flp. 48 SONNTAG, 13. Mai 1934Verlag; Karlsbad, Haus„Graphia"— Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte SeiteAus dem Inhalt:Das neue HindenburgprogrammProfit geht über Arbeits-beschaffungSklavendienst oder MilitärdrillStandgericht— gegen wen?(Der bezohll die deutsche AiMung?Rüstungspolitik und Gläubigerkonferenz— Politische Fragen erster OrdnungIst die Entwicklung seit dem Kriegeüberhaupt durch die immer engere Verflechtung von Wirtschaft und Politikcharakterisiert, so ist die Gl ä u b i g e r-Konferenz, die am 27. April in Berlinbegonnen hat, um über die von Schachtengekündigte vollständige Einstellung desZins- und Tiigungsdienstes auf die lang-ästigen privaten Schulden zu beraten, zuüem Brennpunkt geworden, in dem sichPrivate Angelegenheiten von Gläubigernnad Schuldnern, die anscheinend nur diesen Kreis zu interessieren brauchten, mitüen wichtigsten weltpolitischenInteressen treffen.Dabei hat sich eine eigentümliche Si-Ination ergeben. Auf deutscher SeiteVerden die Verhandlungen von Schachtgeführt, der sich in erster Reihe als politischer Exponent der nationalsozialistischen Diktatur und ihrer machtpolitischenZiele fühlt. Ihm stehen gegenüber P r i-vatbankiers als Vertreter der einzel-nen Gläubiger, in dieser Funktion nur anfler Möglichkeit und dem Ausmaß derZahlungen, in keiner Weise aber an denPolitischen Folgen interessiertUnd weiter: Unter den Gläubigernspielen nach der Höhe ihrer Forderungen�ic Angehörigen Hollands, derSchweiz und Schwedens eine bedeutsame Rolle; ihre Regierungen fühlensich aber nur wirtschaftlich interessiert�egen der Folgen einer etwaigen deutschen Zahlungseinstellung auf die Zahlungsbilanz und das Bankwesen ihrerLänder; als Vertreter von Kleinstaatensind sie nicht stark genug, um die reinPp'itische Entscheidung zu beeinflußen.Von den großen Ländern wollen dieV® fein igten Staaten sich jederEinmischung in die europäische Politikenthalten. Die Roosevelt-Regierung, geigen von der antikapitalistischen Volksstimmung, will sich aber auch in der Vereidigung der privaten Gläubigerinteres-sen, die als die Interessen von Wallstreet,der Großfirma, gelten, nicht allzusehr engagieren; die amerikanischen Gläubigeruhlen sich somit von vornherein in einersebwachen Position.Politisch ist die Stellung Englandsder der Vereinigten Staaten nicht unähn-'ch. Macdonald und Simons jagen"och immer dem Phantom einer Abrü-�ung nach, die die Anerkennung derPutschen Aufrüstung einschließt: sie wer-en darin bestärkt durch die Erfolge der®nglischen Arbeiterpartei, die ihre Agita-'on mit einer hemmungslosen, abstraktenazifismuspropaganda bestreitet DieeUglische Regierung schreckt deshalb vor�'uer energischen politischen Stellung-danme gegen die Hitlerregierung zurück;fem wirtschaftlich freilich hat sie ihrePsjtion etwas geändert Hatte sie ur-Prünglich die Forderungen ihrer Gläubi-p als rein private Angelegenheit bedachtet, so läßt sie jetzt erkennen, daß,'e unter Umständen auch zu finanziellenfuckmitteln bereit istP Am merkwürdigsten ist die Stellungr a n k r e i c h s. Es ist das Land, dasff stärksten und unmitelbarsten an denPlitischen Folgen des Konferenzer-.. nisses interessiert ist, die Macht auch,t.le am ehesten bereit wäre, sich von poli-Sc. n Erwägungen leiten zu lassen. Aber7S'st zugleich das Land, das f i n a n-s.le'l am geringsten interes-J e r 1 ist, denn die Franzosen waren zuuk. um Deutschland in nennenswertemUmfang Kredite zu geben; und für dieBeträge, die durch Vermittlung Schweizeroder holländischer Banken nach Deutschland gegeben worden sind, müssen dieseBanken geradestehen.So steht Schacht als Vertreter derdeutschen Staatsmacht, in erster Liniedarauf bedacht, das politische Interesseseiner Regierung durchzusetzen, einerunpolitischen, zersplitterten Front derausländischen Privatgläubiger gegenüber. Was ist aber das p o 1 1 1 i s c h eZiel, das die Hitierdiktatur mit derEinstellung der Zahlungen verfolgt?Die nationalsozialistische Politikgeht aufs Ganze.Man muß sich zunächst klar machen,was