Neuer Vorwärts
Sozialdemokratisches Wochenblatt
Verlag: Karlsbad , Haus„ Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite
auf der anderen.
Nr. 61 SONNTAG, 12. August 1934
Aus dem Inhalt:
Harakiri eines Rebellen Ihre echten Nachrufe Mädchenhandel im 3. Reich Schachts Wirtschaftsdiktatur
Nein! Nein! Nein!
Gruß den Unbeugsamen!
- Ihrer ist die Zukunft!
wenn
Ein Tag der Schande, der tiefsten Er-| Lachen unterdrücken, wenn er liest, wie übergenug! Aber an der Tatsache, daß das| Menschheit einen unschätzbaren Dienst. niedrigung ist für das deutsche Volk der Hitler jetzt vor englischen Journalisten Gangstertum heute noch alle physischen Ihre Furchtlosigkeit bahnt der Freiheit 19. August 1934. Für ungezählte Millio- den Ultrapazifisten und Ueberdemokraten Machtmittel in der Hand hat, daß es das den Weg zum Siege. nen Männer und Frauen wird er ein Tag spielt!» Kolonien ein kostbarer Luxus<< deutsche Volk wie einen Tanzbären am der schwersten persönlichen Ent- ist es nicht, als hörte man August Bebel Nasenring führen und tanzen lassen kann,» Wir wilden Deutschen sind die besseren scheidung sein. Wenn sie zur Urne reden? Nur daß in Bebels Munde alles daran ändert die moralische Genugtuung Demokraten <«<. Hat er nicht innerhalb anschreiten, wird das Gewissen auf der einen goldechte Ueberzeugung war, während an gar nichts. Daran kann erst dann etwas derthalb Jahren das Volk dreimal zu WahSeite ihr Wegbegleiter sein und die Furcht diesem Menschen alles Schaumschlägerei geändert werden, der Terror von len und Abstimmungen aufgerufen? Wahund Betrug ist!» Wir verlangen nur, daß oben innerhalb der weichen fügsamen len? Abstimmungen? Man kann in einen harten Willens- Deutschland jetzt ebensowenig wählen und Ihr Gewissen wird ihnen sagen, daß sie unsere jetzigen Grenzen aufrechterhalten| Masse auf durch ihr Ja zu Mitschuldigen eines furcht- bleiben<<.>> Wir wissen, daß der Anschluß kern stößt, der sich nicht zerbrechen läßt abstimmen, wie man in einem luftleeren baren Verbrechens am deutschen Volke heute unerreichbar ist, die Widerstände und der wächst! Wenn sich die beglük- Raum atmen kann! der ganzen Menschheit werden, Europas würden zu groß sein.<< Strese- kend Tatsache offenbart, daß es aber ihre Furcht wird ihnen zuflüstern, mann war im Verzichten lange nicht so Deutschland nicht nur Untertanen gibt, daß sie mit einem Nein das Verbrechen weit, als Hitler ihm drohte, er werde dafür sondern auch Rebellen und Revolutionäre! men wie er befiehlt. Aber wenn eines TaEs soll kein Wort gegen die armen Teu- ges dieses tollste Abenteuer der Weltgedoch nicht verhindern können und daß sie» totgeschlagen werden wie ein Hund<<. um ihrer selbst und ihrer Kinder willen das Weil Schacht Kredite braucht, redet fel gesagt werden, die am 19. August schichte, dieses Ueberkaisertum eines unaber wer in der Welt furchtbebend zum Wahllokal schleichen wissenden Hysterikers in Blut und Druck Ja aussprechen müssen, das ruchlose Gewalt ihnen erpreßt. soll den Beteuerungen eines Mannes Glau- und ihr Gewissen betäuben werden mit dem zusammenbricht, dann wird das Volk, wird ben schenken, der seine Freunde heute sei- Gedanken, sie hätten als gute Familien- die ganze Welt auf die Männer und Frauen ner unvergänglichen Dankbarkeit versi- väter gehandelt. Aber sie sind Objekt der blicken, die der Stimme der Furcht ihr Ohr chert und sie dann morgen meuchlings Weltgeschichte und werden es bleiben. Die verschlossen und der Stimme des GewisMänner und Frauen, die am 19. August der sens folgten. Geschichtliche Tat im Dienste Ja, wenn moralische Genugtuung genü- Stimme ihres Gewissens folgend, Nein der Menschheit bleibt ihr unbeugsa
und
an
Die Furcht hat hundert Gründe und darunter keinen, den man ganz widerlegen
-
kann. Der stärkste >> es wird ja doch nicht richtig gezählt!«< Hundert Leute, die mit Nein stimmten, können alle ihre Ar
Hitler Frieden
-
erschießen läßt?
