Nr. 47 BEILAGE

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Netter Normirts

Babaerul

6. Mai 1934

208

Der Sinn dieser Emigration

Heinrich Mann und ein junger Deutscher

Tausende sind hinausgegangen, fast| nicht Vermassung", wie sie der Hitleris -, Mann zu Einsichten, die man den Kleine-, es mir noch weniger, als sie den schlechten alle Unbekannte und Ungenannte. Von mus betreibt, sondern im Gegenteil Be- ren der literarischen Emigration gern ins Siegern ihren unverdienten Sieg verzeihen. Voraus geht aber, daß die Kommunisten den wenigen, deren Namen Deutschland freiung der Persönlichkeit von der Mas- Stammbuch schreiben möchte: und der Welt einiges sagt, leben die mei- senuntertänigkeit und von jenem Drill, ,, Wenigstens die im Ausland entkommenen die Republik lähmten, anstatt daß sie sten in stiller Verborgenheit, weil sie für den man im Dritten Reich Gleichschal- Kommunisten könnten jetzt feststellen, mitarbeiteten, um sie zu radikalisieren. Sie hat­sich oder für ihre Angehörigen den Zorn tung nennt. Indem die Arbeiterklasse wie falsch es ist, wie falsch es immer war, sich ten sich außerhalb der Republik gestellt, so der Machthaber fürchten. Und so sind es dieses Regime bekämpft, dient sie in der näher bei Moskau zu fühlen als bei ihren deut- verurteilten sie sich selbst zur Unwirksamkeit von den wenigen wieder nur ganz wenige, Tat nicht nur sich selbst. sondern der schen Genossen von der anderen Partei. Die und brachten das Proletariat in eine künstliche Sozialdemokratie hat die Republik verloren; Minderheit, die den Feinden der Republik erst die mit ihrem Ansehen und ihrer geistigen ganzen Menschheit. Potenz den Kampf gegen das Deutsch - Von hier aus kommt dann Heinrich jeder weiß es, und viele Emigranten verzeihen ihre gute Gelegenheit gab." land von heute für das Deutschland von morgen führen. Unter ihnen ganz vorne steht der Dichter Heinrich Mann .

Während andere mit ihrer Kunst irgendeine Mittellinie suchen, auf der sie vielleicht ebensogut vor den anständigen Menschen wie vor den Göbbels und Johst bestehen können, sendet der tapfere Dich­ter Heinrich Mann eine Streitschrift nach der anderen in die Welt; und obwohl er als Mann um die Sechzig sich schon in dem Alter befindet, in dem nach der Ueberzeugung mancher Jungen die Ver­kalkung unaufhaltsam fortschreitet. scheint er mit jedem Schlag stärker zu werden und sich höher zu recken. Seine neue kleine Schrift Der Sinn dieser Emigra­tion" ist ruhiger, abgeklärter als der lei­denschaftlich überschäumende ,, Haẞ ", sie wirkt darum noch stärker.

Der Kampf um die geistige Freiheit in Deutschland , um die Wiederauferstehung menschlicher Gesinnung, wie ihn Hein- obr rich Mann jetzt mit aller Kraft führt, ist ein politischer Kampf. Leider hat es stets zu den Fehlern unserer Geistigen" gehört, von ihren Höhen auf die tiefer liegenden Gefilde der Politik mit mitleidi­ger Geringschätzung herabzublicken. Da­mit haben sie sich gewiß viel Unange­nehmes erspart, aber sie haben auch zu­meist versäumt, sich das Rüstzeug anzu­schaffen, ohne das man nun einmal poli­tisch nicht kämpfen kann. Ohne aus­reichende Kenntnis der Ideen und der Tatsachen, auf denen die Politik beruht, sind sie ebenso zu naiver Begeisterung geneigt wie vorschnell in pathetischer Verurteilung.

Auch Heinrich Mann war von diesem Erbfehler deutscher Geistigkeit nicht immer ganz frei; aber er ist mit Erfolgs

bemüht, ihn abzulegen. Seine neue

Schrift enthält mancherlei Erkenntnisse, softs

von denen man wünschen möchte, daß sie Gemeineigentum würden.