die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik bisher erreicht hat.Sie hat durch die Einstellung der Kapitalrückzahlungen zunächst ungefähr 13 Milliarden Reichsmark ausländischen Kapitals in Deutschland gebunden und diese Riesensumme der Verfügungsgewalt ihrer Eigentümer entzogen; sie hat an der Entwertung der fremden Währungen rund 4 Milliarden profitiert; sie hat durch die teilweise Einstellung der Zins- und Tilgungszahlungen die Markforderungen der Gläubiger zum Teil entwertet,— sie gezwungen, diese entwerteten Marie der Reichsbank abzutreten und damit den deutschenDumpingexport auf Kosten der Industrieihrer eigenen Länder zu finanzieren. Wiesähe die deutsche Wirtschaft unter nationalsozialistischer Führung erst aus, wenndiese einmaligen Glückszufälle nicht eingetreten wären!Gleichzeitig hat die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik durch ihren agrarischen und industriellen Ueberprotektio-nismus den Außenhandel fortschreitendruiniert; sie hat durch die Rüstungs- undArbeitsbeschaffungsausgaben den Importgesteigert und die aktive Handelsbilanzin eine passive verwandelt, sie hat diegroßkapitalistischen Unternehmungen angereizt, die im Ausland tief gesunkenenSchuldtitel zurückzukaufen und ihnen ermöglicht, auf diese Weise große Extraprofite zu machen; dafür hat sie ihnendie nötigen Devisen zur Verfügung gestelltund damit weiter die Zahlungsbilanz verschlechtert; sie hat den Goldbestand derReichsbank in immer höherem Maß zurFinanzierung des Einfuhrbedarfs herangezogen und so durch ihre Politikden Bankrott selbst herbeigeführt, den jetzt die Gläubiger akzeptieren sollen!Nun geht sie aufs Ganze!Schacht will jetzt, nachdem die Politikder Nationalsozialisten absichtlich denZustand scheinbarer Zahlungsunfähigkeitherbeigeführt hat, durchsetzen, was ervon Anfang an erstrebt hat, die Einstellung aller Zins- und Tilgungszahlungen auf unbestimmte Zeit. Es handelt sich umfolgende Größen:Die langfristigen Schulden, deren Behandlung jetzt zur Erörterung steht, umfaßtennach den letzten Veröffentlichungen am 30.September 1933 insgesamt RM. 7.44 Mdn. DieVer. Staaten hatten daran 3 Mdn.. Holland 1-53Mdn., die Schweiz 1.05 Mdn., England 0.81Mdn. und Frankreich 0.48 Mdn. Das Zinsen-s o 1 1 Deutschlands aus seinen gesamten Aus-landsverpflichtungen ist für 1934 auf rund RM.800 Mill. zu veranschlagen. Davon entfallenauf Y o u n g- und D a w e s-Anleihen über 100Mill., auf die Stillhalteschulden 110 bis 120 Mill.Gelingt der Coup, soverbessertsichdie deutsche Zahlungsbilanzum einige hundert Millionen.Die Mehrimporte für die deutsche Rüstungspolitik und die Arbeitsbeschaffungmit fauleir Wechseln können aufrecht erhalten werden und damit wird die Aufrechterhaltung der Diktatur, die Fortsetzung einer Wirtschaftspolitik, die dieausländischen Waren vom deutschenMarkt ausschließt, aber die deutschendurch Dumping den ausländischen Märkten aufzwingt, gesichert. Und dies allessoll mit dem Geld der Gläubiger der anderen Länder finanziert werden, die dafürmit neuer Erschütterung ihres Bankwesens, mit Verschlechterung ihrer Zahlungsbilanz, mit illoyaler Konkurrenz gegenihre Industrien belohnt werden.Um Krieg oder Frieden.Man sieht, es handelt sich um politische Fragen erster Ordnung, lebenswichtig für die nationalsozialistische Diktatur, lebenswichtig aber auchfür die anderen Völker, denn es geht umRüstung, um Krieg und Frieden, um Dinge also, neben denen dieUnruhe im Zentrum des SystemsVom 7. bis 9. Mal hat der Chef der Heeresleitung General von Fritsch in Nauheim Besprechungein mit den höherenRelcbswehrfUhrern abgehalten, nachdem Hitler am 5. Mal eine politische Besprechung mit dem Reichspräsidentenhatte.Diese Konferenzen sind ein Zeugnis fürdie tiefe Unruhe des Systems. Es geht um dieaiußenpoiltische Situation so gut wieum die I n n e r p o I i t i s c b e. Es kämpft eineKriegspartei gegen eine Richtung, die abwarten und weiter rüsten will. Es kämpit dieFührung der SA um die Eingliederung derSA In das Heer— die konservativen