in
beit verlieren, ins Konzentrationslager gen würde, dann hätten wir genug und sagen, leisten damit ihrem Volke und der mes Nein!
kommen und zusammengeprügelt werden, aber sie haben nicht einmal die Gewißheit, daß alle ihre Nein in der Wahlstatistik erscheinen werden, vielleicht werden es nur zwei Dutzend sein, vielleicht nur eines, vielleicht gar keines! Deutsche Wahlen und Abstimmungen waren einst die saubersten der Welt. Heute sind sie eine so verlumpte und verschmutzte An- Der holländische Gewerkschaftsfunktionär| breitung unter den deutschen Bergwerksar-| fällt, für strafbar zu erklären. Und im Falle gelegenheit, daß es auf eine Fälschung der und Sozialdemokrat Spansiev ist durch beitern des holländischen Kohlenbeckens be- Spansiev, wohl dem ersten praktischen AnZiffern schon gar nicht mehr ankommt. ein Hitler'sches„ Volksgericht"( in Wahrheit stimmt war), Die Fälschung beginnt doch schon damit, Standgericht) zu zwei Jahren Gefängnis verdaß man Menschen, deren empörtes Herz urteilt worden. Diese Verurteilung und mehr Nein und hundertmal Nein schreit, durch noch die Art, wie sie erfolgte, hat in Holland brutale Gewalt zwingt, mit der Hand einen weit über die Kreise der holländischen SozialJa- Zettel abzugeben. Warum soll man demokratie, ja bis in die Reihen der ausgedann nicht auch die Wahlstatistiker dazu sprochenen Rechten hinein heftigste Entzwingen, auch noch die Zahlen zu fäl- rüstung erregt.
schen?!
Da sich das ganze Verfahren hinter her
wendungsfall dieses strafrechtlichen Novums ein holländischer Sozialdemokrat auf dem Gebiete des internationalen Rechts, verbreitet diese Zeitschrift auf holländen Begriff des Landesverrats" gegenüber dischem Staatsgebiet, wird dann gele- einem im Ausland handelnden Ausländer notgentlich einr Reise nach Deutsch - dürftig zu untermauern, scheint die deutsche land verhaftet und wegen Landesver- Anklagebehörde zu der Konstruktion gegrifrat gegen das Dritte Reich vor ein Deut- fen zu haben; die von Spansiev verteilten sches Ausnahmegericht gestellt! Zeitungen seien zur späteren Verbreitung in Wir möchten einmal das Entrüstungsge- Deutschland bestimmt gewesen! Immerhin scheint die Staatsanwaltschaft Die Gründe der Furcht sind unwider- metisch verschlossenen Türen ab- schrei der gleichgeschalteten Presse hören, legbar. Es ist richtig, daß die Neinstim- gespielt hat, so kennt man auch jetzt noch wenn etwa einer ihrer Schreiberlinge wegen zu ihrer eigenen Argumentation kein großes men die Erhebung Hitlers zum Ueberkai- den Gegenstand der Anklage nicht ganz ge- fortgesetzter giftiger Ausfälle gegen das de- Vertrauen gehabt zu haben. Die Sache sollte Holländer mokratische System auf einer Reise durch erst als ,, einfacher Fall" vor das Landgericht ser von Deutschland nicht verhindern kön- nau. Jedenfalls wurde dem sie dem Deutschland Frankreich oder Belgien kurzerhand verhaf- Essen kommen, dann hat man ten, ja, daß sie nicht einmal in der Stati- Spansiev Landesverrat gegen auf holländitet und jahrelang eingesperrt würde! Reichsgericht überwiesen und schließstik vollzählig erscheinen werden. Die vorgeworfen, begangen Das Dritte Reich hat es durch seine be- lich so lange hinausgezögert, bis man sie vor die aus Furcht mit Ja stimmen, schem Gebiet durch Verbreiten der( inhaben recht Zeitschrift ,, Freie rüchtigte Notverordnung zum Schutze von das zuverlässige" neugeschaffene ,, Volksge- für heute! Aber die- zwischen eingegangenen) jenigen, die der Stimme ihres Gewissens Presse". Man stelle sich das vor: der Verlag Volk und Staat tatsächlich fertig gebracht, richt" bringen konnte, ein Gericht, das, wie folgend, mit Nein stimmen, mag da kom- der holländischen Sozialdemokratie gibt den im Ausland und von einem Auslän- das men was will, sie haben für morgen eine deutschsprachige, antifaschistische Zei- der begangenen ,, Landesverrat", worunter so neun Monate nach Spansievs Verhafrecht, und das ist das entschei- tung heraus( die zum großen Teil zur Ver- ziemlich jeder Zeitungsartikel gegen Hitler tung ins Leben gerufen war. Spanslev hat dende!