Heinrich Mann läßt keinen Zweifel daran, daß er die Verfolgung der Juden in Deutschland als eine ungeheuere Schmach empfindet und daß er, der deut­ sche ,, Arier" mit seinem ganzen Herzen bei den Verfolgten ist. Trotzdem warnt er davor mit Recht, eine Angelegenheit, die das ganze deutsche Volk an­geht, als eine bloße Judenfrage zu be­handeln. Er sagt denen, die es noch immer nicht begreifen wollen, daß es die deutsche Republik und der soziale Wohlfahrts­staat waren, mit dem sie ihre Heimat ver­loren haben. Er sagt ihnen auch mit aus­gezeichneten Worten, daß Demokratie nicht bloß eine Staatsform, sondern auch eine wertvolle Gesinnung und eine nicht weniger wertvolle Methode der Menschen­erziehung ist:

,, Die Erziehung zum Menschen war einst die Sache des Christentums; die Deutschen aber hatten es abgelegt, gründlicher als an­

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MORATORIUM?

Schacht zu Hitler : ,, Schulden können wir nicht zahlen, keinen Pfennig! Es reicht ja kaum noch für Kanonen und Granaten!" Social- Demokraten Kopenhagen .

Heinrich Mann hätte ganz gut noch hinzufügen können, daß diejenigen, die jetzt nach der Niederlage die Sozialdemo­kratie am heftigsten angreifen, schon zu­vor meist kein besseres Geschäft gekannt haben. Jetzt scheint ihre größte Angst zu sein nicht daß das Hitlerregiment zu lange dauern, sondern daß die Sozial­demokratie sich in der Niederlage holen könnte. Um dieses Unglück zu vermeiden, trügen sie wohl ruhig ein paar Hitlerjahre mehr!

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Mit den Ausführungen Heinrich Manns über den Sinn dieser Emigration" hat der Verlag des Europäischen Merkur" in Paris die Schrift eines ungenannten jungen Deutschen ,,, Arbeit für übermor­gen" zu einem Bändchen vereinigt. Der junge Deutsche ist in vielem mit Heinrich Mann gleichen Sinnes. Auch er sieht in den deutschen Ereignissen nicht nur einen Kampf der Klasse um ihren Anteil an den Erträgnissen der Produktion, sondern viel mehr noch einen Sieg der Diktatur über die Menschenrechte, deren Rücker­oberung die ,, Arbeit von übermorgen" ist. Er schadet aber seiner guten Sache, indem er, ohne die notwendigen Kenntnisse zu besitzen, Kritik am Marxismus übt. Was ihm als Rettungsmittel vorschwebt, ist eine Synthese von Liberalismus und So­zialismus und eine Transformierung des Marxismus ins Idealistische. Daß über diesen Gegenstand schon eine große Literatur existiert, scheint ihm entgangen zu sein.

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Beide Autoren Heinrich Mann und der junge Deutsche begehen den glei­chen Fehler, wenn sie in der deutschen Emigration eine Art Aristokratie blicken. Namentlich dem jungen Deutschen muß man sagen, daß wir alle, die wir draußen sind, Grund zur Bescheidenheit haben. Das Höchste an Mut, das wir ent­wickeln können, ist nichts gegenüber dem Heroismus jener, die im Innern den stil­len Krieg gegen das Regime führen. Ihnen zu helfen, indem wir die Weltmeinung für sie und unseren gemeinsamen Kampf mobilisieren, das scheint uns der eigent­lichste ,, Sinn dieser Emigration". F. St.

Schicksalsfrage: Rähm oder Seeckt?

Landsknecht oder Soldat?

