Nr. 60 BEILAGE

Neuer Vorwärts

Frauen sind die Opfer

5. August 1934

Die Frauen haben leider stets für Jahre lang erduldete Martyrium ihres Mar- die von Diktatoren gepeinigte Welt überhaupt Zitternde Diktatoren

die Verbrechen der Männer büßen müs- nes. sen."

Das sagte Hitler in seiner Rede vor dem sogenannten Deutschen Reichstag am 13. Juli, als er das Verbrechen vom 30. Juni zu ver­teidigen suchte.

ein­

-

-

nackter enthüllen als dadurch, daß man die Frau Strasser, die Frau des im Schat- Namen noch zweier Frauen nebeneinander Die totalen Führer haben bekanntlich ihre ten des Grunewaldes erschlagenen und zer- stellt? Zwei Namen noch: Länder von der Unordnung des demokrati­bei dessen Kindern der Frau Wallisch, tretenen Mannes, deren zum Tode am schen Regimes erlöst. Ruhe und Sicherheit Führer" Taufpate gewesen ist, sträubt sich Galgen verurteilter Mann sie bei ihrem letz- herrschen das letztere namentlich für die vier Tage lang in allen Qualen der Angst und ten Besuche in seiner Zelle mit einem in Diktatoren. Wenn Mussolini irgendwo Das ist ein wahres Wort. Das einzige wah- der Ungewißheit gegen die entsetzliche Wahr- Chloroform getauchten Taschentuche redet, kann ihm nichts passieren ein Heer re Wort, das Hitler je gesprochen hat. Und heit, daß auch ihr Mann, der dem ,, Führer" schläfert, damit sie über seine Todesstunde von Geheimpolizisten umgibt ihn, tagelang er muß es ja wissen. Denn er ist Gründer und die Partei organisiert hat, zu den Ermordeten hinüberschlummert. Führer einer Partei, die die völlige politische zählt. Und Frau Dollfuß , wankend hinter der vorher wird das Terrain von Verdächtigen ge­eine Mauer gesiebter Anhänger Entrechtung der Frau zum Programm er- Frau Seger sitzt monatelang mit ihrem Bahre ihres Mannes, den seine Mörder zwei säubert, hoben hat und die als eine ausgesprochene kleinen Kinde im Konzentrationslager, gefan- Stunden lang auf einem blutgedränkten Di- schützt ihn. Auslandsbesuche hat er sich bis­Männerbewegung und Parteisöldnerarmee die gen als Geisel, weil ihrem Manne die todes- wan langsam sich zu Tode bluten ließen wie her Frau unter allen möglichen Begründungen mutige Flucht aus der Hölle von Oranienburg ein angeschossenes Tier, das im Gebüsch ver- Macht seiner Leibpolizei zu Ende. Im italie­dorthin zurückdrängen will, wo sie nur noch gelang. Und nicht der menschlichen Einsicht blutet. als passiv Dienende und Duldende die Folgen ihrer Peiniger, sondern nur der unermüdlich Auch hier: es gibt, wo mit brutaler Ge- richtet, in welch ungezwungener Weise der Duce mit seinem Volke verkehrt.

der ausschließlich von Männern gemachten Politik zu tragen hat. Sie hat dem aus der politischen Schlacht heimkehrenden Partei­krieger das Bärenfell hinzubreiten, hat ihm, zum Lohne geschmückt mit allen Attributen säuerlicher Tugend, Leib und Seele zu hät­scheln und dem Männerregiment im trauten Heim, in dem es Jahr für Jahr nach dem Kamillentee der Wochenstube zu riechen hat, die künftigen Parteisoldaten und die künfti­gen Mütter künftiger Parteisoldaten zu ge­bären.

Im übrigen aber hat die Frau das still duldende Opfer des Verbrechens der Männer zu sein. Das darf als Frauenpflicht und Frauenlos ein Mann proklamieren, dessen Re­gime im reichsdeutschen Original und in sei­

nen getreuen Nachbildungen ungezählte Frauen zu Opfern des Verbrechens der Män­her gemacht hat. Wohlverstanden: nicht