Generaledagegen. Hitler, der bin und her schwankt,neigt augenblicklich zur Reichswehr.Aus außenpolitischen Gründen soll die SAmehr in den Hintergrund treten und teilweiseabgebaut werden. Dagegen erhebt sich heftiger Widerstand in den Reihen der SA-Führer. die Verlust an Rang, Ansehen, Einkommen und Macht fürchten.Hinzu kommt eine ernste Erkrankung Hlndenburgs. Die Frage desOberbefehls der Reichswehr nachseinem Tode kann sehr rasch aktuell werden.Diese Fragen treffen zusammen mit dengroßen wirtschaftlichen Schwierigkeiten desSystems, mit dem Anwachsen der Oppositionund der Verschärfung der Kämpfe innerhalbder führenden Gruppe. Im Zentrum des Sy-stems herrscht Zwiespalt und Unruhe.»Die S4 erobert Berlin"—für 40.000 ReichsmarkIn einem der tausend Zimmer und Vorzimmer des Reichspropagandamimsteriums—Ehm Welk hat in naivem Glauben an irgendwelche moralischen Werte des Göbbelsregiraesüber sie fn seinem offenen Brief an den Chefdieser Zimmerfluchten und Dienerseelen leichtironisch mit betont distanzierter Hochachtunggeschrieben und es ist ihm sehr schlecht bekommen— sitzt seit einem Jahre auch Wilfried Bade, einer der Jungen aus demGöbbelskreds. Der siebenundzwanzigjährigeKrause, den die Tatsache, daß er einmaleinen Photoapparat gesehen hat, bei seinemHerrn und Meister so empfahl, daß er zumGebieter über den deutschen Film gemachtwurde, war sein Kumpan.Diesem Wilfried Bade spielte sein Amtschon in den ersten Monaten des vergangenenJahres zu dem schon vorhandenen Materialnoch neues über die„Eroberung" Berlins durchdie SA zu und er sah darin eine Möglichkeitviel Geld zu verdienen. Das Beispiel des Führers hatte auch in seinem Herzen gezündet.Allerdings fühlt er sich der Aufgabe, darausetwas zu machen, was sich so liest wie einmildes Abführmittel schmeckt nicht gewachsen und er hielt daher unter den arischenJournalisten des ancien regime Umschau.Denn ein nationalsozialistischer Kollege hättemit ihm nicht geteilt sondern ihn für das Material mit einigen hundert Reichsmark abgespeist Ein belasteter Weimarer aber, derwürde sich noch geehrt fühlen, und auch fürdie Zukunft eäne Chance darin sehen, wennWilfried Bade mit ihm gemeinsame Sachemachte. Für gute Arbeit wollte er ihm sogardie Tressen der SS verschaffen.Der forschende, durchdringende Blick desjungen Germanen fiel auf Fred Hildenbrand, der zwar nicht weniger arisch warals er selbst der aber als Protektionskind desJuden Theodor Wolf, als Stellvertreterdes Landesverräters Kerr und als hauptamtlicher FemHetouredakteur von M o s s e s„Ber-Hner Tageblatt" eine äußerst anrüchigeVergangenheit hatte, obwohl er aus diesenFunktionen längst ausgeschieden war. Aberschreiben konnte Hildenbrandt, gerade so öligsentimental, so zu Herzen gehend, wie es diebehosten und berockten Weiber gern haben, dieden Marxistenschwednen gönnen, wenn sielangsam zu Tod gequält werden, aber sich vorRührung nicht fassen können, daß der starkeHermann zu Tieren so gut istFred Hildenbrands Namen durfte allerdingsin der Oeffentlichkedt nicht laut werden. Erinnerungen an Mosse konnte Wilfried Badebei diesem Geschäft nicht brauchen. Auch hafteseinerzeit der„Angriff" gegen diesen Tageblattredakteur den Vorwurf erhoben, daß er seineRedaktionsstellung zu persönlichem Vorteilmißbrauche, und so etwas ist doch nur Nationalsozialisten erlaubt...Die„Münchener Illustrierte" bibberte in Angst vor der Konkurrenz des„Illustrierten Beobachters" und war bereit die höchsten Honorare zu zahlen, wenn sie von einemanerkannten Nazimann eine brauchbare aktuelle Reportage bekam, die mit Bildern in Fortsetzungen gebracht werden konnte und dasInteresse der Leser der Zeitschrift wieder zuführte. Fred Hildenbrand schrieb auf Grunddes Materials Bades, unter dessen Namen danndie fertige Schntierage in den Besitz der„Mün-chencr Illustrierten" überging. Preis 40.000Reichsmark, von denen jeder der Spießgesellen die Hälfte bekam.Das ganze heißt:„Die SA erobert Berlin"und ist jetzt auch als Buch erschienen. Verfasser Wilfred Bade.So erobert die SA Berlin!