Form und Inhalt der Wehrmacht

Ein militärischer Mitarbeiter legt hier unternahm, dem Nationalsozialismus den| Arierparagraph kam auch hier zur Anwen­die grundsätzlichen Gegensätze zwischen Weg zur Macht zu versperren, so wußte dung, das Hakenkreuz wurde aufgezwun­Reichswehr und Nationalsozialisten in er als Soldat schon warum. Abgesehen genes Symbol usw. Aber dies alles hat einer Weise dar, die auch wir in der von der Wirtschafts- und Sozialpolitik der doch die Reichswehr zunächst in ihrer Hauptsache für richtig halten. Für seine NSDAP . war es die Sorge um die Form Form nicht verändert. In dieses Sta­Ausführungen im einzelnen müssen wir und den Inhalt der Reichswehr , die den dium treten wir erst jetzt. Die ganze ihm die Verantwortung überlassen. General in seiner Haltung bestimmte. Er Schärfe des Gegensatzes kommt nun zum Red. d.» N. Vorwärts«. erkannte die Gefahr, die drohte. Er wußte, Ausdruck. Es hat den Anschein, als rette

dere. Die Erziehung zum Menschen liegt, außer- So wenig wie der Nationalsozialismus daß ein Regime Hitler der Reichswehr die Reichswehr ihre alte Form vor allem halb der Kirche, bei der Demokratie allein. à la Rosenberg mit der Kirche, ebenso eine ähnliche Stellung zuweisen würde durch die Rivalität unter den Führern. Die Deutschen aber sind zu lange verhindert wenig vereinbar ist die moderne Reichs- wie die faschistische Miliz.der italienischen

Alter und neuer Militarismus.

worden, in ihre Lehre zu gehen, und als sie wehr mit dem Landsknechttum der SA. Armee: ein Schattendasein. Die getroffe- Wie die Arbeiterklasse, so ist auch das es endlich durften, während ihrer verspäteten Die Kirche könnte sich mit dem National- nen Maßnahmen lagen denn auch alle auf Bürgertum differenziert und aus diesem Republik , taten sie es ohne Ueberzeugung, mit sozialismus abfinden, wenn sie die reli- dieser Ebene, obwohl es in den erten Mo- Grunde im Denken und Handeln nicht völ­innerer Ueberhebung, daher wirkungslos. Sie giöse Führung hätte, wie die Reichswehr naten des Hitlerregimes aussah, als solle lig einheitlich. Auch hier gibt es verschie­lig einheitlich. Auch hier gibt es verschie­hatten die Demokratie überwunden, bevor sie giöse Führung hätte, wie die Reichswelir naten des Hitlerregimes aussah, als solle hatten die Demokratie überwunden, bevor sie die SA. dulden könnte, wenn diese nicht die Reichswehr auch fernerhin ihre Rolle dene Ansichten über die einzuschlagenden auch nur erfaßten, wem sie dient, nicht einem ihre eigenen Bewegungsgesetze hätte, die als Staat im Staate weiterspielen können. Wege zur Sicherung der Herrschaft. Dies Staat, einer Klasse, sondern den Menschen." denen der Reichswehr nicht entsprechen, Doch das war nur Taktik. Man konnte ist unter anderem in der Frage der Hier tritt der Fall ein- der nicht sel- in mancher Hinsicht ihnen sogar streng es sich nicht leisten, gegen alle Gegen- Wehrverfassung der Fall. tener sein sollte als der umgekehrte- daß entgegenwirken. Aber diese Verständigung kräfte zur gleichen Zeit zum Angriff über- Der Weltkrieg endete mit der Zer­der Politiker vom Dichter lernen kann. ist nicht möglich, weil der Nationalsozia- zugehen. Nach und nach aber wurde auch schlagung der alten preußischen Armee. Denn dieser ist hier Verwalter eines lismus selbst eine Religion und auch selbst die Reichswehr gleichgeschaltet, Ham- Mit Recht sieht der Historiker Arthur hohen Gedankengutes unserer klassischen ein militärisches System ist. Wenn merstein wurde herausgedrängt, SA.- Rosenberg darin die entscheidende Philosophie und Literatur. Demokratie ist Schleicher als letzter den Versuch Personal kam in die hohen Spitzen, der Neuerung. Deutschland mußte sich im