ihrer Männer

Hitler hat ausdrücklich

gesagt: der Männer! Und als er das sagte, zogen vor dem Auge des Radiohörers die Schatten aller jener gequälten und gemarter­ten Frauen vorüber, die es haben mit ansehen müssen, wie man ihre Männer nachts aus den Betten zerrte, wie man sie vor ihren Augen blutig schlug, mit Söldnerstiefeln trat und auf die Lastautos stieß, auf denen sie wie Ladungen von Schlachtvieh in die Folterkel­ler der SA,-Kasernen und hinter die Stachel­drahtzäune der Konzentrationslager transpor­tiert wurden. Jener Frauen gedachte man, die nach der blutigen Heimsuchung einer Wohnkolonie eine schaurige Fahne hiẞten: ein blutgetränktes Handtuch, mit dem sie die Wunden ihrer zerschlagenen Männer getrock­net hatten. Jene Frauen sah man in langen Reihen stehen, die man stundenlang vor den Toren der Konzentrationslager warten ließ, um sie dann fortzujagen mit dem Bescheid, daß über das Lager Besuchssperre verhängt sel, Frauen mit kleinen Päckchen im Arm, in denen sie mitbrachten, was sie an Lebensmit­teln für die gefangenen Männer ihrem eigenen Munde abgespart hatten, armselige Liebes­beweise, eingewickelt in das Papier gleichge­schalteter Zeitungen, die die Herrlichkeit des Dritten Reiches verkündeten. Jener Frauen ge­dachte man. die vor Entsetzen gelähmt ihre von Wunden und schmachvoller Zurichtung entstellten Männer nicht wiedererkannten, wenn sie ihnen beim Besuche im Lager ent­gegengeführt wurden. Und jener Frauen, denen der Tod ihrer Männer lakonisch mitge-|

Diktatoren

$

wohlweislich verkniffen. Dort ist die

nischen Rundfunk aber wird schmalzig be­

-

Noch vor anderthalb Jahren verkündéte er freudig, daß auch in Mitteleuropa bald fa­schistische Regierungen herrschen würden und dann die Erneuerung Europas beginnen könne. Er tat, was er konnte, um die deut­ sche Hakenkreuzlerei zu fördern heute muß er zittern, wenn er früh die Zeitung auf­schlägt und vom fortschreitenden Wahnsinn seiner gestrigen braunen Bundes- und Gesin­nungsgenossen liest. Ein Bild für Götter: jeder dieser ,, Führer" fürchtet sich vor einem anderen befreundeten Führer.

Das Schiff, auf dem Hitler als Pfleg­ling und Gefangener der Reichswehr zur Ner­venerholung in die kühlen, sicheren Gewäs­ser Skandinaviens gesteuert werden sollte, lag schon fahrtbereit, aber schließlich zog er es vor, seine Kur in die Nähe des großen Hauptquartiers der SS zu verlegen. Er fürch­tet die Ränke seiner Unterführer, neue Re­volten im Prätorianerheer, Görings Morphi­nistenpläne. Noch vor Wochen mußte seine Presse täglich berichten, wie ungezwungen er sich im Volke bewege heute mag er in seiner Nähe nur die bekannten Gesichter, der Gestapo , der Leibspitzel und der ergebensten SS - Kreaturen. Ein Kordon Schwerbewaffne­ter schützt ihn vor der Liebe der SA , vor den vielen undurchsichtig gewordenen Freun­den. Er zittert vor den Rächern der gemor­deten braunen Kameraden ebenso, wie vor den Göring , Blomberg , Schacht, Thyssen und Neurath , von denen der Führer nicht weiß, wohin sie ihn morgen führen. Der deutsche Rundfunk aber verkündet, daß Ruhe und Ordnung herrschen und der Führer das Reich kraftvoll lenkt und leitet...

In Oesterreich wird ein neuer Füh­rer gesucht. Der eine wurde abgeknallt. Die italienische Presse deutet auf Hitler als Ur­heber. Mussolinis Freund Nr. 1 ließ also Mus­solinis Freund Nr. 2 meucheln; beiden hatte der Duce in den Sattel geholfen, um die ver­sprochene Erneuerung Europas zu fördern. Dem Unterführer Rintelen wurde der Revol­ver gleich mit ins Gefängnis gegeben, damit sich die Führerkonkurrenz vereinfacht. Fey und Schuschnigg retteten ihr Leben, indem sle den erkorenen Oberführer hilflos wie ein angeschossenes Wild verbluten ließen. Star­

teilt wurde: ,, Auf der Flucht erschossen"... Wahrhaftig: Frauen büßen für die Ver- anklagenden Stimme ihres Mannes verdankt| wait, die Diktatur regiert, keinen Bereich, in hembergs Flugzeug aber war durch schlechtes

brechen der Männer

liche,

-

jener Männer, deren

vieltausendköpfige

der Männer geopfert zu werden.

