Rücksicht genommen auf die Wiedereinschaltung von zwei Millionen Arbeitslosen In den Arbeitsprozeß. Diese Menschen bedürfen bei der Verrichtung körperlicher Arbeit natürlich einer größeren Fettzufuhr als im Ruhestand der Arbeitslosigkeit. Dem ist bisher in der Zwangsbewirtschaftung nicht Rechnung getragen worden, indem die Margarinekontingentierung nach wie vor 60 Prozent der Erzeugung beträgt. 4. Milch- und Eierversorgung. In der gleichen Richtung bringen die verordneten Maßnahmen auf den Gebieten der Milch- und Eierversorgung Unruhe in die Bevölkerung. Unter Zerschlagung vieler selbständiger Existenzen Ist auf den Gebieten der Milch- und Eierwirtschaft kein besserer Zustand eingetreten, sondern ein verschlechterter. Von der Preisseite ganz abgesehen, hat die Qualität der Milch stark nachgelassen, während die deutschen Eier nicht frisch genug auf den Markt kommen. Auch diese Zustände sind, besonders aus politischen Gründen, höchst unerfreulich. 5. Die schwierige Lage des Einzelhandels. Auch für den Lebensmitteleinzelhandel Wirkt sich der gegenwärtige Zustand äußerst unerfreulich aus, Indem sich z. B. der Unmut der Käuferschichten in der heftigsten Weise gegen den Einzelhändler richtet, der keine Margarine im Laden hat, während seine Konkurrenz vielleicht gerade zufällig mit Margarine besser versorgt Ist. Vielfach machen die Margarinefabriken die Belieferung mit Konsummargarine(zu 66 Pfg.) von der Abnahme teuerer Ware zu 98 und 110. Pfg. abhängig und werden in dieser Handhabung, wie Anfragen von Firmen ergeben, durch die Reichsfettstelle gedeckt. Die Folge ist eine Verschärfung der Unterbelieferung mit Konsummargarine in den Arbeiterbezirken, wo sie am notwendigsten wäre. Dazu kommt, daß der Einzelhändler vielfach In der Festpreiswirtschaft nicht auf seine Rechnung kommt. Die ihm gelassenen Gewinnspannen sind, z. T. auch durch gegenseitige Unterbietung, zu gering, um die Unkosten noch zu decken. Das gilt z. B. für Margarine, Eier, Büchsenmilch etc. Der Eiereinkauf erfolgt In geschlossenen Kisten, so daß die Ware unbesehen angenommen werden muß, während Reklamationen so gut wie un wirksam sind. Es besteht die Gefahr, daß der Einzelhandel den Verkauf von solchen Waren landwirtschaftlicher Erzeugung, an denen er seit der Einführung der Bewirtschaftung Verluste erleidet, überhaupt aufgibt. Die Regierung muß sich darüber klar sein, welch ein ungeheuerliches Maß von Unzufriedenheit und politischer Verbitterung dieser unhaltbare Zustand In der Bevölkerung, und gerade In den Arbeiterkreisen, die früher der marxistischen Partei anhingen, hervorruft. Die Devisennot dürfte in Zukunft ohnehin der Bevölkerung noch unvermeidliche Entbehrungen auferlegen, so daß vermeldbare Reibungen unbedingt ausgeschaltet werden sollten. E s gibt keinen,— wie auch Immer gearteten Grund, der die Beibehaltung dieser fortgesetzt beunruhigenden Zustände auf dem Lebensmittel- und Pettmarkt rechtfertigen könnte. (Es folgen ausführliche Darlegungen Uber die Maßnahmen, die nach Ansicht der Kammer zu ergreifen sind und die Im wesentlichen auf eine Lockerung der Zwangswirtschaft hinauslaufen. Red. d.»N. V.<) Im übrigen ist die Kaufkraft der Bevölkerung so empfindlich, daß die erhöhten Preise für Käse, Gemüsekonserven, Dauerwurst, Else b e n u. a. m. In unserem Verbrauchsgebiet bereits zu einer systematischen Absatzverminderung geführt haben und welter führen werden. Es zeigt sich Im Ruhrgebiet , daß die Umsatzsurame im Werte annähernd für die entsprechenden Artikel die gleiche geblieben Ist, daß aber die Umsatzmenge an Ware einen der Verteuerung entsprechenden Abfall erleidet. Diese Tatsache zeigt an, daß die Preise über das Kaufvsrmögen der Bevölkerung hinaus gespannt sind. Die Landwirtschaft kann aber kein Interesse daran haben, für die Einheit ihrer Erzeugnisse gesteigerte Preise zu erzielen und damit einen Teil ihrer Ware unabsetzbar zu machen. Wir erlebten z. B., daß