeleitet wurde, finden sich in den übrigen literarischen sie soll eine Willenszentrale werden, um tagsfraktion verlangt, daß sie der Sitzung hat seinen Niederschlag in der Kund- Erzeugnissen" sehr ernsthafte Versuche, an der programmatischen Neugestaltung fernbleiben solle, und wenn sie dennoch gebung gefunden. Bei ihrer Vorberatung in dies Problem einzudringen, und werden mitzuhelfen. Aber darf sie eine eigene teilnehme, daß sie gegen Hitler stimme. haben ferner zwei Genossen weitgehend sich auch in Zukunft weiter finden! Man Meinung haben, darf sie einen festen Sie hat damit einen damit einen außerordentlich mitgewirkt, die bis kurz vor der Auf- muß sie nur lesen.

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Standpunkt einnehmen, von dem aus sie handelt, und darf sie diesen Standpunkt öffentlich bekanntgeben? Das wieder darf sie nicht, erklärt Genosse Aufhäuser, sie darf nicht ,, irgend einen mit Mehrheit beschlossenen und geformten, fertigen geformten ,, fertigen Standpunkt" eines Parteivorstandes ser­vieren."

,, Irgend einen mit Mehrheit beschlos­senen und geformten fertigen Stand­punkt!"

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Oranienburg

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Genosse Aufhäuser möchte schon durch die Form den Reformismus noch stärker gebannt sehen. Was aber nun drittens den Inhalt betrifft, so sieht er den Reformismus schon durch die Hinter­tür wieder hereinspazieren- die Propa­ganda für die Einberufung einer Volks­vertretung, die formale Demokratie, die Verabschiedung der handelnden und drängenden Massen, die vorzeitige Schließung der Revolution, den parlamen­tarischen Kretinismus und vielleicht so­gar die Koalitionspolitik:

,, In der im Manifest gegebenen Fassung ist grundsätzlich gegenüber der Haltung von 1918 ein Unterschied festzustellen, selbst wenn diesmal die konstituierende Nationalversamm­lung einige Wochen später als damals statt­finden soll."

Aber das ist ja alles gar nicht wahr! Wo Genosse Aufhäuser dies nur gelesen haben mag?

Das Manifest sagt deutlich genug, daß es unter dem Kampf mit revolutionären Mitteln nicht den Kampf mit Stimmzetteln versteht, sondern die Niederringung des Faschismus im Bürgerkrieg. Es sagt ebenso deutlich, daß der Sieg in diesem Kampfe zu einer revolutionären Regie­rung führen wird, die ihre Legitimation durch den Sieg im Kampf und nicht durch Wahlen erhält. Es schreibt dieser revo­lutionären Regierung die Aufgabe zu, den Prozeß der Revolution vorwärtszutreiben bis zur Zerstörung der antidemokrati­schen Kräfte und ihrer sozialen Macht­positionen, die ihnen Verfälschung und

Sollen die Mitglieder der Zentrale in Prag als grundsatzlose Opportunisten sich in der Emigration herumtreiben und dar­auf warten, bis ihnen irgend jemand eine Grundlage serviert für die Tätigkeit, die sle seit ihrem Weg über die Grenze aus­geübt haben? Schließlich war der Ent­schluß, in der Emigration zu arbeiten. ein politischer Entschluß, der eine bestimmte Auffassung über den Kampf voraussetzte, und in der Tätigkeit seither sind eine Reihe von Erfahrungen gemacht worden, die diese Auffassung be­festigt haben. Genosse Aufhäuser spricht von einem schwierigen Klärungsprozeß, dem man Zeit und Freiheit lassen müsse. Der Klärungsprozeß über die großen Grundlinien dieses Aufrufs war so sehr schwierig nicht, denn diese Grundlinien stehen im engsten Zusammenhang mit den praktischen politischen Entscheidungen, die jeder nach der Demaskierung der deutschen Despotie, vor allem aber am 17. Mai treffen mußte. Es kann deshalb nicht geduldet wer­den, daß von diesem Aufruf gesprochen wird als von irgend einem mit Mehrheit scharfen Trennungsstrich gezogen. Vornahme der Vorberatung in Deutschland Mißbrauch der Demokratie gestatten wür­beschlossenen und geformten Stand- dem 12. November hat die Zen- gearbeitet haben und dort Erfahrungen den. In diesem Prozeß der Revolution­punkt", der als plötzliche Veröffentli- trale in Prag sich abermals der ideo - über innere Stimmungen, Diskussionen und das werden nicht einige Wochen chung" serviert wird. Diese Form der logischen Verwirrung in Deutschland und Bedürfnisse gesammelt haben. Zu sein werden die Grundelemente einer Kritik nimmt der persönlichen politischen entgegengeworfen. Ihre Aufforderung, allem hinzu hat zuvor noch eine öffent- künftigen Verfassung im Kampfe ge­Entscheidung von vielen, die einen opfer- Hitlers Volksentscheid mit Nein" zu be- liche Auseinandersetzung über die Not- schaffen, und nicht durch die konstituie­reichen und gefährlichen Weg gegangen antworten ist ebenso bekannt wie die wendigkeit einer solchen Kundgebung rende Nationalversammlung nach dem sind, den Sinn, sie entwertet geradezu den Tatsache, daß sie diese Aufforderung in mit dem Genossen Kautsky stattgefun- Vorbild der Versammlung von Weimar! Standpunkt, den sie eingenommen haben. Deutschland verbreiten ließ. Genosse den, in der das Recht zu einer solchen Kann man deutlicher deutlicher definieren, kann Es ist deshalb nötig, das politische und Aufhäuser möchte im Grunde genommen, Kundgebung in folgenden Sätzen nieder- man klarer den vollkommenen Funktions­literarische Werden dieses Standpunkts daß die Zentrale in Prag schweige. gelegt worden ist:

zu skizzieren.