Leute,
Der 19. August ist der Tag der gro
-
Ben Charakterprüfung, die jeder Reichswehrschande.
liberale ,, Handelsblad" betont, erst
fast ein volles Jahr in Untersuchungshaft gesessen!
dem Mitarbeiter des>> Petit Journal< wirkt Das Verfahren bot keinerlei Rechtsgaranvor sich selber abzulegen hat. Wer sie um so widerwärtiger, als sie die Schmä- tien. Dem Angeklagten wurde die Zulassung besteht, der erhebt sich damit selber zu| hung eines toten Kameraden mit plumpen eines holländischen Verteidigers zum Termin Schmeicheleien für die französische Armee verweigert, er bekam einen Pflichtverteidiger, einem der Führer, die eines Tages an der verbindet. Wir bezweifeln, daß die fran- der erst sechs Tage vor dem VerhandlungsSpitze sein werden, wenn alles wieder an- des Ministeramts im Reichswehrministeders kommt und die Weltgeschichte das rium, hat es fertig gebracht, in einem Gezösische Armee Lobsprüche aus solchem termin Einsicht in die Akten erhielt. Am meisten ist die holländische Presse entgroße>> Kehrt!<< kommandiert. spräch mit einem französischen Journali- Munde als Ehre empfinden wird. Auch wenn man alles, was Reichenau rüstet über die Heimlichkeit des Verfahrens.
Er hat
Nie hat es eine Minderheit schwerer ge- sten seinen ehemaligen Vorgesetzten, Ge- dem toten Schleicher Uebles nachsagt, für„ Handelsblad" schrieb am Tage des Prozesses: habt als die heutige in Deutschland . Aber neral von Schleicher, einen» gebo- bare Münze nimmt, so ergeben sich für das nie auch war ihre Rolle ehrenvoller, nie renen Verschwörer<< zu nennen. konnte sie sicherer sein, daß sie eines Ta- damit und mit einer Reihe gewagter Beges als Mehrheit die Macht übernehmen hauptungen über die Tätigkeit Schleichers
wird.
Genugtuung an, ihr bliebe schon heute
,, Gerade weil es sich in diesem Falle um einen ausländischen Untertan handelt, den man auf Grund der Gesetze seines eigenen Landes sicher nicht des Landesverrates beschuldigen und ebensowenig im Wege der jetzt in Deutschland üblichen Prozeßart verurteilen könnte, würde die erste Forderung der Gerechtigkeit, daß das volle Licht der Oeffentlichkeit auf dies Verfahren fällt."
verübte Verbrechen keine Rechtfertigungsgründe, nicht einmal mildernde Umstände. Auch wenn Schleicher wirklich gehofft dessen ruchlose Ermordung zu rechtferhätte, mit Hilfe der SA wieder zur Macht Käme es ihr nur auf moralische tigen gesucht. zu kommen, und wenn er dabei wirklich Niemand konnte den General von Rei- auf Frankreich gerechnet hätte, so wäre nichts mehr zu wünschen übrig. Sie hat chenau zwingen, über die Abschlachtung das wahrlich noch kein Grund gewesen, ihn für den Fall eines nationalsozialistischen des Ehepaares Schleicher zu reden und und seine Frau hinterrücks abzuknallen. Sieges das Schlimmste prophezeit. Aber hätte er nur eine Spur von Herzenstakt Die französischen Leser hat Reichenau von wie Hitler das deutsche Volk in Grund und und echtem Nationalgefühl, so hätte er Schleichers Schuld bestimmt nicht über- daß holländische Journalisten, die am DonBoden regiert hat, das übertrifft auch über diese grauenhafte Angelegenheit we- zeugt. Er hat ihnen nur gezeigt, daß es nerstag, den 2. August zu der Verhandlung ihre kühnsten Erwartungen. Welcher nigstens geschwiegen. Die Unterredung deutsche Reichswehrgeneräle gibt, die die Zutritt zu erlangen suchten, die Auskunft eralte Sozialdemokrat könnte ein grimmiges des nationalsozialistischen Generals mit Gesinnung von Meuchelmördern haben.
Wie groß indessen die tatsächliche daraus hervor,
Heimlichtuerei war, geht
hielten: der Prozeß habe bereits am Mitt