Käse, der nicht abzusetzen war, schließlich zu Schleuderpreisen auf den Markt geworfen wurde. Andererseits berichten uns Einzelhandelsfirmen sowohl wie der Großhandel, daß auf Grund der von der zuständigen Fachscbaft festgesetzten Gemüsekonservenpreise so gut wie keine Abschlüsse für die nächste Ernte zustandegekommen sind, da der Handel befürchtet, die Ware zu den festgesetzten Preisen: nicht absetzen zu können. An diesem Zustand j Dynamit und Kleister Nichts ist unwahrscheinlicher als das Wirkliche. Während Frau Dollfuß und Frau Mussolini Arm in Arm in der Sommerfrische Spazierengehen und die kleinen Kinder des österreichischen Bundeskanzlers vor ihnen spielten, dringen in Wien Hitlers Kameraden in das Haus des Vaters, schlachten ihn ab, indem sie ihn anschießen und ohne ärztliche Hilfe verbluten lassen und verhandeln zwischendurch mit dem deutschen Gesandten Dr. Rieth über freien Abzug nach Deutschland . Der Duce, die fassungslose Witwe vor seinen Augen, rast, tobt, schäumt. Erst vor ein paar Wochen hat er diesen elenden Burschen bei sich gehabt, hat ihn gewarnt und ihm gedroht. Windelweich hat der Bursche alles versprochen, was von ihm verlangt wurde— und nichts von allem gehalten. Er hat die Sprengstoffattentate, mit denen seine Beauftragten seit Monaten gegen Oesterreich Krieg führen, nicht abgestoppt. Wollte er nicht oder konnte er nicht? Und jetzt, jetzt liegt der Freund, der gehorsamste Untertan Italiens , tot, abgeschlachtet wie ein Stück Vieh, und ihm, dem Duce, fällt die Aufgabe zu, die Frau des Ermordeten von dem Geschehenen zu unterrichten und, während sie zum Begräbnis nach Wien eilt, die vaterlosen Kinder in seine Obhut zu nehmen! Kann er sich mit dieser Rolle begnügen! Nein, kaum hat er der Witwe die Hand gereicht, kaum ist er nach Rom zurückgekehrt, so setzt sein Befehl den ganzen Apparat der Diktatur von der Presse bis zur Gebirgsartillerie in Bewegung. Die italienische Presse rast gegen Deutschland , die Militärzüge rollen an die Grenze. Nichts ist unwahrscheinlicher als das Wirkliche. Der regierende Schinderhannes von Deutschland , den schlotternde Angst befallen hat, schreibt einen offenen Brief an seinen Vizekanzler Franz von Pape n, Fordert ihn auf, die Vizekanzlerei sein zu lassen und als sein Bevollmächtigter nach Wien zu gehen. Er werde ihm— Neurath , wo bist du?— direkt unterstellt sein. Seine Aufgabe:„wena möglich zu einer Entspannung der Gesamtlage beizutragen, um insbesondere das seit langem Franz von Papens unmögliche Sendung getrübte Verhältnis zu dem deutschöster- keiner gefragt worden ist, so ist das ein reichischen Staat wieder in normale und Gegenbeweis gegen die weitverbreitete freundschaftliche Bahnen geleitet zu se- Meinung, durch den Kameradenmord vom hen".(Selbst die deutsche Sprache ist vor diesen Folterknechten nicht sicher!) Noch viel toller als der Stil ist die Sache. Als Witz wäre es freüich nicht so übel, den Papen zum Starhemberg zu schicken. Beide sind degenerierte Aristokraten, beide haben ein kleines Hirn und ein weites Gewissen, sie passen wirklich gut zusammen. Nur daß der Papen über eine diplomatische Vergangenheit verfügt, die dem Starhemberg fehlt. Peinlicherweise wurde er dabei betroffen, wie er als Attache der deutschen Botschaft in den Ver einigten Staaten die Sprengstoffattentate auf die amerikanischen Munitionsfabriken finanzierte. Jetzt soll der Sprengstoffattache von Washington als Verkleisterungs- gesandter nach Wien . Ob er überhaupt, bevor der Brief an ihn veröffentlicht wurde, gefragt worden ist? Wahrscheinlich nein! Aber schließlich wird auch einem Vizekanzler des Dritten Reiches die Beförderung nach Wien lieber sein als die Beförderung ins Jenseits. Man hat seine Mitarbeiter umgelegt, seine Amtsräume besetzt, der Reichspräsident, der Reichswehrminister, das gesamte Kabinett und der Reichstag — Hände hoch, sonst wird geschossen!