,, Die Frauen haben leider stets für die

sie es, wenn schließlich englische Helfer ihre dem es heute oder morgen nicht das Schick­Führer das Wort geprägt hat! Eine entsetz- Befreiung erzwingen und sie nicht länger das sal der Frauen sein könnte, dem Verbrechen Leidenprozession Schattendasein der ungezählten Frauen teilen zieht vorüber, wenn man der Opfer gedenkt. muß, die als Geiseln und Gefangene in den Und wer alles geht in diesem Zuge mit! Waschküchen der Konzentrationslager die Frauen, deren Männer hüben standen, auf dreckigen Hemden Seiten der Besiegten, der Geschlagenen, in der schen müssen. zertrümmerten Front menschlicher Gesin­

besoffener Söldner wa­

Frau Ernst begeht Selbstmord, die Frau Berliner SA- Führers, die

Verbrechen der Männer büßen müssen."

Ein einziges Mal sprach Hitler ein wahres Wort. Er unterließ es nur, hinzuzufügen: Stets und immer dort, wo verbrecherische Männer die Macht hatten!

Manfred.

Wetter verhindert... Nun sitzen sie in ihren Klausen, beben vor der nächseten Re­volte, vor der nächsten Rachewelle, vor dem nächsten Putsch eines rivalisieren­den intrigierenden Mitführers.

Noch nie in Friedenszeiten wurde in die­sen Ländern so viel geknallt, füsiliert, einge­nung. Und Frauen auch, deren Männer mit- des erschossenen kerkert und konspiriert, nie waren anar­halfen, als die Diktatur das Verbrechen zur kurz zuvor erst als glückstrahlende Braut chische Gefahren so entfesselt, wie unter dieser ,, totalen" Führer­Herrschaft erhob. Plötzlich erweist es sich, am Arm ihres Brautführers Adolf Hitler zum daß es nicht nur die Frauen des Gegners als Traualtar schritt und auf diesem blumenbe­herrschaft. Während diese Bandenführer Opfer trifft, sondern daß es überhaupt streuten Wege für die Bilderseiten des ,, Völ­bisher nur die Wahrheit zu fürchten Frauenlos wird, für die Verbrechen der Män- kischen Beobachters" fotografiert wurde. Tierliebhaber brauchten, kehrt sich jetzt eine Gewalt ge­Vier Namen nur für tausend Trägerinnen ,, Die sächsische Regierung hat für das Ge- gen sie, die sie einst als Bundesgenossen mo­von nur vier des Frauenloses, wie es der ,, Führer" verkün- biet des Freistaates Sachsen auf Grund der bilisierten: der Mord. Und während die Böl­

ner zu büßen.

Man braucht die Namen

Staatsgefährliche

Frauen nebeneinander zu stellen, um zu zei- det hat. Nicht Frauen des Gegners Hitlers Verordnung zum Schutze von Volk und Staat ler krachen, die unterschiedlichen Terrorgrup­gen, wie die Frauen schlechthin die Opfer nur tragen es. Auch Frauen trifft es, die ge- den Bund der Lebensgesetze, Sitz Leipzig " pen rüster. und die Hungerrevolten des Win­eines Regimes werden, das seine Macht auf stern noch unbekümmert um das Schicksal und die Tierschutzorganisation ,, Ring der Ent- ters sich im Grollen der Massen ankünden, Na Verbrechen der Männer gründet. Vier ihrer Schwestern begünstigt auf der Seite der schiedenen" aufgelöst und verboten. Die Ge- haben alle die zitternden, albdruckgeplagten Sieger lebten. Es ist in dieser ans Hakenkreuz schäftsstellen der Vereinigungen sind ge- Diktatoren nur eine Sorge: daß ihre Ge­Frau Mühsam, die Frau des heimtük- geschlagenen Welt schlechthin das Los der schlossen, das Vermögen beschlagnahmt wor­kisch erschlagenen Dichters geht von Land Frauen, für die Verbrechen der Männer zu den."

Namen nur:

zu Land, von Stadt zu Stadt und berichtet büßen. mit von tausendfachem Leid gehärteter Stim-|

Kann man diese

heimpolizei richtig funktioniere und der Rundfunk, der zu berichten hat, über­Jetzt müssen selbst die Spargroschen der vom Führer" ausge- Tierfreunde die geplatzten Wechsel der brau- all im Lande herrsche Ruhe und Ordnung... Gregor.

me das unvorstellbare und doch anderthalb sprochene Wahrheit und ihre Gültigkeit für nen Gangster flicken helfen!