Aus dem, Notenkraker", Amsterdam

» Wie die Verrückten schlugen sie auf uns los«

Hätte sie auch vor dem 12. November

Anfang Mai ging ein Teil des sozial- schweigen und nicht die parteimäßige demokratischen Parteivorstands in die Propaganda erneuern" sollen? Es war Emigration, um die organisatorischen an diesem Zeitpunkt angesichts der Ver­Verbindungen und die Propaganda von wirrung in Deutschland sehr nötig, daß

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( Gerhart Seger )

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den

wandel der Demokratie in diesen Kämp­,, Wir sollten nicht darnach streben, fen beschreiben? Welch ein Nominalis­einen gemeinsamen Ausdruck für das zu mus, den Genosse Aufhäuser da enthüllt, abstrakten Be­finden, was heute viele Tausende bewegt, welches Festhängen an die wir sammeln müssen, sollten nicht griffen losgelöst von den gesellschaftlichen darnach trachten, den Zweifelnden und und historischen Umständen! sie einen festen Kurs aufzeigte! Fragenden klare Antworten zu geben?" Die Zerstörung eines solchen Klebens wurde alsbald von einem anderen Teil| Es ist ohne weiteres erkennbar, wie Nein es war nicht gut, daß Genosse Auf- an abstrakten Begriffen gehört zu des Parteivorstandes wie von der Reichs- aus diesem geschichtlichen Ablauf die häuser von irgend einem mit Mehrheit Notwendigkeiten des Klärungsprozesses. tagsfraktion bekämpft, die dem Terror große Grundlinie der Kundgebung, das beschlossen geformten fertigen Stand- Genosse Aufhäuser konnte selbst zu gegenüber eine Politik des Duckens und Bekenntnis zum revolutionären Kampf punkt des Parteivorstands" gesprochen diesem Klärungsprozeß beitragen, wenn Stillehaltens führen wollten. Diese Diffe- herausgewachsen ist. Aber nun der hat und es war vor allem nicht er positiv seinen Standpunkt niederlegen, renz hat zu einem Kampf der An- literarische Weg! richtig! wenn er zur rein negativen und stimmungs­geführt. In diesem Das Erscheinen des Neuen Vor- Zum zweiten findet Genosse Auf- mäßigen die positive Kritik fügen wollte: Kampfe, über dessen Schärfe und Bitter- wärts" begann mit einem programmati- häuser die Form ungenügend. Sie ist Hier ist Rhodos ! komm und zeige keit Deine Kunst hier wird getanzt! wird, ist der Standpunkt erwachsen, den taktischen Rücksichten nicht die Form Betrachtungsweise gewünscht, eine Un­Der Parteivorstand in Prag hat mit Genosse Aufhäuser jetzt bagatellisiert. eines Manifestes hatte. Es ist ohne wei- tersuchung, warum die reformistische seiner Kundgebung klar seine Stellung be­Für die Zentrale in Prag war die Er- teres erkennbar, daß die Kundgebung eine Politik der Vergangenheit zu Rückschlä- zeichnet. Er ist nicht untätig und kann Fortbildung davon ist. Dort finden sich gen geführt hat und eine objektive Wür- nicht untätig sein. Mit seinem Handeln gegenüber der Kampf mit revolutionären auch einige Analysen und geschichtliche digung der geschichtlichen Vorgänge seit ist untrennbar verbunden, daß er sagen Mitteln geführt werden muß, nicht nur Entwicklungen, die Genosse Aufhäuser in 1918 und seit 1914. Im Ernst werden hier muß, was er ist, was er tut, was er wil!! Theorie, sondern Praxis, die von jedem der Kundgebung vermißt. Faẞt zu gleicher Ansprüche gestellt, die selbst ein Partei- Denn sein Handeln ist nicht nur rein me­persönliche Entscheidung gefordert hat.

schauungen

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Zeit gab die Zentrale die Broschüre ,, Re- programm mit einem breiten theoreti- chanisch vermittelnd und dienend, son­

Im Laufe ihrer Tätigkeit hat die Zen- volution gegen Hitler " heraus. Die Ab- schen Teil nicht erfüllen könnte. Die dern politisch- und zur Politik gehört trale in Prag Verbindung mit Arbeits- kehr vom Reformismus, das Bekenntnis historischen Bedingungen für die Politik schließlich ein Standpunkt. Nichts wäre gruppen in Deutschland aufgenommen. zum Kampf mit revolutionären Mitteln, von 1918 und die Veränderung dieser Be- falscher, als der Gedanke, daß er mit der Sie hat nicht nur gearbeitet und Arbeit die Erkenntnisse über die Notwendigkeit dingungen werden am Beginn des dritten Veröffentlichung dieses Standpunktes ein gefördert, sie hat dabei auch wertvolle neuer Organisationsformen waren darin Abschnitts der Kundgebung kurz und Dogma, einen verpflichtenden Anspruch Erfahrungen gesammelt. Sie weiß von niedergelegt. Diese Schrift entstammte scharf aufgezeigt. Die Untersuchung hätte aufstellen wollen! Er hofft aber, Ge- einer in Deutschland nach dem 17. Mai aber, die Genosse Aufhäuser wünscht, daß er mit dieser Kundgebung sowohl nossen und einzelne Gruppen. Diese Er- entstandenen und in Deutschland arbei- müßte nichts anderes sein als eine kriti- dem Kampf als auch der Sammlung einen fahrung hat sie im ersten Abschnitt der tenden Gruppe. Auch von hier gehen sche Geschichte der deutschen Arbeiter- Dienst erwiesen hat!