— haben alle Maßnahmen gegen ihn gebilligt, ein Wunder überhaupt, daß er noch nicht das Schicksal seines Freundes Schleicher erlitten hat! Kann er nicht froh sein, wenn es ihm gelingt, lebendig nach Wien zu kommen? Das Tollste: man hat den Brief an Papen veröffentlicht, ohne sich zuvor der Zustimmung Wiens versichert zu haben. Auf ihrer kopflosen Flucht haben die Verbrecher ihr diplomatisches Handwerkszeug verloren. Sie begehen Schnitzer, die selbst dem Anfänger der Außenpolitik nicht passieren dürfen. Jeder Geheimrat im Aus wärtigen Amt hätte ihnen sagen können, daß man nicht öffentlich die Absicht ankündigt, das Agrement nachzusuchen, sondern daß man erst sondiert. Wenn sich kein Sachverständiger gemeldet hat und 30. Juni sei das Berufsdiplomatentum des Auswärtigen Amts wieder zur Geltung gelangt Wäre jene Meinung richtig, so wäre es ja auch unmöglich, daß Hitler Spezial- gesandte ernennt, die nicht dem Außenminister, sondern ihm direkt unterstellt sind. Hitlers Brief an Papen beweist, daß das Außenamt funktionsunfähig ist und daß unabhängig von ihm geisteskranke Verbrecher die deutsche Außenpolitik kommandieren. Das Ergebnis ist ja auch danach. Ein Bündnis mit Hitler und der Anschluß Oesterreichs waren beabsichtigt. Aber an keinem Tage der 14 Jahre deutscher Re publik war man dem Anschluß so fern und dem Krieg mit Italien so nahe wie in der Zeit seit Hitlers Machtergreifung. Man ist allen Regierungen der Welt nachgelaufen wie ein läufiger Hund der Hündin, man hat sich dafür überall Fußtritte geholt Das nationalsozialistische Dynamit hat alle Grundlagen der deutschen Außenpolitik zerstört, und weder Neurath noch Papen können sie mit ihrem Kleister wieder herstellen. Oesterreich, das vor der Hitlerzeit mit dem Herzen bei Deutschland war, ist ganz und gar verloren. Den Korridor und Oberschlesien rettet kein Gott für Deutschland zurück, seit eine angeblich „nationale Regierung" für zunächst zehn Jahre feierlich und förmlich auf sie verzichtet hat. Das gute Verhältnis zu Italien , das die Republik pflegte, hat sich in kochenden Haß verwandelt, die Verbindung zu Sowjetrußland ist in die Luft gesprengt Es ist wieder wie vor zwanzig Jahren, als der Londoner „Daily Telegraph " das Wort vom tollen Hund Europas prägte, der niedergeschlagen werden müsse. Nur mit einem Unterschied, damals achtete man Deutschland noch als Feind. Jetzt ist auch diese Achtung zum Teufel, Verachtung und Ekel sind an ihre Stelle getreten. Wer rettet Deutschland ? Papen in Wien !!?? Deutsdilands neue Stfaatsform Die plebiszltäre Diktatur— die totale Despotie Der Meinung, durch den Tod Hinden- burgs habe sich in Deutschland eigentlich nichts geändert, kann der Staatsrechtslehrer nicht zustimmen. Er findet vielmehr, daß Deutschland Infolge dieses Ereignisses aus einem undefinierbaren Zustand in einen definierbaren hinübergewechselt ist. Der jetzt vorläufig abgeschlossene Weg führt von der demokratischen Republik durch ein verfassungsrechtliches Chaos zur plebiszitären Diktatur, die durch den Akt des 19. August Ihre Vollendung erfährt. Das Wort Vollendung ist nicht so aufzufassen, als ob sich am 19. August erst entscheiden sollte, ob die neue Staatsform in Kraft treten soll oder nicht Sie ist bereits in Kraft getreten, wie Hitler in seinem Brief an Frick ganz richtig bemerkt hat. Der Akt des 19. August hat nur den Zweck, zu beweisen, daß die Diktatur tatsächlich wirksam und imstande ist unbeschränkte Macht auszuüben. Dieser Beweis wird durch das Ereignis der Stimmzettelzählung erbracht werden. Der Artikel 1 der Verfassung von Weimar lautet: Das Deutsche Reich ist eine Republik . Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Der erste Satz müßte jetzt lauten: „Das Deutsche Reich Ist eine plebiszitäre Dikatur." Aber der zweite? Hitler selbst will ihn bestehen lassen, er bat sich im Gespräch mit Ward Price von der„Daily Mail" ausdrücklich zu ihm bekannt. Hier muß man— darf man, weil man sich Im Auslande befindet— ihm widersprechen. Herr über die Logik ist Hitler noch nicht. Es ist unlogisch zu behaupten, daß jetzt noch in Deutschland die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, auch am 19. August ist das Volk nicht mehr das Subjekt der Staatsgewalt, sondern nur noch ihr Objekt. Ja, man kann sagen, daß ein Volk im Sinne der Verfassung von Weimar in Deutschland überhaupt nicht mehr besteht, denn dieses Volk war gedacht als die Summe freier und nach freier Ueberlegung ihr Schicksal selbst bestimmender Staatsbürger. An seine Stelle der völligen Unsicherheit hat der iandwlrt- achaftllche Erzeuger nicht das geringste Interesse. Im Gegenteil, es können Ihm daraus schwere Enttäuschungen im Absatz der nächsten Gemüseemte erwachsen. Wir bitten die Relchsreglerung, diese von uns vorgetragenen Gedankengänge so ernst wie möglich zu nehmen and unter allen Umständen dafür zu sorgen, daß die Quellen der Beunruhigung und damit die unsozialen Härten endlich beseitigt werden. Hamens der Industrie- und Handelskammern zu Arnsberg , Bochum , Dortmund , Hagen und Siegen sowie der Handwerkskammern zu Arnberg und Dortmund die Arbeitsgemeinschaft der westfälischen Industrie-, Handels- und Handwerkskammern: gez.: H. Flottmann, gez. Bomemann, Präsident. Geschäftsführer. « Der Eingabe der Handelskammern ist eine umfangreiche Tabelle beigegeben, die die Preisbewegung der wichtigsten Lebensmittel von Neujahr 19S3 bis zum Mal 1934 darstellt. Danach sind gestiegen: Käse(verschiedene Sorten) um 11.1 bis 37.9 v. H. Marmelade(verschiedene Sorten) um 13.1 bis 31.4 v. H. Würste um 26.8 bis 33.3 v. H. Seife um 18.6 bis 28.6 v. H. Gemüsekonserven um 10.8 bis 29 v. H. Haferflocken um 3.8 v. H. Graupen um 8.6 v. H. Bohnen(billigste) um 34.3 v. H. Bücklinge um 66.6 v. H., Kabeljau um 50 v. H., Bratschellfisch um 50 v. H. Gel(Soja) 138.2 v. H. Butter um 36.2, Schmalz um 57.7 v. H., Margarine um 182 v. H., Kokosfett um 12.2 v. H., Speck um 46.2 v. H., Eier um 39.3 v. H. ist jetzt eine Masse getreten, die jeder Möglichkeit eigener Urteüsbildung beraubt ist und ihr erteilte Befehle ausführt. Der einzige Wille, der noch gilt, ist der Wille Hitlers . In ihm vereinigt sich die Macht des Reichspräsidenten , des Reichskanzlers, des Reichskabinetts, des Reichstages, der Länderregierungen, der Selbstverwaltung und der Gerichte. Er ist Inhaber der gesamten gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt und oberster Richter mit dem Recht— schon der 30. Juni bat es gezeigt!—, jeden seiner Untertanen ohne Verfahren und Urteil hinrichten zu lassen. Was ist heute in Deutschland Verfassung? Was Hitler heute will! Was wird morgen in Deutschland Verfassung sein? Was Hitler morgen wollen wird! Ist das ein Spaß? Nein, das ist die klare staatsrechtliche Wirklichkeit! Nachdem der Reichstag seine Rechte dem Reichskahinett übertragen hat, hat das Kabinett das Recht, auch die Verfassung zu ändern. Nun hat aber Hitler das Recht, die Minister zu ernennen, Er kann jeden Tag seine Minister entlasseni und sie müssen ihm noch dankbar seiDi wenn er sie nicht in das Konzentrationslager oder auf den Sandhaufen schickt- Das gegenwärtige Kabinett hat die Erschießung seines Kollegen Röhm, des ehe- maligen Reichskanzlers von Schleicher und der ungezählten anderen Opfer des groß60 Kameradenmordes gebilligt. Es gibt nichts. was dieses Kabinett nicht billigen wird! Hitler hat den Oberbefehl über die ge* samte Wehrmacht des Reiches. Sein Will® lenkt alle Kanonen, Maschinengewehre. Flinten, Revolver und Handgranaten, di® es in Deutschland gibt. Daß eines oder das andere dieser Dinger nach der veI" kehrten Seite losgehen könnte, ist in deö1 System der plebiszitären Diktatr nicht vorgesehen. Ein solcher Zwischenfall könnt® allerdings auch dem Lauf der Dinge ein® ganz andere Richtimg geben. Indes wollen
Ausgabe
2 (19.8.1934) 62
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